Ronin

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Ronin vor 10 Jahren 9
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7
Duft
Die Hedion-Cashmeran-Idee des talentierten Herrn Kurkdjian
Ich bin verwirrt. Weniger vom Duft "Aqua Vitae" selbst als vielmehr von dem, was ich bisher über den Duft lesen konnte. Für mich lebt das Parfum nach zitrischem Auftakt vom einem Wechselspiel von Hedion und Cashmeran: Hedion (im Englischen Hedione) ist die Substanz, die in keinem Parfum fehlen darf, um welke Blütenblätter wieder Frische einzuhauchen und mit Tautropfen zu versehen. Auch Fruchtnoten bekommen dadurch ein "wie frisch gepresst"-Siegel.
Cashmeran, auf halbem Wege zwischen den Moschus- und Holzduftstoffen, ist schwer greifbar und sehr diffusiv. Es wird auch gar nicht in Pyramide oder den bisherigen Kommentaren erwähnt, und eigentlich rieche ich die Substanz nicht so leicht heraus wie andere. Trotzdem meine ich hier Cashmeran zu erkennen. Ist es die Überlagerung von Guajak und einem Moschusriechstoff, der für mich wie Cashmeran riecht? Ich vermute eher, dass Cashmeran - obwohl verwendet - einfach nicht in der Pyramide erwähnt wird: neben Hedion noch die Nennung eines weiteren synthetischen Riechstoffs könnte irritieren und die euphemistischen, eher irreführenden Umschreibungen "Kashmirholz" oder "helle Hölzer/blond woods" waren Francis Kurkdjian vermutlich einfach zu blöd.
Zusammen mit Ethylmaltol finde ich Cashmeran recht schrecklich ("Angel", "Bois Marocain"), aber wer einen subtileren Zugang wählt wie Maurice Roucel in "Dans Tes Bras", kitzelt da echt was raus, v.a. mit Blumennoten.
Sowohl Hedion als auch Cashmeran werden also selten ihrer selbst willen eingesetzt, sondern um andere Noten ins rechte Licht zu rücken. Und so ist "Aqua Vitae" ein ungewöhnliches Parfum mit Noten im Mittelpunkt, die in der Regel hinter dem Scheinwerfer stehen und nicht in dessen Licht. Der zitrische Start ist sehr hell, strahlend, warm. Bei aller Wärme aber auch frisch. Vergleichsweise weit werden die Agrumen in den Duft hinein getragen und selbst, wenn sie nicht mehr zu riechen sind, verbleibt ein sonniges Echo. Ich vermute, das vergleichsweise lange Durchhalten der flüchtigen zitrischen Noten und das Echo sind vor allem einer hohen Dosis Hedion geschuldet. Mit dem Abklingen der Kopfnoten zieht sich der Duft zurück und eine warme und weiche, leicht blumige und pudrige Aura umspielt die Haut. Diese hält recht lange durch, so mindestens 6-8 Stunden. Ich denke, der Dufteindruck von der Sonne aufgewärmter Haut wird durch das Zusammenspiel Hedion/Cashmeran bewirkt. Die in der Pyramide angegebenen Vanille und Tonka steuern für mich eher etwas Süße bei als bewusst heraus gestellt zu werden.
Ich hatte den Duft nur einmal getragen, für ein mehrmaliges Testen gefällt er mir dann doch nicht gut genug: ich habe einige Parfums in meiner Sammlung, die diesen Eindruck gepflegter, sauberer, warmer und süßer Haut vermitteln, ohne wirklich "parfümig" zu riechen - z.B. "L’Eau d’Hiver" (einer meiner absoluten Lieblinge). "Absolue Pour le Matin", auch von Maison Francis Kurkdjian, geht in die gleiche Richtung und wenn ich noch eine Ergänzung in die Richtung möchte, dann würde ich eher diesen "Aqua Vitae" vorziehen – so ein bisschen spannender ist der "Morgenduft" für mich schon. Bevor ich jetzt falsch verstanden werde: "Aqua Vitae" hat keine große Ähnlichkeit mit den beiden anderen Genannten, aber der Effekt warmer, gepflegter Haut ist sehr vergleichbar. Und so etwas brauche ich nicht in unendlichen Variationen zu besitzen. Des Weiteren würde ich diesen absolut zu Recht als unisex eingeordneten Duft etwas lieber auf Damen- als auf Herrenhaut riechen.
