Torfdoen

Torfdoen

Rezensionen
Filtern & sortieren
36 - 40 von 40
Torfdoen vor 6 Jahren 12 5
6
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Was würde Karl Lagerfeld tun?
Von Le Galion ließ ich mir vor gut einem Jahr eine Probe von Aesthete zusenden, da ich den Mix Weihrauch und Bibergeil
in Aigners Silver so spektakulär fand und ich neugierig war, ob dieses Zusammenspiel auch in anderen Düften so oder so ähnlich ausfallen könnte.
Bibergeiler Weihrauch sozusagen. Ich war nicht ganz vorbereitet auf das, was dann kam. Kirschfruchtiges, knallrotes Leder, das sich ölig auf dem staubtrockenen
Asphaltboden verteilt. Geradlinig, schnörkellos, absolut kompakt. Kirsche und Leder. Irgendwie befremdlich, auch weil sich beides zu ähneln schien und so künstlich ausfiel. Deutlich zu süß war er für mein spontanes Empfinden. Also hoffte ich auf eine mir irgendwie gewogene Entwicklung, die ausblieb. Die Duftmoleküle fanden ohne Umschweife ihre festgefügte Form und verharrten. So direkt war mir das in noch keinem anderen Duft aufgefallen (und schon gar nicht im Aigner) und ich war etwas enttäuscht, hatte ich doch einen komplexen, maskulinen Duft erwartet (wie den Aigner).
Aesthete nahm sich dagegen geradezu uncharmant aus. Wie passte das zusammen, bei dem Namen?
Ich war mir also selbst auf den Leim gegangen und hatte erkennen müssen, dass auf der Welt nichts so ist, wie es scheint.
Allerdings: Eine gewisse Faszination blieb. Da ich jetzt Parfümkommentare schreibe, kann man nicht immer nur den leichten Weg gehen. Ich nahm
das Töpfchen in die Eine und verteilte vorsichtig kleine Tropfen auf den Rücken der Anderen.
Irgendwie musste doch zu diesem 'Schöngeist' vorzudringen sein.
Ein Pluspunkt meiner jetzigen Nasenausstattung war, schonmal Etros Gomma über den Weg gelaufen zu sein, der mir einen ganz neuen Ledertyp präsentierte, den ich auch in Aesthete wiedererkannte. Gummiartig. Lackiert. Sexuell leicht aufgeladen.
An der richtigen Frau, dachte ich, wäre mit dem gut Kirschen essen.
Was ich aber übersah und in meiner Gier nach traditionellen nuklearen Duftbomben nicht erkannte, war, dass die Strenge des Duftkonzepts
mir einen Ruhepol vorgegaukelt hatte, wo eine ganz allmähliche Entwicklung stattfand.
Da hatte wohl auch ich nicht mit besonderem Feingefühl geglänzt. Der Duft stand mir auf einmal gar nicht mehr so abweisend gegenüber.
Noch gab er mir nicht die Hand, blieb distanziert. Aber er ließ mich einen Blick in eine exklusive Sphäre werfen, die mir relativ uneigen ist.
Eine Vernissage kam mir in den Sinn oder eine Cannes-Aftershowparty. Modeschöpfer. Androgyne Jünglinge und Skulpturen.
Karl Lagerfeld oder Vivienne Westwood? Ich weiß es nicht so recht. Beide hätten sicherlich die Reife und den gewissen Anspruch, als auch das Nicht-von-dieser-Welt, Marke Eigenkreation. Vielleicht ein aufstrebender Jungstar. Auf jeden Fall nichts für Jogginghosenträger oder Kapitalistenschweine. Man muss aromatischen Kirschnektar mögen. Und langsamen, trockenen Rotwein.
Und nach der langen Party? Kommt, wenn man möchte, die Bibergeilheit. Man kann aber auch im dunkelroten Samtpyjama auf dem Bett liegenbleiben und über künstliche Lebenswelten nachdenken, bis einem die Äuglein zufallen.
5 Antworten
Torfdoen vor 6 Jahren
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
6.5
Duft
Pure Natur getarnt
793 kann Zitrusnoten von vorne bis hinten: Grellgelb, sattgrün, erst wässrig-wabernd,
dann trocken und erdig. Vom Saft zur Schale. Gewürznelke, ja, vielleicht (zufällig in der Küche vorhanden), mit viel Fantasie. Von Kräutern, Rinde, Tanne, Leder keine Spur. Da ist natürlich noch etwas anderes, das den Zitronen einen kleinen twist mitgibt und einen charakteristischen Wiedererkennungseffekt erzeugt, das Gesamtmotiv etwas raffiniert. Vielleicht tatsächlich Kamille, wie von anderen Parfumos bereits bemerkt. Das macht den Duft minimal schwerer und leicht aromatisch. Ansonsten bleibt es herb, sauer, zitronig.

