23.10.2016 - 12:44 Uhr
Meggi
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Von Selfridges zu Senteurs
Eine klamottenmäßig frühreife Elfjährige in London – das geht nicht ohne Oxford Street. Da könnten sich die Eltern Fransen an die Lippen reden, das unsägliche Primark muss halt sein. Am besten hält man die Klappe, lässt den Nachwuchs machen und hofft auf ein Dämmern originärer Erkenntnis, bei Gelegenheit dezent angestoßen durch kindgerechte Gespräche über die Asymmetrien der Globalisierung. Hat gefunzt (wie analog beim Thema McDonalds); ich denke, von Primark ist sie kuriert.
Wo wir schon auf der Ecke waren, haben wir auf Wunsch meiner Frau gleich noch Selfridges besucht. Ich fand eine Duft-Abteilung vor, wie ich sie erwartet hatte: groß, ebenso üppig wie nobel bestückt und fürchterlich wuselig. Ein (boshaft ausgedrückt) Oligarchen-Tussen- und Harems-Damen-Treff. An den Ständen allenthalben Gebrabbel und Gesprühe. Dass derlei wenig Raum für anspruchsvollere Kunden-Gespräche bietet, mag ich den Standbesatzungen überhaupt nicht vorwerfen. In einem Ameisenhaufen findet schließlich auch keine Beratung statt.
Zum Glück hatten wir von dort nur einen kleinen Fußweg von ein paar Hundert Metern („zum Glück“ - welch‘ schöne Doppeldeutigkeit…). Rasch war das westliche Ende der Oxford Street erreicht. An der U-Bahn-Station Marble Arch ging es rechts in die Great Cumberland Place, links in die Seymour Street – der geschäftige Trubel wurde fernes Rauschen. An der Ecke Seymour Street/Seymour Place liegt eines der beiden „Les Senteurs“-Ladengeschäfte. Zum feinen Sortiment siehe Internet-Seite. Dass es kompetent und engagiert vorgestellt wurde, versteht sich an solchem Ort (meist) von selbst.
Ein vereinsamtes „Ryder“ veranlasste zur Frage nach „Thirty Three“. Der Verkäufer kramte den Tester aus einer Schublade und meinte, Ex Idolo sei in letzter Zeit (es war Ende August) seltsam still geworden, er habe Thirty Three nicht einmal mehr da. Flugs pulte er den Diebstahl-Schutz ab und drückte mir die Flasche in die Hand. Einfach so. Ich hatte nichts gekauft. Wow. Bei Selfridges wäre das kaum passiert.
Zum Duft: Pfeffer und – sagen wir – Orangeat gehen in Ordnung. Meinetwegen auch Kautschuk. Doch das ist Beiwerk und breitet lediglich der Rose den Teppich aus. Fernab der Montale-Spülmittel-Penetranz tritt sie auf, still und unprätentiös, bringt sogar eine hintergründig fröhliche Fruchtigkeit mit, die Rosen in diesem Kontext oft abgeht. Mag sein, dass besagte „Mandarine“ daran beteiligt ist, mir soll es recht sein.
Die Spülmittel-Gefahr wird allenfalls gestreift, das lässt sich bei der vorliegenden Rosen-Sorte womöglich nicht völlig vermeiden. Man kann das entweder mit einer aggressiv-sauer-käsigen Oud-Note dick (und black) unterstreichen oder es abmildern, wie hier durch Frucht.
Was immer „gereiftes Oud“ ausmacht – wenn das bedeutet, dass das Zeug ein bisschen ruhiger und runder geworden ist und dass vor allem ausreichend Zeit war, den Stall zu entkacken, dann passt das. Binnen der ersten zehn Minuten erscheint eine charakterlich kräftige, aber unaufdringliche, runde, holzige Oud-Note. In der zweiten Stunde gesellt sich eine zarte Süße hinzu, ein Gegenpol zum säuerlich-seifigen Part der Rose – bloß um sicherzugehen, dass es elegant bleibt. In der dritten Stunde haben Rose und Oud zusammengefunden. Ihr gemeinsamer Nenner ist eine milde Säure bzw. Säuerlichkeit. Die beiden führen freilich eine geradezu ideale Ehe, wahren jeweils die eigene Persönlichkeit. Die Rose ist üppig und süß, das Oud entwickelt nunmehr gar einen minimalen Dung-Dreh.
