peterbourbon

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6 - 10 von 13
peterbourbon vor 2 Monaten 4
8
Flakon
10
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Die Qualle trägt ein teures Hemd
Wenn man vor vielen Jahren "aquatisch" sagte, meinte man eigentlich immer "Calone".

Nischenparfümerie hat in den letzten Jahren stark dazu beigetragen, dass immer mehr Kreationen Aquatik wörtlich nehmen und damit das Meer meinen - mit all seinen unschönen Aspekten.

Solange dieser Begriff im Volksmund noch von ordinärer "Frische" besetzt ist, benutze ich lieber für mich den Begriff "nautisch" - die wirklichen Meeresparfümkreationen.

Kennt ihr diesen Geruch, der in der ganzen Luft liegt, wenn ihr an einem zerrütteten Strand entlanggeht, an all diesen von der sengenden Sonne vor mehreren Wochen vertrockneten Krustentieren (hier mal ne Schere, da mal ein Corpus) vorbei, manchmal - aus Versehen - auf eine zermatschte tote Qualle tretet und euch ekelt?
Das ist Natur. Und nicht eklig. Eklig wäre Atommüll.

Und so startet dieses nautische Meisterwerk - unverblümt und frech animalisch-fischig - als wäre es das normalste der Welt.

An diesem Strand sind nur wenige Touristen. Die meisten Einheimischen gehen hier mit ihrem Hund spazieren. Vom rauhen Wind gegerbte Gesichter der Fischer, die hinten ihren letzten Fang einholen und danach nur noch nach Hause möchten. Es wird dunkel. Beinahe am Horizont geht jemand mit seinem Hauswaran an der Leine spazieren. Vielleicht habe ich mich nur verguckt.

Und dann falle ich in Ohnmacht.

Das einzige, an das ich mich nach dem Aufwachen erinnere, ist die goldene Stadt hinter dem Strand - beinahe griechisch. Aber vielleicht ist es das noch existierende Atlantis. Vielleicht bin ich in die Vergangenheit gereist. Prunkvolle Händler, viel Gold und Reichtum.

Ich kaufe mir ein Flanellhemd, streife es über, knöpfe es oben auf und wandere durch die Stadt, die mir sowohl fremd als auch vertraut vorkommt. Ein seltsames Deja Vu, vielleicht auch nur ein Traum.

Es ist die vielleicht die schönste Sillage der Welt - eine Mischung aus Stein, Anis und Salz mit einer so authentischen ungekünstelten Frische, dass alles beinahe surreal anmutet.

Von der rohen Arbeiterklasse zum unendlichen Prunk: Wer diesen Spagat aus dem Hüftgelenk meistert, kann nicht nur kein böser Mensch sein, sondern hat die wahre Schönheit der Nischenparfümerie verstanden.

Ich würde gerne ein 2l Fass kaufen.
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peterbourbon vor 2 Monaten 11 5
8
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
Roswell und sein Schwanzlurch
Bevor ich mich an die Duftrezension wage, möchte ich - auch wenn es als Ablenkungsmanöver gedeutet werden könnte - einige Worte über den Stand der Brand im Jahre 2025 verlieren, da ich es gerade in diesem speziellen Falle als wichtig erachte.

Als am 1. April 2025 dieser sogenannte "Shadow-Drop" von Zoologist auf Instagram die Runde machte, war sich der Großteil der Fans einig, dass es sich um einen Aprilscherz handeln musste. Schnell wurde klar, dass Victor eher die Gunst der Stunde nutzte, um eine limitierte Anzahl von 60ml-Flakons dieses durchaus ungewöhnlichen Tieres ausgerechnet an diesem Tage anzubieten.

Selbstredend erkannten die findigen Sammler schnell den Artikel auf der Website und kaufen den Bestand leer. Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis der Duft ausverkauft war - es kann sich aber nur um Minuten handeln. Trotzdem waren sich viele einig, dass der Refund bald kommen müsste. Sozusagen ein besonders übler Aprilscherz, den man Victor durchaus zutrauen könnte.

Nach kurzer Zeit wurde aber klar: Es gibt den Duft - und die ersten Käufer hielten den Flakon in ihren Händen.

