Mouchoir de Monsieur 1904

Mouchoir de Monsieur von Guerlain
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7.8 / 10 208 Bewertungen
Ein beliebtes Parfum von Guerlain für Herren, erschienen im Jahr 1904. Der Duft ist pudrig-animalisch. Es wird von LVMH vermarktet. Der Name bedeutet „Herrentaschentuch, Taschentuch eines Herren”.
Aussprache
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Duftrichtung

Pudrig
Animalisch
Blumig
Zitrus
Würzig

Duftpyramide

Kopfnote Kopfnote
LavendelLavendel BergamotteBergamotte ZitronenverbeneZitronenverbene
Herznote Herznote
JasminJasmin PatchouliPatchouli NeroliNeroli RoseRose ZimtZimt TonkabohneTonkabohne
Basisnote Basisnote
EichenmoosEichenmoos VanilleVanille AmberAmber IrisIris

Parfümeur

Bewertungen
Duft
7.8208 Bewertungen
Haltbarkeit
7.2161 Bewertungen
Sillage
6.1156 Bewertungen
Flakon
8.3160 Bewertungen
Preis-Leistungs-Verhältnis
6.718 Bewertungen
Eingetragen von Kankuro, letzte Aktualisierung am 24.04.2024.
Wissenswertes
Seit Februar 2014 wird die Extrait Version von Mouchoir de Monsieur in der "Hall of Mirrors" im Maison Guerlain ausgestellt. Bei der ausgestellten Version handelt es sich um die ursprüngliche Formel aus dem Jahr 1904.

Rezensionen

13 ausführliche Duftbeschreibungen
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Yatagan

395 Rezensionen
Yatagan
Yatagan
Top Rezension 105  
Mein letzter Besuch in der Parfümerie Jeanette
In einer hübschen Stadt im mittleren Westen der Vereinigten Staaten von Deutschland liegt eine Parfümerie, die sich durch einen bemerkenswerten Umstand von allen anderen unterscheidet: Sie wird mit außergewöhnlicher Leidenschaft und Kompetenz von einer über 80jährigen Dame - allein - geführt.
Die Dame, nennen wir sie Jeanette nach dem Namen ihrer Parfümerie, beriet in einzigartiger Weise ihre Kunden und wurde damit zur Legende weit über die Grenzen der mittelgroßen Stadt hinaus: Sie war stets fest davon überzeugt, dass sie nach einem kurzen Studium des Typs, der Kleidung und des Auftretens eines Käufers einen individuell passenden Duft aus ihrem Fundus (viele Raritäten, alte Guerlains, Carons, Boucherons, Balenciagas, aber auch einige wohl ausgewählte neuere Düfte von Rancé, Piguet usf.) finden könne. Tatsächlich war ihre Treffergenauigkeit nachgerade erstaunlich. Mehrfach beriet sie mich überzeugend und ich kaufte Düfte, die ich anfangs gar nicht in die engere Wahl genommen hätte - und bereute es nie!

Vor vielen Jahren, es könnte vor annähernd zwei Jahrzehnten gewesen sein, empfahl sie mir nach einem längeren Gespräch Mouchoir de Monsieur. Damals kaufte ich ihn nicht, verstand ihn nicht, vergaß ihn lange Zeit, aber erinnerte mich an ihn, als ich hier auf Parfumo aktiver wurde und meine Sammlung vergrößerte. Nachdem ich die wichtigsten Herrenklassiker von Guerlain in meiner Sammlung hatte, fehlte noch Mouchour de Monsieur. Vielleicht würde der Duft immer noch fehlen, wäre ich nicht von einer aufmerksamen Leserin der Lokalzeitung jener Stadt darauf hingewiesen worden, dass Frau Jeanette schließen müsse, weil das Haus, im dem ihr Ladengeschäft liegt, abgerissen werde. Um das Haus ist es nicht schade. Es handelt sich um einen gesichtslosen sanierungsreifen 70er-Jahre-Bau ohne Charme. Traurig aber, dass Frau Jeanette nun ihre Kunden nicht mehr beraten kann. Mit über 80 müsse nun Schluss sein, so sehr sie das abrupte Ende bedaure, hätte sie doch gerne noch ein paar Jahre weiter gemacht, bliebe das Haus nur erhalten.

