18.01.2025 - 21:17 Uhr

DolcePita
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DolcePita
Friede
An einem jener Tage, an denen die Sonne wie ein schläfriger Löwe am Zenit hing und die Luft flimmerte, als wäre sie ein Spiegel zerbrochener Zeit, hüpfte ein kleiner Junge mit ollen, spröden Sandalen über den Split auf dem Parkplatz des kleinen Freibads. Es war der millionste Tag der Ferien.
Frederik, doch alle nannten ihn Friede. Er war kein Rabauke, oder gar aggressiver Zeitgenosse. Er war der sanftmütigste und beste Junge, den es zu diesem Zeitpunkt gab, wird man später sagen. Doch wie alle, die sich zu gut in die Welt einfügen, schien Friede eine Vorahnung dessen zu tragen, was später mit ihm geschehen würde und war zaghaft mit großen Entscheidungen.
Doch jetzt, in diesem Moment, spürte er nur die völlige Zufriedenheit, im Freibad zu sein. Er ließ sich auf das warme Gras neben dem Beckenrand nieder und beobachtete, wie die Sonnenstrahlen das Wasser in tausend kleine Splitter aus Licht verwandelten. Das Freibad lag direkt neben einem See. Was er immer als sehr dumm empfand. Andererseits wohnen im See ja auch Fische und Schwäne und Enten. Die waren wohl damals dagegen gewesen, als der Stadtrat zum Bau eines Freibades getagt hatte.
Es war, als könnte er sehen, wie die Zeit selbst in den Wellen tanzte. Aber nicht die Zeit über die sich Papa beschwert oder die von den Lehrern gejagt wird. Es war die wahre Zeit, die nur wollte, dass man sie bemerkt, aber keine Angst vor ihr hat. Ein Zitronenfalter flatterte schwerfällig durch die heiße Luft, und Friede fragte sich, ob er wusste, wie schön er war. Er konnte sich nicht erinnern, ob sich eigentlich alle Lebewesen im Spiegel angucken können, aber er vermutete, dass das den meisten wohl nicht so wichtig ist.
Es riecht irgendwie nach leckerer Haut. Wie die von Mama. Oder Oma. Und nach Wärme. Und irgendwie nach anderen Dingen die allesamt irgendwie lecker sind, obwohl man sie nicht essen kann. Die Wärme der Sommerluft, die wie ein unsichtbares Tuch alles umhüllte.
Fast süßlich, als sei die Sonne selber zu schmecken. Friede liebte diese Momente, in denen die Welt so lebendig war, dass es sich anfühlte, als könnte sie jeden Moment aus allen Nähten platzen, nur um noch mehr Farben, mehr Geräusche, mehr Alles freizusetzen. Gleichzeitig fiel ihm auf, wie laut es im Freibad war. Das Rufen der anderen Kinder, das Platschen des Wassers, das Rattern der Sprungbretter und das Gequietsche derer, die sich doch nicht trauten — alles war ein Teil dieses Chaos. Doch je länger er lauschte, desto mehr merkte er, wie sich dieser Lärm in eine beruhigende Stille drehen ließ, wenn man es nur wollte. Als ob die Geräusche sich zu einem stillen Wellenrauschen verdichteten, das nichts ungewisses in sich hatte.
Das Kiosk, dessen Eistruhen wie verführerische Kapseln einer anderen Dimension funkelten, zog ihn magisch an. Dort stand wie immer Herr Bogdan, der Kioskverkäufer, ein Mann, dessen fröhliches Äußeres nicht ganz mit der leicht verstörenden Wackelei seiner Augen harmonierte. Ein Glasauge, das in der Sonne schimmerte wie ein vergessenes Juwel, und ein Lachen, das zu laut war. Viel zu laut. — so laut, dass es selbst später im Bus nach Hause immer wieder hochlachte. Bogdan lachte über Dinge, die niemand anderes zu sehen schien, eigentlich lachte er aber über alles. Er war ein Mann, der alle liebzuhaben schien, der Geschichten erzählte, nicht immer zusammenhängend, und dessen Hände, während er sprach, oft wilde Dinge formten, als kneteten sie die Luft.
