YellaYella

Lange Zeit war ich der Iris abgeneigt, kannte ich sie doch nur als kreischend-süßes Lipstick-Etwas und nachdem ich eher in die holzig-würzig-orientalische Richtung tendiere (Zeder! Weihrauch! Galbanum!), war mir die Iris etwas unheimlich in ihrer penetranten Zudringlichkeit. Bis ich durch Zufall "Iris Malikhân | Maison Crivelli" unter die Nase bekam und hingerissen war. Oho! So kann die Gute also auch riechen! Gerade die viel gebrauchte Karotten-Iris-Kombo als erdig-elegantes Statement gefiel mir außerordentlich gut ( ich habe mir als Stellvertreter für die teure Frau Malikhan dann übigens "Copper | Comme des Garçons" geholt, bei dem ich ganz ganz ähnliche Vibes vernehme, zudem ich Galbanum eh nie widerstehen kann).

Also. Ich auf dem Iris-Aha-Momente-Erkenntnispfad angelangt und neugierig geworden. "D600 | Carner" durfte einziehen und macht mich seither in seiner trocken-herben Schönheit glücklich und schließlich zog aus purer Neugier eine Abfüllung der Infusion ein. Die ich vorher so gar nicht auf dem Schirm hatte und unter altbackener Grannyduft abgespeichert hatte.

Diese Abfüllung war ratzfatz leer und ich weiß gar nicht, was mich hier genau so in seinen Bann gezogen hat, denn altmodisch scheint mir der Duft allemal und bisher war ich nicht der ganz große Fan von oldschooligen Guerlains, Schüüüpre und Co. Aaaaber ich liebe "L'Heure Bleue (Eau de Parfum) | Guerlain" und Infusion d´Iris hat für mich ganz, ganz ähnliche Eindrücke und evoziert dieselben Bilder bei mir: Weiß strahlend herb deutlich präzise selbstbewusst. Eine Frau, solipsistisch in ihrem eigenen Universum dahinschwirrend und mit klarer Kante. Trotzdem mitmenschlich nicht falsch abgebogen, sondern empathisch und mitfühlend. Und Lebensfreude deluxe. Ich finde die Infusion übrigens nicht einmal blümerant im Hauptthema totz des Namens, sondern seh sie als eher grün und frisch. Und pradaklassich natürlich seifig, ich hätte auf etwas Moschus schwören können.

Jedenfalls. Erleuchtung: Ich MAG die Iris, und WIE! Solange sie mich nicht anbrüllt mit all ihrer Süße, sondern so subtil daherkommt wie dieser Duft hier, bin und bleibe ich Fangirl. Danke, Frau Andrier.

Guerlain. Was eilt dieser Marke und ihren Klassikern nicht für ein Ruf voraus.
Die geneigte Parfumliebhaberin meint, schon automatisch in Ehrfurcht erstarren zu müssen. So ging es auch mir und nachdem ich schon für die relativ junge Angelique noire aus der Exklusiv-Reihe ob mangelnden Verständnisses Kritik einstecken musste, habe ich erst einmal einen Bogen um Guerlain und deren Klassiker gemacht.

Mich nervt diese Vorab-Erwartungshaltung schlicht. Und ich claqueure prinzipiell nicht automatisch, nur weil der Duft von einer bestimmt Marke stammt und von selbsternannten Parfumpäpst*innen gehyped wird. Siehe diverse Nischenhäuser..der gemeine Österreicher wirft an dieser Stelle ein gepflegtes OIDA (=Alter) in die Runde und verdreht die Augen. Ich hab aber das Gefühl, die spannendsten Parfumas hier haben dieses Spielchen ohnehin nie mitgespielt. No offense. Ich les das meiste hier trotzdem recht gern, auch das, wo ich subjektiv null mitkann oder eine völlig andere Meinung habe.

Egal. Jedenfalls. L´heure bleue. Zuerst mittels Abfüllung als Eau de Toilette eingezogen. Ich fand ihn als Erstreflex furchtbar, schrecklich, gruselig, oldschool. Seifig, kratzig, untragbar für mich im Prinzip. Genauso Urstrumpftant, wie ich die Guerlains der alten Schule befürchtet hatte. Dabei wollte ich ihn lieben. Wirklich. Das Interessante war: Mein Mann, eigentlich jemand, der mit Düften nichts anfangen kann (obwohl er letztens mir zuliebe "Replica - Jazz Club | Maison Margiela" trug, sehr sweet), schnupperte an mir und sagte: Wow, DAS ist endlich ein feines Parfum! Meine Tochter, 9, genauso antiduft wie ihr Vater, riecht an mir und sagt: Mama!! Was IST das? Du riechst wie ein Blume, die in Seife gebadet hat. Was mich dem Duft an meiner Haut eine zweite Chance geben liess. Ein paar Tage später, ohne Druck, weil ich ihn ohnehin schon abgeschrieben hatte und froh war, nur eine Abfüllung gekauft zu haben.