Mein letzter Besuch hatte vor allem ein Ziel: jenen Duft, den sie mir vor wenigstens 15 Jahren empfahl, endlich zu kaufen, und zwar natürlich bei ihr - und nur bei ihr. Auf Nachfrage hatte sie tatsächlich noch einen klassischen Guerlain-Bienenkorb-Testflakon im Schrank versteckt, ziemlich neu und gut gefüllt, den ich zu einem vernünfitgen Preis erstehen konnte.
Nun steht auch Mouchoir de Monsieur bei mir zu Hause. Hüten Sie ihn gut und erinnern sie sich an mich, sagte sie mir zum Abschied. Mir blieb nichts weiter übrig als Jeanette alles Gute zu wünschen.

So verschwinden die letzten inhabergeführten Parfümerien aus deutschen Städten und Großstädten, in diesem Falle auch noch mit einer geradezu einzigartigen Auswahl alter Schätze. Das bedauern sicher nicht nur Nostalgiker.

Mit Mouchoir de Monsieur verbindet mich eine seltsame Leidenschaft. Vielleicht mag ich ihn deshalb so gerne, weil mir ausgerechnet Jeanette diesen Duft vor langer Zeit empfahl? Schließlich ist er doch sperrig, aus der Zeit gefallen, heutzutage schwer tragbar. Die Lavendelnote wird von einer animalischen Basis eingerahmt, ich würde Zibet vermuten, auch wenn es nicht angegeben ist. Im Kontrast dazu stehen die süße, liebliche, etwas schwere Vanille - und vielleicht das Eichenmoos, einstmals natürlich das echte (bei meinem damaligen Besuch sicher noch). Darüber hinaus sind die charakteristischen Bestandteile der Guerlinade enthalten, hier jedoch nicht so sanft wie in vielen Damendüften von Guerlain (Rose, Bergamotte, Tonkabohne, Vanille, Jasmin sowie diverse Gewürze wie Zimt; sehr typisch in Shalimar oder Habit Rouge). Das alles ist jedoch mehr als seine Teile: der Duft ist rau, erdig, sperrig, altertümlich, kantig. Eine etwas weichere Unisex-Verwandte ist das legendäre Jicky, das ich immer sehr ähnlich wahrnehme und das ich zum Vergleich empfehle.

Nun steht der Flakon im Schrank und ich werde mich also erinnern.
Die Parfümerie jedoch ist geschlossen. Der Vorhang gefallen.
52 Antworten
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Profumo

284 Rezensionen
Profumo
Profumo
Top Rezension 33  
Jickys adretter kleiner Neffe
Anlässlich der Vermählung eines Freundes zu Beginn des letzten Jahrhunderts kreierte Jacques Guerlain die Düfte ‚Mouchoir de Monsieur’ und ‚Voilette de Madame’ (das Taschentuch des Herrn und der kleine Schleier der Dame) und übergab dieses in eigenwillig schneckenförmigen Kristallflakons im Art-Noveau-Stil steckende Duftpräsent am Tag der Hochzeit.
Ganz nebenbei und zum ersten Mal überhaupt, entstand so das erste dezidiert einem Manne, bzw. einer Frau zugeordnete Parfum, noch lange bevor der Begriff ‚pour Homme’ Eingang in die Geschichte des Parfums fand (1934: ‚Pour un Homme de Caron’).
Wie im Namen beider Düfte schon angedeutet, waren diese eher dazu gedacht Textilien zu beduften statt freiliegende Körperstellen – man gab sich prüder um die Jahrhundertwende, zugeknöpfter (man denke nur an die Hochgeschlossenen ‚Vatermörder’). Die Zeit der selbstverliebten wie effeminierten Dandys neigte sich ihrem Ende zu, und der öffentliche Ton in Europa begann rauer, männlicher und nationalistischer zu werden.