Spannender als das, was ich rieche, finde ich, dass hier Hedion so sehr in den Mittelpunkt gestellt wird: seit Edmond Roudnitska es für "Eau Sauvage" als Parfumingredienz entdeckte, hat keine andere Substanz so sehr die Art, wie Parfums gemacht werden können und wie sie gemacht werden, verändert wie Hedion. Es fehlt in praktisch keinem Duft der letzten 40 Jahre und hat die Entwicklung moderner Parfumerie in Richtung Transparenz erst ermöglicht. Und so kann man "Aqua Vitae" durchaus als Kurkdjians Hommage an Edmond Roudnitska und Hedion ansehen – ähnlich dem Comme-de-Garçons-Duft "Odeur 53" von Martine Pallix mit 63 % oder Ellenas "First" für Van Cleef & Arpels mit 20 % Hedion (wobei ja jedes zweite Werk Jean-Claude Ellenas eine Hommage an Roudnitska ist, aber das ist eine andere Geschichte …).
Da ich den Duft nicht häufiger getestet habe, habe ich lange überlegt, ob es seriös ist, meine Eindrücke als Kommentar zu verfassen (oder doch lieber in "Getestete Düfte" zu veröffentlichen). Ich habe mich letztendlich dazu entschlossen, es doch hier zu posten und bitte daher um Verständnis, dass ich nicht alle Aspekte des Parfums beleuchtet habe und mich sehr auf das Hedion-Cashmeran-Zusammenspiel fokussiert habe. Der Kommentar ist auch etwas verkopft geworden, aber "Aqua Vitae" kommt mir auch etwas verkopft vor ...
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Ronin vor 11 Jahren 12
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Duft
Die Auflösung eines Dilemmas
Holzdüfte sind schwierig. Wie eine Schrankwand (Ergoproxy, danke für das Bild) oder Tischlerei zu riechen, kann ja zur Abwechslung mal ganz spannend sein. Aber mir geht das irgendwann auf den Keks. Wenn ich ab und zu einen Hauch Holzduft in die Nase bekomme, gefällt mir das. Nur ständig diesem Odeur ausgesetzt zu sein, empfinde ich als nicht leicht erträglich.
Nun ist es allerdings so, dass es nur so Komplimente hagelt, wenn ich holzbeduftet bin. Besonders von weiblicher Seite. Entscheidend - die Komplimente kommen auch von der schönsten Nase von allen. Und nun stehe ich vor einem Dilemma. Den Wunsch meiner Freundin ignorieren oder ständig etwas Holzstaub in der Nase? Und nach welchem Holz soll ich denn riechen?

Sandelholz ist mir in klassischen Kompositionen oft zu warm und weich als Hauptnote eines Parfums. Zumal ich damit die Erinnerung an Herrendüfte der Generation meines Vaters verbinde – egal wie positiv besetzt, so mag ich nicht riechen. Außerdem bin ich anosmisch für Javanol, wie ich beim Besuch bei Erik Kormann in Berlin lernen durfte. Da in fast allen synthetischen Nachstellungen des mittlerweile sehr raren natürlichen Sandelholzöles Javanol eine tragende Rolle einnimmt, kann ich mit den synthetisch nachgebauten Sandelakkorden wenig anfangen.
