10.02.2023 - 12:28 Uhr

Axiomatic
81 Rezensionen

Axiomatic
Top Rezension
28
Äquatortaufe
Was so eine bernsteinfarbene Buddel alles so anrichten kann, sollte man unversehens dem Flaschengeist freien Lauf lassen, ja, ja…
Hinter der goldenen Verzierung - Arts and Crafts inspiriert - samt passendem floral geschmückten Knauf-Deckel verbirgt sich mehr als nur ein Duft.
So ein hipster Bursche Namens Ricki Hall arbeitete 2016 zusammen mit Captain Fawcett’s, um der Duftwelt inmitten der Ambroxan-Hysterie eine knallharte Würzgranate entgegen zu schleudern.
Eröffnen tut das Wunderwasser mit einem kräftigen Lorbeerblatt nach alter Tradition. Sehr herb und natürlich, nichts für schwache Nerven. Leichte Hesperiden begleiten das alkoholisierte Kraut - die Orange kann man etwas besser ausmachen - aber wirklich nur als stille Statisten.
Ja, wer alte Gent’s Scents der echten alten Schule kennt, wird hier zustimmend nicken können.
Junge, das Destillat meint es ernst!
Leicht verflogen macht der Start Platz für den prägenden Mittelteil des Duftes. Und hier wird es deftig!
Koriandersamen brüllen mit Gewürznelke etliche Meeresungeheuer wach. Jawohl, es ist eine wahre Tsunami-Welle an hellen Gewürzen.
Interessant ist das Galbanum hier, ziemlich grün und mit Anklängen der 1970ern. Welch ein Genuss!
Irgendwann erscheint auch ein Thymian im Hintergrund und spielt die Bassgitarre.
Dieser Akkord ist umwerfend, den merkt man sich wohl oder übel.
Im letzten Drittel macht sich ein süßlich harziger Tabak bemerkbar, aber nie überladend. Man muss sich schon etwas anstrengen, um den wahrzunehmen.
Und hier wird es interessant, der Duft endet für meine geübte Nase an typischem Moschus angelsächsischer Prägung. Leicht dumpf, leicht behaglich sexy. Aber darüber möchte ich lieber schweigen.
Davon weiß unsere Sprotte von Novizen so gut wie gar nichts. Ganz gemächlich übt er sich in angewandter Rasur-Philosophie der knallharten Macker. Lediglich ein paar bläuliche Fläschchen zieren die Ablage seines Wandspiegels im Bad.
Denn er möchte sich heute endlich mal eine richtige Rasur mit traditioneller Klinge gönnen. Doch Übung macht den Meister; und unser schüchterner Held ist leider noch nicht über das Anmelden zum Lehrling hinaus gekommen.
Tja, und so führt eine ungeschickte Handbewegung zu einer dieser traditionellen Schnittwunden, welche den Lebensgeistern mal einen kurzen Ausflug aus dem Körper gönnen.
Kreidebleich kauert er unterm Waschtisch und nimmt alles nur ganz verschwommen wahr.
Percy Fawcett: Mann über Bord!
Henry Costin: Teufel auch, ich sehe ihn! Backbord achteraus!
PF: Los, los! Rettungsring und Seil her!
HC: Percy, ich habe ihn! Schnell, er blutet!
PF: Grundgütiger, Haifischflosse Steuerbord voraus!
PF: Henry! Rauf mit ihm!
HC: Das war knapp!
PF: Na, die Wunde an der Wange ist ja nicht zu tief. Glück gehabt!
HC. Der hätte ja ein Krabbenbrötchen abgeben können! Teufel auch!
PF: Henry!
Die Jolle wird durch die aufgewühlte See hin- und her gepeitscht. Die beiden Forschungsreisende bringen den recht blassen Rasiernovizen unter Deck.
Regungslos liegt er nur triefend nass auf einer Koje.
Schnell bekommt er nach dem Abtrocknen mit einem Handtuch ein trockenes viktorianisches Nachthemd umgestülpt, seine nassen, ausgewrungenen Klamotten hängen die beiden Abenteurer über einen Stuhl.
PF: Merkwürdig, er dunstet etwas Bläuliches aus. Sieh nur, Henry, sogar sein Atem ist blau gefärbt!