Als Ausgangspunkt für ‚Mouchoir de Monsieur’ wählte Jacques Guerlain jenes noch für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte das Haus Guerlain dominierende Parfum: ‚Jicky’. Dieser Duft, komponiert von seinem Onkel Aimé Guerlain, und ihm - dem Neffen - gewidmet, war derart revolutionär und einflussreich, dass er noch lange Zeit eine Quelle der Inspiration bleiben sollte. Dieses revolutionäre Element war aber auch zugleich eines, dass allerhand von seinem Träger oder seiner Trägerin abverlangte, denn es war eben nicht das brave und pittoresk duftende Abbild einer Rose oder eines Veilchens, sondern ein abstraktes, unerhört erotisch vibrierendes Duftgemälde, dem die einen hoffnungslos erlagen, während die anderen sich voller Abscheu abwendeten.
Jacques Guerlain versuchte nun das wilde und temperamentvolle ‚Jicky’ zu zähmen, indem er alle ausgeprägten Eigenschaften des Duftes ein wenig zurücknahm, sie sozusagen herunter dimmte. Überall setzte er den Hobel an, schliff hier und schmirgelte dort, und was herauskam, war eine kleine, zart schimmernde Marmor-Statuette mit glänzend polierter Oberfläche, im Gegensatz zur großen, eher grob gehauenen, aber gerade deswegen ungemein beeindruckenden Statue ‚Jicky’.

‚MdM’ ist aber nicht einfach nur eine verkleinerte Ausgabe des allzu großen Vorgängers, also keine Eau-de-Cologne-Variante desselben. Nein, der Duft hat, bei aller Zähmung und Zurücknahme seiner einstmals ungezügelten Lebenslust, einen neuen Charakter gewonnen, ist braver geworden, solider. Oder, um es mithilfe eines verwandtschaftlichen Verhältnisses zu illustrieren: ‚Jicky’ hat mit ‚MdM’ einen Neffen bekommen, dessen Vater ‚Jickys’ etwas älterer Bruder ist: ‚Fougère Royale’.
Victoria von ‚Boisdejasmin’ konnte schon mehrfach an der rekonstruierten, originalen Fassung von ‚Fougère Royale’ in der Pariser ‚Osmotheque’ schnuppern, und bestätigte: „Guerlain Mouchoir de Monsieur (1904) is another fragrance that gives a good impression of the original Fougère Royale, since it was heavily influenced by it.“ Des Weiteren berichtet sie, dass es sich bei dem neuen ‚Fougère Royale’ um eine gelungene Wiederauferstehung des alten handle, dem allein – bei leicht modifizierter Basis - der animalische Aspekt fehle.
Dieser animalische Aspekt ist aber nach wie vor in ‚MdM’ zu finden, wenngleich reduzierter als in ‚Jicky’, das allerdings über die Jahrzehnte auch einiges von seiner frivol-erotischen Seite einbüßte.
‚MdM’ stand also zwischen diesen beiden nahen Verwandten, borgte sich hier das Fougère-Konzept: Lavendel-Kumarin-Eichenmoos, und dort den Guerlinade-Akkord, sowie ein klein wenig des delikaten Zibets, doch gerade nur soviel um eine frivole Raffinesse anzudeuten, statt sie lustvoll auszuspielen (Jicky).
Der direkte Vergleich mit ‚Jicky’ offenbart weitere, bedeutende Veränderungen: so gesellt sich zu Beginn des Duftverlaufes von ‚MdM’ eine zitrische Verbenen-Note mit leicht metallischen Untertönen (häufig in klassischen Eau-de-Colgnes zu finden) zum frisch-krautigen Anfangsakkord von strahlender Bergamotte und aromatischem Lavendel.
In der Basis wiederum ist ein ‚Jicky’ prägendes Element, dessen halb-orientalische Facette kaum mehr zu finden: Vanillin. Jacques Guerlain hat es stark reduziert, und ‚MdM’ so zu einem reinen ‚Fougère’ in der direkten Nachfolge von Houbigants legendärem Duft werden lassen. Mit der fast gänzlich fehlenden Vanille im Fond und der zusätzlichen Verbena zu Beginn, bekommt der Duft auch eine durchweg maskulinere Aura – was aber nicht heißen soll, das Frauen in nicht ebenso gut tragen könnten - sie können. Aber die Anmutung ist eindeutig eine männlichere, im Vergleich zu ‚Jicky’, das sich jeder Zuordnung zu einem Geschlecht entzieht.
Auch im Herzen von ‚MdM’ sind einige Veränderungen erkennbar: beiden gemeinsam ist ein aus gleichen Blüten komponiertes Bouquet, allein die Gewichtung ist eine etwas andere. Vor allem die Iris mit ihren trockenen und pudrigen Nuancen wird in ‚MdM’ viel deutlicher herausgestrichen als in ‚Jicky’. Gemeinsam mit dem – nach Entnahme des Vanillins – viel stärker in Erscheinung tretenden Kumarins, bildet sie ein Duo, das zuverlässig immer wieder die gleiche Assoziation aufkommen lässt: Puder.