Die Hölzer mit grünharzigem Geruch von Pinie bis Zypresse mag ich ganz gerne, sind sie doch von allen Hölzern die frischesten. Nur sind die recht flüchtig und halten nie bis zur Basis durch. Vielleicht auch besser so, irgendwann würde es wohl auch langweilig werden.
Bleibt die Zeder, genauer gesagt die Texas- oder Virginiazeder, die spätestens seit "Terre d’Hermès" in quasi keinem Herrenduft fehlen darf – und sie ist ja auch wirklich eine dankbare Komponente für Parfumeurinnen und Parfumeure: schmal und hart, wie die Anmutung ist, gibt sie Parfums Halt und Richtung. Aber als dominante Note ist sie besonders staubig und der Eindruck, Sägespäne zu inhalieren, ist kaum vermeidbar …
Aber – für mein detailliert umrissenes Dilemma gibt es eine Lösung: "Tam Dao". Man kombiniere einfach Zypresse mit ihren grünen und frischen Facetten mit dem weichen, cremig-milchigen Sandelholz. Damit das Ganze nicht in seiner Breite vor sich hin wabert, kommt eine ordentliche Dosis Zeder hinzu, was dem Duft Struktur verleiht. Myrte und Rosenholz sind olfaktorisch überlagert mit den Hölzern und ich zumindest kann sie nicht heraus riechen, sie dienen wohl dazu, die Zypresse zu akzentuieren (Myrte) und die Kopfnote länger in den Duft zu tragen (Rosenholz). Durch diese Kombination findet "Tam Dao" seine Balance und wird – trotz quasi 100 % Holz – nie langweilig. Eine Entwicklung findet kaum statt: das Sandelholz ist schon vom Start an zu riechen und wird mit der Zeit nur leicht dominanter. Neben der ausgeklügelten Balance der Holznoten profitiert das Parfum davon, dass wohl niemand die Rohstoffkosten kalkuliert hat: Neben massiven 7,5 % texanischem Zedernholzöl fanden unglaubliche 17 % natürliches Sandelholzöl den Weg ins Parfum. Wenn ich richtig recherchiert habe, gibt es kein aktuell erhältliches Parfum, was diesen Anteil übertrifft ("Samsara" enthielt bei Lancierung wohl 20 % davon; damals war natürliches Sandelholzöl aber noch günstig und der Duft wurde mit ansteigenden Rohstoffpreisen entsprechend reformuliert). Dieser hohe Sandelholzanteil erklärt, dass die Note bereits im Kopf zu riechen ist. Die Haltbarkeit des Duftes ist gut, aber nicht überragend.

Nachdem ich "Tam Dao" ein Jahr getestet habe, hat es Einzug in meine Parfumsammlung gehalten: Jetzt bin ich mir sicher, dass es ein Holzparfum gibt, das mir nie langweilig wird oder mir gar auf die Nerven gehen könnte.
12 Antworten
Ronin vor 11 Jahren 5
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Duft
Kein aufsteigender Weihrauch, weder schwarz noch weiß
Erik Kormann liebt Weihrauch. Dies schrieb ich schon bei meinem Kommentar zu „Eau de Fröhliche No. 1“. Dieser erste Duft der Weihrauchserie gefiel mir überraschend gut – überraschend, weil Weihrauch in einer Art inszeniert wurde, die ich an sich so gar nicht mag: eher süß und gourmandig sowie zudem in sehr kompakter Komposition. Aber grüner Kardamom als Gegenpol bringt genügend Spannung in den Duft, dass ich das Parfum sehr gerne riechen mag. Nicht unbedingt an mir, aber an anderen.

