Pollita

Pollita

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11 - 15 von 344
Pollita vor 3 Monaten 45 37
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Duft
Im Badezimmer mit den braunen Wandfliesen
In den Achtzigern Kind sein, das war anders als heute. Keine Handys, dafür Wählscheibentelefone, keine Streamingdienste, im Fernsehen nur drei Programme und fotografiert haben wir analog und konnten das Ergebnis unserer Aufnahmen erst nach dem Entwickeln der Filme betrachten. Heute nicht mehr vorstellbar.

Auch ein Badezimmer mit einer dunkelbraunen Wanne und ebenso braunen Wandfliesen kann sich heute vermutlich kein Mensch mehr vorstellen. Doch damals war das tatsächlich modern. Gewaschen haben wir uns mit Seife aus der Drogerie und später, als meine Mutter regelmäßig von einer Avon-Beraterin besucht wurde, gab es in unserem Haus erstmals Duschgel. Ich erinnere mich gut. Die Flasche war blau und das ebenso blaue Gel duftete herb, grün, kräuterig, etwas bitter und moosig. Für mich ist diese Art Duft bis heute, genauso wie die Aldehyde in Parfums wie Chanel No. 5, unmittelbar mit Seife und dem Baden und Duschen verbunden.

Deshalb stand ich heute auch ganz plötzlich wieder im Badezimmer meiner Eltern mit all dem Braun und hatte diese blaue Flasche vor Augen. Aktuell befindet sich dieser Raum im Rohbauzustand, genauso wie das gesamte Stockwerk. Braun wird das Bad nach der Renovierung vermutlich nicht mehr. Ein paar der dunklen Fliesen kamen beim Entfernen tatsächlich wieder zum Vorschein. Der Duft von Sabotage bringt mir allerdings das alte Bad zurück, so wie es in den Achtzigern ausgeschaut hat. Ich sehe meine Mutter mit ihrer dauergewellten Kurzhaarfrisur. So vieles ist meinen Erinnerungen so präsent, wenn ich an diesem seifigen, grünen und frischen Duft rieche, der tatsächlich erst im Vorjahr lanciert wurde. Vermutlich für uns, Kinder der Siebziger und Achtziger Jahre, gedacht, damit sie sich wieder erinnern, wie es damals war.

Ich seife mich mit dem blauen Duschgel ein, das so herrlich erfrischend für mich riecht. Mama, Papa, Oma, Opa – alle haben es damals verwendet. Warum auch nicht? Petitgrain und Moos, Patchouli, Moschus und Zedernholz waren damals in sehr vielen Düften – für Männlein genauso wie für Weiblein, vom Aftershave bis zum eleganten Extrait de Parfum – enthalten. Die Wermutnote in Sabotage passt hier wunderbar und gibt noch eine Extraportion Nostalgie dazu. Rhabarber und Tuberosen kann ich so nicht gezielt ausmachen. Dafür ist die Komposition zu stimmig zu einem Ganzen verwoben.

Vielleicht ein winziger Hauch schwitzige Haut durch die Grapefruit, die das kräuterig-moosige Duschgel anschließend reinigen darf? Oder kommt dieser Eindruck vom Moschus in der Basis? Ich weiß es nicht. Sabotage wäre jetzt kein Duft, den ich unbedingt tragen möchte. Ich sehe den eher so als Saunaaufguss oder vielleicht als Raumaroma, mit dem Zweck, mich wieder an meine Kindheit zu erinnern. Eine Zeit, an die ich sehr gerne zurückdenke. Ja, es gibt Tage, da denke ich, diese viel simplere Art zu leben, die täte uns heute manchmal auch ganz gut.

