Interview mit Gilles Thevenin von Lubin

Wer im Hause Lubin ist eigentlich für den Einkauf der Duftstoffe verantwortlich?

Unsere Parfumeure sind freiberufliche Künstler, die die Rohstoffe, welche sie verwenden wollen, selbst wählen. Manchmal kann es jedoch nötig sein, dass Lubin einen besonderen Rohstoff, der äußerst selten oder sehr teuer ist, vorfinanziert.

Haben Ihre freien Parfümeure in Bezug auf Qualität und Herkunft der Duftstoffe gewisse Auflagen oder dürfen sie diese frei wählen?

Unseren Parfumeuren geben wir freie Hand bezüglich Qualität und Herkunft der Duftstoffe. Es entspricht aber unserem Grundprinzip, bei der Herstellung immer mit der bestmöglichen Qualität zu arbeiten.

Der Preis einer Komposition wird aus diesem Grund erst im Nachhinein kalkuliert, so wie es schon früher bei den großen Häusern der Fall war. Wenn dies wirklich einmal ausgesprochen teuer wird, wie zum Beispiel bei den drei neuen Düften Akkad, Korrigan und Galaad, müssen wir auch den Preis erhöhen und dementsprechend werden auch weniger Flakons hergestellt. Wird er zu teuer, können sich in der Regel auch weniger Leute den Duft leisten, wobei das aber auch nicht immer unbedingt stimmen muss. Der Parfumeur bzw. die Parfumeurin schlägt nie etwas vor, woran er bzw. sie nicht selbst glaubt. So lautet eine Regel bei freiberuflichen Parfum-Gestaltern, denn sie wollen ihre künstlerische Freiheit behalten, keine Sklaven der Finanzabteilung werden oder von der Marke selbst abhängig sein.

Angenommen ein Parfumeur verwendet Vetiver oder Patchouli aus einer ganz bestimmten Region für seinen Entwurf, weil der Duftstoff genau den Charakter hat, den er sucht, dieser aber teurer ist oder weit schwieriger zu beschaffen. Kommt es dabei zu Konflikten zwischen Ihnen und dem freien Parfumeur bei den Qualitätsvorstellungen bezüglich der Rohstoffe auf der einen und den betriebswirtschaftlichen und logistischen Zwängen auf der anderen Seite?

Wir entscheiden in solchen Fällen gemeinsam. Es wird oft lange diskutiert, aber im Endeffekt möchte ich dem Parfumeur keinerlei Zwang auferlegen: Wir arbeiten zwar alle frei und unabhängig voneinander, doch unsere Zusammenarbeit soll uns auch Spaß machen. Ich würde nie eine Kreation aufgrund einer Kostenfrage behindern. Das Ziel von Lubin ist es nicht, ein Riesenkonzern zu werden, sondern als das beste oder zumindest eines der besten Parfumhäuser zu gelten. Wir alle möchten auf unsere Kreationen stolz sein können.

Gibt es Duftstoffe großer Hersteller, wie beispielsweise Symrise, Givaudan usw., an die Sie als unabhängiges Haus nicht herankommen?

Ja, diese nennt man „Les Captifs“, das könnte man übersetzen mit „die Gefangenen“. Manchmal besteht erst nach ein paar Jahren die Möglichkeit, diese zu kaufen.

Es gibt aber auch bei kleineren Häusern Exklusivität in Bezug auf bestimmte Duftstoffe (einer davon befindet sich übrigens in Galaad). Manche davon sind natürliche Rohstoffe, andere hingegen synthetisch hergestellt, wobei auch so manches synthetische Produkt extrem teuer sein kann.

In welchem Verhältnis stehen Sie heute zu Ihren bisherigen beruflichen Stationen bei Rochas und Guerlain?

Der Guerlain-Familie, die mir alles beigebracht hat, werde ich immer treu sein. Zu Thierry Wasser, dem heutigen Chefparfumeur von Guerlain, habe ich ein sehr gutes Verhältnis. Er ist ein wirklich sehr guter und tüchtiger Parfumeur. Er ist übrigens auch sehr engagiert bezüglich der Verteidigung der natürlichen Rohstoffe gegen die dumme europäische Gesetzgebung. Zu Rochas selbst habe ich kein Verhältnis mehr, aber zu meinen ehemaligen Kollegen von Rochas schon.

Wie sind Sie mit der bisherigen Entwicklung von Lubin seit Ihrer Übernahme im Jahre 2004 zufrieden?

Der Crash im Oktober 2009 zwang uns zunächst in die Knie, aber seit 2010 läuft es wieder hervorragend. Der Umsatz steigt seit 2010 im Durchschnitt um 45-50% jährlich, Lubin geht es also gut.

Welche Ziele haben Sie sich für dieses bzw. für die kommenden Jahre gesetzt?

Ich habe mehrere schöne Düfte in Vorbereitung, diese sind noch nicht ganz fertig, ich arbeite daran Tag und Nacht. Zudem möchte die weitere internationale Entwicklung von Lubin sicherstellen, besonders in Amerika und im deutschsprachigen Raum, hier vor allem auch, weil ich die deutsche Kultur sehr schätze.

