TrixieBelden

Es ist ein vom ersten Moment an vertrauter Geruch, so das ich augenblicklich beginne, zu überlegen woran er mich erinnert:
Von Sonne gewärmte Haut, der Geruch morgens beim aufwachen, in frischer Bettwäsche liegend. Trockene Blätter, staubig, bei Berührung auseinanderfallend. Abschied. Endlichkeit. Akzeptanz selbiger. Und auch irgendwie Sterben und Tod.
Bereits hier, viele Widersprüchlichkeiten, die das große Ganze, die Alles beinhalten.
Und ich kann nachvollziehen, warum dieser Duft derart unterschiedliche, teils auch ablehnende Reaktionen hervorruft.
L'Air de Rien startet bei mir süßlich überreif, kurz davor ins Unangenehme zu kippen. Vergänglichkeit schwingt definitiv mit. Dieser Dufteindruck wird jedoch nahezu sofort durch Eichenmoos und auch Patchouli abgefedert. Wenn die Süße ausschließlich von Neroli stammt, so hat es bei mir keinerlei frischen Part, sondern ist nahezu klebrig aufdringlich. Wächsern.
Eichenmoos, das mir sonst meist den Atem raubt, umstreichelt mich hier sanft- vermutlich von Patchouli gedeckelt. Moschus ist ist unterlegt von Vanille und Amber.
Es wurde schon viel geschrieben über die Entstehung und die Motivation zu dem Parfum, und ich kann für mich sagen, der Fokus auf die Vergangenheit, der bei der Entstehung des Duftes eine zentrale Rolle spielte, macht Sinn- man kann ihn erriechen.
Und dann sind wir natürlich bei Jane Birkin, einer Frau, die soviele Schatten hinter ihrem Lächeln zu verbergen suchte, die soviel lebenslange Tragik mit sich herumtrug, trotz all der Geschenke, die ihr scheinbar zuteil wurden. Und die es ihr Leben lang nicht schaffte, sich aus ihrer Vergangenheit zu lösen und mit den Schatten lebte, sie vermutlich auch brauchte.

L'Air de Rien ist direkt nach dem aufsprühen kurz laut, bäumt sich auf- um dann sehr schnell mit der Haut zu verschmelzen. Weiterhin da, aber nur in direkter Nähe wahrnehmbar. Und auch das macht Sinn- es ist ein privater Duft, mehr Erinnerung als Dufterlebnis. Ich muss nicht erzählen, ich habe erlebt.
Ich persönlich finde das ein wenig schade, ich hätte gerne mehr bzw. länger davon, und interessanterweise hält -zumindest bei mir- das Parfum auch auf Kleidung nicht länger.
Aber das soll vielleicht auch genau so sein- denn bei alldem, was dieser Duft vereint, wie er konzipiert wurde, geht es um Vergangenheit- und die verblasst, ist vergänglich und vorbei. Egal wie sehr wir versuchen sie festzuhalten.

Chanel schreibt: "Liebkosend, ganz mild und pudrig wie ein Absolue der Weiblichkeit."
Ich wage mal zu widersprechen: Chanel auf Speed, mit Waschmittel gestrecktes Kokain, glasklar, eiskalt, trifft es eher.
Ich persönlich empfinde die N°5 als wesentlich wärmer und nahbarer, die N°22 hingegen ist mit Atributen gefüllt, die mehr Schein als Sein sind. Gerade dafür liebe ich sie, sie ist mein Schutzschild vor der Welt. Und an manchen Tagen geht nichts anderes, da ergänzt sie mich perfekt, gibt Kraft und Energie, lässt alles abprallen und zeigt den Mittelfinger.
Dabei ist sie auf den ersten Blick freundlich und zugewandt, enthält aber klirrende Kälte.
Ich zitiere mal Luca Turin: "...Das Eau de Toilette ist das, was ich für No 5 hielt, durch und durch weich und pfirsichfarben, eine Mutter aus den 1950ern, die einen im Pelzmantel zu Bett bringt, bevor sie ins Theater geht." (Neue Zürricher Zeitung, 2007)
Die Mutter N°22 bringt dich vielleicht auch ins Bett, aber hat derweil ein mit Champagner gefülltes Kristallglas in der Hand, ihr Kuss ist flüchtig und ihre Gedanken nicht bei dir, sondern bei den Gästen unten.
Astrologisch betrachtet wäre N°5 das Sternzeichen und die N° 22 der Aszendent, Basis und der sich im Laufe der Jahre entwickelnde Charakter.
Den Duft selber habe ich in meinem Statement ja bereits kurz beschrieben- atemraubend und wuchtig. Über die Aldehyde müssen wir nicht reden, ansonsten rieche ich deutlich das Maiglöckchen, auch Rose und Jasmin- letztendlich ist es aber für mich die Kombination von Vanille und Vetiver im Drydown, die ich bemerkenswert wunderschön finde. Ansonsten- ich liebe die N°5 seit Jahren und mit der N°22 ergeht es mir ähnlich- einzelne Noten schön und gut, aber es ist das Gesamtwerk, das zueinanderfinden der einzelnen Komponenten.

