Das liebe Geld
Seit 5 Jahren nun, darf ich die Schweiz als meine Wahlheimat betiteln. Der Liebe wegen habe ich Deutschland verlassen und so musste ich natürlich neben Job und Familie auch meinen Freundeskreis zurücklassen - oder besser gesagt nun aus der Ferne pflegen. Da dies wohl nicht mehr ganz so einfach ist im Erwachsenenalter und sich Freundschaften nicht wie von selbst wie zu Schulzeiten ergeben (und ich bin auch eher der introvertierte Typ), kam es dazu, dass einer meiner Bürokollegen zu meinem besten Freund wurde.
Auf den ersten Blick vielleicht etwas speziell - ich als Frau Ende 20 und er der Single-Mann, der nur noch wenige Jahre bis zu seiner Pensionierung zählt. So oder so lagen wir immer auf einer Wellenlänge und glaubt mir, ich würde ihm genauso all meine Geheimnisse mit allen Details anvertrauen wie ich es auch bei einer Altersgenossin tun würde.
Seit einiger Zeit hat er wieder eine Partnerin an seiner Seite. Sie hat einige Jahre als Filialleiterin in einer Parfümerie gearbeitet und ein entsprechendes Faible für Düfte. So kam es, dass sie für ihn einen bestimmten Duft im Kopf hatte, den sie ihm auch gleich beim nächsten Geburtstag schenkte. Der Freund erzählte mir dann, dass dass er noch nie einen so - und ich zitiere hier wortwörtlich - "exorbitant teuren" Duft besessen hätte. Was will man nun verstehen unter einem solch exorbitant teuren Duft.... spontan hatte ich einen L`Art & La Matière von Guerlain im Kopf, irgendwas von einigen Euro/CHF pro Milliliter.... einen XerJoff vielleicht noch oder das was man in unseren Kreisen vielleicht sonst so noch als teuer erachten könnte. Neugierig erkundigte ich mich nach dem Namen dieses Parfüms. Es war AQVA pour Homme, ein Eau de Toilette von BVLGARI. Das entspricht je nach Angebot und Flakon einem Milliliterpreis von 1-1,30 Euro/CHF. Einige von euch werden nun lachen, denn ein gewisses Schmunzeln konnte auch ich mir danach nicht verkneifen. "Das ist doch ein ziemlich normaler Preis für ein Parfüm" (in der Welt für Nicht-Duftbegeisterte) entgegnete ich. Sei es wie es sei - dieser Duft ist nun sein Schatz und wird nur am Wochenende und zu besonderen Anlässen getragen.
Aber nun kommt die Pointe: die 10'000 CHF, die er für sein Fahrrad ausgegeben hat - und wir reden nicht von einem E-Bike - weil er hobbymässig gerne Trails fährt, empfinde ICH als exorbitante Summe. Was ich damit sagen will: Hobby ist Hobby und bringt uns kein Geld ein sondern kostet welches. Jeder hat seine Prioritäten an ganz anderen Orten und man mag den Kopf darüber schütteln, welch Vermögen ein anderer in einen bestimmten Bereich steckt. Feiern wir unsere Leidenschaft - jeder eine andere.
Und er meinte daraufhin, dass sich ja bei mir die Relationen ganz schön verschoben haben.
Heute ist ein Duft für 80 € fast ein Schnäppchen.
Exorbitant teuer bedeutet für mich: Clive Christian, Roja, Fragrance Du Bois.
Dein Beitrag hat mir dennoch gut gefallen und ist auf jeden Fall gut geschrieben 👍
Ich glaube, ganz viele haben hier mit der Einstellung angefangen, dass 1,- pro ml schon RECHT teuer sei. Ich auch. Als ich zum ersten Mal 3,- pro ml zahlen musste, hab ich mich so dekadent gefühlt und fast geschämt. Inzwischen hat sich meine Vorstellung von Preis und Leistung etwas relativiert. 3,- und mehr pro ml finde ich immer noch sehr teuer, aber lang nicht mehr so krass und durchgeknallt wie am Anfang...
Ich kauf jetzt tatsächlich auch weniger sinnlosen Kram. Dann lieber einen wirklich schönen Duft 🤗
durch die Vernunft existiert er bloß. (Nicolas Chamfort)
Feiern wir also unsere Leidenschaften!
Eine Leidenschaft und unnütze Gegenstände des Spaßes willen zu kaufen sind auch zwei unterschiedliche Sachen!
Kochen, Reisen, Malen, und Tausende andere Sachen, das sind Leidenschaften, die zwar auch irgendwo finanziert werden müssen, aber eher als Nebeneffekt und nicht Sinn und Zweck’