Traviata
Traviatas Blog
vor 12 Jahren - 16.04.2012
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365 Tage – 365 Düfte

 

Nun bin ich genau auf den Tag ein Jahr hier. :D

In diesem Jahr hat sich mir eine neue Welt erschlossen.

Die Duftwelt.

 

Klar, ich kannte schon vorher Parfums. :-)  Ich liebte schon immer Düfte, seit meiner frühen Kindheit. Aber ich hab sie nicht wirklich bewusst wahrgenommen. Rein intuitiv. Ich hab sie selten miteinander verglichen. Mich nicht wirklich mit den Inhaltsstoffen auseinandergesetzt. Ich wusste nicht mal so genau was in meinen Lieblingsdüften alles so drinne ist. Immer nur Gerüche und Gerüchte.  Z.B. der Oberduft Chanel n° 5 …  der Mythos, schon fast das Synonym zu Parfum – aber was ist damit eigentlich los? Was ist das fünfte Element in der Chanelsuppe? Ich weiß es immer noch nicht, aber ich ahne es zumindest und ich habe den Geruch nun in meine Naseninnenwand tätowiert, auch wenn ich ihn noch immer überhaupt nicht mag.

Ich hatte zeitlebens immer 3-4 Flakons, die mir wirklich zusagten und dennoch nicht wirklich für mich passgenau waren, wie ich nun weiß.  Meist verließ ich das Haus ohne Duft auf der Haut, da *hehe* wie ich jetzt weiß, die Auswahl viel zu klein war. ;-)

In den üblichen Parfümerien waren es die Mainstreamparfums, die mich selten genug zum Kauf überzeugen konnten. Das Suchen nervte mich und meist verließ ich den Laden wieder ohne Flakon in der Tasche. Und genau so dumm wie vorher, denn dass Guerlain doch noch ganz, ganz anderes hat, als das was an der vordersten Front im Regal steht und was eine Guerlinade ist  oder was Hermes doch wirklich so besonders macht.. das konnte ich erst hier lernen. ;-)

 Ach ja, danke Onkel Serge. :-)  Der ist schuld, der hat mich hierher getrieben. Tatsächlich haben es mir die Nischendüfte angetan. Die Nischenkaufhäuser schreckten mich jedoch immer ab: Reiche eingebildete Schicksen die sich ne Creme für 100 Euro kaufen und ein Duft für 200, der bei Müller unter anderem Namen nur 50 kostet. Vorurteilsfrei war ich noch nie. *g* Nische zog mich mit ihrer Individualität an, aber gleichzeitig fand ich sie blasiert und überteuert.

Tja, was tun? Ich wollte Lutens unbedingt kennen lernen und die hochnäsigen Boutiquen, in denen ich mich immer so unbehaglich fühlte und mir wie ein lästiger Probeneschnorrer vor kam, möglichst umschiffen.

Ahhhhh…. Parfumo! Hier kann ich alles nachschlagen, mich einlesen, austauschen - und das nicht nur mit Worten, sondern sogar mit richtigen Pröbchen!

Witzigerweise setze ich mich jedoch hier auch gerade mit den Klassikern und dem Mainstream auseinander.

 Ich hab in dem Jahr 365 Düfte geknackt. Okay, sehr viele waren sehr schnell abgehakt. Einen halben Tag auf dem Handrücken und weg damit. Soll ein anderer seine Nase rein stecken. Aber immer noch besser als ein Sprüher auf eine nur vielleicht duftneutrale Hautstelle in der ohnehin völlig überdufteten Parfümerie,  gemeinsam mit diversen anderen Duftnoten gleichzeitig auf allen vier Armen verteilt. Richtig testen kann ich nur Zuhause. In Ruhe. Mit Notizen. Mit Wiederholungen. Mit Vergleichen.

Und so erschloss sich mir nach und nach diese neue Welt.

Und noch etwas erschloss sich mir: Freude. Freude, wirkliches Glück, wenn ich in einer Zeitnische am Tag oder abends auf der Couch zum Film einen Duft trage, er sich mir langsam entschlüsselt, mein Freund wird. Auch bei mir eingezogen sind seither viele. Ich bin noch immer recht treu. Monogamer bin ich jedoch mitnichten geworden.

Nun binden mich hier mittlerweile auch sehr nette Kontakte zu anderen Duftverrückten. Die Großzügigkeit hier - unter eigentlich Fremden - ist wirklich herzerwärmend und einzigartig.

Auch wenn hier manchmal Anspruchsgehubere etwas unschön mit Rechtschreibeverweigerung aneinander rasselt und Selbstdarsteller mit Verkaufstüchtigen. Mein Stirnrunzeln geht recht schnell in Schulterzucken über.

 Lieber Don & Co,

 ich möchte einfach mal Danke sagen für die tolle Idee, für die mühevolle Arbeit, die dahinter steckt! Die Details dieses Forums und die Geduld es am laufen zu halten.  Liebe Parfuma(o)s, für die vielen wunderbaren Kommentare, welche die tatsächliche Tragweite eines Duftes auch mit Worten sichtbar machen, die erschreckend schönen Details benennen und mit diesen persönlichen Assoziationen das Parfumwerk tatsächlich zu einem filigranen Wunderwerk werden lassen. Ob das zu heiß gebügelte Polyesterblüschen sind, Monsterrosen oder verbrannter Gummi, getragene Amberspitzenwäsche und halterlose Moschusstrümpfe, ungelüftete Kinderzimmer, Mundgeruch und schimmliges Brot. Ich liebe das.

Ein schwitzender Gladiator im Lederlendenschurz stand urplötzlich vor mir oder der ölverschmierte Automechaniker mit Whiskyfahne. Auch Schiffschaukelbremser und Dorfdiscotürsteher kreuzten meinen Weg.

Grünäugige Elfen tanzen, ich steh im Wald…. aber jäh öffnet mir eine gestrenge Frau in schwarzem Korsagenkleid mit Schlüsselbund an der Taille die knarrende Tür zum Duftschloss.. und hach! die längst verstorbene Tante Erna wie sie früher beim Kaffeeklatsch saß. Jetzt weiß ich endlich nach was sie roch!

Fauchende Wildkatzen, Grünofanten, staubige Theatergarderoben, eine Tasse Tee in Miss Marples Rosengarten, ein kläffender Sergeant und wie er Private Angelika zum Puddingkochen abkommandiert. Gerissene Stringtangas. Mutters getragene Nylonstrümpfe, Opas Anzug.

Danke.

 Das sind schöne Bilder. Das zeigt wie Düfte Bilder wecken. Erinnerungen. Tiefe Sehnsüchte. Manchmal auch Trauer. Vor allem Glück.

 

 

 

 

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