Parma

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16 - 20 von 260
Parma vor 2 Jahren 15 11
6
Flakon
5
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Cool down! – Krautig-grasige Minze mit Fougère-Touch
Reine Minzdüfte sind ja immer so eine Sache. Schnell sind Assoziationen zu Zahnpasta, Mundwasser, Bronchialsalben, Kaugummi etc. gezogen. Ihr sehr eigenständig schneidend-frisches, mentholiges und dazu dominantes Geruchsprofil machen sie nicht immer einfach im Umgang. Zügelung bei gleichzeitig aufrecht zu erhaltender Authentizität und Vermeidung von extremer Kurzlebigkeit ist hier das Motto. Cleaner Moschus zur Verlängerung ein Wahl der Mittel, aber immer die „Gefahr“ der späteren Übernahme, artfremden Künstlichkeit (EldOs ‚You or someone like You‘ als Beispiel), pudriger Aufweichung (Agonists ‚Blue North') und dergleichen bergend. Ebenso kann eine leichte Überbetonung der süßen Facetten passieren (wie aus meiner Sicht bei Humiecki & Graefs ‚Eau Radieuse'). Oder die Beimischung anderer Bestandteile, die den reinen Minzeindruck beeinträchtigen, wie z.B. in Frédéric Malles ‚Geranium pour Monsieur‘ – Moschus und Weihrauch, Diptyques ‚Eau de Minthé‘ – Fougèreakkord, Guerlains 'Guerlain Homme' – Mojito-Akkord oder Bijons ‚Menthe Froide‘ – Lavendel. Grüne Töne scheinen daher eine naheliegende Lösung zu sein. Ausgerechnet Comme de Garçon hat das schon einmal eindrucksvoll umgesetzt. Nämlich mit ‚Play Green' (Gras und Basilikum).

Der neun Jahre früher erschienene und mittlerweile seit Jahren eingestellte ‚Peppermint‘ aus der interessanten 5er-Sherbet-Serie beschreitet ähnliche Wege, nuanciert jedoch anders. Er ist im Vergleich zum glatten, massenkompatibleren ‚Play Green' ein bisschen rauer angelegt. Das zeigt sich nach einer extrem frischen, mentholigen - und die Haut kühlenden - Minzeröffnung (am ehesten Richtung Spearmint - Krauseminze - gehend und an Kaugummi erinnernd) durch den Einsatz von grasigen und krautigen Elementen, die schnell den Lebensmitteleindruck verfliegen lassen und - nach einer kurzzeitig medizinisch-sterilen Phase - eher Eigenschaften der Pfefferminze (aus dem Garten) akzentuieren, was von Duchaufour eventuell mit Hilfe des markentypischen CdG-Pfeffers erzielt wird. Insofern kann man hier über ein bewusst mehrdeutiges Namensspiel spekulieren. Die grasig-krautigen Facetten wirken dabei auf meiner Haut wie von der Sonne getrocknet und angedeutet heuartig. Mit dezent rauchigen Einlassungen. Das verleiht der Minze eine leicht angeraute Textur. Und dem sauberen Duftprofil eine dezente Kante. Auf dem Teststreifen und in der Abstrahlung bleibt der Eindruck allerdings deutlich cleaner und etwas weicher. Dafür sorgt vor allem ein sich zunehmend stärker entfaltender, dezent seidig-seifiger, weißer Moschus. Recht dicht und gleichzeitig schlank erscheinend ist er wunderbar in die Minze hineinverschliert. Einziger Wermutstropfen ist dabei, dass er seine synthetische Herkunft nicht ganz verleugnen kann. Da er später (fast) gleichberechtigt neben der Minze steht, überwiegt mir sein künstlich-sauberer Vibe etwas zu stark. Im Zusammenspiel mit den grasig-krautig-heuartigen Nuancen und einer zarten (Cumarin?-)Süße entsteht daraus in meiner Nase der Ansatz eines Fougèregefühls. So verbleibt der Duft dann. Er verströmt eine sehr angenehme, gepflegte Aromatik, weist in traditionelle Gefilde und ist leicht männlich ausgerichtet - wenn man in Schubladen denken will. Einfach, aber mit schönen Schattierungen und feiner Markanz, nur der leicht synthetische Eindruck stört mich ein wenig.

