Stefanu155

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6 - 10 von 71
Stefanu155 vor 6 Jahren 27 7
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Duft
Die Rehlein
Wieder da. Und ich habe in vielerlei Hinsicht Einiges auf Halde liegen, sowas wie Thundra z.B.
Das ist ja so eine Sache mit dem Nadelgehölz: Es droht der Vergleich mit Fichtennadelschaumbad, Saunaaufguss, überhaupt ein ganzer Wellnessbereich, den ich im Augenblick so gar nicht betreten will. Speick-Seife grüßt von fern. Und der Naturalismus mit der Thundra.
Aber ist die T(h)undra nicht eigentlich eher öde? Oder mal Wikipedia im O-Ton: "...eine offene, baumfreie Landschaft (zumeist) über Permafrostböden, die je nach Untertyp von Flechten, Moosen, Gräsern und sommergrünen Zwergsträuchern dominiert wird. "
Also nix mit Nadelwäldern -- und dennoch kommt man zumindest bei diesem Duft um den Wald nicht herum, eigentlich um die Bäume nicht -- die wiederum wenig mit der Tundra zu tun haben. Der Duft müsste dann ja Taiga heißen ("Kiss me, Taiga") ... Die Speick-Seife hilft schon eher, denn Speick bezeichnet -- abgesehen vom echten Speik (Alpenbaldrian) -- eine ganze Gruppe stark duftender Pflanzen, worunter sich auch eine bestimmte Lavendelart befindet. Auch Primeln und Schafgarben gehören dazu.
Aber nochmal einen Schritt zurück: Ich habe hier einen Duft, der an Waldiges erinnert, aber eigentlich an Tundra erinnern will. Vielleicht auch völlig egal. Jedenfalls gibt es hier nichts Dunkel-Waldiges wie z.B. ganz extrem bei "Norne" und auch kaum Synthetisches wie bei den billigeren Nadelkollegen. Man darf es gleich sagen: Thundra überspringt die Gefahrenzone souverän und lässt viel Licht durchs Gezweig. Eine Kühle wird suggeriert, denn holzig-dunkles fehlt für meine Nase fast komplett. Aber die Fichten werde ich nicht los. Insbesondere die Rehe nicht. Und was sie mit den grünen Spitzen der Fichten machen.
Na, habt ihr schon mal?
Draufgebissen, meine ich. Auf diese ganz hell grünen, noch ganz weichen Spitzen der Fichten im Frühling? Dieser erste Anflug von leicht herb-bitter, dann irgendwie grasig, und dann so etwas Säuerliches, beinahe schon Zitroniges? (Stimme aus dem Off: s o m m e r g r ü n e z w e r g s t r ä u c h e r n i c h t v er g e s s e n )
Wenn man das zwischen den Fingern zerreibt, ein ähnlicher Effekt, nur das Säuerliche kommt dann sehr gemildert rüber. Wahrscheinlich empfinden das die Rehe ganz anders, denn wir wissen ja nicht, mit welchen Effekten im Hirn bei denen die Geschmacksknospen verdrahtet sind und vielleicht schmeckt ihnen das ja wie uns Vanillekipferl.
Apropos, bei PR legt man gerne so einen mild-sahnigen Hauch über die Düfte, ein Rahmsoßeneffekt (im sehr guten Sinne), den ich hier bei einigen Kreationen erschnuppern kann. Eine helle Schliere, die alles miteinander versöhnt und Härten mildert und ausbremst. Es kann sein, dass das mit Lavendel und Patchouli zu tun hat, aber ich bin mir da nicht so sicher. Hier im Haus gibt es einen Moschusfan (Moschus-Fan) und dieser Mensch riecht fast alle Parfums irgendwie gern, wenn Moschus drin ist und fast keine gern, wenn keiner drin ist. Aufgrund meiner Indikatorperson nehme ich also mal den Moschus in die engere Wahl. Und die alpine Lavendelvariante.
Eigentlich gar nicht der Duft für mich. Aber doch, so lockend.
Und was ist mit den Rehen? Christian Morgenstern weiß alles über Rehe:

Die Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!

Halb neun!
Halb zehn!
Halb elf!
Halb zwölf!
Zwölf!
Dle Rehlein beten zur Nacht,
hab acht!
Sie falten die kleinen Zehlein,
die Rehlein.
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Stefanu155 vor 8 Jahren 11 6
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Duft
Die Blusen des Böhmen
So einen wunderbaren Verdreher von Robert Gernhardt konnte ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen, steht doch der Duft dieses Parfüms zur gefahrvollen Aura einer solchen "Blume des Bösen" in einem analogen Verhältnis: Er bezieht sich darauf, verharmlost ihn aber in lustiger Weise. Nun ist der Duft höchst wahrscheinlich gar nicht lustig gemeint, aber es ist schon bemerkenswert, wie unschuldig blümelig diese Referenz auf eine Giftpflanze daherkommt.