Nun könnte man meinen, Puder sei ein hauptsächlich in einem Damen-Baudoir gebräuchlicher Kosmetik-Gegenstand, aber dem war nicht so. Puder war ebenso Bestandteil eines jeden Frisiersalons, der zu jener Zeit ausschließlich von Herren aufgesucht wurde. Damen schnitten sich damals entweder selbst die Haare, oder ließen – so genug Geld vorhanden – den Friseur nach Hause kommen. Herren aber ließen sich in aller Öffentlichkeit rasieren, scheren, pudern und beduften. ‚MdM’, wie alle anderen klassischen Fougères, ist der Versuch einer olfaktorischen Abbildung dieser so beliebten, wie intimen, dabei öffentlichen Einrichtung. Der Umstand, dass diese heute, vor allem bei uns, im Grunde nicht mehr existent ist, mag dazu beigetragen haben, dass wir diese Düfte heute eher als altmodisch wahrnehmen – und das sind sie im Grunde auch. Aber gerade die feine Raffinesse des über 100 Jahre alten Duftes ‚Mouchoir de Monsieur’ lässt ihn noch immer deutlich herausragen aus der Gruppe der wenigen Mitstreiter, welche die Zeit überlebten: so beispielsweise Penhaligon´s ‚Blenheim Bouquet’ oder das immer seltener anzutreffende ‚Zizanie’ von Fragonard, das immer als etwas ordinärere Variante von ‚MdM’ galt.

Nachdem Jacques Guerlain ‚Mouchoir de Monsieur’ zu besagter Hochzeit verschenkte, war es viele Jahre lang ausschließlich in Guerlain-Boutiquen zu haben, bevor es endgültig und für Jahrzehnte verschwand. Allein für zwei berühmte Liebhaber dieses Duftes wurde eine Ausnahme gemacht und sie alleine bezogen fortan diesen exklusiven Duft: Spaniens König Juan Carlos und der berühmte französische Schauspieler Jean-Claude Brialy.
Erst Ende der achtziger Jahre war er wieder in den eigenen Boutiquen zu finden, und fristet seither – mittlerweile in den berühmten ‚Abeille’-Flakons – ein etwas abseitiges Dasein. Seltsam eigentlich, da er als kleiner Bruder des weitaus berühmteren ‚Jicky’, und sozusagen in dessen Schatten, dennoch ein erstaunliches Renommee genießt und immer wieder zu den besten je kreierten Düften gezählt wird.
Warum auch immer das Haus Guerlain ihn nicht nachdrücklicher vermarktet – es ist im Grunde auch egal. Hauptsache er ist da, und bleibt uns erhalten: als Zeugnis eines klassischen Fougères von unübertroffen delikatem und zugleich aristokratischem Zuschnitt.

