Sapho

Sapho

Rezensionen
1 - 5 von 22
Sapho vor 6 Tagen 5 9
8.5
Duft
Marilyn Monroe, nicht daheim in Beverly Hills
Ich habe dieses Parfum wegen seines Flacons gekauft, kitschig ohne Ende und deshalb unmöglich schön. Mit einem glitzernden Panther auf dem Verschluss, der mich mit seinen Kurven irgendwie an Marilyn Monroe erinnerte.
Dieses Parfum ist seit 1990 erhältlich und wurde von Francis Camail kreiert, einem Parfumeur, der unter Anderem auch Eau d'Hadrien und Grand Amour für Goutal geschaffen hat. Bei Fragrantica findet man die detaillierte Aufzählung der Duftnoten. Kopfnoten: Ylang Ylang, Orange und Bergamotte; Herznoten: Gewürznelken, Gardenie, Tuberose, Zimt, Jasmin und Rose; Basisnoten: Zibetöl, Ambra, Benzoeharz, Sandelholz, Tonkabohne, Patschuli, Zeder und Eichenmoos. Die Duftnoten verraten uns, daß dieses Parfum alles hat, was man von einem klassischen Duft der Achtzigerjahre erwarten kann. Es beginnt mit einer zarten Ylang-Ylang-Note, der Citrus eine gewisse Herbheit verleiht, bis die Hauptakteure auf die Bühne treten. Die opulente Tuberose ist zwar präsent, wirkt aber zu keinem Zeitpunkt aufdringlich und verbindet sich harmonisch mit den anderen Blüten- und Gewürznoten zu einem berauschenden Akkord, in dessen Verklingen zarte Töne hervortreten, die ein blumiges Chypre verspricht, kurz, eine opulente Liebkosung. Auftritt die Diva, Marilyn Monroe. Wer diese Schauspielerin schätzt, und ich schätze sie sehr, weiß wohl, dass sie nirgends wirklich heimisch war. Als Kind einer psychisch kranken Mutter wurde sie von Pflegeeltern in ein Kinderheim weitergereicht und war ihr Leben lang auf der Suche nach einem zu Hause, und doch gleichzeitig immer auch auf der Flucht. Im Jahr 1949 hat sie der Star-Agent Johnny Hyde kennen gelernt, der für sie seine Ehefrau verließ. Er besaß in Beverly Hills, wo das Paar ein paar Monate lebte, eine Villa. Es war ein sehr großes Haus mit 548 qm, das alles hatte, was eine junge Frau sich wünschen konnte, große, helle Räume, einen parkähnlichen Garten, aber Marilyn fühlte sich dort nicht wohl und zog schließlich in das Beverly Carlton Hotel. War das Haus zu perfekt, scheint mir dieses Parfum auch zu perfekt zu sein? Eine alte japanische Vase wird erst durch einen Sprung vollkommen und ein Parfum braucht für mich eine feine Disharmonie, die den Akkord bricht, um interessant zu werden. Für Liebhaber von Düften der Achtzigerjahre sicher einen Test wert.
