Rutil

Rutil

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1 - 5 von 31
Rutil vor 1 Monat 6 1
9
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Der schlichte Gefährte
Nebel liegt auf den Feldern. Im Morgengrauen rufen die Kraniche. In der weiten Ferne wartet der Frühling. Draußen ist es noch kühl, nass und ungemütlich und so gibt es diese Tage. Tage, die man aufgrund des Gemütes möglichst unbeduftet verbringen möchte. Keine Störfrequenzen, die man ertragen kann und möchte. Ruhe im Geist und auf der Haut sind erwünscht und trotz allem mag man der Melancholie Raum geben. So sind drei Spritzer des französischen Wunderwassers das Mittel der Wahl.
Wohlige Wärme breitet sich aus, kleine blitzende Moleküle der Bitterorange schwirren umher. Weich und tröstlich umrunden einen die übrigen Komponenten in würziger Seligkeit. Der Verlauf mag nicht beeindruckend sein, aber das muss er auch nicht. So verbleibt ein mineralischer Schleier, balsamisch und holzig bis zum Sonnenuntergang auf der Haut. Ungekünstelt und elegant. Gelungen!
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Rutil vor 2 Monaten 3 1
6
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
6
Duft
Aalglatt
Die Stadt, die niemals schläft, Big Apple, Gotham City, so benennt man sie die Stadt, die nun mit Anticonformiste eine geruchliche Hommage erhält. Flirrend soll sie sein, energetisch, das Gefühl unendlicher Möglichkeiten beinhalten, … doch ernüchtert bin ich, denn eigentlich mag ich Morillas’ Kreationen recht gern, zumindest die, die mir bisher unter die Nase kamen. Mag es an meiner Abneigung für große Metropolen, viele Menschen, mehr Stahl als Natur liegen oder weil ich noch niemals in New York war, mit Anticonformiste gehe ich nicht konform.
Der Auftakt zeigt sich gleich von seiner aquatischen und sehr maskulinen Seite. Der in der Herznote verwendete Riechstoff Calone ist sofort präsent. Nur mit Schwierigkeit kämpft sich das Veilchenblatt durch und bringt ein wenig Würze, die Pfefferminze vernehme ich jedoch nur als leisen Hauch. Im Verlauf bleibt dies nahezu unverändert. Die Gardenie ist für mich nicht zu erriechen und der Pfeffer glänzt hier nur mit einer zarten Prise. In der Basis wirkt Patchouli durch die Tonkabohne zwar etwas süßlich und weniger erdig, bekommt jedoch durch Calone ein so stützendes Gerüst, dass die Haltbarkeit schon sehr an meinen Geruchsnerven zerrt. Ebenfalls verhält es sich mit der Sillage, denn trotz zwei Sprühern bin ich gefühlt, überall zu riechen.
So mag es wiederum passend erscheinen, dass mich dieser Duft an aalglatte Scheiben von Wolkenkratzern erinnert. Eine weltstädtische Pool-Landschaft im Flakon. Opportunistisch, synthetisch und keinesfalls unisex.
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Rutil vor 3 Monaten 7 1
10
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Seltsam vertraut
Kamillenbad, Kamillentee, Kamillentropfen,… Kamille, Kamille, Kamille, Römische Kamille!
Das hatte ich erwartet, aber es war nicht mein erster Eindruck. Eher habe ich den Geruch von Heu in der Nase, feucht-warm und dampfend. Ein durchaus eigenartiger Auftakt, aber auch irgendwie ansprechend. Fast möchte ich meinen, die Kamille ist gar nicht vorhanden und plötzlich, ein paar Augenblicke später ist sie da, balsamisch-blumig und verhalten krautig. Sie fällt in ein zartes Moschusbett und verharrt eine Weile am sanft würzigen Trauerbaum, bis sie im Ausklang durch die Hölzer und einen Schuss Vanille, weich und holzig, leise verblüht.
Alle Noten in Kopf, Herz und Basis spielen ineinander und ergeben ein stimmiges Bild. Kein Abstraktes oder Lautes, eher die Zeichnung einer Landschaft, welche ganz eigenwillig und doch vertraut ist. Eine Zeichnung in gedämpften Tönen mit weiten Getreidefeldern, hellblauem Himmel, einem von altehrwürdigen Bäumen umsäumten staubigen Weg. Ein Nachmittag im Frühsommer auf dem Land, angenehm warm, mit Sonne, die zwischen den Blättern der Bäume tanzt und sich im seichten Wind wiegenden Blüten von Klatschmohn, Kornblumen und Kamille am Wegesrand. Mémoire d'une Odeur ist wie ein Tag in diesem Bild. Unaufgeregt natürlich und harmonisch.
1 Antwort
Rutil vor 10 Monaten 14 4
10
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Im Sog der Zeitlosigkeit
Lass dich gleiten, lass dich geh’n.
Ein Blick nach oben in der Nacht. Wir leuchten nun gemeinsam, laufen in der Dunkelheit durch die fast endlosen Zitronenhaine. Es schwirren die Moleküle. Nahbare Stille an den feinen Rosenbüschen - du zartes Herz. Wir schwelgen in Leichtigkeit und lauer Wind weht um die Knie. In der Ferne erblicken wir Wälder. Dieser Moment ist unser. Ein Flüstern geht vom Boden aus, über unseren Köpfen wiegen sich die Tannen.
Die Natur der Dinge.
Wunderschön.
4 Antworten
Rutil vor 4 Jahren 9 3
7
Flakon
6
Sillage
10
Haltbarkeit
6.5
Duft
Was bleibt
Wenn man im Rom zur antiken Zeit geboren wäre, hätte es zur physischen Beduftung eine sogenannte Unguenta gegeben. Eine solche war eine Art Creme, welche aus einer flüssigen Grundlage und einer duftenden Essenz bestand. Nach Plinius dem Älteren bestand die wohl häufigste und älteste Unguenta aus Kalmus, Myrte, Mastix, Zypresse und Granatapfel. Demnach möchte ich meinen, daß der Duft durchaus recht balsamisch, leicht herb und mit säuerlicher Fruchtigkeit beschrieben werden kann. Wie sich die Zeiten nun geändert haben, ist gut an Born in Roma zu erkennen.