Ganz lieben Dank an SiameseDream für die Testmöglichkeit
37 Antworten
Pollita vor 4 Monaten 35 32
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Duft
Eclipse
Da stehst Du jetzt an der Bar. Ich hab Dir beim Tanzen zugeschaut. Ein zarter Schweißfilm auf Deinem Gesicht. Dein Make Up sieht dennoch blendend aus. Mit gefällt Dein schwarzer Samtblazer. Ich guck Dich an. Ich trau mich. Komme rüber und trinke etwas mit Dir, bevor wir wieder zusammen auf die Tanzfläche gehen. Ich mag Deinen Duft. Ich glaube, Du trägst Damn Hippie von Ikiryō. Passt wunderbar zu meinem Juozas Statkevičius, wie ich finde.

Sanfter Schmuddelmoschus vermischt sich mit einem Hauch Weihrauch und kuschelt sich auf eine weiche, nicht zu düstere Patchoulibasis. Der Duft changiert zwischen maskulin und feminin. Vor Jahren, als er auf den Markt kam, habe ich seinen Zauber noch nicht so recht verstehen wollen. Heute tue ich es. Weiche, sinnliche Harze. Leicht süßlich kommt Boyfriend daher. Balsamisch-süß. Mit einem winzigen Hauch Indolik, die hier und da vorbeihuscht. Nur ein bisschen schmutzig und dabei immerzu so weich und schön.

Für mich persönlich vielleicht etwas zu viel Patchouli. Das ist die Sorte Duft, die ich an anderen sehr unwiderstehlich finde, an mir selbst aber nicht sehe. Kate Walsh hat Geschmack, das muss ich ihr lassen. Ob sie auch an so einen düster geprägten Kerl und an Musik von Kirlian Camera gedacht hat, als sie den Duft zum ersten Mal wahrgenommen hat? Vermutlich nicht. In jedem Kopf manifestiert sich ein anderes Bild. Bei mir ist es dieses. Eclipse. Wir tanzen noch ein wenig weiter.

Ganz herzlichen Dank an Connie für die Testmöglichkeit. Für Liebhaber von Juozas Statkevičius und Damn Hippie ein Must-Try. Unbedingt!
32 Antworten
Pollita vor 4 Monaten 49 42
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Duft
Vor der Jagd des Lebens ruhn

Von draußen, vom Walde komm ich her;
ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Überall auf den Tannenspitzen
sah ich goldene Lichtlein blitzen,
und droben aus dem Himmelstor
sah mit großen Augen das Christkind hervor.

Und wie ich strolch' durch des finstern Tann,
da rief's mich mit heller Stimme an:
"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell´,
heb deine Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
das Himmelstor ist aufgetan,
Alt und Jung sollen nun von der Jagd des Lebens einmal ruhn,
und morgen flieg ich hinab zur Erden;
denn es soll wieder Weihnachten werden!"
(Theodor Storm)

An dieses schöne Gedicht musste ich denken, als ich Boreal zum ersten mal erschnuppert habe. Der Wald, die Tannen, die Kerzen, die Lichter, das Himmelstor – alles scheint Nicholas Nilsson perfekt in diesem Duft eingefangen zu haben. Auch ein Hauch Gemütlichkeit durch ein Tässchen Pfefferminztee, den der Herr Knecht Ruprecht bei seiner Ankunft vielleicht irgendwann verköstigen durfte, ist da. Ein wunderschöner Duft, um diese besinnliche Zeit einzuläuten.

Als süß, wie einige vor mir schrieben, empfinde ich Boreal jetzt nicht. Boreal ist für mich in erster Linie ein Weihrauchduft. Ich sehe diese kleine Kapelle vor mir, die bei uns in der Region zur Weihnachtszeit immer besonders schön geschmückt sein soll. Ich selbst war nie dort, auch wenn ich es mir jedes Jahr vornehme. Die so wichtige Ruhe habe ich wohl noch nicht finden können, seit ich hier am Trauf lebe. Eine Krippe soll dort stehen mit allen Figuren: Josef und Maria, Esel und Ochs und dem Jesuskind.