HC: Teufel auch! Es riecht auch merkwürdig. Wie aus den Laboratorien des Royal Institute of Chemistry. Übles Zeug!
PF: Der klappt uns noch weg! Los, heize das Öfchen an!
Der scheint wie besessen!
Corporal Costin bringt die kleine Heizquelle zum Glühen, derweil Lieutenat-Colonel Fawcett die Wunde an der Wange des Ohnmächtigen mit einem kräftigen Schuss Bay Rum desinfiziert.
Und die blasse Landratte dreht sich wie eine Auster an Zitrone!
HC: Percy, nicht so heftig!
PF: Schon gut, auf diesen Breitengraden hilft nur Feuer gegen Feuer. Der Bursche scheint mir wie verhext zu sein.
HC: Teufel auch, das wird eine Äquatortaufe!
Besorgt um den wirres Zeug murmelnden Schiffbrüchigen, bereiten die beiden alles für das Exorzieren übler Geister.
Ein kupfernes Pfännchen wird mit Koriandersamen, ein paar Gewürznelken und zerbröseltes Galbanum aus Persien auf das heiße Öfchen gestellt.
Im Nu füllt sich der Raum mit den ätherischen Ölen der Zutaten.
PF: Henry, lass es bloß nicht anbrennen! Es genügt, rüber mit der Pfanne!
HC: Teufel auch, meine Lungen glühen!
PF: So mein Junge, nun werden wir Dir alles Üble ausräuchern.
Mit wehenden Bewegungen umkreist Captain Fawcett den würgenden Patienten mit dem Pfännchen.
PF: Henry, stell den Eimer bereit, gleich ist es so weit!
Kaum ausgesprochen, beginnt auch schon der Halbtote blaue Kunstflüssigkeiten auszuspucken, ziemlich heftig.
Der Eimer füllt sich schnell und muss rasch draußen über Bord entleert werden.
Nur noch ein leichtes Husten und Farbe kehrt wieder zurück ins Gesicht des Novizen.
HC: Teufel auch! Was war das denn? Riecht übel, erinnert mich an Walhkotze.
PF: Keine Ahnung, das glibberige Zeug hatte ihm die Lungen versperrt. Jetzt kann er wieder alles riechen.
HC: Famos, mein Lieber, famos!
Woher hast Du dieses Wissen?
PF: Mein Bruder Edward ist ein geübter Meister des Okkulten. Er pflegt Freundschaft zu einer gewissen Helena Blavatsky.
Als ich auf Ceylon stationiert war, konnte ich sein Wissen mit dem der Einheimischen und deren Gewürzen besser verstehen.
HC: Teufel auch, Du bist ja mit allen Wassern gewaschen, mein Bester!
PF: Keine voreiligen Schlüsse, lieber Henry.
Ob die Prozedur Erfolg hatte, wird sich noch zeigen.
Komm, wir wecken ihn auf.
HC: Ey, ey Captain!
Unsere sprottige Landrate kommt langsam zu sich und richtet sich im Bad wieder auf.
Eine leichte Rötung hat er noch an der Wange, aber er duftet wie ein heller Gewürzmarkt.
Neben den blauen Flakons, welche er nun argwöhnisch beäugt, liegt nun ein Flaschenschiff - eher eine Jolle - und ein Kärtchen mit einer Adresse und einem Passwort.
Auf der Arbeit necken ihn seine Kollegen liebevoll als indischen Glücksbringer, doch er bleibt standhaft. Und so langsam erinnern sich die Spotter an echte Gewürze, so wie die Natur sie vorgesehen hat. Doch er verrät nicht die Quelle seines bestanden Abenteuers.
Er nimmt sich ein paar Tage frei und fährt zum geheimnisvollen Hafen an der windigen Küste.
Mit pochendem Herzen steht er vor der Adresse auf dem Kärtchen, eine nicht gerade vertrauensvolle Spelunke.
Nach dem Klopfen an der Tür öffnet sich ein Spion und er nennt das Passwort.
Und schwups verschwindet er im Flunderstübchen!
Zackenbarsch Ole jault noch vom Stammtisch rüber:
„Captain, Neuzugang!
Die Sprotte hat die Äquatortaufe überstanden!
Die Runde geht auf mich!“
Und der Neuzugang darf sich ein Lied wünschen. Down by the sea von Men at Work läßt den Duft schön ausklingen…
Nachtrag.