Die Sillage und Abstrahlung sind dabei sehr überschaubar. Im Prinzip ist er bis auf die ersten Minuten ein Skinscent, außer man sprüht großzügig und zusätzlich auf Textilien. Ein Überdosieren ist aus meiner Sicht aufgrund seiner Zurückhaltung nicht möglich. Die Haltbarkeit empfinde ich im Gegensatz zu vielen Bewertungen hier als sehr gut. Ein Arbeitstag und mehr sind möglich. Ideal für den Einsatz im Sommer, da seine Frische durchdringend ist.

Alles in allem eine mich in weiten Teilen überzeugende Umsetzung eines grünen Minzdufts, die sich jedoch ebenfalls nicht ganz von einigen der oben angedeuteten Interferenzen frei machen kann und somit ‚Play Green' in dieser Kategorie keine Konkurrenz macht. Dennoch ist er mir wegen seiner etwas herberen Anlage mittlerweile etwas mehr ans Herz gewachsen als jener.
11 Antworten
Parma vor 2 Jahren 16 12
9
Flakon
5
Sillage
6
Haltbarkeit
8.5
Duft
Schönheit in Einfachheit
So geht es mir bei Parfums oft. Die Konzentration auf einen Inhaltsstoff übt auf mich eine besondere Faszination aus.

Hier ist es die Rose.

Nun gibt es natürlich wahnsinnig viele Rosen-Soliflore, so dass die Konkurrenz groß ist. Aber es gibt einzelne, die aufgrund bestimmter Akzentuierungen herausstechen.

Bei diesem sind es zwei. Sein Naturalismus und seine leicht angeschickerte Fruchtigkeit.

Die Parfümeurin Matilde Laurent bezeichnet ihr Eau de Parfum als ‚Punk Rose‘. Als wild und unangepasst. Ich vermute, woran sie das festmacht. Es ist diese leicht spezielle Fruchtnote. Für mich hat es allerdings nichts rebellisches an sich. Dazu ist die Hauptdarstellerin viel zu traditionell ausgerichtet. Der Fruchtakzent verleiht ihr jedoch einen ungewöhnlichen Twist.

Er erinnert mich nämlich an eine Birne, ähnlich der in Jo Malones ‚Pear & Freesia‘. Hell, säuerlich-fruchtig und nur dezent gesüßt. Das schenkt dem Duft etwas viriles und leicht frisches. Unterstützt wird dieser Eindruck durch ein Prickeln - sekt- bzw. champagnergleich -, welches wahrscheinlich auf die Kombination von Aldehyden und einer zarten, würzigen Pfeffrigkeit zurückzuführen ist. Vom Charakter her geht er in Richtung eines ‚La Fille de Berlin‘, also schon etwas unkonventionell veranlagt, aber deutlich reservierter, schlanker und weniger süß. Der Lutens-Duft wirkt frecher, weil ausdrucksstärker in seinen Kontrasten.

Beide verbindet eine eher dunkelrote Protagonistin, mehr Damaszener- als Mairose, die jedoch nicht fleischig und samtig interpretiert ist, sondern prickelnd-fruchtigsäuerlich, dezent grün und leicht boozy. Das spricht für ein ausgewogenes Verhältnis von Rosenessenz (pfeffrig, lebendig) und Rosenabsolue (blumig, fruchtig, gedämpft). Sowie sicherlich einen guten Anteil Geraniol, der etwas zitrisch-säuerlich-grünes beifügt und evtl. den Birneneindruck mit hervorruft. Beim Cartier wird dieser Charakter sehr linear durchgehalten und noch versetzt mit einer hauchzarten Wächsernheit, während der süßere und kräftigere Lutens-Duft im Verlauf seine Dichte und Fruchtsüße noch verstärkt. L‘Heure Osée (= die gewagte Stunde) bleibt näher an einer natürlichen Rose. Im Prinzip ist es eine sehr elegante, erwachsene Variante, wie man sie aus Düften der 80er kennt, zum Beispiel Laura Ashleys wunderbarem ‚No.1‘ (in der 89er-Version, nicht der verunglückten 2012er), allerdings ohne Beiwerk. Man könnte zu recht anmerken, dass ihr dadurch etwas Pfiff fehlt und sie etwas eintönig wirkt, allerdings verleihen ihr die birnenähnliche Frische und das sektartige Prickeln aus meiner Sicht genügend Besonder- und innere Bewegungsfreiheit. Mir wird sie zumindest nicht langweilig. Insgesamt ist sie ein sehr wertiger, feiner, zeitloser Rosen-Soliflor, der in die vollere, dunkle Richtung tendiert, durch die überzeugende Komposition aber angenehm locker gehalten wird.

