
Yatagan
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Stille Liebe
Lem ist ein eigentümlicher Duft: Man liebt ihn oder hasst ihn. Vielleicht ist diese Eigenschaft vielen Düften aus dem Hause Galimard zu eigen. Galimard ist ein Fossil: Eines der älteste Parfumhäuser der Welt (1747), das dennoch selbst vielen Parfumliebhabern kaum bekannt ist. Dies mag daran liegen, dass Galimard zwar direkt nach Deutschland liefert, selbst bei Händlern von Nischenparfums aber kaum vertreten ist. Lem ist dennoch kein ganz typischer Galimard-Duft. Wer schon einmal verschiedene Wässerchen dieser Marke besaß, weiß, dass es einen typischen Galimard-Ton gibt, ähnlich wie bei Guerlain, der ein Gefühl von Vertrautheit herstellt. Dieses typische Gefühl fehlt hier fast ganz. Lem ist ein Duft, der bei mir sofort Assoziationen an Zitrone oder Limette hervorruft, insbesondere aber die bittere Bergamotte. Deutlich erkennbar ist der Lavendel und Wacholder-Ton, aber auch die Koniferennoten und das Moos bleiben lange spürbar. Einige vermeinen einen fast metallischen Unterton zu erkennen, der aber nach kurzer Zeit abklingt und weicheren Eindrücken Platz macht. Vielleicht ist das die Kombination der bitter hesperidischen Noten mit dem Harz (Labdanum) in der Basis, das schnell spürbar wird. Diese metallische Note ist es vermutlich, die gelegentlich zu sofortiger Ablehnung führt: Liebe oder Hass. Bei mir ist es trotz der polarisierenden Eigenschaften dieses Duftes eine stille, keine leidenschaftliche Liebe geworden. Aber man weiß ja: Oft sind dies die dauerhaftesten Beziehungen.
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Grünes Leuchten
Wahrlich: Wer diesem Duft noch nicht begegnet ist, hat etwas verpasst. Im Gegensatz zu annähernd ähnlichen Düften wie Eau d'Orange Verte von Hermes oder dem göttlichen Monsieur Balmain, die die Sonne und das Licht, den Sommer und klaren Himmel olfaktorisch verdichten, ist dies eher das grüne Funkeln eines Smaragds in der Dämmerung. Die Herznote mit Orange, pfeffrigen oder minzigen und zitrischen Komponenten geht nur langsam über in eine krautig frische Herznote, in der aber auch Blütendüfte wie Rose deutlich wahrnehmbar sind. So frisch und rein der Duft zunächst riecht, so schnell wird er geheimnisvoll, fast erotisch. Vielleicht mag dies auch der Basisnote aus Moschus geschuldet sein, die ich aber kaum wahrnehmen kann.
Selten trug ein Parfum einen so schlichten, aber auch so treffenden Namen. Green Water lässt jedoch schnell Assoziationen zu, die den Duft einzuordnen vermögen: Bei grünem Wasser denke ich an eine Quelle, grün schimmernd, weil von vielen Pflanzen, Blumen, vielleicht von Wald umgeben. Entsprechend wenig maskulin ist dieser Duft. Ähnlich wie Monsieur Balmain, dessen Name ganz fälschlich strenge Züge vermuten lässt, ist es ein weicher, fließender, klarer und ein wenig sinnlicher Duft, der zu unrecht selten getragen wird, von Männern und Frauen getragen werden sollte.
Selten trug ein Parfum einen so schlichten, aber auch so treffenden Namen. Green Water lässt jedoch schnell Assoziationen zu, die den Duft einzuordnen vermögen: Bei grünem Wasser denke ich an eine Quelle, grün schimmernd, weil von vielen Pflanzen, Blumen, vielleicht von Wald umgeben. Entsprechend wenig maskulin ist dieser Duft. Ähnlich wie Monsieur Balmain, dessen Name ganz fälschlich strenge Züge vermuten lässt, ist es ein weicher, fließender, klarer und ein wenig sinnlicher Duft, der zu unrecht selten getragen wird, von Männern und Frauen getragen werden sollte.