Die Limitierung auf 140 Exemplare erscheint als ein wenig sympathischer Promo-Move einer mittlerweile international erfolgreichen Parfüm-Brand - für den "Extra-Hype".
Wer sich jedoch etwas tiefer mit dem Hobby beschäftigt, weiß auch, dass Probleme mit der Verfügbarkeit und diverse andere "unschöne Situationen" mit Parfümeuren oft darauf zurückzuführen sind, dass Victor Wong als knauserig gilt, mittlerweile sehr mit Gewinnmaximierung liebäugelt und am liebsten alles alleine macht - weil: günstiger und somit bessere Marge.

Auch die aktuelle überzogene Preiserhöhung aufgrund der jüngsten politischen Ereignisse (Taxes) mag erst einmal plausibel klingen - Marken wie Imaginary Authors geben aber z.B. diese Erhöhung erstmal bewusst nicht an ihre Kunden weiter.

Da gibt es aber noch viel mehr. Ich werde es nicht weiter erläutern - wer will, der findet.

Es kommt nicht von ungefähr, dass viele alte Fans der Marke mittlerweile den Rücken zukehren oder mindestens mit einer gehörigen Portion Skepsis neuen Releases gegenüberstehen.

Aber ich rede mich hier um Kopf und Kragen. Was ich sagen will: 140 Flaschen sind nicht geplant gewesen. Ihm standen einfach nur 140 Flaschen für die Abfüllung zur Verfügung. Den Rest soll es 2026 geben. Man kann jetzt sagen: schlecht geplant. Oder man liest den Absatz vorher. Soll sich jeder seine eigene Meinung bilden.

Ich habe einen 10ml Travel-size ergattern können - und hier soll es nun um den Duft gehen:

Der Grottenolm ist ein Schwanzlurch - sozusagen nackt, blind und dementsprechend liebt er feuchte Höhlen.

Der direkte Auftakt auf der Haut gibt mir eine starke Anis-note, die aber relativ schnell verfliegt und plötzlich eine Hardcore-Petrichor-Bombe ins Gesicht knallt. Wer Steine und Regen liebt, wird sich auch hier verlieben. Im weiteren Verlauf ist das Iod deutlich zu riechen - ein ziemlich chlorig-synthetischer Abgang, der tatsächlich ein kleines bisschen an Inexcusable Evil erinnert - abzüglich Lazarett und völlig angenehm tragbar, weil deutliche Stein-Basis.

Jetzt ist es so, dass Zoologist hier die öffentliche Wahrnehmung der breiten Bevölkerung zum Anlass nimmt, um sie in ihrem Gefühl zu bestätigen: Ich wette, dass sich niemand vor diesem Duft ernsthaft Gedanken darüber gemacht hat, was ein Grottenolm ist - bzw. wie er aussieht.
Hier wird sozusagen das Befremdliche (und nicht das eigentliche Tier) thematisiert. Es könnte auch der Duft zu einem außerirdischen Wesen sein - und somit empfinde ich eine kleine Lächerlichkeit nach dem Auftragen.

"Olm" soll wie ein Wesen aus einer anderen Welt wirken.
Ob der Grottenolm als Lurch das auch so sieht, wage ich zu bezweifeln.
Was kann er auch dafür, wie er aussieht?

Ich mag den Duft, das muss ich zugeben.
Wer jedoch bereits Snowy Owl und Bat (2020) besitzt, sollte sich vorher eine Probe besorgen, da eine gewisse Ähnlichkeit zu erkennen ist (vor allem zum Snowy Owl).

Sehr solider Duft, okayes Konzept, aber unbefriedigende Organisation und Verfügbarkeit.


5 Antworten
peterbourbon vor 2 Monaten 10 2
10
Flakon
5
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Bitte vergiss mich nicht
Ich denke gerade nach und frage mich, ob ich jemals einen liebenswürdigeren und ehrlicheren Duft gerochen habe.