Das riecht nicht schlecht, ist frisch und gefällig, im Sommer gut zu tragen und dampft auch ordentlich aus allen Poren. Was fehlt, ist ein bißchen Entwicklung. Eine würzige, holzige Basis, um noch etwas Spannung reinzubringen. Oder halt noch mehr grün, noch mehr Natur, Baumrinde, morsches Holz vom Schuppen, Dachpappe, irgendwas. Ausgebudelte Blechdosen oder Autoreifen oder was man sonst noch am Waldrand findet. Touripärchen, das sich verlaufen hat. Echte Wikinger. Container, in denen Kamillenteebeutel gelagert waren. Parkbänke. Den ein oder anderen Käfer. Nordic Walker. Kettensäger. Warnhinweisschilder. Fünf Euro für ein Päckchen richtig frischer Krautnägel. Irgendsowas.
0 Antworten
Torfdoen vor 6 Jahren 23 6
6
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Dating-Wunder
Ja, (Vintage) Quorum. Ein anfangs leicht stechender, dunkelgrüner Seifennebel, der sich immer weiter aufhellt und am Ende in einer geschmeidigen, angesüßten Tabakbasis landet, die einem ein Wohlgefallen ins Gesicht zaubert.

Der Auftakt ist kompromisslos, aber weit entfernt von der Unbarmherzigkeit, die dem Duft oft unterstellt wird. Auch die Sillage erschlägt bei bedächtiger Anwendung niemanden. Allein die Seifigkeit verpasst ihm das Aushängeschild, einer aus den 80ern zu sein. Sucht man nach Sexyness, crowd-pleasing und anderen magischen Eigenschaften in einem Parfüm, dürfte das ein K.O.-Kriterium darstellen, das diesen, wie so viele andere Düfte älteren Datums aus dem Rennen kickt.

Dazu möchte ich Folgendens zu bedenken geben:

Die oft mit diesem Phänomen verbundene, theoretische Frage, ob ein Parfüm für ein Date taugt oder nicht, mißachtet dabei nicht nur die eigene Begeisterungsfähigkeit für eine außergewöhnliche Sache,
sondern auch die des Gegenübers, dem eine Einheitsgesinnung unterstellt wird. Zugespitzt formuliert, wäre eine in der Hinsicht getroffene Entscheidung gegen einen Duft, der einem eigentlich gefällt, vielleicht die erste Lüge einer sich anbahnenden, amorösen Beziehung.

Lässt man allerdings Quorum für sich sprechen, legt man die Karten auf den Tisch, präsentiert sich eigenwillig, etwas exzentrisch vielleicht, aber durchaus treffsicher im Geschmack. Und Quorum hat viele Seiten: Es kann dreckig, ernst, naturverbunden, selbstsicher, ruhig, laut, sanft, zupackend, hip, schräg, postmodern, ja um Gottes Willen, sogar nerdy! Es wird an unterschiedlichen Menschen jeweils komplett anders wirken.