Wie stehen Sie zu einer politischen Lobbyarbeit seitens der kleinen Parfummarken, als eventuelles Gegengewicht zur IFRA, die man wohl als von den großen Aromaherstellern dominiert ansehen muss? Gibt es dazu Ansätze für eine Interessenvertretung kleinerer, unabhängiger Häuser?

Nicht nur die kleinen Parfummarken werden sich einsetzen: Guerlain, Chanel, Dior, und Hermès besitzen zum Beispiel hochwertige Formeln, die sie verteidigen müssen und sicher auch werden. Europa ist in dieser ganzen Angelegenheit zu weit gegangen. Europa wird leider von Lobbyisten dominiert. Diejenigen, die man anklagen sollte, sind aber nicht die Lobbyisten: die machen nur die Arbeit, für die, die sie bezahlen. Die Schuldigen sind die Politiker in der Führung von Europa, die akzeptiert haben, dass sie von Lobbyisten und Beamten ersetzt werden. Diese haben ihre Rolle vergessen, und ihre Pflicht vernachlässigt.

Könnten Sie sich sogar zum Thema IFRA-Regulierungen eine Zusammenarbeit mit Endverbrauchern vorstellen, z.B. in Gestalt eventueller Parfumforen?

Meiner Meinung nach sollten die Endverbraucher Ihre Meinung dazu äußern - sie sind schließlich die, die dafür bezahlen, ob als Konsumenten oder auch als Wähler. Die Politiker sollten sich daran erinnern, dass Europa eine Demokratie ist, und dass ihre Staatsbürger auch eine Meinung haben, und diese äußern dürfen, nicht nur die großen Konzerne.

Können Sie uns erklären, warum mancher Duft schneller kippt als andere? Ist diese längere Haltbarkeit (gemeint ist nicht auf der Haut, sondern im Flakon) ein Qualitätsmerkmal, oder gibt es bestimmte Rohstoffe, die ein sehr begrenztes Mindesthaltbarkeitsdatum aufweisen, also Düfte bei deren Entwicklung schon klar ist, dass sie nie umkippen, also über Vintage-Potential verfügen? Auf den ersten Blick sieht es nämlich so aus, als ob Promi - bzw. generell günstigere Düfte schneller kippen als Edelmarken, aber stimmt dies wirklich?

Manche Düfte kippen schneller als andere, meistens weil bestimmte Rohstoffe „zerbrechlicher“ sind als andere. Das liegt meistens an der Komposition. Das erste Idole von Lubin aus dem Jahre 1962 zum Beispiel war ein Flop, weil es zu schnell kippte. Es konnte beispielsweise nicht verschickt werden, ohne dass es kippte. Trotzdem war das ein sehr edler Duft mit erstklassigen Rohstoffen.

Es lag an den Rohstoffen selbst und an deren Kombination. Jetzt wird dies alles vorher getestet: Wärme, Kälte, Temperaturunterschiede generell und natürlich der Einfluss von Licht. Das alles kostet natürlich auch Geld. Wenn ein Duft zu fragil ist, verwendet man Antioxidantien und Lichtfilter. Das wird dann auf der Verpackung gekennzeichnet.

Ein Duft sollte unter guten Lagerbedingungen mindestens 5 bis 7 Jahre halten, ohne dabei zu kippen. Ideal wäre beispielsweise ein Keller bei etwa 12 Grad, dunkel, trocken und in einer dichten Flasche, in die also keine Luft eindringen kann. Wenn diese zudem nicht bewegt wird, hält er sogar noch wesentlich länger. Ein Duft würde niemals kippen, befände er sich in einem Vakuum. Günstigere Düfte können durchaus auch von guter Qualität sein. Günstigere Rohstoffe sind nicht immer grundsätzlich schlecht. Lieferanten von günstigeren Marken verfügen nur nicht über die gleichen Rohstoffe wie teurere Marken, weil sie natürlich ihre Herstellungskosten begrenzen müssen. Die Qualität ist dabei subjektiv. Die einzige Frage die man sich stellen sollte, lautet: riecht er gut oder eben nicht?

Unter Umständen wäre es doch eine Überlegung kippsicherere Düfte mit einem entsprechenden Hinweis zu versehen, da gerade diese durch eventuell hochwertigere Duftstoffe durchaus teurer sein können.

Langfristig ist kein Duft kippsicher! Manche halten eben nur länger.

Verraten Sie uns noch Ihren ganz persönlichen Lieblingsduft und Duftstoff und vor allem, was Sie daran besonders gern haben?

Meine Lieblingsdüfte anderer Marken, sind sehr klassisch:

Chanel N°19 und Chanel Bois des Iles, L’Heure Bleue, Mouchoir de Monsieur und Nahema von Guerlain, Aromatics Elixir von Clinique, Armani pour Homme und Eau Sauvage von Dior, Eau du Soir von Sisley, und noch viele andere! Und natürlich alle Düfte von Lubin, besonders wenn sie von der richtigen Person benutzt werden.

Wir bedanken uns bei Caballero für die Durchführung des Interviews und JOE für die textliche Überarbeitung

Aktualisiert am 06.09.2022 - 11:52 Uhr
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