Vielleicht werde ich altersmilde, oder ich erweitere gerade nochmal meine Persönlichkeit. Tatsache ist, ich finde plötzlich einen Narciso gut. Vielleicht sogar richtig gut.
Musc Noir Rose mochte ich ja bereits, auch wenn es da eine nostalgische Erinnerung war, die mir die Brücke baute. Aber weil ich den gut fand, habe ich mich dazu hinreißen lassen, For Her Forever auf mich zu sprühen. Und bin angetan.
Die Ähnlichkeit zu den beiden anderen For Her´s, dem EdP und dem EdT, die hier bereits mehrfach benannt wurde, rieche ich auch. Und auch, dass der Duft schwächer wirkt, weniger intensiv, würde ich erstmal bestätigen. ABER genau das macht für mich seine Stärke aus.
Sowohl EdP als auch EdT von For Her sind für mich kaum tragbar und Kopfschmerzkandidaten. Ich empfinde sie als aufdringlich, künstlich und oft als zu überdosiert. Das ist bei For Her forever anders. Die Dame kommt wesentlich entspannter um die Ecke, unaufgeregt versprüht sie eine schwerelose Leichtigkeit, die von sanftem Moschus untermalt wird. Sie übertönt den Träger nicht, sondern passt sich an, ist da, aber muss sich nicht in den Vordergrund drängen.
Die weißen Blüten ergänzen sich hervorragend, besonders den Jasmin finde ich wunderschön, die Gardenie rieche ich auch gut heraus. Der Duft ist dabei nicht süß, sondern frisch und leicht.
Haltbarkeit und Sillage muss ich näher testen, aber bisher bin ich damit zufrieden. Es muss ja auch nicht immer laut sein.

Ich steige ins Auto meiner Kollegin, die mich zur Arbeit mitnimmt.
Kollegin: Hast du gesoffen?
Ich: Neee!
Kollegin: Ich mein gestern Abend, du riechst...versoffen.
Ich: Das ist Intense, Mon Guerlain- Lavendel, Mandarine, Vanille, Patchouli, Sandelholz.
Kollegin: Egal was das ist, das riecht als wärst du morgens um 5h aus der Kneipe raus, halbe Stunde Schlaf, Dusche und los.
Dabei hat sie dann demonstrativ das Fenster runtergelassen. Am nächsten Tag bin ich wieder Bahn gefahren.
Tja, ich kann es ihr nicht verübeln. Beim ersten Testen hatte Mon Guerlain Intense mich damals nicht gewonnen, der Lavendel war mir zu herb, irgendetwas störte mich im Dufteindruck. Der Duft und ich sind ambivalent geblieben, manchmal mag ich ihn, manchmal nicht.
Shalimar EdT, den ich zeitgleich testete, hatte mein Herz sofort gewonnen, weshalb Mon Guerlain Intense meistens in der Schublade verweilt. Meistens meint eigentlich fast immer. Wenn ich ihn aber trage, polarisiert er. Zwischen "Was ist das, das riecht gut" und "Iiihh, furchtbar" ist scheinbar nur ein schmaler Grad. Aber vielleicht liegt es ja auch an mir und meine Hautchemie und der Duft funktionieren nicht miteinander. Oder vielleicht sollte ich ihn einfach tatsächlich mal tragen wenn ich aus einer Kneipe torkle-allerdings bin ich aus der Zeit eigentlich heraus.
Intense ist er aber tatsächlich, sowohl ich als auch mein Umfeld nehmen ihn intensiv wahr, und das recht lange. Interessanterweise finde ich den Duft bei wärmeren Temperaturen besser als im Winter, ich empfinde ihn dann als geschmeidiger, sanfter und entspannter.
Was den Duft-Eindruck betrifft, so ist der Lavendel bei mir bestimmend, die Mandarine kann ich nur erahnen. Patchouli und Vanille sind ähnlich dominant wie der Lavendel, aber der absolute Bestimmer auf meiner Haut ist der Lavendel.