„Hallo Bürsche! Heute ist Besonders! Schon gewartet, dein Bogdan. Für dich, Friede, ein ganz besonderes Eis,“ sagte Bogdan, er hatte Friede schon von weitem herbeigelacht. Friede nahm das Eis, ohne zu wissen, warum seine Hände zitterten. Das Eis selbst war ein Wunder, eine schillernde Spirale von Farben, die sich gegenseitig durchdrangen, ein Duft, der nach GEwitter und braunem Zucker roch. Und während Friede dunter Bogdans breitestem Grinsen der Welt losschleckte, spürte er, wie sich das Glasauge freute. Er verschob sich. Wie ein inneres Getriebe, das zu lange geruht hatte.
Es geschah nicht plötzlich, sondern wie ein leises Flüstern, das in den Ohren nachhallte, ein Gefühl, als ob die Welt um ihn herum die Luft aus sich selbst heraussaugte. Seine Finger begannen zu verschwinden, in sich selbst zu stülpen, wie ein Gummihandschuh. Seine Haut spannte sich wie ein Kaugummi - hin und her - seine Beine, seine Arme wurden zu formlosen Linien, etwas oder jemand hatte seine Knochen geklaut. Fump.
Das Geräusch wie wenn Papa ein Bier öffnet und der Verschluss am Drahtbügel zur Seite geplustert wird. Er saß doch noch auf der Wiese. Aber als was?
Hätte er einen Spiegel gehabt, hätte er es gesehen. Dort, wo gerade noch ein mit Sommersproßen gekrönter blonder Junge gesessen hat, lag eine Tube Sonnencreme — glatt, weich, ohne eigenen Willen, und doch durchdrungen von einem Wissen, das ihm zuvor nicht zugänglich gewesen war.
Er fühlte nicht, was er früher gefühlt hatte, keine Angst, keine Panik. Es war ein Zustand des reinen Seins, ein Bewusstsein ohne Grenzen, eingefangen in der Wärme der Sonne, die ihn umhüllte. Sein Duft, cremig und süß zugleich, breitete sich aus wie ein stummer Ruf, der niemandem galt und dennoch alles durchdrang. Er war Teil von allem geworden, und alles war Teil von ihm.
Und dann kam sie.
Silke Meerbusch-Strötershagel. Kunstlehrerin. SEINE Kusntlehrerin. Eine Frau, schwerfällig und anmutig zugleich. Sie hatte eine Präsenz, die jeden Raum füllte, ohne ihn zu überladen, und ihre Augen wirkten, als könnten sie jeden Spiegel zerschmettern. Aber nicht mit DOminanz oder erzwungener Egozentrik. Sie war unendliche Weichheit.
Ihre Hände griffen nach ihm, tubengewordener Frederik. Sie quetschte ihn auf ihre Haut, ließ ihn sich über ihren schon etwas roten Körper verteilen, als sei er keine Creme, sondern ein unsichtbarer Schleier, der sie mit der Welt verband.
Warum im Sommer die Sauna offenhatte, war keine Frage, die sich eine Sonnencreme stellte.
Die Sauna, ein dampfender Raum, in dem die Luft wie ein schwerer Vorhang hing, wartete auf sie. Die Hitze umfing sie wie eine alte Geliebte, während der Rauch ihrer Zigarette sich in den Schwaden verlor. Friede spürte, wie sein Sein sich ausdehnte, wie er mit jedem Atemzug der Frau tiefer in die Poren der Zeit einzog. Der Duft des Tabaks — dick und süß wie ein versprochenes Ende — mischte sich mit dem Zedernholz der Sauna und den süßsalzigen Noten von Schweiß. Es war, als würde die Welt selbst atmen, und Friede war ihr Atem.
Ihr Atem waren ruhig, in ihm lag eine Zärtlichkeit, die nichts Menschliches hatte. Es war die Zärtlichkeit der Zeit, die sich ausdehnt und wieder zusammenzieht, unbarmherzig und dennoch tröstlich. Friede verlor sich. In der Sauna, im Rauch, in der Süße und seiner eigenen neugefundenen Cremigkeit. Und als er nichts mehr war als ein Hauch von Erinnerung, der sich mit der Luft vermischte, spürte er zum ersten Mal, was es hieß, da zu sein.