Übrigens ist die neue, reformulierte Version nicht nur wunderbar gelungen, sondern darüber hinaus viel haltbarer geworden. Das alte ‚MdM’ besaß nämlich den viel beklagten Nachteil, dass es auf Textilien, für die es ja kreiert wurde, viel haltbarer war als auf der Haut.
Das ist nun - zum Glück – Vergangenheit, und ‚Mouchoir de Monsieur’ erstrahlt noch immer im alten Glanz.
Allen, die ‚Jicky’ lieben, denen aber das Voluminöse und die – leider schon verminderte – animalische Präsenz manchmal etwas zu viel ist, denen sei ‚Mouchoir de Monsieur’ dringend ans Herz gelegt.
Ich selbst werde es weiterhin allerdings eher mit ‚Jicky’ halten, denn so großartig ‚Mouchoir de Monsieur’ ist - ‚Jicky’ ist wirklich groß.
6 Antworten
7
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Cravache

64 Rezensionen
Cravache
Cravache
Top Rezension 0  
Ein wenig Frivolität, und das Leben ist gemeistert!
Der venezianische Cavaliere Casanova schrieb einst: „Ein wenig Frivolität, und das Leben ist gemeistert.“ Und so riecht Mouchoir de Monsieur für mich. Nach adligem Herrn (resp. Madame), gepuderter Perücke, nach venezianischer Lebenslust, Maskenspiel, etwas Frivolität, sexy Puder. Kurzum: nach Casanova.

Zu Zeiten Casanovas waren die venezianischen Frauen, so berichten empörte Zeitgenossen, „frei wie die Luft“. Und ihre tiefausgeschnittenen Kleider wirkten, als würden sie gleich von den Schultern herabfallen. Sie fuhren, die Maske vor dem Gesicht, in der Gondel zur Oper oder empfingen Herren im Boudoir. Lucietta, Ninetta, Lilla, sie waren Mädchen der flüchtigen Umarmungen, des vorübergehenden Verdrusses, der koketten Unruhe, der unbesonnenen Anmut, der leichtgeschürzten Reue.

12000 leichte Mädchen lockten in düsteren Schlupfwinkeln und Herbergen Venedigs. Zur gleichen Zeit lebten in der Stadt nur etwas über 2000 Nonnen (was damals allerdings nicht zwingend ein Gütesiegel für Keuschheit war) und 3000 Damen aus Patrizierfamilien. Es gab in der Stadt eine Art Aristokratie der Zügellosigkeit, der lockeren Sitten und der Lust. In Casanovas besten Jahren verging kein Tag, an dem er nicht die Ehre hatte, irgendein Mieder zuzuschnüren.

Casanova, diesen Glücksritter hätte keine andere Stadt als Venedig hervorbringen können. Sein Leben war so bunt wie die Lagunenstadt. Casanova haschte nach jeder süßen Frucht und Freude. Er verführte Frauen und Männer, wurde fünf Jahre in die Bleikammern, Venedigs heißeste Kerker, gesteckt, entfloh, legte sich Adelstitel zu, betätigte sich als Polizeispion und vollendete den tollen Tanz seines Lebens als Bibliothekar auf Schloss Dux in Böhmen.

Vor diesem Hintergrund wollen wir uns dem Duft zuwenden, der historisch zu Zeiten (und durchaus auch im Geiste) der Jugendstilerotik entstand. Man las Casanova, man entdeckte den Körper wieder, ebenso die leichtfüßige Liebe, man war stets etwas von koketter Unruhe beseelt - und man trug Mouchoir de Monsieur.

Mouchoir de Monsieur riecht auf der Haut merklich anders als auf der Kleidung. Auf der Kleidung dominiert nach dem Aufsprühen eine sehr schöne fruchtige und frische Bergamotte. Nach kurzer Zeit tritt konservativer, nach frisch gewaschenen Leintüchern riechender Lavendel hervor sowie wohlriechende Zitronenverbene.

Mit Beginn der Herznote gesellen sich florale und würzige Noten dazu. Leicht süßlicher, fruchtiger und ein wenig krautiger Jasmin, etwas bitterer Neroli und süßer Patschuli.