Erstmal wüsst ich aber gerne, ob Franfran recht hat und es sich dabei wirklich um die Tollkirsche handelt oder nicht vielleicht um die Lilienblüte "Belladonna" alias Rittersporn. Giftig sind sie nämlich beide und bei diesem süß-pudrigen Blütenduft assoziiere ich halt eher etwas Lilienartiges.
Ich weiß nicht, wie die Blüten riechen, abgesehen davon sind hier die Zwiebeln das Giftige. Und bei Tollkirschen? Was riecht oder röche da? Ich warte hier vorerst weitere Aufklärung ab.
Ebenso unklar bleibt, ob überhaupt irgendein Bestandteil von was auch immer für einer Belladonna im Parfüm enthalten ist; die Zutatenliste verrät zwar allerlei Blühendes, aber gerade von Belladonna ist dabei nicht die Rede -- die Bluse des Böhmen eben. Diese Bluse ist gemustert in Lila und Rosa, mit allerhand floralen Ornamenten verziert und hat vom längeren Lagern im Schrank eine leicht staubige Note angenommen, die sich aber erst nach einer Weile zeigt. Leicht stilisierte Beeren sind auch darauf zu sehen, man kennt sowas von älteren Tapeten und bedruckten Stoffen...
Von den Blumen ist keine böse.
Gerade zu Beginn gibt es einen dezenten, leicht säuerlich-fruchtigen Einschlag. Davon hätte ich gerne etwas mehr, aber viel zu schnell erreicht der Duft seine, in meiner Nase recht langweilige Basis. Viel mehr fällt mir dazu aber auch nicht ein, denn unter vielen, mit weiblichen Blütenklischees operierenden Düften bietet dieser kein Alleinstellungsmerkmal, nichts Außergewöhnliches. Das enttäuscht mich auch deshalb -- und jetzt schweife ich mal wieder ab -- weil ich bei Belladonna immer an Julie Christie (etwas in meinen Augen sehr Schönes...) in dem zu Unrecht kaum bekannten, aber nichtsdestotrotz großartigen Film "The Go-Between" (dt. "Der Mittler") von Joseph Losey denken muss: Während der Sohn des Hauses auf ein Beet mit Rittersporn weist und sagt: "Belladonna. Giftig...", schwenkt die Kamera auf die in der Hängematte ruhende Hausherrin, die wahre Bella Donna. Das nenne ich Aufladung mit Bedeutung! Mir bleibt bei diesem Duft höchstens die Hängematte von dieser Szenerie, wie sie träge vor sich hin schaukelt.
Das Wunderbare an Parfumo ist, dass man an Düfte gelangt, die mir sonst niemals jemals begegnen würden. Das Blöde daran ist, dass es da Kommentatoren gibt, die viel zu weitschweifige und das Thema verfehlende Kommentare schreiben, aus rein persönlichen, für andere kaum nachvollziehbaren Motiven.
Die Blusen des Böhmen. Harmlos...
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Stefanu155 vor 8 Jahren 16 9
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Duft
Gefährliche Hyazinthen
Mythologische Blüten.
Narzissen.
Veilchen.
Anemonen.
Hyazinthen...
Nur Umwege führen an ein Ziel.
Apollo hatte ein Auge auf den schönen Knaben Hyakinthos geworfen. Im Wettkampf warf er auch einen Diskus nach ihm, den der Jüngling, um den Gott zu beeindrucken, auffangen wollte. Dabei wurde er von der Scheibe so unglücklich am Kopf getroffen, dass er leblos niedersank. Der Gott ließ aus seinem Blut eine rote Blüte sprießen, die Hyazinthe, die im Griechischen mit dem Klagelaut "Ai Ai" bezeichnet wurde.
Tränen des Eros.
Nur Umwege...
George Bataille liefert in seinem Buch "Die Tränen des Eros" eine Art bebilderter Kulturgeschichte über die ursprüngliche Verbindung bzw. spätere Trennung des Komplexes Eros, Tod und Religion. Die Religion findet in der Erotik zu Beginn eine Art leiblich-seelischer Resonanz, die Erotik ist das Religiös-Werden, die Überhöhung der sexuellen Mechanik vor dem Horizont der Sterblichkeit und der Überschreitung.
Lust. Schmerz. Trauer. Ekstase.
Tränen des Eros.