Zum Mittag hin weicht die Rose allmählich und bestätigt diesbezüglich die pyramidalen Angaben. Das Oud ist nämlich unverändert präsent, doch dabei distinguiert. Rau-staubiges Patchouli wird plausibel. Bei „Heliotropin“ denken wir wohl alle an Vanille und liegen damit durchaus richtig.
In der Schluss-Phase changiert der Duft hin und her. Mal ist die Süße verschwunden und es bleibt ein gewiss patchouli-berauter, säuerlich-holziger Oud-Duft, der mir viel Spaß bereitet, weil er auf nervige Kunstholz-Anwandlungen verzichtet. Regelmäßig umweht ein Rest-Hauch Rose die Nase, in der Projektion ist er sogar überraschend stark. Unvermittelt kehrt gelegentlich die Süße wieder und mischt sich dezent mit dem Rosen-Fragment.
Wo insbesondere Montale den Eindruck erweckt, zwanghaft eine (A)oud-Knaller-Variation nach der anderen in den Markt zu pressen, bietet Thirty Three gleichsam einen Gegenpol: Zurückfinden zum Wesentlichen und lieber auf die Qualität der Zutaten setzen. Alle genannten Bestandteile - buchen wir einzig den Damaszenerstahl unter „britischer Humor“ ab - lassen sich zumindest ansatzweise nachvollziehen und wirken auf mich sämtlich hochwertig. Wie bei einem guten mediterranen Essen.
Fraglich ist, ob das genügt, sich in dieser mittlerweile ziemlich breiten Nischen-Nische klar abzusetzen. Meine Antwort lautet eindeutig: Nein. Das stört mich allerdings nicht, denn trotz (oder wegen?) eines Gartens voller Rosen bin ich in puncto Rosen-Parfüm sehr eigen und selten zufrieden. Ein Rose-Oud-Duft darf mithin gern von erlesener Schlichtheit und ohne Gedöns daherkommen. Insofern ist Thirty Three für mich gut geeignet.
Fazit: Den Elogen mag ich nicht gänzlich folgen, aber schön isser! Und nur zwei vorsichtige Sprüher waren vonnöten, mich den ganzen Tag außerordentlich edel zu beduften.
Wo wir schon auf der Ecke waren, haben wir auf Wunsch meiner Frau gleich noch Selfridges besucht. Ich fand eine Duft-Abteilung vor, wie ich sie erwartet hatte: groß, ebenso üppig wie nobel bestückt und fürchterlich wuselig. Ein (boshaft ausgedrückt) Oligarchen-Tussen- und Harems-Damen-Treff. An den Ständen allenthalben Gebrabbel und Gesprühe. Dass derlei wenig Raum für anspruchsvollere Kunden-Gespräche bietet, mag ich den Standbesatzungen überhaupt nicht vorwerfen. In einem Ameisenhaufen findet schließlich auch keine Beratung statt.
Zum Glück hatten wir von dort nur einen kleinen Fußweg von ein paar Hundert Metern („zum Glück“ - welch‘ schöne Doppeldeutigkeit…). Rasch war das westliche Ende der Oxford Street erreicht. An der U-Bahn-Station Marble Arch ging es rechts in die Great Cumberland Place, links in die Seymour Street – der geschäftige Trubel wurde fernes Rauschen. An der Ecke Seymour Street/Seymour Place liegt eines der beiden „Les Senteurs“-Ladengeschäfte. Zum feinen Sortiment siehe Internet-Seite. Dass es kompetent und engagiert vorgestellt wurde, versteht sich an solchem Ort (meist) von selbst.
Ein vereinsamtes „Ryder“ veranlasste zur Frage nach „Thirty Three“. Der Verkäufer kramte den Tester aus einer Schublade und meinte, Ex Idolo sei in letzter Zeit (es war Ende August) seltsam still geworden, er habe Thirty Three nicht einmal mehr da. Flugs pulte er den Diebstahl-Schutz ab und drückte mir die Flasche in die Hand. Einfach so. Ich hatte nichts gekauft. Wow. Bei Selfridges wäre das kaum passiert.
