PostMortem

PostMortem

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6 - 9 von 9
PostMortem vor 12 Jahren 2 16
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Voyage: Gin oder Serielle Kunst?
Ich spiele mal die mystischen Karte, den Joker:
Die Interpretation von Jean-Claude Elléna Parfums erfordert meiner Ansicht nach die Wahrnehmung, daß selbst in der Welt der Düfte Entwicklungsbögen in der Zeit ausgesprochen weiträumig sein können.
Und zeitlich weiträumig sind in diesem Fall Jahre.
Jahre, die es gebraucht hat, die Hermes Düfte zu kreieren und zu lancieren.
Mir ist es nicht befriedigend möglich, seine Parfüms als ein Ganzes, Fertiges zu betrachten.
Vielmehr empfinde ich sie als "Vorn" und "Hinten" offen.
Stelle man sich vor, alle Düfte Ellénas würden ihrer zeitlichen Reihenfolge entsprechend aneinandergereiht, wie man es mit Bildern serieller Kunst tut, ist "Voyage d'Hermès" ein Ausschnitt/Splitter aus einem großen Entwicklungsbogen (dessen Ende bis dato offen ist), den er, die Sonderstellung bei Hermès nutzend, in der Lage zu schaffen ist.
Ich glaube nicht so sehr, daß es Expressionismus (hier Geschichten oder markante Charakterstudien wie "Jules" / "Bel Ami") oder Impressionismus (hier "Après L'ondée" bzw. der Eindruck eines Naturereignisses, aber dies schon eher) sind, was die einzelnen Parfums ausmacht, sondern Elemente eines langen Zeitstroms, also eher Elemente epenhafter Entwürfe zu sein.
Und epenhaft ist wieder falsch, weil er keine Grundmythen der Menschen mit dem entsprechenden Pathos aufzeigt.

Den einzelnen Duft würde dann außerdem nicht charakterisieren:
- Wenn man alle Düfte wie Bilder einer Serie aneinanderreihte,
erhielte man das Bild.
Nur den einzelnen Duft betrachtend, stünde man,
übersetzt in die Sprache des Raums, einfach zu nah davor.
- Minimalstrukturen in der Musik/Variation
Das wäre zu wenig.
Es sind schon eigene Themen, wie die Bachschen Fugen.
- Gesamtkunstwerk
Keinesfalls der richtige Begriff,
weil er die Verwendung sämtlicher/vieler Künste meint.
Elléna hingegen bleibt der Kunst der Gerüche quasi monogamisch treu.

Aber nun zu dem, was ich auch/ eh nicht wirklich verstehe:
Die Kopfnote empfinde ich als klar kalt, wässrig glatt und krautig.
Ein frisches Glas Gin Tonic.
Danach die Krautigkeit des wahrscheinlich Kardamon
oder ein kalter Morgen am See über einer Gewürz bewachsenen Ebene.
Nur ein schlaglichthafter Eindruck von Frische und dann der lange Tag der irdischen Gerüche.
Nordseeanrainer würden das Parfum anders kreiert haben...

Mir gefällt die Abfolge der unterschiedlichen Strukturen sehr gut.

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Edit 06.04.2013:
Ronin hat schon 2011 in seinem Kommentar über "Eau de Gentiane Blanche"
die Serialität Ellenas Kompositionstechnik bemerkt/erkannt.
Das bemerke/erinnere ich erst jetzt. In so weit ist mein Kommentar leider redundant.
16 Antworten
PostMortem vor 12 Jahren 1 2
7.5
Flakon
6
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Gebräuchlicher Lavendel
Endlich hat das Haus État Libre d'Orange mal eine passenden Namen für eines seiner Parfums gewählt.