„Eau de Fröhliche No. 2“ fällt eher in mein Beuteschema: Dem Weihrauch werden Düfte an die Seite gestellt, die wir mit Kühle und Frische in Verbindungen bringen. Das ist nicht die Regel für Weihrauchdüfte, die meisten sind eher orientalisch-schwer wie auch No. 1. Aber es gibt einige frische Interpretationen: Apicius erwähnte bereits „7 de Loewe“, für das auch Philip Kraft in seinem Parfumo-Interview lobende Worte fand. J.-C. Ellenas „Eau den Gentiane Blanche“ ist kein Weihrauchduft im engeren Sinne, aber die Note spielt eine entscheidende Rolle in der Komposition dieses kompromisslos kühlen, weißen bis fahlgrauen Colognes. Amouages Kernkompetenz bestimmt ihr Produktportfolio, und ihre Kernkompetenz ist - Weihrauch. Und so wundert es nicht, dass sie mit dem (Fast-)Fougère „Memoir Man“ einen der überzeugendsten kühlen Weihrauchdüfte erschaffen haben (lange Zeit Parfumos Top-Herrenduft, bis einige ihn blind kauften und enttäuscht abwerteten).
Wie geht „Eau de Fröhliche No. 2“ dieses Thema an? Der Start eines Parfums verfliegt oft schnell, wie auch hier. Seine Funktion ist es, die Richtung vorzugeben: die Art, wie wir auf den sich entwickelnden Duft schauen, welche Facetten von Herz- und Basisnoten wir betont wahrnehmen (neben einer geruchlichen Überlagerung des ersten Alkoholflashs). In Erik Kormanns 2. Weihrauchduft übernehmen Spuren von Bergamotte und Minze diese Funktion, ganz zart eingesetzt. Die erste Hauptrolle ist besetzt von Anis, was sich mit den terpenigen Facetten des Weihrauchs (die an Terpentin, Teebaumöl oder Eukalyptus erinnern) zu einem frischen Akkord verbindet. Die Rose ist für mich nur nach Lesen der Duftpyramide zu erkennen (falls überhaupt), vermutlich wurde sie mit einer kräftigen Dosis Hedion sehr in die taufrische Richtung verfremdet. Vielleicht trage ich auch einfach zu oft Lumière Noire pour homme und bin etwas abgestumpft. Jedenfalls ist für mich die Anisnote im Vordergrund und der Weihrauch kommt hinzu, vergleichsweise kühl, aber nicht schlank. Laut Erik Kormann ist noch Iso E Super und Guajakholz unter den Inhaltsstoffen, ersteres würde die Kühle unterstützen und eigentlich auch zu einer gewissen Verschlankung führen. Guajak ist unter den Holznoten die für mich schwierigste, da sie oft süß und breit wird, was hier dankenswerterweise ausbleibt, vermutlich aufgrund des Iso E Supers.
Trotz des eingedämmten Guajaks stört mich etwas an dem Duft. Ich habe den Eindruck, der Weihrauch hat nicht die Luftigkeit und Frische, die er haben soll. Anstatt aufzusteigen kriechen die Schwaden über den Boden. An sich finde ich die gewählte Kombination Anis-Weihrauch ziemlich kongenial, aber die Anisnote wirkt auf mich eher fett und ouzoähnlich und nicht so krautig-frisch, wie es dem Duft gut täte. Es gibt einige sehr schön krautige Anisnoten, beispielhaft fällt mir „Mirra e Anice Stellato“ ein. Dort nimmt es dem Räucherharz Myrrhe die knarzige Harzigkeit. Eine ähnlich hebende Rolle hätte ich mir in „Eau de Fröhliche No. 2“ gewünscht. Möglicherweise macht die Konzentration den Unterschied – ersterer Duft ist ein EdC, zweiterer ein Extrait.