Eine sehr warme Vanille-Note, die eine alte - in der EU verbotene - 60w Glühbirne umschmeichelt - inklusive einer kleinen getrockneten Motte, die sich vor Jahren einst auf der Oberfläche verirrt hat und verglühte - man erahnt nur noch einen verkrusteten und verkohlten Fleck.

Der Name ist hier tatsächlich Programm.

In Wirklichkeit erinnert mich dieser Duft an einen meiner liebsten Cartoon-Filme: "The Brave Little Toaster". Eine Gruppe alter und ausrangierter Elektrogeräte macht sich auf die Suche nach ihrem alten umgezogenen Besitzer - hält zusammen bei allerlei Naturgefahren - nur um später einer Horde "moderner Geräte" ausgeliefert zu sein, deren technischer Nutzen auf dem Blatt Papier überwiegt. Es ist die Seele alter Geräte, die mental noch nicht damit abgeschlossen haben, keinen Nutzen mehr in dieser Welt zu haben.

So verrückt es klingt: Man verspürt eine Traurigkeit und Nachdenklichkeit - und die Folgen einer Wegwerfgesellschaft - das Gieren nach immer neuer Technologie, obwohl es die alte Lampe auch noch getan hätte. Fast erahnt man eine Seele und entwickelt Sympathie für Vintage-Elektrogeräte.

In meinen Augen ein olfaktorisches Meisterwerk, das immer sehr hautnah bleibt und eher flüstert als schreit - von einer seltsamen Traurigkeit umgeben ist, die ergreifen kann.

Fast hat man den Duft schon vergessen, meldet sich die alte 60w-Glühbirne, die irgendwo im Keller in einer Ecke verrottet: "Bitte vergiss mich nicht".

Es sind nur 30ml, aber dich vergessen - nein - das werde ich nicht.
2 Antworten
peterbourbon vor 3 Monaten 3 1
8
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Komplex und vielschichtig
Entgegen aller Unkenrufe, finde ich Oud 31 sehr gelungen und auch faszinierend im Facettenreichtum. Direkt mit der Nase über der Haut bekomme ich durchaus herausfordernde laktonische Vibes - ich will jetzt nicht sagen "Erbrochenes" - sondern sehr menschelnde Hautgerüche, die für mich oft schwierig sind (oder eher Assoziation: warme Ziegenmilch, direkt aus dem Euter). Die Sillage ist jedoch floral/rosig mit einem Hauch Amber - als hätte man bewusst gelayered. Kardamom rieche nur als Andeutung irgendwo im Hintergrund bzw. wird vermutlich von dem Moschus überlagert. Diese völlig - vom Duftwinkel abhängigen - gegensätzlichen Eindrücke, machen Oud 31 zu einer sehr eigenständigen und auch speziellen Oud-Kreation - jedoch für Fortgeschrittene. Qualitativ hochwertig, durchaus extravagant & einzigartiger Wiedererkennungswert. Absolut gelungen und (das habe ich bereits mitbekommen) auf jeder Haut völlig anders. Das sollte man anerkennen und - wenn möglich - direkt auf der Haut ausprobieren (vergeudet eure Zeit nicht mit einem Streifen - das täuscht!).
1 Antwort
peterbourbon vor 4 Monaten 3
8
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
7
Duft
nass-milchiges Heu
Auf meiner Haut weckt er nach kurzer Zeit Erinnerungen an Secrétions Magnifique von EldO, aber in viel sanfter und tragbarer.

Man könnte es als nasses / leicht verschimmeltes Heu beschreiben, über das eine Kanne Milch gekippt wurde (minus getragene Unterwäsche).

Für mich trifft er nicht ganz das darzustellende Tier.
Gerade, wenn ich neben einer Kuh stehe, bekomme ich diesen leicht stallig-animalischen Bauernhof- bzw. Landleben-Geruch, den ich als sehr angenehm empfinde.
Dieser fehlt hier leider gänzlich.
Wenn ich sagen müsste, an welches Tier mich der Duft am ehesten erinnert, wäre es eine Florfliege oder Kreuzspinne. Keine Ahnung, warum.

Sicherlich gut tragbar und verhältnismäßig grün, jedoch sind die anderen Tiere oftmals viel besser getroffen.
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6 - 10 von 13