Zum Duft: Pfeffer und – sagen wir – Orangeat gehen in Ordnung. Meinetwegen auch Kautschuk. Doch das ist Beiwerk und breitet lediglich der Rose den Teppich aus. Fernab der Montale-Spülmittel-Penetranz tritt sie auf, still und unprätentiös, bringt sogar eine hintergründig fröhliche Fruchtigkeit mit, die Rosen in diesem Kontext oft abgeht. Mag sein, dass besagte „Mandarine“ daran beteiligt ist, mir soll es recht sein.
Die Spülmittel-Gefahr wird allenfalls gestreift, das lässt sich bei der vorliegenden Rosen-Sorte womöglich nicht völlig vermeiden. Man kann das entweder mit einer aggressiv-sauer-käsigen Oud-Note dick (und black) unterstreichen oder es abmildern, wie hier durch Frucht.
Was immer „gereiftes Oud“ ausmacht – wenn das bedeutet, dass das Zeug ein bisschen ruhiger und runder geworden ist und dass vor allem ausreichend Zeit war, den Stall zu entkacken, dann passt das. Binnen der ersten zehn Minuten erscheint eine charakterlich kräftige, aber unaufdringliche, runde, holzige Oud-Note. In der zweiten Stunde gesellt sich eine zarte Süße hinzu, ein Gegenpol zum säuerlich-seifigen Part der Rose – bloß um sicherzugehen, dass es elegant bleibt. In der dritten Stunde haben Rose und Oud zusammengefunden. Ihr gemeinsamer Nenner ist eine milde Säure bzw. Säuerlichkeit. Die beiden führen freilich eine geradezu ideale Ehe, wahren jeweils die eigene Persönlichkeit. Die Rose ist üppig und süß, das Oud entwickelt nunmehr gar einen minimalen Dung-Dreh.
Zum Mittag hin weicht die Rose allmählich und bestätigt diesbezüglich die pyramidalen Angaben. Das Oud ist nämlich unverändert präsent, doch dabei distinguiert. Rau-staubiges Patchouli wird plausibel. Bei „Heliotropin“ denken wir wohl alle an Vanille und liegen damit durchaus richtig.
In der Schluss-Phase changiert der Duft hin und her. Mal ist die Süße verschwunden und es bleibt ein gewiss patchouli-berauter, säuerlich-holziger Oud-Duft, der mir viel Spaß bereitet, weil er auf nervige Kunstholz-Anwandlungen verzichtet. Regelmäßig umweht ein Rest-Hauch Rose die Nase, in der Projektion ist er sogar überraschend stark. Unvermittelt kehrt gelegentlich die Süße wieder und mischt sich dezent mit dem Rosen-Fragment.
Wo insbesondere Montale den Eindruck erweckt, zwanghaft eine (A)oud-Knaller-Variation nach der anderen in den Markt zu pressen, bietet Thirty Three gleichsam einen Gegenpol: Zurückfinden zum Wesentlichen und lieber auf die Qualität der Zutaten setzen. Alle genannten Bestandteile - buchen wir einzig den Damaszenerstahl unter „britischer Humor“ ab - lassen sich zumindest ansatzweise nachvollziehen und wirken auf mich sämtlich hochwertig. Wie bei einem guten mediterranen Essen.
Fraglich ist, ob das genügt, sich in dieser mittlerweile ziemlich breiten Nischen-Nische klar abzusetzen. Meine Antwort lautet eindeutig: Nein. Das stört mich allerdings nicht, denn trotz (oder wegen?) eines Gartens voller Rosen bin ich in puncto Rosen-Parfüm sehr eigen und selten zufrieden. Ein Rose-Oud-Duft darf mithin gern von erlesener Schlichtheit und ohne Gedöns daherkommen. Insofern ist Thirty Three für mich gut geeignet.
Fazit: Den Elogen mag ich nicht gänzlich folgen, aber schön isser! Und nur zwei vorsichtige Sprüher waren vonnöten, mich den ganzen Tag außerordentlich edel zu beduften.
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