Haltbarkeit und Sillage sind dazu passend vornehm zurückhaltend, was für die meisten Düfte aus der Les Heures de Parfum-Reihe gilt. Es sind überwiegend zarte Geschöpfe.

Da ich diese Anlage von Düften beim eigenen Tragen schätze, bezieht sich meine einzige Kritik - wie bei den Exklusiv-Düften von Cartier generell - auf den Preis. Mir ist das trotz aller Qualität (Inhaltsstoffe, Fein- und Ausgewogenheit der Komposition, Natürlichkeit) zu viel. Aber wenn einen ein Duft außergewöhnlich fasziniert, relativiert sich vieles.

Anmerkung:
L‘Heure Osée ist übrigens seit sechs Jahren wieder der erste Duft, der in der Les Heures-Reihe veröffentlicht wurde und der zweite in den letzten zehn Jahren. Das spricht eventuell für die Sorgfalt, die in die Entwicklung dieses Dufts investiert wurde. Eher eine Rarität in der heutzutage überproduzierenden Parfumwelt.
12 Antworten
Parma vor 2 Jahren 12 10
6
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Lindenblüte
Ciel d‘Opale ist ein wunderschönes Lindenblütenparfum. Ein Duft in hellem Okker. Eine leicht bittere Fruchtigkeit (Quitte), ein wächsern-blumiges Herz und eine honighafte Amberwärme (in einer Mischung ihrer mineralischen und weichen Facetten) rufen bei mir den Eindruck einer Lindenblüte hervor. Eine fast glatte Oberfläche, unter der ein warmer Kern strahlt.

Bevor ich noch etwas genauer auf die Duftentwicklung eingehe, ein kurzer Einschub zur Marke:

Ann Gérard ist eine ehemalige Pariser Schmuckdesignerin, die ausschließlich mit Edelsteinen arbeitete, und in den Jahren 2012 – 2014 vier Düfte veröffentlichte, für die sie den befreundeten Betrand Duchaufour gewinnen konnte. Ihr Ziel war es, die Eleganz ihres Arbeitsmaterials in Duftsprache zu übersetzen. Alle vier haben im Titel deshalb einen Bezug zu bestimmten Edelsteinen bzw. ihrem Herstellungsprozess. Ich kenne drei ihrer Kreationen und kann bestätigen, dass es außergewöhnlich elegante und sehr gut komponierte Düfte sind. Das Herauslesen von Verbindungen zu speziellen Edelsteinen bzw. ihrem Herstellungsprozess ist aber sicherlich der Phantasie überlassen. Bei diesem kann ich es jedoch als einzigem teilweise nachvollziehen. Das liegt zum einen daran, dass er unheimlich stilvoll wirkt und zum anderen an seiner transparenten Erscheinung wie seinem gleichzeitig dichten Innenleben.

Das erste Gefühl nach dem Aufsprühen ist das, ein sehr nobles, klassisches Parfum vor sich zu haben (klassisch im Sinne traditioneller französischer Duftkomposition, nicht im Sinne von altmodisch). Zu Beginn erscheint ein sehr runder honigwächserner Ton, der das Hauptthema des Dufts ist. Darin flicht sich schnell eine würzig-blumige Note ein, die mich am ehesten an einen leicht süßen, aromatischen Jasmin erinnert. Im Zusammenspiel mit der bitterfruchtigen Kopfnote wirkt das lindenblütenähnlich. Das Bittere bildet dabei einen schönen Kontrast zur zurückhaltenden Süße und verleiht dem aparten, aber sehr zugewandten Duft eine innere Spannung sowie moderate Frische. Das ist auch der Grund, weshalb diese Lindenblüte nicht erdrückend wirkt. Sie ist, wie z.B. Lehmanns Interpretation, angenehm durchlüftet. In der Herznote verstärkt sich der wächserne Ton zwar noch etwas, ist aber weitab von möglicher weißblüherischer Dominanz. Die leicht zunehmende Süße des Jasmin hilft dabei sicher, jedoch ohne daraus einen süßen Duft zu machen. Alles ist zurückhaltend und achtsam abgestimmt. Mit dem Einsetzen eines mineralisch-warmen Ambertons (wie eine Mischung aus Amber und Ambra), der ganz zarte grüne Sprenkel mitführt (eines angeschnittenen jungen Zweiges ähnlich), ist er dann ein wunderbar durchscheinender Duft, auf wundersame Weise dicht und gleichzeitig leicht.