„Memoir Man“ wiederum schafft es trotz EdP-Stärke, kühl und frisch zu wirken. Auch hier ist etwas Anisartiges enthalten, nämlich Absinth, was seinen Beitrag dazu leistet, den Weihrauch zu heben. Interessanterweise ist eine weitere wichtige Note dieses Duftes Lavendel, und ich habe schon häufig erlebt, dass die zitrischen Aspekte des Lavendels Kopfnoten lange in die Mitte eines Duftes hineintragen und generell die Parfums zu schweben scheinen. Solch eine Wirkung könnte „Eau de Fröhliche No. 2“ gut tun: eine hebende Wirkung und des Weiteren würde die Krautigkeit des Lavendels dem Anis Frische verleihen. Gesagt, getan. Ich layerte „Eau de Fröhliche No. 2“ mit „Brin de Réglisse“, diesem Wechselspiel aus Lavendel und Lakritz. Ich hatte den Eindruck, dass Lavendel tatsächlich dem Duft gut tat, dass aber die Überlagerung von Lakritz mit Anis – vorsichtig formuliert - suboptimal war. Der Kommentar der schönsten Nase von allen war eindeutiger „Riecht wie ein Unfall!“ und bis auf weiteres habe ich Layeringverbot. Dieses umgehend wagte ich noch ein Experiment mit „Eau de Gentiane Blanche“, was in so weit spannend war, dass ich am Anfang nur das Enzian-EdC roch, dann nur „Eau de Fröhliche No. 2“ und später wieder nur Enzian-EdC. Immerhin wurde ich nicht der Wohnung verwiesen.
Ich bin kein Freund des Layerings, und die Versuche machen wohl eines klar: Ich finde die Idee, Anis und Weihrauch zu kombinieren, großartig! Aber – in der Umsetzung fehlt mir etwas. Die fast zähe Kompaktheit stand „Eau de Fröhliche No. 1“ gut zu Gesicht, passte gut zum Bild des angebrannten Malzbonbons. Bei einem kühl-frischen Duft würde ich mir eine geringere Parfumölkonzentration wünschen, um Zähigkeit zu nehmen, den Duftstoffen Raum zu geben, sich luftig zu entfalten. Ach, wenn es „Eau de Fröhliche No. 2“ als EdT gäbe, wäre ich der erste, der ihn probieren wollte. Um die Haltbarkeit zu erhalten, müsste wohl die Iso E Super-Konzentration erhöht werden, möglicherweise zusätzlich etwas Karanal. Vielleicht bräuchte ein EdT ein Fixativ, am besten eines mit rauchigen Aspekten? Labdanum könnte dem Duft zu sehr einen orientalischen Stempel aufdrücken, vorsichtig dosiertes Opoponax müsste gut mit dem kühlen Weihrauch harmonieren.
Bei EdT-Stärke ist der Start alkoholischer, was die Ouzo-Assoziation noch verstärken könnte. Auch wenn der Layeringversuch in die Hose ging, könnte Lavendel eine gute Idee sein, die Krautigkeit des Anises zu betonen, zumindest mit einem Absolue, was für mich immer etwas krautiger und frischer riecht als das Öl. Oder doch besser Muskatellersalbei, was ja olfaktorsich eine erhebliche Schnittmenge mit Lavendel hat? Oder die Anisnote wird in eine andere Richtung verfremdet, indem etwas Anisaldehyd zugesetzt wird?
Ich schweife ab und möchte keineswegs den Eindruck erwecken, ich wüsste, wie es besser geht. Nein, wahrlich nicht. Ich nehme gerade die Rolle des Fußballzuschauers in Feinripp mit Bier in der Hand ein, der meint, ein besserer Bundestrainer zu sein – was ich nicht möchte. Erik Kormanns Blog lädt natürlich dazu ein und macht Lust darauf, sich selbst Gedanken zu machen, wie ein Parfum zu mischen wäre. Das mache ich gerne und freue mich über die Kombination Anis-Weihrauch – und empfehle durchaus, das Parfum zu testen: Die Geschmäcker sind verschieden und was mich stört, gefällt anderen vielleicht gerade.