Diese kleine Kapelle grenzt direkt an den Wald. Ich stelle mir die Gegend tief verschneit vor, wenn ich den Duft von Boreal einatme. Und dann betrete ich in Gedanken die Kapelle und nehme den feinen, balsamisch-harzigen Weihrauch wahr, dazu die brennenden Kerzen und alles fühlt sich so wunderbar besinnlich und ruhig an. Genau so, wie Theodor Storm es in seinem Gedicht ausdrückt: Vor der Jagd des Lebens, die wir alle so gut kennen, einmal ruhen.

Ja, das ist wirklich ein Stück Besinnlichkeit im Flakon. Ein grüner, tannengrün eingefärbter Weihrauchduft. Er könnte tatsächlich der große Bruder meines geliebten Incense Water von Perfumer H sein. Nur bei Incense Water lässt sich die Jahreszeit, für mein Gefühl, nicht direkt bestimmen. Bei Boreal ist es Winter. Weihnachtszeit. Wer Weihrauch mag, wird Boreal lieben.

Passend zur besinnlichen Jahreszeit ist das kein lauter und aufgeregter Duft, sondern er präsentiert diese Ruhe, die wir jetzt alle finden sollen, ganz wunderbar auf olfaktorische Art.

Ich wünsche euch allen ein paar wunderschöne, ruhige und entspannte Festtage!

Eure Polly

Dank für die Testmöglichkeit geht an Schoeibksr.
42 Antworten
Pollita vor 5 Monaten 41 32
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Duft
Gemütlichkeit
Wer kennt sie nicht, diese Szene aus Matrix? Neo sitzt beim Orakel in der Küche. Im Backofen Brownies, fast fertig. Und das Orakel raucht eine Zigarette. Die Wohnung sieht ein bisschen so aus wie in den Achtziger oder frühen Neunziger Jahren. So ähnlich wie Carosello 75, so stelle ich mir den Geruch in dieser Wohnung vor. Tatsächlich auch ein wenig, wie ich es auch aus meiner eigenen Kindheit kenne. Ich rieche zwar eher Lebkuchen statt Brownies, da sind Gewürze, evtl. Nelke, Kardamom, vielleicht auch Koriander, aber sie befinden sich ebenfalls noch im Ofen. In der Hand halte ich ein Glas Punsch. Diese typisch weihnachtlichen Gewürze stecken da drin. Aber auch die Zigarette ist präsent. Frisch angezündet, kein kalter, unangenehmer Rauch. Meine Oma buk zwar nicht, aber sie rauchte, wenn auch lediglich heimlich. Ich habe mich als Kind immer gern in ihrer Küche aufgehalten.

Wie auch schon bei Mane hat Gualtieri hier wieder so einen typischen „Stuben-Akkord“ verarbeitet. Der Duft hat etwas Heimeliges, Gemütliches. Animalik rieche ich hier allerdings weniger, dafür mehr Gewürze, Süße und dieses leicht Angebrannte ist recht präsent.

Ich habe den Duft homöopathisch dosiert, da mir die geballte Kraft von Frau Gualtieris Düften bekannt ist. In dieser Dosis ist der Duft tatsächlich sehr schön, auch wenn ich Zigarettenrauch, vor allem in der Wohnung, definitiv nicht haben muss. So ein Winzhauch Carosello vermittelt mir dennoch ein Gefühl von Gemütlichkeit, von Ruhe, ja, von Besinnlichkeit und genau eine solche Stimmung soll die Adventszeit ja auch mit sich bringen, weshalb ich ihn zu dieser Jahreszeit als so passend empfinde. Das ist ein Parfum zum dran riechen, zum Tragen, finde ich, eher nicht. Zu speziell. Trotzdem zaubert er mir ein Lächeln aufs Gesicht, lässt mich für eine Weile wieder das kleine Mädchen sein, das strahlend vor dem kleinen, künstlichen Weihnachtsbaum steht, den meine Oma jedes Jahr in ihrer Dachwohnung, die heute meine ist, aufgestellt hat. Ich muss nur die Augen schließen. Alles sieht genauso aus wie früher.

