Was ist ein Eau Fraiche?
Irgendwo in den Weiten dieses Forums gibt es dazu gewiss bereits einen oder mehrere kluge (frische oder schon etwas angestaubte) Bloggereien. Da ich hier zwar irgendwann auf den slippery slope Richtung Cologne-Experte geraten bin, aber nicht den Ehrgeiz habe, auch noch das Zusatzmodul der Ausbildung zum Frischwärts-Spezialisten zu absolvieren, wird es hier keine in alle Einzelheiten verästelte profunde Ausarbeitung geben. Schon gar nicht aus Anlass eines Kommentars zu dieser bescheidenen Frischwasseranlage, für die nicht einmal ein konkreter Parfumeur offiziell verantwortlich zeichnet.
Ein paar Skizzenstriche aber doch:
Das erste Eau Fraiche der Duftgeschichte dürfte das Werk des großen Edmond Roudnitska für Dior von 1955 gewesen sein, gezielte Minimalistik aus Zitrone, Mandarine, Rosenholz, Eichenmoos und Vanille unter dem Namen 'Eau Fraiche', zunächst aber noch 'Eau de Cologne Fraiche de Christian Dior'. Es war kein Flanker zu einem anderen Parfum, sondern ein gezielt als solcher entwickelter frischer Duft in einer Linie mit den ähnlich konzipierten Düften der vorigen Jahre 'Eau de Roche' von Rochas und 'Eau d'Hermès'. Frische, schlichte, klare Düfte, die Wald, Felsquellwasser und Frische vorstellen wollten, sich aber nicht genau entscheiden konnten, ob sie Cologne sein wollen oder etwas eigenes. So wie man es exemplarisch an der Namensschwankung beim Dior von 1955 sieht.
Seither gibt es Eau Fraiches ohne Ende, mal heißt der Duft als solcher so (Eau Fraiche von Elizabeth Arden, 1986), mal hat der Duft einen anderen Namen und Eau Fraiche steht statt Eau de Cologne oder Eau de Toilette als Duftgattungsangabe drunter (Summer Linen - Eau Fraiche - von Clean, 2010), mal ist es eine Duftkonzentrationsangabe (O de Lancome - Eau Fraiche - neben dem ebenfalls existierenden Eau de Toilette gleichen Namens) und mal ein Hinweis auf einen frischen Flanker wie beim Chance Eau Fraiche Eau de Toilette, das etwas anderes ist als das Chance Eau de Toilette (beide von Chanel). Andere Sprachen gehen auch, das Agua Fresca von Adolfo Dominguez ist sogar recht bekannt. Um es noch komplizierter zu machen gibt es z.B. auch Chèvrefeuille Eau de Toilette Fraiche von Yves Rocher (der beste Geißblattduft, der jemals auf der Welt existierte) und, besonders lustig, Terre d'Hermès Eau Très Fraiche. Wahrscheinlich kommen ELDO oder JHAG bald mit "Fucking Fresh Eau" raus.
Ich würde sagen, die Lage ist so verworren, das es noch weniger Sinn als beim Cologne ergibt, in diesem Sauhaufen aufräumen zu wollen. Als Daumenregel kann vielleicht gelten, dass ein Eau Fraiche sowas ähnliches wie ein Eau de Cologne ist, aber ein bisschen freier interpretiert, und dass es oft eher waldig und quellwasserartig als zitrisch daherkommt.
Nun also hat auch Alvarez Gomez, spanische Heimat des in der absoluten Weltspitze spielenden gelben klassischen Colognes (1912) und des ziemlich singulären braunen Rha-Barber-Shop-Colognes (2012) sowie eines komplett verunglückten Orangen-Colognes (2020) auch ein Agua de Colonia Concentrada Eau Fraiche (komischerweise nicht Agua Fresca) vorgelegt.
Und es ist ziemlich gut gelungen.
Hätte man es sich verkniffen, sich wieder einen (allerdings nicht allzu schlimmen) Mo-Schuss ins eigene Knie zu applizieren, hätten das satte 8,5 werden können, so werden es nur wohlwollende 8. Natürlich ist das ein ganz einfaches, schlichtes, praktisches Alltagswässerchen von dürftiger Projektion und vor allem Haltbarkeit, aber dafür ist es ja auch ein Cologne und kostet im Internetshop des Herstellers nur 15,90 Euro im 150-ml-Sprüher.
Im Grunde ist das Ganze als eine schön ausgeglichene Partie zwischen einer orangenen Mannschaft (Kapitän Mandarine, Orange spielt auch mit) und einer grünen Equipe (Kräuter und Waldiges) konzipiert, und als Schiedsrichter (oder Publikum) treibt sich, und damit gewinnt dieses Eau Fraiche einen ganz eigenen Charme auch noch was angenehm leicht süßlich-frisches mit, wie After-Eight-Eis, Eukalyptusbonbons oder Vanille-Fichtennadelöl (womit sich der Kreis schlösse, denn Vanille war auch schon in Roudnitskas Eau Fraiche von 1955).
Und als peinlicher Flitzer läuft dann eben auch noch ein teigiger Moschus übern Platz. Schade. Aber nur ganz kurz. Vielleicht kann man die Szene rausschneiden.
Zu ergänzen ist, dass ich keine Farbvariante des herrlich altmodischen Etiketts schöner finde als diese, und sie passt in ihrem grün-orange toll zum Dufteindruck. Klare 10. Ferner, dass Frau von Spee diesen Duft sehr mag. Schließlich, dass ich Rotti herzlich für die Probe danke, denn bis vor kurzem war das Zeug in Deutschland kaum zu bekommen, ich war aber neugierig drauf.