Lieben Dank an Admiral Scentennial.
Er hat die magische Buddel am heimischen Ufer des Erzählers stranden lassen.
Hinter der goldenen Verzierung - Arts and Crafts inspiriert - samt passendem floral geschmückten Knauf-Deckel verbirgt sich mehr als nur ein Duft.
So ein hipster Bursche Namens Ricki Hall arbeitete 2016 zusammen mit Captain Fawcett’s, um der Duftwelt inmitten der Ambroxan-Hysterie eine knallharte Würzgranate entgegen zu schleudern.
Eröffnen tut das Wunderwasser mit einem kräftigen Lorbeerblatt nach alter Tradition. Sehr herb und natürlich, nichts für schwache Nerven. Leichte Hesperiden begleiten das alkoholisierte Kraut - die Orange kann man etwas besser ausmachen - aber wirklich nur als stille Statisten.
Ja, wer alte Gent’s Scents der echten alten Schule kennt, wird hier zustimmend nicken können.
Junge, das Destillat meint es ernst!
Leicht verflogen macht der Start Platz für den prägenden Mittelteil des Duftes. Und hier wird es deftig!
Koriandersamen brüllen mit Gewürznelke etliche Meeresungeheuer wach. Jawohl, es ist eine wahre Tsunami-Welle an hellen Gewürzen.
Interessant ist das Galbanum hier, ziemlich grün und mit Anklängen der 1970ern. Welch ein Genuss!
Irgendwann erscheint auch ein Thymian im Hintergrund und spielt die Bassgitarre.
Dieser Akkord ist umwerfend, den merkt man sich wohl oder übel.
Im letzten Drittel macht sich ein süßlich harziger Tabak bemerkbar, aber nie überladend. Man muss sich schon etwas anstrengen, um den wahrzunehmen.
Und hier wird es interessant, der Duft endet für meine geübte Nase an typischem Moschus angelsächsischer Prägung. Leicht dumpf, leicht behaglich sexy. Aber darüber möchte ich lieber schweigen.
Davon weiß unsere Sprotte von Novizen so gut wie gar nichts. Ganz gemächlich übt er sich in angewandter Rasur-Philosophie der knallharten Macker. Lediglich ein paar bläuliche Fläschchen zieren die Ablage seines Wandspiegels im Bad.
Denn er möchte sich heute endlich mal eine richtige Rasur mit traditioneller Klinge gönnen. Doch Übung macht den Meister; und unser schüchterner Held ist leider noch nicht über das Anmelden zum Lehrling hinaus gekommen.
Tja, und so führt eine ungeschickte Handbewegung zu einer dieser traditionellen Schnittwunden, welche den Lebensgeistern mal einen kurzen Ausflug aus dem Körper gönnen.
Kreidebleich kauert er unterm Waschtisch und nimmt alles nur ganz verschwommen wahr.
Percy Fawcett: Mann über Bord!
Henry Costin: Teufel auch, ich sehe ihn! Backbord achteraus!
PF: Los, los! Rettungsring und Seil her!
HC: Percy, ich habe ihn! Schnell, er blutet!
PF: Grundgütiger, Haifischflosse Steuerbord voraus!
PF: Henry! Rauf mit ihm!
HC: Das war knapp!
PF: Na, die Wunde an der Wange ist ja nicht zu tief. Glück gehabt!
HC. Der hätte ja ein Krabbenbrötchen abgeben können! Teufel auch!
PF: Henry!
Die Jolle wird durch die aufgewühlte See hin- und her gepeitscht. Die beiden Forschungsreisende bringen den recht blassen Rasiernovizen unter Deck.
Regungslos liegt er nur triefend nass auf einer Koje.
Schnell bekommt er nach dem Abtrocknen mit einem Handtuch ein trockenes viktorianisches Nachthemd umgestülpt, seine nassen, ausgewrungenen Klamotten hängen die beiden Abenteurer über einen Stuhl.
PF: Merkwürdig, er dunstet etwas Bläuliches aus. Sieh nur, Henry, sogar sein Atem ist blau gefärbt!
HC: Teufel auch! Es riecht auch merkwürdig. Wie aus den Laboratorien des Royal Institute of Chemistry. Übles Zeug!
PF: Der klappt uns noch weg! Los, heize das Öfchen an!