Spoiler: Er (oder sie, für mich ist sie eine Grand dame) ist die Frau für alle Lebenslagen geworden. Ich trage sie, wenn ich ins Bett gehen, wenn ich ladylike wirken will, heute auch in Snowboardjacke und Winterboots im Wald..ich könnte nicht sagen, was passiert ist und warum sie ihre zweite Chance so gekonnt genutzt hat. Es ist diese Duftmagie, die ab und an passiert, unerklärliche Poesie. Der Duft selbst ist pudrige Iris mit würzigem Odeur. That´s it. Und sie macht es gekonnt, diskret und mit souveränem Charme. Gekommen, um zu bleiben. (Gekauft habe ich übrigens das Eau de Parfum, das etwas pudriger und trockener auf mich wirkt als das Eau de Toilette.) Und seither, ja, seither sammle ich Guerlains, vorerst noch in kleinem Stil. Auch wenn ich manche für mich untragbar finde. Haben möchte ich sie alle. Weil sie im Kern potentiell alle diese Magie in sich tragen könnten und ich auf unseren Moment warte. Meine Parfumpassion in a nutshell übrigens. Danke, L´heure bleue.

Lilipur hat sich mit einiger Beharrlichkeit als neuer Quasi-Signature herauskristallisiert. Bestellt habe ich ihn blind und in banger Erwartung, weil ich gelesen habe, er hätte diese Tauer-Vibes, channelt bissi den "№ 02 - L'Air du Désert Marocain (Eau de Toilette Intense) | Tauer Perfumes" . Und den mag ich. Richtig gern sogar. Die Marke Tiziana Terenzi hatte ich bis dahin überhaupt nicht am Schirm, außer "Gott, sind das hässliche Flakons" fiel mir dazu nicht viel sein. (Spoiler: Ich mag den Goldklops mittlerweile).

Jedenfalls. Kam Lilipur dann an und ich war naturgemäß enorm neugierig. Habe einen ruhigen Moment abgewartet, getestet und plötzlich stand da ein großes, hundertprozentiges "Ja" im Raum. Hier gibt es nichts, was mich stört oder was mir fehlt, es ist, als würde eine Woge aus exquisit gewürzter Luft auftauchen, die dich aber nicht erdrückt oder belästigt, sondern beflügelt und umschmeichelt. Holzigkeit nehme ich übrigens nicht wirklich wahr, eher eine orientalische Süße, die allerdings eher reduziert wirkt und nicht überbordend. Dabei hat Lilipur eine Komplexität und einen Duftverlauf, der sich stark wandelt. Jemand meinte letztens zu mir, "der Duft arbeitet an dir".

Lilipur sollte laut Duftpyramide im Verdacht einer echten olfaktorischen Wuchtbrumme stehen, das ist er aber nicht. Trotz seiner Dichte und all den Ingredienzien erschlägt er dich weder mit all den Sinneseindrücken, die er auslöst noch mit seiner Präsenz. Auch wenn er sich ewig hält und durchaus eine Sillage hat, die sehr gut wahrnehmbar ist, selbst durch Masken, hat er eine Helligkeit und Schönheit, die poetisch leicht und nicht plump und (zu) viel ist. Er ist für mich einer der Düfte, zu denen ich blind greife, wenn ich einen Duft brauche, an den ich mich anlehnen kann. Ich trage ihn tagsüber und als Bettduft, für mich ist er ein absoluter Allrounder, wobei ich sicher bin, dass viele ihn als zu speziell empfinden. Der Blindkauf hat sich in diesem Fall mehr als gelohnt und wer "Chergui (Eau de Parfum) | Serge Lutens" und oben genannten Tauer mag, wird imho von Lilipur recht wahrscheinlich entzückt sein. Für mich ist Lilipur ein interessantes Paradox aus minimalistischer Komplexität. Was auch immer das sein soll, DAS stelle ich mir darunter vor.

untitled war ein aus bissi kognitiver und sonstiger pandemiebedingter Fadesse geborener Blindkauf, wie übrigens rund 75 Prozent aller zuletzt getätigten Duftkäufe hier. Mit völliger Respektlosigkeit sage ich hier und jetzt: Spannend in meinem Leben war zuletzt nur, ob der Coronatest anschlägt oder nicht. Zum Glück mag ich meinen Alltag, aber all die kleinen Fluchten, die all das business as usual für mich mit Poesie und Zauber versehen haben, die vermisse ich. Peu a peu kommen sie aber wieder zurück und ich mag das, dem fadenscheinig gewordenen Teppich aus Begegnungen und Erlebnissen beim Weben neuer Erinnerungen zuzuschauen.

untitled jedenfalls. Warum fiel mir dieses Parfum auf? Erstens, der Nichtname. Ich mag das Vage, Undefinierte, Schwebende. Zweitens, ich mag die Replicas, großteils, und vieles von Daniela Andrier. Und drittens, Galbanum. Kannte ich nicht, klang aber interessant.