9 Antworten
Sapho vor 9 Tagen 7 13
8.5
Duft
Das Parfum des Landes, wo Milch und Honig fließen
Judith Muller wurde in Ungarn geboren und verbrachte Kindheit und Jugend in der Obhut ihrer wohlhabenden, jüdischen Familie. Sie träumte davon, Parfumeurin zu werden, als der zweite Weltkrieg ausbrach und ihre Träume zunichte machte. Die Familie flüchtete nach Israel und die junge Frau diente zunächst eine Zeitlang als Sergeant in der israelischen Armee. Dort mangelte es an Kosmetik-Artikeln und so entschied sich Judith, eine eigene Kosmetikfirma zu gründen, um diese Armee zu beliefern. Nach den ersten Versuchen schrieb sie: "I found out I knew more than nothing but less than something aubout beautician's work." Sie entschied sich, nach Paris zu gehen und dort die Parfumeurskunst zu studieren. Im Jahr 1964 kehrte sie nach Israel zurück und eröffnete in Haifa ein Kosmetikinstitut und eine Parfum-Manufaktur. Bereits in Paris hatte Judith eine Strategie für ihre Arbeit als Parfumeurin entwickelt. Sie suchte die Inspiration für ihre Kreationen in den überkommenen Schriften der Juden, benutzte vorwiegend lokal gewonnene Rohstoffe, die sie mit modernen Methoden be- und verarbeitete. Diesem Konzept blieb sie ihr Leben lang treu. Dabei verfolgte sie den Ansatz, Parfums zu kreieren die im Bezug zu bestimmten Persönlichkeiten im Tanach stehen. So entstand auch 'Judith', und dieses Parfum ist keineswegs nach der Schöpferin benannt, sondern nach der mythologischen Rächerin, die den assyrischen Feldherrn Holofernes, erst verführte und dann massakrierte. Wer die hübsche Szene nicht vor Augen hat, mag sich gerne an dem Bild von Artemisia Gentileschi ergötzen, die sie in allen blutigen Details liebevoll widergegeben hat. Das Parfum kam 1975 auf die Welt, eine herbe Kombination aus Wüstenrose und Kräutern des Karmel mit einem Hauch von Eichenmoos und Moschus. Ich habe die Liste der Parfumnoten auf Cleopatra's Boudoir gefunden. Kopfnoten seien Aldhyde, fruchtige Noten, Bergamotte, Hyazinthe, Zitrone und Orange; Herznoten: Jasmin, Nelke, Orchidee, Iris, Wüstenrose, Alpenveilchen und Ylang Ylang; Basisnoten: Eichenmoos, Sandelholz, Moschus, Amber, Zeder, Benzoe, Karamell und Zimt. Ich muss zugeben, dass ich dies in den Einzelheiten nicht nachvollziehen kann. Für mich ist Judith eine orientalische Chypre, herb, gewaltig, überwältigend, nicht für schwache Nerven, eher für die eher blutrünstigen unter meinen Schwestern und wird so seiner Namenspatronin voll und ganz gerecht.
13 Antworten
Sapho vor 11 Tagen 6 18
10
Duft
Ein Inbegriff göttlicher Weiblichkeit
Edmond Roudnitska traf Marcel Rochas Ende 1943. Nicht nur dieses Jahr ging seinem Ende zu, auch der zweite Weltkrieg und eine schwierige Zeit für französische Parfums. Es mangelte nicht nur an Geld, sondern auch an Rohstoffen. Gerade damals wollte Rochas etwas ganz Besonderes, einen feinen, sinnlichen, femininen Duft für seine geliebte Frau Hélène kreieren lassen. Roudnitska war ein talentierter Parfumeur, damals allerdings ohne viel Erfahrung, was feine, feminine Düfte betraf. Er ließ sich von der berühmt-berüchtigten Schauspielerin Mae West inspirieren, mit der er befreundet war. Späterhin hat der Lalique-Flacon des Parfums ihrer Schönheit Tribut gezollt.
Als Hauptkomponente seines neuen Duftes benutzte der Parfumeur einen von ihm entwickelten Duft-Akkord auf der Grundlage von Prunol, der frisch und elegant nach Pfirsich und Pflaume roch. Kurz danach feierte man das Kriegsende mit ‚Femme‘. Dies war eine der ersten französischen Kreationen der Nachkriegszeit und ein Symbol für eine neu erblühende Weiblichkeit.