Paul Schütze sagt: "Du hast recht, der Name der gefährlichen Hyazinthe stammt von Bataille. Das ist keine Referenz, die jemand anders verstehen wird, aber ich denke, du kannst dir vorstellen, worauf ich abziele."
Ehrlich gesagt, nicht so ganz. Aber ich kreise den Duft ein -- über Umwege.
Die Webseite sagt: "Das Studio des Künstlers: Winter; Weihrauch aus dem Tempel Sanju Sangendo in Kyoto, eine Schale weggeworfener Mandarinenschalen und eine nachtblühende Hyazinthe. Mondlicht in den offenen Fenstern. Die Düfte verschmelzen mit einem narkotisierenden, berauschenden lebhaften Weihrauch."
Um- und Abwege.
Aber wir nähern uns dem Parfüm.
Von den drei Düften Paul Schützes entzieht sich dieser hier am heftigsten einer Beschreibung, bei den anderen trat irgendwann immer ein Bild ein, das mir einen Aufhänger lieferte, um eine Annäherung zu ermöglichen. Dieser hier ist zuerst einmal: sehr eigen.
Er entwickelt sich bei warmen und kalten Temperaturen sehr unterschiedlich, er liebt den Abend und das kühle Wetter, bei Hitze steigt das Blütenherz tatsächlich ein wenig zu Kopf. Kein Duft für einen heißen Augusttag, während es am Augustabend schon wieder ganz anders aussieht.
Ich rieche also eine stark duftende, schon verwelkende Blume, mit einer leicht scharfen Weihrauchspitze und einer entfernt an Weinbrand erinnernden, leicht beschwipsten "Blume" (immer diese Blumen...) die mit Holz irgendwie Bodenhaftung bekommt. Die Blüte würde ich hier unzweifelhaft als Herznote bezeichnen, die den Duft die ganze Zeit des langen Verlaufs über charakterisiert und in diesem Zusammenhang auch irritiert. Sie schläft nicht, die nachtblühende Hyazinthe, sondern immer wieder wird sie wach. Mal ernst, mal beinahe lieblich, mal fast schon blutig...
Paul sagt: "Du wirst feststellen, dass der hier bei kaltem Wetter besonders interessant ist."
Bei feuchtem Wetter auch, wie ich hinzufügen will, irgendwie ergänzt sich da was.
Vergesst mal die euch bekannten Blütendüfte, denn dieser ist, wie seine beiden Kollegen, von eher trockener Ausprägung, rauchig, holzig.
Keine Blüte im Freien.
- So soll er riechen, wünscht sich die Geliebte.
- So soll sie riechen, wünscht sich der Geliebte.
Der Duft bleibt Ewigkeiten präsent, die Fernwirkung betont das Holz, hautnah ist die Blüte und das untermalende, trocken-zitrische stärker vorhanden.
Nicht grasig, nicht grün, nicht kühl.
Schwer zu erfassen. Melancholisch und von einer dezenten (geht das?) Lüsternheit.
Mein wahreres Ich?
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Stefanu155 vor 8 Jahren 32 11
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Duft
Dürstendes Holz
Koniferen.
Beim Weg zur Wohnung gehe ich immer an so einer Hecke vorbei und streife sie gelegentlich mit der Hand. Die Hecke ist hässlich, ein Nachbar verschanzt sich dahinter wie hinter einer lebenden Burgmauer, aber sie hinterlässt einen Duft an meinen Fingern, der eine kurze Weile hält und mir immer eine innere Landschaft eröffnet.
Paul nennt sein Parfum nicht vor- oder nach, sondern "Hinter dem Regen" und das muss man rein als poetische Anwandlung deuten und - man kann den Duft somit nicht mehr als "Wiedergabe" eines Natureindrucks lesen.
Es ist müßig, den Duft in seine Bestandteile zu zerlegen. Wie die beiden anderen Schütze-Düfte hat er einen charakteristischen, typischen Sound und Holz spielt dabei immer eine Rolle. Aber er startet herb-frisch, Konifere mit Zitrus, Vetiver mit Harz zu einer Einheit geschmiedet.
Ohne seine Erinnerung an die Ägäis vor meiner ersten Notiz gelesen zu haben, stellte sich bei mir folgendes Bild ein:
Ein mediterraner, völlig ausgedörrter Wald, licht und von Harz schwitzend. Es dampft der Boden und die Kiefernnadeln vom Regen gerade eben, der kurz erfrischt, aber kaum Abkühlung gebracht hat. Die Gerüche des Waldes intensiviert und aufgefrischt. Hin und wieder tropft es noch von den Bäumen und die Tropfen bringen mit, was sie auf dem Weg durch den Baum mitnehmen konnten. Man sieht noch die graue Regenwand, die sich schon in der Ferne verzieht und dem Himmel wieder seine gnadenlose Blauheit zurückgibt. Nach kurzer Zeit nimmt die Hitze wieder zu, das Harz der Rinden kämpft mit den knackenden Stengeln auf dem Boden um Dufthoheit, bröselnde Nadeln und Erde mischen sich hinein. Es wird wieder trocken. Noch trockener.