Ich jedenfalls schnappe mir meine Freundin, breche auf nach Berlin, um Erik Kormann, Mr. Eau de Fröhliche, persönlich kennen zu lernen. Zuerst gibt's was auf die Nase - ich lasse mir von ihm die Leviten lesen ob meiner Naivität bezüglich der Parfumkomposition - und anschließend schnuppern wir uns durch die Welt der Duftstoffe.
5 Antworten
Ronin vor 11 Jahren 2
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7.5
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Duft
Geräucherter grüner Kardamom an angebrannten Malzbonbons
Erik Kormann liebt Weihrauch. Wer seinen Blog (aromatisches-blog.de) verfolgt, wird lesen können, wie viel Sorgfalt er diesem Rohstoff widmet.
Weihrauch ist ein Duftstoff, der schon seit ewigen Zeiten zur Palette der Parfumerie gehört. Parfums allerdings, die diese Note in den Mittelpunkt stellen, gibt es - in der westlichen Welt - noch nicht so lange: „Messe de Minuit“ könnte das erste gewesen sein, zumindest hat es einen gewissen Hype im Nischenbereich nach sich gezogen. Der wunderschöne Damenduft „Nu“ von Yves Saint Laurent aus dem Jahr 2001 etablierte Weihrauch als markante, stilgebende Note im Mainstream.
Weihrauch ist nicht gleich Weihrauch in Parfums. Die eine Richtung betont den sakralen Aspektes des „geweihten Rauches“: hier geht es um den Duft, der beim Verräuchern entsteht, also etwas, was viele von uns an katholische Messen erinnert. Verräuchert wird hier typischerweise nicht nur das Harz des Weihrauchbaumes (Boswellia sacra), sondern Mischungen mit Styrax, Galbanum, Benzoe oder Myrrhe. Die andere Richtung verwendet Weihrauchöl, was durch Wasserdampfdestillation aus dem Boswellia-Baumharz gewonnen wird, um der Note selbst willen – und nicht, um das Verräuchern davon olfaktorisch nachzustellen. Auf arabischer Dufttradition aufbauend ist dieses Öl eine beliebte Komponente in der orientalischen Duftfamilie, aber nicht nur in dieser. Das Duftspektrum ist ein anderes im Vergleich zu dem, was dem geschwenkten Weihrauchfässchen typischerweise entsteigt. Direkt an einem hochwertigen Öl gerochen sind grün-stechende Noten wahrzunehmen, die an Terpentin, Teebaumöl oder Eukalyptus erinnern. Erst mit etwas Abstand überwiegen die Aspekte, die wir als Weihrauch kennen. Interessanterweise ist der Duft eher dezent, verteilt sich aber im ganzen Raum und ist lange zu riechen.
So eine hochwertige Qualität wird auch für „Eau de Fröhliche“ verwendet. Der Start wird geprägt vom Kardamom, und zwar nicht von den dunklen Samenkörnern, sondern den kompletten grünen Kapseln. Vermutlich sind es die terpenigen Facetten des Weihrauchs, die dem Kardamom das Attribut "grün" verpassen. Diese Note ist keinesfalls schnell verflogen, sondern bleibt lange erkennbar und wird nach und nach ergänzt, mit dem Weihrauch, mit einem schokoladigen Aspekt, gebildet aus der Überlagerung von Patchouli, Vanille und Tolubalsam. Diese Schokolade ist dunkel, genau so, wie der Duft im weiteren Verlauf dunkler wird, glatt, harzig und dicht. Das Schokoladige finde ich übrigens keineswegs so dominant wie manche Vorkommentatorinnen und –kommentatoren: L'Instant de Guerlain pour Homme Eau Extrême z.B. ist deutlich schokoladiger.
Ich ärgere mich etwas, den Begleitbrief, der dem Duft beigefügt war, vorher gelesen zu haben. Dort wird auf eine Note von angebrannten Malzbonbons hingewiesen, die ich sehr gut nachvollziehen kann. Ärgerlich deswegen, weil ich gerne gewusst hätte, ob ich diese auch ohne Vorwissen erkannt hätte.