Ausschlaggebend ist die in sich stimmige Duftkomposition, der nur eine andere Interpretation von Frische eigen ist und die im Stillen darüberhinaus einen vollkommen natürlichen, grünwürzigen Verlauf bis hin zur genannten Kuschelbasis fährt, so dass man eigentlich nicht anders kann, als sich gegen gängige Gefälligkeitskriterien und für den Jungen zu entscheiden.

Gratulation, wer die Geborgenheit und Sehnsucht danach, die dieser Duft ausstrahlt, in einer realen, zwischenmenschlichen Basis wiederfindet.
Im Grunde seines Herzens ist Quorum vielleicht das, was auf den ersten Blick unentdeckt bleibt: ein verkappter Romantiker.
6 Antworten
Torfdoen vor 6 Jahren 8 5
8
Flakon
8
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Edles mit Understatement
Lanvin for Men, ein zeitloses, schönes Parfüm. Hier schreit überhaupt nichts. Keine Anbiederungsversuche, kein Aufdrängen. Ganz verlässt man sich auf die Ruhe und Harmonie seiner Komposition. Zitronen und ätherische Orangenöle, warmwürzig und leicht süß dank der Bergamotte. Einen kleinen Aldehydpieks muss man zu Anfang verkraften, dann schimmern
Grüne Noten durch diesen goldenen, strahlenden Nebel, wie ein kleiner, dezenter Blumenstrauß, der durch saftige Zitrusfrüchte gereicht wird. Etwas herb, aber niemals unfreundlich wird es durch den Muskatellersalbei und cremige Hölzer. Ein klein bißchen Nerolistink ist auch eingebaut, der Duft wächst dadurch, gewinnt an Facetten, die insgesamt lieblich bleiben. Dezente Wogen aromatischen Pfeffers mischen sich dazu und bilden einen schönen sanftrauchigen Kontrast zur balsamischen Frische.
Und das ist sie: Die Aura, an der man sich stundenlang, mitunter sogar über mehrere Tage (Brusthaar als perfekter Molekülträger), erfreuen kann. Einzelne Duftkomponenten dürften für den uneingeweihten Außenstehenden kaum zu erhaschen sein, aber eine erhabene, freundliche, warme Aura, die vom Träger ausgeht. Schönheit, die auch heute noch verzaubert.

Trotz Attributen wie warm-würzig und grün-ledrig, die vielleicht eher dem Feld der Herrendüfte zuzuordnen sind, ist Lanvin for Men, der ja offensichtlich als solcher konzipiert wurde, geschlechterübergreifend jedem Menschen anzuraten, der diese Attribute in einem perfekt ausbalancierten Verhältnis sucht.
Ein Meisterwerk. Danke Parfumo für diese Entdeckung.

Zu den unterschiedlichen Versionen:
Ich besitze sowohl die Urversion mit ovaler Flasche, als auch die achteckige. Beide Düfte sind nahezu identisch, im Ur-Lanvin vielleicht etwas mehr Aldehyde zu Beginn. Beide performen was das Zeug hält.
Die Sprühtechnik im achteckigen Flakon ist etwas ausgefeilter und ergiebiger.

In naher Zukunft beabsichtige ich auch dem After Shave mal eine Chance zu geben. Ich kann mir vorstellen, dass auch hier die Strahlkraft enorm ausfallen wird.
5 Antworten
Torfdoen vor 6 Jahren 9 6
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Schräg mit Retro-Power
Schon der Flakon ist eine Wucht: Die Totemfigur eines Ochsen oder Büffels in zeitgenössischem Design.
Korrespondierend zu den damaligen Werbeannouncen: Einmal ein augenloser
George Lazenby-Verschnitt, einmal ein herablassend dreinblickender, südamerikanischer Indio. Interessant.
Der Beipackzettel wirbt mit seltenen Schätzen, die an verkannten (sic!) Orten gedeihen.
Ich bin mit dir, George Lazenby. Wollen wir uns das Ding mal unter die Nase reiben.