Nach einer Viertelstunde übernimmt überaus trockene, fast staubige Iris den weiteren Duftverlauf, umrahmt von Vanille und Amber. Im Hintergrund sind florale, würzige und fruchtige Noten wahrnehmbar. Während nun der Duft auf Textilien fruchtig und frisch startet, um dann während fast des ganzen weiteren Duftverlaufs einen distinguiert konservativen Eindruck zu hinterlassen, verbleibt zum Schluss des Duftverlaufs eine gar nicht mehr konservative Süße, sondern die lasterhafte Süße einer flüchtigen Umarmung, des vorübergehenden Verdrusses, der unbesonnenen Anmut, der leichtgeschürzten Reue.

Auf der Haut ist der Lavendel prominenter wahrnehmbar. Die Lavendelnote erinnert an die Lavendel-Säckchen aus der Provence. Mouchoir riecht auf der Haut etwas weniger nach Zitrone, aber krautiger und weniger fruchtig als auf Textilien. Die Irisnoten treten auf der Haut früher hervor, noch trockener, staubiger und pudriger. Die Vanille ist weniger, aber dennoch deutlich wahrnehmbar, Amber hingegen kaum. In der Basis ist eine ähnliche Süße wie auf der Kleidung wahrzunehmen.

Vergleichend könnte man sagen, dass Mouchoir im Herz auf der Haut deutlich konservativer ist. In der Basis, auf Haut wie Textilien, besticht Mouchoir durch eine elegante, distinguierte Erotik. So wie der junge Casanova. Stets in feinstes Tuch gehüllt, stets mit frisch gepuderter, adretter Perücke, stets mit der Hand einen anderen Körper erkundend.

Mouchoir ist kein strenges Cologne alter Schule. Dies liegt unter anderem daran, dass Mouchoir keine metallischen Anklänge wie beispielsweise das Eau de Guerlain zeigt, die auf der Haut oft als sehr altmodisch bis störend empfunden werden. Die Süße des Schlussbouquets, auf Haut wie Kleidung, entfacht zwar nicht direkt die Assoziation ‚Sex!‘ (wie Jicky), doch in dieser Phase des Duftverlaufs riecht Mouchoir sehr wohl anziehend und erotisch.

Die Zugehörigkeit von Mouchoir zur Familie Guerlain ist unverkennbar. Am nächsten ist Mouchoir mit Jicky verwandt. Man könnte Mouchoir als konservativen, trockenen und pudrigen Cousin von Jicky bezeichnen. Jicky ist etwas vanilliger, würziger und insbesondere, im Gegensatz zu Mouchoir, an der Kleidung anziehend animalisch. Wie ein wildes, junges, williges Kätzchen. Auch riecht Jicky intensiver nach Lavendel, wenn auch nicht auf eine betont konservative Weise wie Mouchoir. In der Basis ist Jicky erotisch offensiver als Mouchoir, was vermutlich Benzoe und Tonka zuzuschreiben ist.

Mouchoir ist kein Duft, der sich auf dem Papierstreifen erfassen lässt. Der Duft zwingt den gewissenhaften Tester, sich mit ihm zu befassen – wofür selbst ein kleines Pröbchen nicht ausreichen wird. Der Duft wird wohl manchem nicht zugänglich sein, bedient er sich doch nicht der heutzutage nur zu oft anzutreffenden Effekthascherei.

Wer ein Mindestmaß an Geduld und die Bereitschaft aufbringen kann, sich mit dem charmanten, wunderbar unzeitgemäßen Dinosaurier von einem Parfum zu befassen, dem sei zum Test geraten. Mann wie Frau. Denn Mouchoir de Monsieur ist ein Kleinod aus einer anderen Zeit. Ein Kleinod für Feinschmecker, Naschzeug für Casanova, für die kleinen Frivolitäten des Alltags.
11 Antworten
7.5
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Apicius

1106 Rezensionen
Apicius
Apicius
Top Rezension 22  
Sexy Puder!
Dieses Parfum riecht nicht, das müffelt!

Es ist ein wirklich altertümlicher Duft, was ja bei dem Erscheinungsdatum 1904 nicht anders zu erwarten ist. Wie kaum ein anderes Herrenparfum steht Mouchoir de Monsieur einerseits für die Zeiten des Jugendstils und des Fin de Siècle, für Dandytum und Dekadenz. Andererseits reicht der Duft noch weiter zurück, in die Zeit der Allonge- und Zopfperücken.