Der grüne Kardamom schafft ein schönes Gegengewicht zum dichten, dunklen Kern des Duftes, hebt ihn und sorgt dafür, dass das Parfum nicht allzu sehr ins Süße abdriftet.
Wer meinen Geschmack kennt, wird wissen, dass dies eigentlich so gar nicht meine Richtung ist: Nichts Transparentes, Luftiges ala Ellena oder Kurkdjian, stattdessen eine kompakte und dichte Formensprache, wie sie eher Serge Lutens bemüht. Und Parfums mit betontem Gourmandaspekt haben es eh schwer bei mir. Ich halte es da mit Jean-Claude Ellena, der sagte „It’s easy to add sugar!“. Trotzdem gebe ich dem Duft 80 %, mehr als jedem Serge Lutens, und das ist keinesfalls als Sympathiebonus für den Garagenparfumeur zu verstehen. Nein, der Duft bringt mir Spaß, ich finde die Spannung zwischen dem grünen Kardamom und dem dunkelharzigem Zentrum des Parfums gut gelungen, so dass er nicht langweilig und ermüdend wird. Allzu oft tragen würde ich "Eau de Fröhliche" trotzdem nicht, die Dichte wäre mir beim Dauereinsatz einfach zu viel.
Wer Weihrauch mag, ansonsten aber andere Duftvorlieben hat als ich, sollte diesen Duft testen. Wenn er bzw. sie die Chance hat: es ist bereits eingestellt.
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Ronin vor 11 Jahren 12
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Flakon
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10
Haltbarkeit
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Duft
Das strahlende, über allem schwebende Oud
Vor einem Jahr bereits kaufte ich mir „Oud Shamash“. Damals war er nur erhältlich als direkte Bestellung bei The Different Company. Es war ein Blindkauf im Vertrauen auf meine Lieblingsmarke. Das Vertrauen wurde, so viel sei vorweg genommen, nicht enttäuscht.
Eine Blindbestellung ohne vorheriges Testen geht meistens nicht gut. Nur war ich seinerzeit zu neugierig: welcher Weg würde hier eingeschlagen werden? Welche Oudinterpretation würde Bertrand Duchaufour wohl wählen? Die Düfte von „The Different Company“, die einen Rohstoff im Namen tragen, lassen sich grob in zwei Richtungen einteilen: Parfums, bei denen eine zentrale Note ob ihrer Qualität gefeiert wird, wie in „Bois d’Iris“, „Bergamote“ oder „Jasmin de Nuit“; oder Parfums, in denen diese Note abstrakt eingesetzt wird, um etwas anderes darzustellen, wie „Sel de Vetiver“: Vetiver wird nicht um seiner selbst Willen verwendet, sondern um den Eindruck von Salz zu erzeugen.

"Oud Shamash" war der erste der "Collection Excessive"-Serie. Für diese Serie wird der gleiche hochwertige Flakon wie für die anderen The-Different-Company-Parfums verwendet, der in seiner schlichten Eleganz mit reduzierter Formensprache sehr gut zum Stil des Hauses passt. Allerdings wurde er versehen mit einem goldfarbenen Etikett mit schwarzer Schrift und ich befürchtete, dass die Schönheit des Flakons darunter leiden könnte. Die Befürchtung war unbegründet, er sieht sehr edel aus. Da keine Schrift mit Serifen oder gar eine verschnörkelte Schreibschrift gewählt wurde, wurde eine Kitschgefahr gebannt.

Ein Blick in die Pyramide von „Oud Shamash“ zeigt, dass es sich hier um einen Duft in der Tradition von „Bois d’Iris“ handelt: Noten wie Safran, Nagarmotha, Hölzer und Tolubalsam verstärken eher noch den Oudcharakter, statt Kontrast zu geben.