Antihéros vermittelt mir zuerst kumarinartig, muffig säuerlich, malzige Noten mit minzigen Beiklängen.
Das ähnelt frappierend den Duftnoten, die längere Zeit in einem Gefäß gelagerte Lavendelblüten abgeben.
Der Protagonist so vieler Parfum Kompositionen reduziert auf seine banalen, weniger gefälligen Aspekte?
Was hier geschaffen wurde, ist nicht eine Ästhetisierung eines natürlichen Aromas,
sondern ein kraftvolles Herausarbeiten des Gewöhnlichen/Häßlichen im Duft von Lavendel.
Diese Vorgehensweise und die Mittel (Flächigkeit, grobe Striche, Körnigkeit und das mythenbildende Säkularisieren von Mythen) passen meiner Ansicht nach sehr gut zu dem Pop-Art Image, das État Libre d'Orange bieten will.

Ironischerweise ist der Gesamteindruck markanter und rauer, man kann diese Attribute auch maskulin nennen, als die gemeinhin benutzen Repräsentationen von Lavendel in Parfums.

Für mich ein großer Spaß.
2 Antworten
PostMortem vor 12 Jahren 2 14
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Just for fun
06:00
Bürgersteig

Straße
schnell hinüber
regennass teerig
gasig vereinzelte PKW

Bürgersteig
gegenüber
steinig, feucht, Urin

Rolltreppe Zwischengeschoss
mechanische Fette, feuchtes Gummi, Metalle, Fäkalien

Zwischengeschoss
Kaffee, alter Schweiß, abgestandene Luft, Brot, Butter und Brezn
Gelächter der Verkäuferinnen

ganz ohne Brimborium, sicher fest, klar umrissene Aura, Bodenhaftung
Kopfrücken, nicht übel.. etwas... billig?
Ah ja, "Tsar"

ausweichen den anderen
schämend Jicky zu tragen
zu dramatisch?

Rolltreppe Tiefgeschoss
Ruhe...
"Tsar", ahh...
viel zu selten!
14 Antworten
PostMortem vor 12 Jahren 6 4
10
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Rubber Nun
Im Anlegen von Maßstäben alter Stile an neue Phänomene kann man irren.
Die Maßstäbe z.B. der Deutschen Klassik an Werke des Sturm und Drang
anzulegen, wird letzteren einfach nicht gerecht.
Aber was heißt schon gerecht...
Man wird durch den Beurteilungs-Filter überkommener Maßstäbe nicht die
Qualitäten des Neuen wahrnehmen können.
Es ist, als schneide man die Differenz wie in einem Prokrustesbett ab
und stellt daraufhin fest: Nix was nicht besser schon da war.

Daß sich das Neue am Alten orientiert, dieses zitiert, Anklänge an Altes
verwendet, sollte selbstverständlich sein, aber es erzeugt (nicht immer)
ein Element (des Neuen), daß man in der "alten Manier" nicht findet.

Wenn der Name dieses Parfüms einen Sinn ergibt, dann imho deshalb:

Nicht das Kollektive des kreatürlich Sexuellen sondern die Übertragung
das "Hinüberretten" dieser Eigenschaft in das konstruktiv Maschinelle.
Also die Lust der Kreatur "portieren" in die Maschine (hier beziehe ich
mich auf die Gedanken einer Bekannten, schmücke mich mit fremden Federn.)

All das, was ich hier zu riechen meine, ist synthetischer Natur.
Metallisch-Harsch blumig etwas melonig hell aber kalt süß zu Anfang.
Kühles Kunstleder bleibt auch im weiteren Verlauf kühl auf der Haut.

S-EX ist nicht zu verwechseln mit sexy:
- Sex kann eine auf rein physische Aspekte reduzierter Vorgang sein.
- Sex die Mechanik/Hydraulik der Säfte.
- Androgyner Sex für Latexfetischisten.
- Sex als Fetisch
- Sex mit Gummipuppen/Dildo
- Sex ganzkörperrasierter Barbipuppen,
deren einzige Körperflüssigkeit Mineralwasser zu sein scheint.
4 Antworten
6 - 9 von 9