Serenissima
Top Rezension
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ein Duftchamäleon aus Kraut und Holz
Vorab möchte ich bemerken:
Der Anmerkung Jean-Michel Duriez', "Double-fond" erinnere ihn an prächtige Salons in Versaille, wo die Luft von Holz, Gewürzen und Blumen geschwängert ist, kann ich nicht so ganz folgen.
Vielleicht liegt es daran, dass ich als Frau anders sinnlich empfinde und es mir deshalb schon an der Imagination von Blumen bei dieser wirklich außergewöhnlichen Duftkomposition mangelt.
Meine Generation kennt noch die schweren, beeindruckenden Mahagoni-Schrankwände, die die meist zu niedrigen Neubauwohnungen ab den siebziger Jahren beherrschten.
Der satte Glanz dieses edlen Holzes mit seiner rötlichen, doch dunklen Maserung war schon etwas Besonderes.
Der sinnliche Kontakt des Berührens war damals verboten: die Front-Flächen waren poliert und jeder Handabdruck verpönt!
Mahagoni als Holz und Farbton hat seinen besonderen Reiz immer behalten.
Liest man doch oft in Romanen von der "dunkelbraunen Mähne mit den mahagoniroten Lichtern" einer Protagonistin (sofern sie nicht "aufregend blond" oder aber "rassig rothaarig" ist).
Diese satte dunkle Holznote beherrscht diesen Duft, der auch recht schnell von einem feurigen rötlichen Leuchten durchzogen wird - sehr elegant!
Die Bergamotte erfrischt kurz, bevor eine Troika rustikaler Wald-, Wiesen- und Küchenkräuter in Erscheinung tritt: denn Rosmarin, Basilikum und Thymian, jeweils in Ölform, behaupten sich erfolgreich gegen das edle Holzaroma.
So entsteht eine kräftig-würzig und edelholzige Duftmelange, die mir in dieser Form (wenn ich mich recht erinnere) noch nicht begegnet ist.
Diese dunkle Tiefe fasziniert mit ihren immer wieder aufflackernden Duftfacetten, die ein sehr eigenes Feuerwerk abzubrennen scheinen.
Deshalb ist es gut, diesen mächtigen Duftübermut mit einem satten Kakaoaroma zu überstäuben.
Das dunkelrot glühende Feuer wird dadurch nicht gelöscht, aber doch ein wenig in die Schranken gewiesen: die vorher entstandene Duftmacht wird wieder elegant, bleibt aber dennoch funkelnd!
"Double-fond" ist so, wie Jean-Michel Duriez seine Duftkreation selbst beschreibt, bevor er sich gefühlsmäßig nach Versaille begibt: holzig, kräftig und lebendig!
Als würde dieses Edelholz durch die beigefügten Kräuter gepflegt, entsteht ein sanfter Hauch von Honig, wie mein Näschen ihn in besonders feiner Möbelpolitur findet.
Für mich ist "Double-fond" ein Duft, der die Dunkelheit braucht, um so richtig zu strahlen: lange Nachmittage an Kaminfeuern mit anregenden Gesprächen, die in Nächte von gefühlter Unendlichkeit übergehen, sind bestimmt seine Heimat; dort wird er sich wohlfühlen!
Ich treffe hier auf einen großartigen Gentleman, der, erfüllt von seiner duftenden Macht, sein nobles Wesen nicht verleugnet.