Ann Gérard beschreibt ihn so: „Im Schatten einer Linde liegend, blickt sie zum Himmel {Ciel d‘Opale = Opalhimmel, d.A.}. Warme Luft, helles Licht. Ciel d'Opale bildet eine Verbindung zwischen der Erde und dem Himmel. Ein mattes honigsüßes Bouquet ... Ein Hauch von Grün, Zitrus und Holz. Die strahlende Fülle eines Cabochons {eine Glattschliff-Art, d.A.}."

Ich finde, besser und schöner kann man ihn nicht treffen.

Zu guter Letzt hätte ich gerne dafür geworben, ihn zumindest mal zu testen, v.a. wenn man Lindenblütenliebhaber*in ist, aber leider musste ich bei Erwerb der Probe feststellen, dass er seit Jahren eingestellt ist, auch weil es die Marke nicht mehr gibt. So geht ein richtig gut komponierter Duft verloren, komplex, sauber und ungemein elegant. Das einzige, was mir persönlich fehlt, ist ein Tick mehr Eigenständigkeit, irgendetwas Besonderes, denn so er ist ein klassischer, zeitloser Lindenblütenduft. Vielleicht ein bisschen zu sehr gefangen in seiner Eleganz und den Duft-Konventionen. Aber wunderschön. Die Bewertung wäre zudem noch höher ausgefallen, wenn ich den speziellen Geruch der Lindenblüten etwas mehr schätzen würde.
10 Antworten
Parma vor 2 Jahren 15 11
6
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Edelsteine und Marlene Dietrich
Rose Cut bezeichnet in der Edelsteinverarbeitung die Technik eines traditionsreichen Diamanten-Schliffs, der dem härtesten aller Edelsteine einen weichen Glanz verleiht.

Der Name ist nicht zufällig gewählt, denn die Inhaberin der Parfummarke, Ann Gérard, ist eine Edelsteindesignerin. Zusammen mit dem befreundeten Parfumeur Bertrand Duchaufour entwarf sie zwischen 2012 und 2014 vier Düfte, deren Namen jeweils einen Bezug zu bestimmten Edelsteinen bzw. ihrer Verarbeitungsmethode haben. Der bislang letzte - und das wahrscheinlich auch aufgrund der Auflösung der Marke leider so bleibende - ist Rose Cut.

Ann Gérard wollte mit diesem Duft sowohl die Härte des Diamanten als auch seinen - ihrer Ansicht nach - weichen, femininen Glanz einfangen, den er durch den speziellen Schliff erhält. Bertrand Duchafour sollte demnach ein Parfum entwerfen, welches gleichzeitig kraftvoll und sehr feminin ist.

Eine zweite Inspiration war Marlene Dietrich. Gérard bewundert bei ihr die Kombination aus Weiblichkeit und dem gleichzeitigen Ignorieren geschlechtsspezifischer Grenzen. Sie erwähnt in diesem Zusammenhang das Tragen von Anzügen, das Trinken und Rauchen.

Wenn man all diese Hintergrundinformationen kennt, versteht man die Anlage des Dufts. Das ist in diesem Fall hilfreich, denn der Dufteindruck ermuntert nicht - zumindest mich - an Rosen (dazu verleitet der Name als erstes und soll es nach Gérard auch) oder die Konsistenz und Brillianz von Diamanten zu denken. Dafür ist er zu satt, voluminös und gourmandhaft angelegt. Und zu wenig kristallklar, durchscheinend und Rosen-zentriert. Im Prinzip ist er ein Halb-Gourmand, der mich etwas an Naomi Goodsirs ‚Or du Sérail‘ aus dem gleichen Jahr - ebenfalls von Duchaufour - erinnert.

Ich sehe Rose Cut als einen recht süßen, von würzigem Rum geschwängerten, viskos-fruchtigen, leicht floralen Duft, in den eine sanft holzig-erdige Basis verwoben ist. Ähnlich eines besonders fruchtigen Rums, der kurzzeitig ich einem Eichenfass gelagert wurde und in dessen Produktionsverlauf sich ein paar Blumen verirrt haben.