Der scheint wie besessen!
Corporal Costin bringt die kleine Heizquelle zum Glühen, derweil Lieutenat-Colonel Fawcett die Wunde an der Wange des Ohnmächtigen mit einem kräftigen Schuss Bay Rum desinfiziert.
Und die blasse Landratte dreht sich wie eine Auster an Zitrone!
HC: Percy, nicht so heftig!
PF: Schon gut, auf diesen Breitengraden hilft nur Feuer gegen Feuer. Der Bursche scheint mir wie verhext zu sein.
HC: Teufel auch, das wird eine Äquatortaufe!
Besorgt um den wirres Zeug murmelnden Schiffbrüchigen, bereiten die beiden alles für das Exorzieren übler Geister.
Ein kupfernes Pfännchen wird mit Koriandersamen, ein paar Gewürznelken und zerbröseltes Galbanum aus Persien auf das heiße Öfchen gestellt.
Im Nu füllt sich der Raum mit den ätherischen Ölen der Zutaten.
PF: Henry, lass es bloß nicht anbrennen! Es genügt, rüber mit der Pfanne!
HC: Teufel auch, meine Lungen glühen!
PF: So mein Junge, nun werden wir Dir alles Üble ausräuchern.
Mit wehenden Bewegungen umkreist Captain Fawcett den würgenden Patienten mit dem Pfännchen.
PF: Henry, stell den Eimer bereit, gleich ist es so weit!
Kaum ausgesprochen, beginnt auch schon der Halbtote blaue Kunstflüssigkeiten auszuspucken, ziemlich heftig.
Der Eimer füllt sich schnell und muss rasch draußen über Bord entleert werden.
Nur noch ein leichtes Husten und Farbe kehrt wieder zurück ins Gesicht des Novizen.
HC: Teufel auch! Was war das denn? Riecht übel, erinnert mich an Walhkotze.
PF: Keine Ahnung, das glibberige Zeug hatte ihm die Lungen versperrt. Jetzt kann er wieder alles riechen.
HC: Famos, mein Lieber, famos!
Woher hast Du dieses Wissen?
PF: Mein Bruder Edward ist ein geübter Meister des Okkulten. Er pflegt Freundschaft zu einer gewissen Helena Blavatsky.
Als ich auf Ceylon stationiert war, konnte ich sein Wissen mit dem der Einheimischen und deren Gewürzen besser verstehen.
HC: Teufel auch, Du bist ja mit allen Wassern gewaschen, mein Bester!
PF: Keine voreiligen Schlüsse, lieber Henry.
Ob die Prozedur Erfolg hatte, wird sich noch zeigen.
Komm, wir wecken ihn auf.
HC: Ey, ey Captain!
Unsere sprottige Landrate kommt langsam zu sich und richtet sich im Bad wieder auf.
Eine leichte Rötung hat er noch an der Wange, aber er duftet wie ein heller Gewürzmarkt.
Neben den blauen Flakons, welche er nun argwöhnisch beäugt, liegt nun ein Flaschenschiff - eher eine Jolle - und ein Kärtchen mit einer Adresse und einem Passwort.
Auf der Arbeit necken ihn seine Kollegen liebevoll als indischen Glücksbringer, doch er bleibt standhaft. Und so langsam erinnern sich die Spotter an echte Gewürze, so wie die Natur sie vorgesehen hat. Doch er verrät nicht die Quelle seines bestanden Abenteuers.
Er nimmt sich ein paar Tage frei und fährt zum geheimnisvollen Hafen an der windigen Küste.
Mit pochendem Herzen steht er vor der Adresse auf dem Kärtchen, eine nicht gerade vertrauensvolle Spelunke.
Nach dem Klopfen an der Tür öffnet sich ein Spion und er nennt das Passwort.
Und schwups verschwindet er im Flunderstübchen!
Zackenbarsch Ole jault noch vom Stammtisch rüber:
„Captain, Neuzugang!
Die Sprotte hat die Äquatortaufe überstanden!
Die Runde geht auf mich!“
Und der Neuzugang darf sich ein Lied wünschen. Down by the sea von Men at Work läßt den Duft schön ausklingen…
Nachtrag.
Lieben Dank an Admiral Scentennial.
Er hat die magische Buddel am heimischen Ufer des Erzählers stranden lassen.
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