Bei mir wohnt ein Siam Kater, für mich das schönste Wesen der Welt, für andere ein Alptraum auf vier Pfoten. Ich liebe ihn abgöttisch und verzeihe ihm nahezu alles- okay, ehrlichweise kann man das nahezu streichen. Wäre er ein Mann, er hätte vermutlich schon längst seine Koffer packen müssen, aber sein -wenn er will- liebreizendes Wesen verzaubert mich immer wieder.
Ja, er kann mega anstrengend sein- aber wenn er sich dann um meinen Hals wickelt, ist um 3h aufstehen um ihn in den Garten zu lassen schon okay. Im Sommer riecht sein Fell nach Sonne und Asphalt und im Winter manchmal leicht modrig, trotzdem liebe ich es, meine Nase darin zu vergraben. Geht es mir schlecht ist er besonders kuschelig, aber es gibt auch Tage, da schenkt er mir lediglich seine Arroganz. Fahre ich in Urlaub, scheint er es zu riechen und bestraft mich im schlimmsten Fall im Vorfeld mit Abwesenheit, einmal kam er erst zurück, als das Taxi zum Flughafen schon wartete.
Babycat verdient seinen Namen zu Recht. Es lässt sich nicht beherrschen, es entscheidet selber wie es sich präsentiert, und dass immer wieder neu. Es gibt Tage, da bleibt der Duft sehr beim Weihrauch, es dauert, bis die Vanille kommt, und wenn sie da ist, bleibt sie dennoch dezent. An diesen Tagen nehme ich auch den Pfeffer deutlicher wahr. Babycat ist auch dann wunderschön, aber strahlt etwas ganz anderes aus, als an den Vanille-Tagen. An denen bin ich ratzfatz geruchstechnisch im balsamischen Vanillewolkenland, Weihrauch und Pfeffer sind dann nur Beiwerk und halten sich im Hintergrund. In beiden Varianten, die sich mir zeigen, nehme ich übrigens auch noch eine gewisse Animalik wahr, zwar dezent, aber vorhanden. Der Safran sticht für mich nicht besonders hervor, zumindest nicht in unangenehmer Form. Alle Noten zusammen harmonieren perfekt, es gibt nichts, was störend hervorsticht.
Was Babycat für mich auszeichnet ist, dass er immer, egal in welcher Betonung, wunderschön ist und mich sanft umhüllt. Und er vereint zwei Dinge, die ich sehr schätze- Weihrauch und Vanille, letztere in dunkler Form.
Ich empfinde den Duft als Unisex, Haltbarkeit und Sillage sind bei mir top. Selbst wenn ich glaube die Katze ist eingeschlafen, taucht plötzlich doch noch eine Duftwolke auf.
Vanagloria fand ich ja schon ziemlich gut, allerdings ist der bei mir rauchiger als Babycat und der Weg zum "Wohlfühlen" dauert länger. Das ist bei Babycat anders, hier werde ich direkt eingehüllt, der Weihrauch ist sanfter auf meiner Haut, trotz seiner Präsenz. Deshalb liegt Babycat tatsächlich vorne.