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Hänsel und Gretel
Mein Vorredner Apicius hat es (wieder einmal) auf den Punkt gebracht: Kaum ein Attribut passt besser zu diesem Duft als "dunkel". Ein wenig fühle ich mich an Hänsel und Gretel erinnert, die sich allein in den finsteren Wald begeben müssen und dort furchtsam allerlei merkwürdige Gerüche wahrnehmen. Da sind zunächst die typischen Töne englischer Duftwässer, wie sie seit 1880 de rigeur sind: Lavendel und Hesperiden, aber auch florale Anklänge, sowie im Nachklang Sandel- und Zedernholz, viel Holz eben. Sehr schnell schiebt sich aber Krautiges in den Vordergrund, Aromen die an Wald, an dunklen Wald, weniger an Wiese denken lassen. Im Gegensatz zu Apicius, dessen Kommentare ich sehr schätze, gefällt mir der Duft aber sehr gut. Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade die british scents schätze, vielleicht liegt es auch daran, dass sich grüne Düfte auf meiner Haut sehr gut entwickeln. All die Duc de Vervins, Quorums, Knize Forests, Pino Silvesters, Agua Bravas und Wild Ferns (s.d.) finden stets meine Gnade. Und außerdem liebe ich Waldspaziergänge und Märchen.
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Ein modernes Wässerchen
Er legte seine Zeitung vom 3. Oktober 1880 zur Seite. Nichts von Belang war geschehen. Ein Tag wie jeder andere im 19. Jahrhundert. Es war nun angebracht, zu seinem bevorzugten Barbourshop zu gehen und seinen Bart stutzen zu lassen. Wenn die Zeit es zuließe, nahm er nicht selbst sein Rasiermesser zur Hand, er ging stattdessen zu Trumpers in der Curzon Street, einem der besten Hersteller feiner Dufterzeugnisse. Als er den Laden betrat, schlug ihm ein fremder Geruch entgegen. Der junge Mann, der gerade frisiert und rasiert worden war, bekam soeben ein Rasierwasser aufgelegt, das seine Aufmerksamkeit erregte. Es roch neu und aufregend. So etwas kannte er nicht. Hervorstechend war die Kopfnote von Kümmel, eingebettet in weichere Komponenten von Hesperiden, leicht zitronig duftend. Mehr konnte er zunächst nicht unterscheiden. Gleich nahm er sich vor, diesen Duft nach seiner eigenen Rasur zu wählen. Viel zu langsam verging die Zeit, bis er an der Reihe war, viel zu langsam verging die Zeit des Haareschneidens und der Rasur. Schließlich kam der entscheidende Moment. Ob er wieder seinen Lieblingsduft Marlborough wähle, eine der neueren Kompositionen von Geo F. Trumper aus dem Jahre 1877? Nun ja, eigentlich schon gerne, aber was denn mit diesem anderen Duft sei, den der junge Mann vor ihm gewählt habe. Dies, so erfuhr er, sei ein Duft der erst vor wenigen Wochen neu eingeführt worden sei. Ob man ihm diesen noch nicht vorgestellt habe? Er wählte den neuen Duft, nur notdürftig seine Neugierde unterdrückend. Astor sei der Name der neuen Komposition. Seine Erwartungen wurden sogar noch übertroffen. Nach der frischen Kopfnote aus Kümmel und Zitrone roch er bald schon Komponenten von exotischen Blumen, vielleicht Jasmin. Erst zu Hause nahm er wahr, dass auch die Klassiker der englischen Toiletterie, Amber und vor allem Sandelholz, enthalten waren. Ein Duft, gleichzeitig neu und doch vertraut. Er würde ihn von nun an jedes Mal wählen.