Ganz am Anfang saftig-zitrische Orange auf angenehm wässriger Ginbasis.
Klar wird: Der Duft hat kaum gelitten.
Hinzu kommen grüne Noten und auch etwas fruchtgummiartige Süße, die sich
den ganzen Duftverlauf dezent im Hintergrund hält, um am Schluß mit der Vanille in einer cremig-schokoladigen Basis aufzugehen. Dazu später mehr.
Die Kopfnote ist ein Traum, kontrastiert aber stark zu dem, was noch kommt,
erscheint zu den anderen Teilen der Duftreise am vergänglichsten, ist nur hier und da mal präsent.

Lavendel und Anis bilden das Duo im weiteren Verlauf. Und das mit voller Kraft.
Der Lavendel ist etwas muffiger, was der zitrusfrische Anis dank seiner Wärme und
Würze auszugleichen vermag.
Trotzdem gewinnt hier der Duft an Pudrigkeit und eine seifige Lavendelbitterkeit
sticht beizeiten hervor, was sofort zu einem Flashback in die unerlebte Vergangenheit führt.

Lavendel-Flashback:

1973. Ich bin Jahrgang 82, also gut neun Jahre zu spät dran. Trotzdem weckt der Duft in mir eine gewisse
Erinnerung zurück in die Kindheit. Vielleicht hat die Bettwäsche bei meiner Oma immer nach Lavendel gerochen, als ich dort übernachtete. Ich bin mir nicht sicher.
Zumindest verliert hier der Duft für mich etwas an seinen vorherigen modern-abstrakten Elementen.
Als Zeitmaschine taugt Nomade an dieser Stelle allemal.

Man könnte ihm also hier eine gewisse Zeitbefangenheit vorwerfen. Allerdings würde man damit der Gesamtkomposition in keinster Weise gerecht. Worauf man seinen Eindruck gründet, ist vielmehr nur ein Teil eines komplexen Duftgefüges, das sich abzeichnet. Es zirkulieren pfeffrige Zitronenminze, dezente Pudrigkeit und grün-moosiges Schokoladenleder in einem Wechselspiel, das nie richtig zur Ruhe kommt. Am Ende schieben sich fruchtig-minziges Sahnebonbon und krautige Schokoerde sanft den Ball hin und her. Hautnahes Schokokraut ab der achten Stunde. Aber der Büffel gibt nicht auf. Mit Ausdauer ist er frühmorgens noch am ackern, reibt sein Fell an Felsen und Stauden, bis eine unkaputtbare Lavendel-Vanille-Basis auf moosigem Untergrund leise ausklingt.

Quite a trip.

Der Gesamteindruck ist ein ambivalenter:
Nomade. Natur trifft auf Artifizielles. Experimentierlust paart sich mit klassischen Elementen. Im Auftakt frisch und hintenraus kuschelig. Aber auch nicht richtig, obwohl mit Vanille und Schokolade. Keine Machoseife, eher lieblich dank Puder und Lavendel. Elegant auf der Hochebene.

Also ein ziemlich gewagtes, aber bei näherem hinschauen, gerade aufgrund seiner untypischen Struktur und
seines schrägen Charakters, faszinierend eigenständiges Kleinod. Ein Kunstwerk. Schön, aber mit befremdlichen Einsprengseln. Im Beipackzettel heißt es sogar im Englischen: Eau de toilette with a strange aroma, was ins Deutsche übersetzt wurde mit: Eau de toilette von erlesenem Wohlgeruch...

Natürlich wirkt die Zeitkapsel auch für mutige Nomadinnen. Das Krafttier wartet geduldig darauf, sich dem Träger und seiner Umgebung zu präsentieren und die exotischen Bräuche von 1973 (und womöglich einer archaischen Urzeit) in die Jetztzeit zu überführen.

George Lazenby sagt: Tolle Erfindung.
6 Antworten
36 - 40 von 40