Danke Schoeibksr für die Testmöglichkeit. Und danke, Carosello.
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Pollita vor 5 Monaten 56 45
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Duft
Über Masse und Klasse, Guerlain und Ikea. Und Bilder im Kopf, die nicht mehr gehen wollen
Geht es nur mir so oder ist auch euch schon aufgefallen, dass Guerlain zurzeit unheimlich viele neue Düfte raushaut? Ich persönlich denke immer noch gerne an die Zeiten zurück, wie aufregend es war, wenn ein neuer Duft lanciert wurde. Wochenlang war dieser Gesprächsthema Nummer eins in der kleinen Parfümerie im Nachbarort, in der meine Mutter immer so gerne eingekauft hat.

Bei dem Tempo heute ist das nicht mehr denkbar. Und es kommt, insbesondere bei Guerlain, nicht nur gefühlt alle Tage etwas Neues, sondern es wird auch immer exklusiver und immer teurer. 550 Euro kostet so ein Extrait aus der neuen Serie, zu der auch Vanille Planifolia Extrait 21 zählt. Vanille ist leider bei mir so ein Reizwort, genauso wie Moschus. Und deshalb kam ich nicht drumherum, diese Neuerscheinung zu testen.

Ja, ich gebe es zu. Duften tut er schon toll. Dafür spricht auch meine hohe Wertung. Er hat Gemeinsamkeiten mit meiner erst jüngst gefundenen Duftliebe Honoré Delights von Ex Nihilo. Die Kombination aus Vanille und Moschus ist hier tatsächlich ähnlich fein umgesetzt. Ja, das gefällt mir. Gleichzeitig hat er, wenngleich auch viel süßer und nicht so extravagant, Anklänge an Shalimar. Dieses dezent Rauchige, Ernsthafte ist hier ebenfalls verbaut. Vermutlich die würzigen Noten, die hier allerdings nur dann und wann mal eben hallo sagen. Denn insgesamt ist der Duft doch eher lieblich und hat vielleicht noch einen Hauch der Basisnote eines Shalimar, mehr aber auch nicht.

Die neuen Extraits sind ja auch zum Kombinieren gedacht. Vielleicht mag das der Grund sein, weshalb hier auf jeglichen frischen oder blumigen Counterpart verzichtet wurde. Und genau das fehlt mir hier. Denn ein wenig Bergamotte, ein wenig Zitrone, hier und da ein Blümchen, ein lederner Hauch, hätten dieser edlen und sanften Vanilleschönheit tatsächlich gutgetan. Denn so, wie sie ist, assoziiere ich mit ihr leider auch die allen bekannte Ikea-Duftkerze. In hochwertig natürlich. Alles andere hätte mich bei Guerlain auch gewundert, aber dieses Bild ist nach einer Weile eben auch in meinem Kopf und ich kriege es nicht mehr raus. Vor allem in der Projektion duftet Vanille Planifolia Extrait 21 auf den ersten Riecher nach Ikea. Mich würde es nicht wundern, wenn Leute, die Dich mit diesem Duft wahrnehmen, sich fragen, ob Du gerade in der Ikea-Duftkerzenabteilung warst?

Und diese Duftkerzenassoziation stört mich einfach am Ende. Den Rest hätte ich genommen. Zähneknirschend natürlich bei dem Preis. Aber genau solche Kerzen-Düfte, etwa von Profumum Roma, auch nicht gerade billig, hatte ich bereits zu Genüge und habe sie allesamt wieder aussortiert.

Vielleicht liegt es an der schieren Masse, weshalb hier ein für mich so klitzekleiner aber enorm wichtiger Hauch Klasse einfach fehlt?

Ein herzliches Dankeschön an WitweBolte für das Sharing und die Testmöglichkeit

Nachtrag: Da ich den Duft auf Dauer als enorm penetrant empfinde, musste ich mit der Wertung leider auch runtergehen. Das ist nicht mehr mein Guerlain.
45 Antworten
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