Der Duft selbst ist auf Parfumo schon ausgiebig beschrieben worden, und so erwartete ich, saftige Pfirsiche und reife Pflaumen zu riechen, die seltsam blumig-verstaubt sind und im Verlauf eine scharfe, fast verdorbene erotische Note wahrzunehmen. So ist es aber nicht, ich merke nur eine wärmende Wolke, die mich umarmt und vor der ganzen Welt schützt. Das Parfum flüstert mir zu, ich sei schön und in diesen Augenblicken glaube ich ihm auch. Dies ist ein Duft, auf den eine Frau sich verlassen kann, nicht protzig, sehr intim, ein Parfum für sie allein. Viele fragen sich, wie der Name, ‚Femme‘ zu deuten sei, für mich ist er Ausdruck göttlicher Weiblichkeit. Diesen Begriff findet man zum Beispiel im Hinduismus. Die Hindu-Göttin Shakti repräsentiert die göttliche, weibliche Energie und ist die kreative Kraft des Lebens. Als Kriegerin Durga reitet sie einen Löwen oder einen Tiger. Passend dazu finden wir Zibet in den Duftnoten. Als furchterregende Kali symbolisiert sie den Tod und befreit zugleich die Seelen von ihren Leiden. Dazu passt für mich perfekt eine staubige Iris. Als sinnliche Parvati, die nach Moschus und Ambra riecht, steht sie für Liebe und Hingabe, als Lakshmi mit kostbaren Blumen in der Hand für Opulenz und Überfluss. Als intellektuelle Sarasvati liebt sie Immortelle und ist höchst kreativ. Und da ist dann noch Tripura Sundari, die höchste Schönheit. Sie kann nicht beschrieben werden, man muss sie spüren. Wenn ich ‚Femme‘ an meinem Handgelenk trage, dann trage ich Tripura Sundari in meinem Herzen.
Mein Dank geht an Midnights für die Möglichkeit, diesen Schatz zu besitzen.
Eine kleine Ergänzung noch, meine Rezension gilt dem Duft aus der Zeit vor 1989. In diesem Jahr hat Oliver Cresp dieses Parfum überarbeitet. Wie wir von Roudnitskas Sohn wissen, hat sein Vater dies sehr bedauert und geklagt, man habe ihm sein ‚Femme‘ gestohlen.
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Sapho vor 21 Tagen 9 18
9
Duft
Eine verlorene Erinnerung
Glaubt man der offiziellen Version, so wollte Mathilde Laurent eine Duftsymphonie
komponieren, bei der aus rein synthetischen Duftstoffen eine natürliche Melodie
wird. Viel professionelles Können, ein angeborenes Talent und eine Prise Magie –
et voilà, vor uns entfaltet sich ein Gemälde im Stil von Claude Monet, in
meisterlich impressionistischer Manier ein Tanz von Licht- und Farbnuancen.
Dieses Gemälde lebt, atmet, changiert. Ein unbeschreiblich hübsches Duftbild,
das beweist, dass rein synthetische Kompositionen luftig, lebendig, natürlich
und herzerwärmend sein können. Wenn ich eine taktile Metapher finden sollte,
dann würde ich diesen Duft als sehr feine, weiche und kostbare Seide
beschreiben. Eine Seide die zugleich kühlt und wärmt, die zum Träumen einlädt.
Riecht Vanillin so 'seidig'? Es enthüllt sich als einzige Note in der
Duftpyramide, alle anderen Zutaten bleiben verborgen, und das erscheint mir auch
gut so, denn es gibt jedem die Freiheit, sie mit seinen eigenen Zutaten zu
vervollständigen. Dies ist ein Parfum, das unsere Phantasie anregt. Sein
Geheimnis liegt nicht nur in den Duftnoten, sondern auch im Namen: die elfte
verlorene Stunde. Warum verloren? Luca Turin, der diesen Parfum sehr schätzt,
deutet dies als einen Duft wie eine Erinnerung, die man nicht genau einordnen
kann, die aber mit Sicherheit ein reales Erlebnis evoziert.
18 Antworten
Sapho vor 4 Monaten 7 7
8.5
Duft
Du verbrennst mich
Womit beginnen, mit Sappho oder mit dem Schmerz? "Lass uns mit dem Schmerz
beginnen", sagte die Nymphe Britomartis, "letzendlich fängt ja jedes Leben damit
an. Nehmen wir den Schmerz der Mutter bei der Geburt, den kennst Du doch,
Sappho?" Die Angesprochene überlegte kurz. "Mit dem Schmerz bin ich
wohlvertraut, aber ob ich ein Kind geboren habe, das weiß ich nicht mehr. So
viel wurde über mich erzählt, ich wurde so bewundert und verehrt, gehasst und
verbannt, mein ganzes Leben mit Lügen verzerrt und mit Mythen ausgeschmückt, so
dass ich selbst gar nicht mehr weiß, wer ich war. Du weißt ja, wie das ist,
Britomartis. Auch dein Leben verbirgt sich hinter fragwürdigen Erzählungen.