Mehr als 120 Jahre später: Der Gentleman, der das Geschäft in der Curzon Street in London besuchte, lebt längst nicht mehr, aber Astor riecht immer noch neu und anders. Der Kümmel in der Kopfnote verliert in der Basis aus Sandelholz und Jasmin seine Schärfe und wird weich und rein. Die Duftentwicklung ist immer noch spannend und auf jeder Haut anders.
Mehr als 120 Jahre später: Der Gentleman, der das Geschäft in der Curzon Street in London besuchte, lebt längst nicht mehr, aber Astor riecht immer noch neu und anders. Der Kümmel in der Kopfnote verliert in der Basis aus Sandelholz und Jasmin seine Schärfe und wird weich und rein. Die Duftentwicklung ist immer noch spannend und auf jeder Haut anders.
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Ein perfekter Abend
Er trug ein Tweedjackett aus englischem Gewebe, in dem er sich sicher fühlte. Gezielt lenkte er seine Schritte auf das noble alte Geschäft in der St. James Street in London zu, prüfte noch einmal den Sitz seiner Krawatte und trat ein. Die distinguiert freundlich lächelnde Dame vor den alten Holzvitrinen sah ihn an. Das war ein Kunde nach ihrem Geschmack. Ein englischer Gentleman alter Schule. Sicherlich war er ein treuer Kunde ihres Hauses, von D. R. Harris, dem englischen Hoflieferanten feiner Kosmetik seit Jahrhunderten, Liebling von Prince Charles, dem Prinzen von Wales, und Liebling auch der verstorbenen Königinmutter. Jede der unauffälligen Schachteln war mit dem Wappen Ihrer Königlichen Hoheit, des Prince of Wales, versehen. Er schluckte kurz seine Nervosität herunter und bestellte dann: Ein Flakon Eau de Cologne Arlington und das dazu passende Rasierwasser. Ob es sonst noch etwas sein dürfe? Nein, natürlich nicht, das reiche vollkommen, von Cremes und sonstigen Produkten halte er nicht so viel, das überlasse er seiner Frau. Schnell betrat er wieder die geschäftige Straße in dem noblen Londoner Viertel. Und dann konnte er nicht mehr anders. All seine gute englische Kinderstube über Bord werfend, öffnete er noch auf der Straße vor all den Leuten den weißen, noblen Karton und entzog ihm ein Fläschchen seines geliebten Duftwassers. Er sah nicht, dass die Dame hinter dem Schaufenster von D. R. Harris lächelte. Ein Sprühstoß und er roch seinen Duft: Arlington. Zunächst Zitrusnoten, vielleicht ein wenig Bergamott, in jedem Fall Farn, eingebettet in den typischen Duft eines Colognes, nicht diese aufdringlichen Eau de Toilettes, die die barbarischen Herren auf dem Kontinent bevorzugten. Ein wenig dachte er mit nostalgischem Bedauern daran, dass in der alten Formel von Arlington deutliche Noten von Eichenmoos vernehmbar waren, die man den europäischen Normen geopfert hatte, weil Eichenmoos bei einigen Menschen allergische Reaktion hervorrief. Aber auch die neue Komposition war beachtlich. Nach einigen Momenten, als er in seinen alten Rover einstieg, roch er noch krautige Komponenten, die er nie so genau hatte einordnen können. Der Duft passte perfekt zu seinem Sakko, zu seiner Burberry-Krawatte und zu seiner englischen Noblesse. Er war zufrieden. Er würde nicht auffallen, aber gerade so viel Duft verströmen, dass seine Frau es wohlig wahrnehmen würde. Mit diesem Gedanken betrat er sein Reihenhaus in Harheim im Norden von Frankfurt. Hatte er sich einem Tagtraum hingegeben? Lag es am Duft, an seinem englischen Sakko? Als seine Frau den Schlüssel im Türschloss hörte, beruhigte sie sich wieder. Er war noch nie so lange nach der Arbeit weggeblieben. Verwirrt betrachtete er das Fläschchen Arlington in seiner Hand...
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