Der vorherrschende Geruchseindruch ist – Puder, Talkumpuder. Oder auch zermahlene Kreide, weißer Kalk. In der Duftpyramide muss die Iris dreifach unterstrichen werden, denn diese prägt den Duft.

Wenn ein Parfum pudrige Noten aufweist, liegt dies meist an der Verwendung von Iriswurzel (Die Blüten werden nicht verwendet). In Herrenparfums wird Iriswurzel selten so in den Mittelpunkt gestellt. Mir fällt hier spontan nur Pradas wunderbares Infusion d’Homme und Divines L’Homme de Coeur ein. Weitere Herrenparfums mit deutlich integrierterer Iris sind Iris Bleu Gris (Maitre Parfumier et Gantier), Red Sea (Micallef) und natürlich Dior Homme, wo sie für den berühmten „Lippenstift“-Akkord verantwortlich ist.

Die Iris in Mouchoir de Monsieur empfinde ich ungemein staubig und trocken, obwohl doch so süße und klebrige Dinge wie Vanille und auch sonstige florale Noten enthalten sind. Vanille ist sogar sehr deutlich spürbar, und – ich wage es kaum niederzuschreiben – auch Spuren des berühmt-berüchtigten benzinartigen Le Male Akkords. Eine leichte Bergamotte Note im Kopf versteht sich fast von selbst. Ich habe ein bisschen schlechtes Gewissen, zu viel zu sonstigen Bestandteilen zu sagen, denn diese sind hier alle nicht wichtig. Es ist einfach nur Iris, alles andere unterstützt nur. Also Entwarnung: Auch bei Abneigung gegen Le Male und Vanille könnte Mouchoir de Monsieur gefallen.

Ein Wermutstropfen: Die Haltbarkeit ist nicht sehr berühmt.

Natürlich ist Infusion d’Homme eine viel frischere, modernere Interpretation des Themas Iris. Dafür ist Mouchoir de Monsieur aber eindeutig „the real thing“. Es ist so aussergewöhnlich, dass man jedem nur zu einem Test raten kann. Mouchoir de Monsieur kommt in einem schönen, verschnörkelten Flakon. Dem gleichen, in den Guerlain ihre anderen „alten“ Düfte abfüllt (EDC Imperiale, Eau de Guerlain, Après l’Ondée, etc). Leider schwer zu finden. Probenbestellung bei Essenza Nobile, ansonsten z.B. Oberpollinger in München.

Soll man dieses altertümliche Parfum nun als „verstaubt“ ablehnen? Nun ja, Körperpuder ist heute ja eine sehr intime Angelegenheit, und da bin ich mir gar nicht so sicher, ob vor diesem Hintergrund Mouchoir de Monsieur nicht auch als ziemlich sexy wahrgenommen werden könnte… Ich finde, dieser Duft hätte Portenzial für ein Comeback, aber nicht mir diesem Namen und dieser Verpackung.
2 Antworten
8
Flakon
5
Sillage
6
Haltbarkeit
7
Duft
FabianO

1005 Rezensionen
FabianO
FabianO
Sehr hilfreiche Rezension 22  
111 Jahre alt, mein 500. Kommentar - würdiges Jubiläum: männlicher "Shalimar"
JUBILÄUM!!! 17 Monate bei Parfumo, 500-mal meinen Senf zu großen und schaurigen Düften dieser Welt abgegeben.

Für die besondere Zahl nun habe ich mir gedacht, es müsste schon ein richtiger Ur-Duft sein, am besten von einer Marke, die mich durch die Bank weg mit (fast) allem überzeugt.

"Mouchoir de Monsieur" nun scheint mir passend: 111 Jahre alt, vor den Weltkriegen dieses Planeten entstanden, nur ein paar Jahre, nachdem Bismarck abdankte und Theodor Storm seinen "Schimmelreiter" schrieb.