Gérard selbst spricht allerdings von einem Rose-Patchouli-Duft, weshalb ich ihn etwas genauer unter die Lupe nehmen will, denn diese Einschätzung kann ich kaum nachvollziehen. Wenn man ihrer folgt, dann ist es zumindest eine sehr ungewöhnliche Variante, da die dichte Fruchtnote - wie bei Duchaufour nicht unüblich - sehr präsent ist (ich denke da an Werke wie ‚Enchanted Forest‘ oder eben ‚Or du Sérail‘). Für mich bestimmt sie, zusammen mit dem Rum-Akkord, diesen Duft. Ich empfinde sie als pflaumig-pfirsichhaft, süffig-süßlich und führe sie auf ein Frucht-Aldehyd zurück. Die Rum-Note verschmilzt sehr schön mit ihr und einer sehr zurückgenommenen wächsernen Note, die mich an Bienenwachs denken lässt. Dazu gesellt sich eine deutliche Würzigkeit, die ich als pfeffrig-nelkig umschreiben würde. Dabei entwickelt der Pfeffer eine leicht rauchige Herbheit und die Nelke ihren typischen retroesk-pudrigen Ton. Sie unterstützen die Aromatik des Rums sehr angenehm, lassen den Duft klassisch erscheinen und bewahren ihn zusammen mit der alkoholischen Note vor einer Übernahme der süßen Früchte. Eingeflochten in den Drydown ist etwas zart Florales, was ich nicht unmittelbar mit einer Rose verbinde. Wenn man weiß, dass es eine sein soll, erkennt man sie ansatzweise (sie geht in Richtung einer tiefroten, aber gleichzeitig frischen wie in Lutens ‚La Fille de Berlin‘, deren Übergänge ins Fruchtige und Alkoholische ebenfalls fließend sind). Ich denke, dass ihre Teilunkenntlichkeit daran liegt, dass die meisten anderen Bestandteile mindestens ebenbürtig bzw. höher dosiert eingesetzt sind. Als letzter Teil des Verlaufs zeigt sich eine zurückhaltend erdige, leicht moosig-rauchige Holzigkeit, die dem Duft - v.a. in Kombination mit der würzigen Rum-Note - eine schöne Tiefe verleiht. So verbleibt er dann linear und recht lang anhaltend (problemlos den ganzen Tag über wahrnehmbar und in den ersten Stunden mit deutlich merkbarer Sillage). Für einen Rose-Patch-Duft dominiert mir zusammenfassend der Rum-Frucht-Akkord zu stark über die florale Note und verleiht ihm eine fast sirupartige Konsistenz. Hinzu kommt, dass die Basis auf mich eher holzig als typisch patchoulihaft wirkt. Ansätze sind durchaus zu erkennen, aber in zu marginalem Ausmaß.

Was er jedoch vermittelt - um damit nochmal auf das obige Konzept zurückzukommen - ist eine Kombination aus Stärke (kräftige Anlage des Dufts) und Weichheit (weiche Ausführung, v.a. über die Süße generierend). Allerdings versucht er diesen Eindruck überwiegend mit Mitteln des Gourmands zu erreichen, was ich im Zusammenhang mit der Namensgebung als unpassend empfinde. Wenn man aber nur von der sehr weit interpretierbaren Formel „kräftig und feminin“ ausgeht, erfüllt er die gewünschten Vorgaben. Dabei bezogen auf die feminine Auslegung in einer selbstbewussten und gleichzeitig verführerischen Weise.

Und um ebenfalls nochmal auf den Vergleich mit ‚Or du Serail‘ zurückzukommen: Wenn man aus jenem den Tabak herausstreichen und dafür eine florale (Rosen-)Note hinzufügen würde, näherten sich die beiden Düfte recht stark an (das Grundgerüst mit Früchten, Rum, Bienenwachs und Eichenholz ist sehr ähnlich).

Zwei andere - allerdings etwas entferntere - Assoziationen, die ich zwischendurch immer mal wieder habe, sind die eines kräftigen Chypredufts (wie z.B. Femme oder Mitsouko) und die würzig-orientalischer Damendüfte aus den 80ern. Bezogen auf die Chypres wahrscheinlich wegen der gewichtigen, eleganten Gesamterscheinung, der pfirsichhaften Note, des holzig-moosig, leicht rauchigen Unterbaus und der zarten Blumennote. Entfernt deshalb, weil er durch die Fruchtdominanz und die zurückgenommene Basis eher einem modernen Chypre entspräche. Und hinsichtlich der würzig-orientalischen Düfte aufgrund der Fülle an Aromen und der klassisch-vornehmen, süßwürzigen Anlage (wie z.B. eines ‚Coco‘).