Stimmt es eigentlich, dass Du im Wasser des Meeres die Freiheit gesucht und dich
gekettet an Fischernetze wieder im Leben gefunden hast?" Die Nymphe lachte ein
rauhes Lachen durch ihre Tränen. "Die Menschen fabulieren so viel. Nur eines ist
sicher, wir haben beide in unserem Leben etwas vollendet. Ich wurde in den Olymp
aufgenommen und du, du wurdest zur Metapher für die Liebe zwischen Frauen. Es
gibt sogar dieses alberne Wort: 'Sapphismus'." Britomartis verzog ihre Miene.
Müde wirkte sie und traurig, schließlich fuhr sie fort: "Ich möchte schwören,
daß die Heutigen gar nicht erfassen, was dies bedeutet. Sie denken, sapphistisch
sei gleichbedeutend mit lesbisch, nur weil du auf Lesbos geboren bist und
erfassen nicht den Unterschied zwischen Eros und Agape. Du hast die katholische
Kirche so verstört, dass man schon früh alle Deine Bücher auf den Scheiterhaufen
geworfen hat. Ist das nicht eine Schande? So viele wunderbare Gedichte starben
unter Schmerz in den Flammen". "Ganz und gar nicht," erwiderte Sappho, "einzelne
Strophen, manchmal nur ein einziges Wort, konnten dem Autodafé entfliehen, und
wie du weißt, kann ein Wort, eine Strophe, ein Fragment, den wahren Kenner mehr
inspirieren als ein Ganzes, das seine Phantasie zügelt. Neulich habe ich
erfahren, dass eine belgische Alchimistin einem solchen Splitter sogar ein
Parfum gewidmet hat. Kannst du dich an mein Fragment Nr. 38 erinnern?" -
"Ja natürlich: 'Du verbrennst mich'." Und die zwei Frauen tauschten einen
wissenden Blick. Weiter Sappho: "Diese Belgierin kennt nicht das vollständige
Gedicht, hat aber aus dem Fragment mein Gefühl herausgelesen und richtig in ihre
Duftsprache übersetzt, das Gefühl des wohltuenden Schmerzes." - "Und welchen
Namen trägt dieses Schmerzenselixier?" - "Sie nannte es 'Priesse', und ehe Du
fragst, dieser Name ist ein Mysterium und damit passend zu dem Geheimnis, das
meine Dichtung umhüllt. Sie selbst beschreibt Priesse als eine Mischung aus
archaischen, sinnlichen und sapphistischen Prinzipien. Das Elixier soll auf
animalischen Noten basieren, die aus pflanzlichen Quellen nachempfunden wurden,
mit Ambra als der zentralen und den Stil bestimmenden Zutat." Die Nymphe
seufzte, "Du weißt, wie sehr ich Ambra liebe, diesen strahlenden Duft nach Meer
und Tod. Aber diesen Duft aus Pflanzen gewinnen? Das scheint mir kaum möglich."
- "Da irrst Du, denn Kamilla, unserer Alchimistin, ist dies hervorragend
gelungen, wohl durch eine kluge Mischung von Amberbaum, Seetang und - nun ja -
ein wenig Magie. Sie ist ohne Zweifel eine Meisterin ihres Faches." - "Das
Gefühl wohltuenden Schmerzes", nahm die Nymphe den Faden wieder auf, "war es
nicht Lisz Hirn, die österreichische Philosophin, die uns geraten hat, unseren
Schmerz zu küssen, um ihn zu besiegen?"
[angeregt von dem Film 'Tú me abrazas' von Matias Piñeiro https://www.berlinale.de/de/2024/programm/202409749.html]
Wer sich für eine musikalische Deutung des 38. Fragments interessiert, findet
sie bei YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=ICxqAlKUq_o
(mit Dank an Floyd)
7 Antworten
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