Der Auftakt ist fruchtig und sanft säuerlich durch die schwarze Johannisbeere. Hinzu kommt eine spritzige Bergamotte gepaart mit leichter Würze durch eine Prise rosa Pfeffer. Je mehr Wärme der Duft in dieser Phase erhält, desto eher bemerkt man die cremig weiche Bourbon-Vanille der Basis.
Im Verlauf wird es jedoch durchaus anstrengend. Das Konglomerat verschiedener Jasminnoten ist fordernd blumig und süß; eine fast schon dekadente Jasminlastigkeit, wenn man es so umschreiben kann. In Kombination mit Cashmeran entwickelt das Jasmin-Sambac-Absolue eine stechende Note - eine Überspitzung, die der Komposition keinen Nutzen bringt. In diesem Stadium sind die Kopfnoten fast vollends verschwunden und ein enttäuschendes Antlitz der Beliebigkeit mag sich zeigen. Anstelle des Cashmerans wäre Sandelholz oder auch Amber interessanter gewesen. Mit etwas Durchhaltevermögen kommt man aber durchaus an einen versöhnlichen Punkt.
Wenn das Herzdebakel sich sanft aushaucht und das süßlich rauchige Guajakholz präsenter wird, bekommt Born in Roma eine leicht maskuline Ausstrahlung, die jedoch keineswegs herb ist, sondern angenehm weich und gediegen holzig-würzig mit Sprenkeln von Bergamotte und Bourbon-Vanille. Ein tatsächlich guter Abgang, wie ich finde.

Die Haltbarkeit ist ausgesprochen gut. Fast einen ganzen Tag kann man sich mit diesem Parfum kleiden; selbst nach einem ausgiebigen Bade sind Duftmoleküle am Arm zu vernehmen. Aufgrund der beschriebenen anstrengenden Phasen würde ich einen (!) Sprühstoß empfehlen, die Sillage ist sonst nicht zu unterschätzen.

Der Duft repräsentiert nichts neues oder gar innovatives. Abzusehen war der Weg in die süß-fruchtige bzw. süß-blumige Richtung mit dem Lizenzwechsel von Puig zu L’Oréal. Was bleibt, ist eine ewige Stadt in der Moderne. Alte Pflaster neben übertechnisierter Umwelt. Überlaut und flüsterleise. Gefühlskalt und geborgenwarm. Das Parfum imaginiert eine anstrengende Ära mit klitzekleinen Inseln der Entspannung. Postmoderne Panem et circenses im Flakon.
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