Serenissima
Top Rezension
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tanzender Sommer in Frucht und Blüte
Das Sortiment der Jean-Michel Duriez-Düfte enthält nicht nur rauchende und holzige Überraschungen; mit "Bleu Framboise" ist auch die Familie der Sommerträume vertreten und entführt erneut in eine eigene Welt.
Ich gebe zu: bis auf wenige Ausnahme faszinieren mich die Düfte dieser Marke; wir harmonieren sofort und somit wird meine Neugier verstärkt geweckt: neue Duftwelten entdecke ich doch nur zu gerne!
Außerdem mag ich Himbeeren: sie verkörpern für mich den Höhepunkt des Sommers; ihr fruchtiges Aroma in Geschmack und Duft erfreut meine Sinne immer wieder. Dafür nehme ich auch Kratzer inkauf.
Ich freue mich, hier einen neuen Himbeer-Sommerbegleiter kennenzulernen, trotz des sehr "obstigen" Auftakts.
Die reifen Himbeeren treffen auf saftige sizilianische Mandarine (eine besonders aromatische Art); Grapefruit erfrischt mit leicht herber Bitterkeit und Rhabarber sorgt für grüne Duftelemente in dieser Kopfnote.
Bisher noch nichts Besonderes, das gebe ich zu.
Aber diese drei Begleiter tragen die Schale mit den so lebendig-duftenden Himbeeren wohl auf Händen: diese roten Früchtchen bleiben ganz oben auf der Duftskala.
Die "echte" Kamille trägt auch hier ihre charakteristisch weiße Blütenpracht und duftet entsprechend zart, aber doch irgendwie intensiv. Ich mag diesen milden, leicht würzigen Duft sehr; erklärt vielleicht durch meinen nervösen Magen: Kamillentee ist bringt mir häufig die nötige Entspannung!
("Blau" wird das Öl dieser Kamille erst während des Destillierens; dann bildet sich Chamazulen, das für die tiefblaue Farbe sorgt.)
So umtanzen ihre duftreichen Blüten den vorgefundenen "Obstcocktail" in wogenden weißen Pirouetten.
Ihre Blütenblättchen erinnern dabei an das Tüllröckchen einer Ballerina.
Erstaunlich gut passen auch die "absoluten" Rosenaromen, die Hand in Hand mit harzig-würziges Galbanum daherkommen, zu dieser Komposition.
Jasmin, großblütig, weiß und schwer duftend, und leuchtende Ylang-Ylang-Glitzerchen beteiligen sich an diesem beschwingten Duftreigen: sie tanzen hier mehr übermütig als gesetzt!
Etwas schwerfällig dagegen wirkt im ersten Moment die Rosengeranie. Aber das ändert sich:
Sie bildet einen fließenden Übergang zum tiefdunkel-tonigen Eichenmoos; es erscheint ebenfalls ein wenig tapsig in der Gesellschaft der sich so locker wiegenden Frucht- und Blütenelfen.
Dadurch verändert sich aber der luftige Duftfluss: er wird etwas gemächlicher, die übermütige und junge Sommerstimmung wird etwas erwachsener; erdverbundener.
Ehe aber diese Heiterkeit zu sehr in Moll gestimmt wird, erscheint die strahlende Schönheit von Patchouli.
Ein locker gewebtes Goldvlies wird damit über diese so bewegliche Duftlandschaft gelegt: Sommerliche Früchte und duftintensive Blüten werden so zu einem gemeinsamen Rhythmus geführt, der wunderbar zu einem leuchtenden Sommertag passt.
"Bleu Framboise" ist ein tanzender, schwingender, sehr weiblicher Duft.
Ich denke aber, weder die junge, noch die klassisch-elegante Frau wird sich hierdurch angesprochen fühlen.
Eine Frau aber, die weiß, dass Leben eben aus Frühling, Sommer, Herbst und Winter und entsprechenden Zwischentönen besteht und die in ihrer eigenen Welt ruht, findet in "Bleu Framboise" eventuell eine charmante Begleitung.
(Warum mir gerade jetzt das typische Bild der "anmutigen Pariserin" vorschwebt, weiß ich gar nicht.)
Dieser Duft gefällt mir einfach: die fruchtige Himbeere verheißt heitere Leichtigkeit und so werden wir beide die nächsten sonnigen Tage sicher gemeinsam mit ihren duftenden Gefährten verbringen.
"Avec plaisir, Madame!"