An diesen verschieden Eindrücken erahnt man die Komplexität des Duftes. Was ich persönlich vermisse - und das ist natürlich Geschmacks- und Erfahrungssache - , ist eine klare Richtung und etwas mehr Eigenständigkeit. Hier ist mir zu vieles gleichwertig und in der Form zu oft Gerochenes vorhanden. Zu viele dominante Noten und etwas fehlender Pfiff. Es ist ein angenehmes, schönes, zeitloses, dichter(!) klassisch-französischer Duftkunst verhaftetes Parfum (könnte z.B. auch ein Lubin sein), welches mir aber etwas übervoll wirkt. Es ist kunstvoll orchestriert und qualitativ sehr wertig, aber mir kompositorisch nicht griffig genug. Als wenn ein bisschen eine zündende Idee gefehlt hätte. Das korreliert mit meinem Eindruck, dass das Konzept von Ann Gérard nur zum Teil passend umgesetzt wurde.

Anmerkung:
Gestoßen bin ich auf diesen Duft durch Zufall. Auf der Suche nach ‚Cuir de Nacre‘ (ebenfalls von Ann Gérard Parfums), der mich beim ersten Test vor ein paar Jahren sehr beeindruckt hatte und an den ich immer wieder zurückdenken musste, intensivierte ich in der letzten Zeit meine Bemühungen, ihn doch noch irgendwo zu ergattern. Ich wusste von vorherigen vergeblich Versuchen, dass das ein schwieriges Unterfangen werden würde. Bis heute war es auch noch nicht von Erfolg gekrönt und im Zuge dessen musste ich zudem feststellen, dass er leider nicht mehr produziert wird, da die Marke traurigerweise nicht mehr existiert. Ich konnte aber immerhin noch zwei Proben anderer Düfte der Marke in einer Berliner Nischenparfümerie auftreiben. Eine davon war 'Rose Cut'.
11 Antworten
Parma vor 2 Jahren 13 10
8
Flakon
5
Sillage
6
Haltbarkeit
7
Duft
Saubere Baumwollwäsche
Dieser Duft ist ein sanftes, zartes Nichts. Kaum zu fassen. Wie ein frischer Lufthauch, der durchs offene Fenster hinein und zur Tür wieder hinausweht. Ein liebliches Moschus-Maiglöckchen. Synthetisch sympathisch. Sauber bis zum geht nicht mehr. Wäscheassoziationen auf Autopilot. Hier steckt der gesamte Produktionsvorgang drin. Waschpulver (zart lieblichblumig aromatisiert), trockene Luft, ein Hauch grüner Wiese, feuchter Bügeldampf. Und weiße Baumwoll-Kleidung, die all diese Gerüche in sich aufnimmt. Ein Themenduft, der unheimlich gut getroffen ist. Mir nur etwas zu artifiziell in der ozonischen Ausrichtung. Aber mit einnehmender Aura. Freundlich, unkompliziert, gepflegt. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Ach doch: Es ist eventuell ein ideales Parfum für Leute, die kein Parfum mögen. Und bitte lest den ersten und letzten Abschnitt von Rutils Rezension. Die sind so wunderschön und treffend. Und auch die anderen so passenden Rezensionen. Sie sind alle lesenswert.

Anmerkung:
‚Cotton‘ stammt aus der sogenannten Splash-Collection (wegen der 300ml Splash-Flakons - mit aufschraubbarer Spray-Vorrichtung, neben den 100 ml-Sprayflakons), einer Themenreihe, die sich überwiegend einzelnen Duftnoten bzw. spezifischen Dufteindrücken, v.a. sommerlich-frischen, widmet. Dazu gehören so illustre wie z.B. ‚Rain‘, ‚Grass‘, ‚Pear‘ oder ‚Cucumber‘. Leider sind sie schon seit Jahren eingestellt. Zwar waren sie von vornherein limitierte Versionen, von denen die vier erfolgreichsten – darunter Cotton – 2016 nochmal kurzeitig wieder aufgelegt wurden, aber dass so etwas nochmal passiert oder womöglich gar eine ähnlich gelagerte, interessante Reihe entsteht, kann ich mir vor dem Hintergrund der aktuellen Markenpolitik von LVMH nicht vorstellen. Denn mittlerweile gibt es keinen Herrenduft mehr im Portfolio und die Damenkollektion ist ausschließlich auf die ‚Daisy‘- und ‚Perfect‘-Reihe reduziert.
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