Ausgepackt habe ich ihn mit der fixen Idee, dieser Duft wäre für mich gemacht. Keine Ahnung, warum. Manchmal geht mir das auch mit Menschen so. Und selten, sehr selten, liege ich daneben. Jedenfalls, eine Knisterfolie und Kartonage später, wusste ich, meine Vermutung hat mich nicht getrogen. Ich rieche im opening eine wunderbare, frische, klare, herbe Note, die mich auch bei "Cuirs Nomades - Moroccan Leather | Memo Paris" so in ihren Bann zieht. Detective E. kombiniert messerscharf: Ah, DAS ist also Galbanum!

untitled geizt weiterhin auch in der Herznote nicht mit seinen durch und durch grünen Reizen, wirft alles an optimistischen Frühjahrsvibes in die Waagschale, was der Flakon hergibt und verliert dabei nie seinen dezenten, kristallklaren Charme. Ich bin mittlerweile völlig verzückt und finde ihn sehr unique, sehr strahlend und einen Hauch blütig, wobei das Kräuterige, das ich so mag, dominiert. Vor meinem geistigen Auge tauchen Sommerwiesen und ein mit Wildblumen umrandeter See auf. Und eindeutig Team Teadress hier, meine Herrenhemden bleiben im Schrank, dabei würde die sich auch gut matchen. Stichwort: Klare Linie.

Der Drydown verabschiedet die Galbanumpräsenz etwas, trotzdem bleibt untitled aber ein grüner, heller und frischer Duft. Die Sillage ist für diese Art von Duft übrigens sehr in Ordnung. Und ich habe meinen neuen besten Freund im Flakon gefunden: Mr. G. (Auf dem Weg zu mir befindet sich übrigens "Vol de Nuit (Eau de Toilette) | Guerlain", Galbanumgöttin der ersten Stunde, liess ich mir sagen. Ich bin gespannt.)

Ich mag den Begriff "Unsung hero". Er passt auf vielerlei. Sei es der unaufgeregte, coole Kollege, dessen Wort&Meinung einfach dieses Eitzerl (bisschen) mehr zählt. Oder dieses Kleidungsstück, das ganz selbstverständlich mehr Attitude schenkt als alle anderen. Oder eben ein Duft, zu dem du immer wieder greifst, ohne nachzudenken, und der dir in der Sekunde dieses undefinierbare Gefühl von "In der Welt stehen und du selbst sein" schenkt. Das können Düfte für mich und deswegen bin ich auch eine ewig Suchende (und freudig Findende.)

Einer dieser Freunde im Flakon ist seit Jahren Shea/Karité. Ein unscheinbarer Body Shop Ableger der scheinbar extrem populären Shebautter-Serie (ich kenn die Körperpflege dazu nicht). Eine bräunliche Flüssigkeit im durchscheinenden Fläschchen, unauffällig und vor einiger Zeit mit neuem Design ausgestattet, zum Glück nicht deutlich reformuliert für meine Nase. Und einer der ganz wenigen Düfte, die ich kontinuierlich nachkaufe.

Der Duft selbst beginnt wie ein klassischer Barbershop, soweit ich hier mitreden kann. Er hat deutlich männliche Anklänge und anfangs etwas seltsam Aquatisch-Würziges für mich, wenn man unbedingt im männlich/weiblich Gendergame mitmachen will. Vermarktet wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit als unisex. (Ich kaufe ihn so gedankenlos nach, ich achte darauf nicht. Rein in die Filiale, Naschschub geholt, wieder raus).

Und diese eine Note ändert sich auch nicht viel, kein Wunder bei der Zusammensetzung. Das hier ist ein wohliges, wärmendes, konstant bleibendes, dann noch ins Holzige driftende Parfum. Die Sillage und die Haltbarkeit sind übrigens gut.

Für mich ist es ein verlässlicher Begleiter seit Jahren und genauso sehr wie ich mich auf meine Herrenhemdsammlung verlasse, verlasse ich mich auf den Shea. Er passt einfach wie angegossen.