29.01.2014 - 17:45 Uhr
Palonera
467 Rezensionen
Palonera
Sehr hilfreiche Rezension
25
Es war Zeit.
Sie hatte nicht geschlafen.
Die Nacht war irgendwie herumgegangen, ohne daß sie es bemerkt hatte, plötzlich hatte der Wecker die fünf erreicht.
Jetzt stand sie am Waschbecken, den Kopf gesenkt, das viel zu helle Licht des Spiegelschranks stach ihr in die Augen, die Zahnbürste bewegte sich fast ohne ihr Zutun.
Frischer, scharfer Minzgeruch stieg ihr in die Nase, entwirrte die Gedankenfäden der Nacht, seltsam tröstlich in seiner Vertrautheit.
Sie spürte, wie sich der Knoten zwischen ihren Schulterblättern lockerte, ihre Schultern sich lösten, ein tiefer Atemzug in einen Seufzer mündete.
Es war Zeit.
Sie schlüpfte in die Kleider.
Ein Hauch von Anis hing noch im Blazer, Reste eines Duftes, den sie beim letzten Tragen aufgelegt hatte – ihr fiel nicht mehr ein, welcher es gewesen war, und es spielte auch keine Rolle.
Heute würde es nur ein Hauch Cologne sein, kaum wahrnehmbar, grün und ein wenig krautig-trocken, so wie...
Sie schob den Gedanken beiseite.
Nicht jetzt, nicht hier.
Die Uhr tickte.
Sie schlüpfte in die schwarzen Pumps, nahm den Schlüssel vom Haken und schloß die Tür.
Es war eine kurze Fahrt, die Kirche lag keine Viertelstunde entfernt.
Sie parkte den Wagen, blieb noch einen Moment sitzen, die Hände im Schoß.
Atmen, ein und aus, ein und aus, ganz ruhig, ganz tief.
Nichts denken.
Sie zog den Zündschlüssel ab, nahm ihre Tasche, stieg aus.
Der Morgen war kühl, man spürte das Herannahen des Herbstes.
Ein Hauch von krautiger Würze lag in der Luft, vermischt mit dem Duft der alten Bäume und der Blumen, der von jenseits des Tores herüberwehte.
Sie überquerte die Straße, ging die paar Stufen hinauf und betrat die Kirche.
Noch war niemand dort – niemand, der sie hätte sehen können, der hätte Fragen stellen können.
Sie blieb stehen, fröstelnd im kühlen Halbdunkel des Kirchenschiffs.
Es war lange her, seit sie zum letzten Mal eine Kirche betreten hatte – als Kind hatte sie die harten Holzbänke gehaßt, die kalten Steinböden, die betäubenden Weihrauchschwaden, von denen ihr immer übel geworden war.
Das Dröhnen der Orgel hatte ihren Ohren weh getan, die Worte des Priesters hatten für sie keinen Sinn ergeben, manche hatten ihr Angst gemacht.
Sie streckte eine Hand aus, berührte eine harte Holzlehne.
Es waren alte Bänke, dunkel und glänzend das Holz, hier und da lag ein rotes Polster.
Die Luft war noch geschwängert vom Rauch der letzten Messe, kühl und trocken, doch nicht so streng wie in ihrer Erinnerung.
Ob sie heute eine andere Mischung verwendeten?
Zwei Kerzen standen vorn am Altar, groß und weiß, ein wenig herabgebrannt schon und sacht flackernd in einem kaum wahrnehmbaren Luftstrom.
Zwischen ihnen stand aufgebahrt der Sarg, schlicht und aus hellem Holz, wie er es sich gewünscht hatte.
Einen Schritt, noch einen, und noch einen – sie hätte nur die Hand ausstrecken müssen, um ihn zu berühren, die seidige Glätte zu spüren, die ihn aufgenommen hatte, geschützt vor allen Blicken.
Sie tat es nicht.
Still stand sie da, die Schuhspitzen nur Millimeter von den Stufen entfernt, die zum Altar hinaufführten, den Rücken gerade, die Augen trocken, den Blick auf einen Punkt irgendwo weit vorn gerichtet.
Sekunden wurden zu Minuten, reihten sich aneinander wie die Perlen auf einer Schnur.
Die Kerzen flackerten, ihr warmer Duft vermischte sich mit dem der Rosen und all der anderen Blumen.
Irgendwo im Hintergrund knarrte eine Tür, schreckte sie aus ihrer Versunkenheit.
Es war Zeit.
Bald würden sie kommen, seine Freunde und Kollegen, seine Eltern und Geschwister, alle, die zu ihm gehört hatten, die ein Teil seines Lebens gewesen waren und denen er nun fehlen würde.
Auch sie, die seinen Ring trug, die seine Kinder geboren hatte.
Sie wandte sich ab – niemand von ihnen hatte gewußt, daß es sie gab, niemand würde es nun noch erfahren.