Nachdem dank Parfumo mein Düfteregal zu Hause nun mit Klassikern wie "Habit Rouge", "Heritage" und "Vetiver" gefüllt ist und in meiner Schublade Abfüllungen von so exklusiven Guerlains wie "Chamade Homme" und "Arsène Lupin Dandy" schlummern, wollte ich nun den ältesten Herren-Guerlain auf seine Tauglichkeit testen.

Von Anbeginn ist klar, dass man hier einen Guerlain vor sich hat. Angepudert, ein bisschen staubig wie "Habit Rouge" am Anfang, zugleich animalisch umrahmt - ein Hauch würziger, leicht derber Pumakäfig wie in "Shalimar".

Frische, wie man sie bei Bergamotte und Zitronenverbene erwartet, kommt kaum durch, auch Lavendel scheint nur ein strukturgebender Unterbau zu sein.

Die leicht erdig-schmuddelige Basisnote greift wirklich rasch um sich, nach meinem Empfinden ein recht gleichberechtigter Mix aus Zibet, Vanille und Patchouli: Etwas süßlich-orientalisch, leicht erdig und dem Tierreich nahe. Gut austariert, auf guerlaintypische Weise zugleich elegant und schmutzig, feierlich und dekadent, orientalisch und in seiner Pudrigkeit doch europäisch.

Alltagsduft oder etwas für Weihnachten/Silvester/die 50. Geburtstagsfeier? Die Meinungen unten driften auseinander. Ich möchte meinen, die Mitte trifft´s.
Für den banalen Alltag erscheint "Mouchoir" mir zu aristokratisch, zu pudrig-barock. Einen guten Sonntagsduft gibt er aber auf jeden Fall ab.
Die Haltbarkeit ist - guerlain-untypisch- recht mittelprächtig. Daran hapert´s ein wenig.

Ansonsten aber ein äußerst beachtenswerter, besonderer Herrenklassiker an der Schnittstelle zwischen allen großen männlichen und teilweise auch weiblichen Düften dieser großen Traditionsmarke.

NACHTRAG (20.2.16): Ich habe ihn mittlerweile aussortiert. Je öfter und länger ich ihn getestet habe, desto mehr Widerwillen erzeugt er bei mir. Mir fällt tatsächlich keine Gelegenheit ein, ihn zu benutzen. Morgens geht gar nicht, abends habe ich auch wenig Lust, das Verpudert-Animalische, um das nicht viel herumgebaut ist, nervt mich zusehends.
7 Antworten
Weitere Rezensionen

Statements

35 kurze Meinungen zum Parfum
SchatzSucherSchatzSucher vor 2 Jahren
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der kleine Bruder von Jicky. Galanter Gentleman der alten Schule mit einer gewissen Portion Frivolität. Liebenswert unzeitgemäß.
24 Antworten
SchalkerinSchalkerin vor 2 Jahren
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
Startet echt genauso schön wie Jicky
Doch sorry lieber Monsieur, mit der
Dame können Sie nicht mithalten.
Ihr Herz gefällt mir nicht richtig
27 Antworten
FriesinFriesin vor 3 Jahren
6
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Dieser Kerl gibt vor,mit seinem 'mouchoir' deine Tränen zu trocknen. Später trocknet er deine Schenkel.
Warm,weich,einnehmend,tief,sinnlich
18 Antworten
GoldGold vor 3 Jahren
6
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft
Beruhigt das Gemüt, weich, pudrig-warm. Wie ein leichtes Streicheln, langsam zur Mitte findend, die feine Essenz altmodischer Zärtlichkeit.
17 Antworten
Eggi37Eggi37 vor 2 Jahren
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der Duft eines Monsieurs
Sollte nicht lavendiligen Fougere und Moosigen Chypre voneinander trennen
Pudrige Eleganz darf nicht fehlen
Voilà
19 Antworten
Weitere Statements

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Diskussionen

Themen zum Parfum im Forum
Abby123Abby123 vor 8 Monaten
Herren-Parfum
Mouchoir de Monsieur von Guerlain
Hallo zusammen, ich möchte meinem Vater zum Geburtstag gerne eine Freude machen und ihm einen Falkon seines Lieblingsparfums schenken.Leider wird der "Mouchoir de Monsieur | Guerlain"...

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