Yharnam79
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vor 4 Jahren - 02.12.2019
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Das Spiel mit der Angst - Teil 2

Ich beginne den zweiten Tei dieses Blogentrages damit, mich dafür zu bedanken, dass erstaunlich viel Resonanz zu diesem - nicht ganz typischen Parfumblog-Thema erfolgte. Das alles, während ich mich noch gefragt habe, ob es richtig war, diesen Blog an dieser Stelle überhaupt zu verfassen: "gehört sowas hierher?".

Den zweiten Teil schreibe ich aus mehreren Gründen. Der Hauptgrund ist, dass sowohl die Kommentare als auch die privaten Nachrichten auf teil 1 hin in mir das Gefühl hervorgerufen haben, dass es Menschen gibt, denen es ganz ähnlich geht, die sich jedoch scheuen, das Thema offen zu machen bzw. sich damit jemanem anzuvertrauen. Aber das Lesen darüber scheint ihnen in irgendeiner Form etwas gegeben zu haben.

Und - und darum geht es auf parfumo ja vorrangig - ich erlebte auch interessanten Austausch und las interessante Kommentare zu dem Thema "postive und negative Auswirkung von Düften auf die Psyche".

Der zweite Teil wird wesentlich weniger Bezüge zu Parfums aufweisen, was man mir an dieser Stelle verzeihen möge.

Ein weiterer Grund - und mit dem möchte ich starten - ist, dass heute ein Tag war bzw. ist, an dem die Störung sich laut und deutlich bemerkbar macht. Warum sie das tut kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Das kann ich allerdings in den seltensten Fällen. Aber da sich meine Störung extrem von Krankheit und Tod antriggern lässt und die letzten Monate begleitet waren von schwerer Krankheit in der Familie, Todesfall in der Familie und überraschendem Tod meines Katers, ist die Herleitung in diesem Fall doch recht eindeutig.

Vor ein paar Stunden sah die Welt noch völlig in Ordnung aus: Aufgestanden, Morgenprogramm, Lieblingsduft und los zur Arbeit...

Ich bin nun wieder zu Hause. Den Duft musste ich inzwischen abwaschen, da Squid mich mit seinen gefühlten hundert Krakenarmen fast erwürgt hätte. Um die abgefahrenen Wege, die die Psyche manchmal geht noch einmal zu verdeutlichen: Squid ist eigentlich mein Lieblings- und Signaturduft!

Auch der Trick, die Panik mit einem "Ohrfeigenduft" kurzzeitig auszustellen ist bislang heute nicht geglückt. Ich kann dafür aber sagen, dass der Blick zum Regal schon als Übelkeitsmacher ausgereicht hat. Aber selbst das kann sich ratzfatz ändern und irgendwas anderes schiebt sich als "gerade unerträglich" nach vorne.

Ich hatte bereits im ersten Teil des Blogs erwähnt, dass die Sache mit der Beruhigung oder der kurzen Verschnaufpause mit Hilfe von Düften auch nicht immer funktioniert (wie geil wäre es, wenn sie das täte?!) und das Ganze letztlich auch ein Glücksspiel darstellt. Glücksspiel auch deswegen, weil ich mich nicht darauf verlassen kann, dass meine Wahrnehmung funktioniert wie immer.

Während Kamille und Kamillentee im Normalzustand toll sind und toll riechen, riechen sie im Ausnahmezustand nach Krankheit und Depression. Nahezu jegliche Art von Blumen schnüren mir fast die Kehle zu oder mir wird übel, wobei Jasmin da ganz vorne mit dabei ist. Auch Lavendel, dessen beruhigende und angstlösende Wirkung tausendfach belegt und nachgewiesen ist, ist während einer Panikattacke oder Angstattacke einer meiner größten Feinde. Ich gehe sogar so weit zu behaupten, dass ich mich dann noch unwohler und eingeengter fühle. Was andere - und ich selbst im Normalfall auch - als beruhigend empfinden, empfinde ich dann als deprimierend, hoffnungslos und (er-)drückend. Zitrone und Zitrusfrüchte assoziiere ich, nein, assoziiert meine Störung dann sofort mit Unwohl- und Kranksein.

Das ätzendste allerdings ist, dass das Tragen eines Duftes bevor ich weiß, dass die Störung an dem Tag noch frei dreht dazu führen kann, dass ich den betreffenden Duft danach dann nicht mehr tragen kann. Er erinnert mich ab dem Zeitpunkt sofort daran, dass es mir mal beschissen ging, als ich ihn getragen habe. Und dann geht es mir auch gleich ein bißchen beschissen.

Im Gegenzug dazu hatte ich schon öfter das Gefühl, gäbe es das stärkste Minzkaugummi der Welt in *extreme und inklusive der Kälte beim Kauen zum Sprühen, wäre das genau das Richtige. Oder auch der Geruch von richtig, riiiiichtiiiig kalter Cola mit sauviel Kohlensäure. Kaugummi habe ich seit Beginn der Störung immer und überall dabei...

Da kann man nun ganz gut noch eine kleine Überleitung einbauen, denn alles gerade Beschriebene gilt natürlich auch für Essen jeglicher Art. Die Gerüche und/oder der Gedanke daran. Daher ist es auch immer besonders spaßig, an einem solchen Tag zu überlegen, was man mal zu Mittag oder am Abend essen könnte. Ich wähle hier bewusst das Wort "könnte".

Um zum Ende zu kommen:

Es ist für mich als Betroffenen faszinierend, dass Düfte in akuten Situationen sowohl Freund als auch Feind und sowohl Aus-Knopf als auch Trigger sein können. Noch mehr, dass Düfte innerhalb weniger Stunden eine komplett konträre Wirkung und Ausstrahlung (für mich) haben.

Ermutigt durch den ersten Beitrag zu diesem Thema bin ich nun noch ein wenig mehr in die Tiefe gegangen.

Danke fürs Lesen.

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