Eine geraume Zeit steht die Erinnerung an den kurzen, heftigen Schauer in der Luft, bevor alles wieder in die knarzende Trockenheit zurückfällt. Es bleibt lange hell. Nie ist das Holz (ich meine auch, Zeder ganz deutlich zu riechen) schwer und dunkel, alles ist hell und leicht, doch die Hitze lässt alles in Bewegungslosigkeit zurück. Pan, ich kann dich sehen.
Das ist mit Sicherheit einer der schönsten Holz- und Harzdüfte, die ich kenne und wie auch die anderen beiden Parfums der Reihe ist es ein ernster, sich gemählich entwickelnder Duft. "Behind the Rain" kommt durch die nadeligen ätherischen Öle nicht so schnell völlig zur Ruhe. Ja, auch ein Moment von Franzbranntwein steckt darin, aber verfeinert, sublimiert, von allen medizinischen Anklängen befreit.
Behind the Rain erscheint naturnah, als gäbe es keine rein chemischen Duftstoffe. Und auch wenn sie da sein sollten, stehen sie dieser natürlich anmutenden Komposition völlig zu Diensten. Wer "Norne" kennt, weiß, was ein dunkler Wald ist. Wer diesen Duft kennt, weiß es nicht mehr.
11 Antworten
Stefanu155 vor 8 Jahren 17 6
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6
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5
Duft
Pfirsich hin oder her
geht mir nach kurzem Zögern beim Riechen an der Abenteurerin eine ganz andere Assoziation durch den Sinn, die mir dieses Parfum auf weite Strecken vergällt.
Impatiens glandulifera.
Kennst du nicht? Doch, kennst du.
Japanisches Springkraut.
Diese meist rosa blühenden, entfernt an Orchideen erinnernden Gewächse, die es gerne feucht mögen und, sind sie erst einmal da, auch gerne unter sich bleiben. Sie gedeihen bevorzugt in feuchten Auen, an Flußufern und in Waldlichtungen. Sie vermehren sich im Wortsinn explosiv und die geringste Erschütterung reicht aus, die Kapseln aufspringen zu lassen und das zu tun, was der Pflanze ihren Namen verliehen hat.
Leider habe ich gerade nicht die Möglichkeit, meinen Dufteindruck anhand der Realität zu überprüfen, aber meine Nase täuscht mich in punkto Dufterinnerungen selten komplett, sondern immer nur ein bisschen.
Es gibt einen Hauch von Zitrus gleich zu Beginn, der aber sofort einer dumpfen Süße weicht, die zwar, wie schon bemerkt, an diese weißen, griechischen Pfirsiche erinnert, aber in einem Reifegrad, der schon Fruchtfliegen anlockt.
Drosophila melanogaster.
Schon wieder so ein lateinischer Name, der uns für die Duftbeschreibung kein bisschen weiterbringt, aber ich find den Namen so geil, auch wenn ich, wie die Meisten, diese Tierchen nicht gerne um mich habe. Dafür können sie natürlich auch nichts, gehen sie doch einfach bloß dem ihnen vorbestimmten Lebenswandel nach...
Ich rieche also Pfirsich, einen Hauch Sandelholz und Moschus, der mit der Zeit etwas deutlicher wird. Mandarine und Ingwer kann ich mir nicht einmal einbilden. Vielmehr kommt im Duftverlauf eine Art Vanille-Note zum Vorschein, aber diese verstärkt nur eine süßliche Mumpfigkeit zu einem Gesamterlebnis, das ich weder an mir noch an irgendwem anders länger als zum Testen nötig ertragen mag.
"Adventuress"... meintewegen könnte der genauso gut "Sokrates" oder "Mähdrescher" heißen, das wäre in Etwa gleichermaßen sinnbefreit, außer unsere Abenteurin hält sich gerne länger an feuchten Flußauen auf, wo das Springkraut wuchert.
Wahre Abenteuer.
Echte Heldentaten.
Große Kämpfe.
Pustekuchen.
Nimm den sehr reifen Pfirsich in deine starke Hand, lass den Saft tropfen, setze dich ins Springkraut und warte auf die Abendröte.
Aber ärgere dich nicht.
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