Nun ist natürliches Oud - oder Adlerholzöl - ein sehr komplexer Rohstoff mit einem Duftspektrum von ätherisch-würzig-bitter über holzig und animalisch bis balsamisch-süß. Diese Komplexität zeichnet Oud aus: eine wirklich gute Oudqualität hat eine eigene Balance, das Balsamisch-Süße wird vom Ätherisch-Bitterem kontrastiert, gehoben, ohne dass sich diese Aspekte abschwächen würden. Zwischen diesen Aspekten entsteht eine Spannung, die den Duft nie langweilig werden lässt.
Gute Oudqualitäten sind extrem rar am Markt, und vermutlich hatte ich lange Zeit nur eher mittelprächtige Essenzen vor der Nase oder synthetische Nachstellungen, so dass sich mir der Oudhype nicht erschloss. Nun waren es drei Erlebnisse, die mir den Zugang zu Oud ermöglichten: die „Oud Stars“-Kollektion von Xerjoff, die die Komplexität und Variationsbreite guter Rohstoffqualitäten aufzeigt; das Treffen von Louce und mir mit Geoffrey Nejman, wo er uns an einem Adlerholzöl riechen ließ, dass er exklusiv für einen arabischen Scheich besorgte und zusammenstellte; und – „Oud Shamash“.
Wie ich anhand dieser Erlebnisse lernen durfte, ist ein Merkmal für Qualität, dass die würzig-bitteren Aspekte nicht nur pilzig-muffige (oder im schlimmsten Fall haarsprayige) Facetten aufweisen, sondern ausgesprochen ätherisch-frische. Diese Aromen entstehen wohl direkt durch den Pilzbefall des Adlerholzbaums, worauf als Reaktion ein Harz abgesondert wird, die Basis des Ouds. Ähnliche Aromen entstehen bei Süßweinen wie Trockenbeerenauslesen oder solchen aus Sauternes oder Barsac, bei denen die Trauben von Botrytis-Pilzen befallen werden. Bei wirklich guten Weinen gibt dieser Befall dem Bouquet ebenfalls eine ätherische – und weniger muffige - Facette, die einen allerschönsten Kontrast zu den übrigen Düften wie Quitte und Honig bietet. Zurück zu Parfums: Dieses Ätherisch-Frische ist nun sowohl Teil des Aromenspektrums der „Oud Stars“-Kollektion und der Oudqualität, die Geoffrey Nejman uns zeigte. Für „Oud Shamash“ wurde es noch betont. Ich kenne keinen anderen Oudduft, der solche eine Frische aus dem Oud heraus aufweist. Der Duft scheint zu schweben, wirkt trotz der balsamischen Aspekte nie schwer oder dunkel. „Oud Shamash“ ist klar, hell und strahlend.
Die Duftpyramide ist auch etwas irreführend, da sie zu der Annahme verleiten kann, dass hier eine Gewürzorgie mit etwas Oud kreiert worden sei. Nein, die anderen Bestandteile sind nur Beiwerk. Hier geht es um Oud. Nur um Oud. Ein ungemein helles Oud. Bertrand Duchaufour schätzte ich bisher mehr als dass ich seinen Stil wirklich mochte. Hier ist es ihm hoch anzurechnen, dass er sich zurück genommen hat: er hat die sagenhafte Qualität des Rohstoffs erkannt und hat sein Wirken ganz in den Dienst dieser Qualität gestellt. Seine Kreation ist eine Verneigung vor dem Rohstoff. Es ist ein Beweis Duchaufours Größe, dass er nicht auftrumpfen wollte, sondern einen Schritt zurück getreten ist und die Bühne ganz dieser besonderen Oudqualität überlassen und der Subtilität Raum gegeben hat.

Zusammen mit Francis Kurkdjians originellem Oud-Frucht-Kontrast ist „Oud Shamash“ sicherlich einer der bedeutendsten Ouddüfte der letzten Jahre. Und mit großem Abstand mein Lieblingsoud.
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