Und während sich hinter ihr das große Portal erneut öffnete, schlüpfte sie unbemerkt durch die kleine Tür neben den Beichtstühlen hinaus.
Die Nacht war irgendwie herumgegangen, ohne daß sie es bemerkt hatte, plötzlich hatte der Wecker die fünf erreicht.
Jetzt stand sie am Waschbecken, den Kopf gesenkt, das viel zu helle Licht des Spiegelschranks stach ihr in die Augen, die Zahnbürste bewegte sich fast ohne ihr Zutun.
Frischer, scharfer Minzgeruch stieg ihr in die Nase, entwirrte die Gedankenfäden der Nacht, seltsam tröstlich in seiner Vertrautheit.
Sie spürte, wie sich der Knoten zwischen ihren Schulterblättern lockerte, ihre Schultern sich lösten, ein tiefer Atemzug in einen Seufzer mündete.
Es war Zeit.
Sie schlüpfte in die Kleider.
Ein Hauch von Anis hing noch im Blazer, Reste eines Duftes, den sie beim letzten Tragen aufgelegt hatte – ihr fiel nicht mehr ein, welcher es gewesen war, und es spielte auch keine Rolle.
Heute würde es nur ein Hauch Cologne sein, kaum wahrnehmbar, grün und ein wenig krautig-trocken, so wie...
Sie schob den Gedanken beiseite.
Nicht jetzt, nicht hier.
Die Uhr tickte.
Sie schlüpfte in die schwarzen Pumps, nahm den Schlüssel vom Haken und schloß die Tür.
Es war eine kurze Fahrt, die Kirche lag keine Viertelstunde entfernt.
Sie parkte den Wagen, blieb noch einen Moment sitzen, die Hände im Schoß.
Atmen, ein und aus, ein und aus, ganz ruhig, ganz tief.
Nichts denken.
Sie zog den Zündschlüssel ab, nahm ihre Tasche, stieg aus.
Der Morgen war kühl, man spürte das Herannahen des Herbstes.
Ein Hauch von krautiger Würze lag in der Luft, vermischt mit dem Duft der alten Bäume und der Blumen, der von jenseits des Tores herüberwehte.
Sie überquerte die Straße, ging die paar Stufen hinauf und betrat die Kirche.
Noch war niemand dort – niemand, der sie hätte sehen können, der hätte Fragen stellen können.
Sie blieb stehen, fröstelnd im kühlen Halbdunkel des Kirchenschiffs.
Es war lange her, seit sie zum letzten Mal eine Kirche betreten hatte – als Kind hatte sie die harten Holzbänke gehaßt, die kalten Steinböden, die betäubenden Weihrauchschwaden, von denen ihr immer übel geworden war.
Das Dröhnen der Orgel hatte ihren Ohren weh getan, die Worte des Priesters hatten für sie keinen Sinn ergeben, manche hatten ihr Angst gemacht.
Sie streckte eine Hand aus, berührte eine harte Holzlehne.
Es waren alte Bänke, dunkel und glänzend das Holz, hier und da lag ein rotes Polster.
Die Luft war noch geschwängert vom Rauch der letzten Messe, kühl und trocken, doch nicht so streng wie in ihrer Erinnerung.
Ob sie heute eine andere Mischung verwendeten?
Zwei Kerzen standen vorn am Altar, groß und weiß, ein wenig herabgebrannt schon und sacht flackernd in einem kaum wahrnehmbaren Luftstrom.
Zwischen ihnen stand aufgebahrt der Sarg, schlicht und aus hellem Holz, wie er es sich gewünscht hatte.
Einen Schritt, noch einen, und noch einen – sie hätte nur die Hand ausstrecken müssen, um ihn zu berühren, die seidige Glätte zu spüren, die ihn aufgenommen hatte, geschützt vor allen Blicken.
Sie tat es nicht.
Still stand sie da, die Schuhspitzen nur Millimeter von den Stufen entfernt, die zum Altar hinaufführten, den Rücken gerade, die Augen trocken, den Blick auf einen Punkt irgendwo weit vorn gerichtet.
Sekunden wurden zu Minuten, reihten sich aneinander wie die Perlen auf einer Schnur.
Die Kerzen flackerten, ihr warmer Duft vermischte sich mit dem der Rosen und all der anderen Blumen.
Irgendwo im Hintergrund knarrte eine Tür, schreckte sie aus ihrer Versunkenheit.
Es war Zeit.
Bald würden sie kommen, seine Freunde und Kollegen, seine Eltern und Geschwister, alle, die zu ihm gehört hatten, die ein Teil seines Lebens gewesen waren und denen er nun fehlen würde.
Auch sie, die seinen Ring trug, die seine Kinder geboren hatte.
Sie wandte sich ab – niemand von ihnen hatte gewußt, daß es sie gab, niemand würde es nun noch erfahren.
Und während sich hinter ihr das große Portal erneut öffnete, schlüpfte sie unbemerkt durch die kleine Tür neben den Beichtstühlen hinaus.
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