Draußen lag der Winter unendlich weit entfernt. Doch Friede fürchtete ihn nicht mehr. Er war die Sonne, die Hitze, die Haut, das Leben. Und als die Frau tief ausatmete, verschwand er mit dem Rauch, ein letzter Gruß an die Ewigkeit, wenn auhc nur für kurz. Der Sommer kam bisher, meist immer wieder. Nur die Sommerferien, die sind irgendwann vorbei.
Frederik, doch alle nannten ihn Friede. Er war kein Rabauke, oder gar aggressiver Zeitgenosse. Er war der sanftmütigste und beste Junge, den es zu diesem Zeitpunkt gab, wird man später sagen. Doch wie alle, die sich zu gut in die Welt einfügen, schien Friede eine Vorahnung dessen zu tragen, was später mit ihm geschehen würde und war zaghaft mit großen Entscheidungen.
Doch jetzt, in diesem Moment, spürte er nur die völlige Zufriedenheit, im Freibad zu sein. Er ließ sich auf das warme Gras neben dem Beckenrand nieder und beobachtete, wie die Sonnenstrahlen das Wasser in tausend kleine Splitter aus Licht verwandelten. Das Freibad lag direkt neben einem See. Was er immer als sehr dumm empfand. Andererseits wohnen im See ja auch Fische und Schwäne und Enten. Die waren wohl damals dagegen gewesen, als der Stadtrat zum Bau eines Freibades getagt hatte.
Es war, als könnte er sehen, wie die Zeit selbst in den Wellen tanzte. Aber nicht die Zeit über die sich Papa beschwert oder die von den Lehrern gejagt wird. Es war die wahre Zeit, die nur wollte, dass man sie bemerkt, aber keine Angst vor ihr hat. Ein Zitronenfalter flatterte schwerfällig durch die heiße Luft, und Friede fragte sich, ob er wusste, wie schön er war. Er konnte sich nicht erinnern, ob sich eigentlich alle Lebewesen im Spiegel angucken können, aber er vermutete, dass das den meisten wohl nicht so wichtig ist.
Es riecht irgendwie nach leckerer Haut. Wie die von Mama. Oder Oma. Und nach Wärme. Und irgendwie nach anderen Dingen die allesamt irgendwie lecker sind, obwohl man sie nicht essen kann. Die Wärme der Sommerluft, die wie ein unsichtbares Tuch alles umhüllte.
Fast süßlich, als sei die Sonne selber zu schmecken. Friede liebte diese Momente, in denen die Welt so lebendig war, dass es sich anfühlte, als könnte sie jeden Moment aus allen Nähten platzen, nur um noch mehr Farben, mehr Geräusche, mehr Alles freizusetzen. Gleichzeitig fiel ihm auf, wie laut es im Freibad war. Das Rufen der anderen Kinder, das Platschen des Wassers, das Rattern der Sprungbretter und das Gequietsche derer, die sich doch nicht trauten — alles war ein Teil dieses Chaos. Doch je länger er lauschte, desto mehr merkte er, wie sich dieser Lärm in eine beruhigende Stille drehen ließ, wenn man es nur wollte. Als ob die Geräusche sich zu einem stillen Wellenrauschen verdichteten, das nichts ungewisses in sich hatte.
Das Kiosk, dessen Eistruhen wie verführerische Kapseln einer anderen Dimension funkelten, zog ihn magisch an. Dort stand wie immer Herr Bogdan, der Kioskverkäufer, ein Mann, dessen fröhliches Äußeres nicht ganz mit der leicht verstörenden Wackelei seiner Augen harmonierte. Ein Glasauge, das in der Sonne schimmerte wie ein vergessenes Juwel, und ein Lachen, das zu laut war. Viel zu laut. — so laut, dass es selbst später im Bus nach Hause immer wieder hochlachte. Bogdan lachte über Dinge, die niemand anderes zu sehen schien, eigentlich lachte er aber über alles. Er war ein Mann, der alle liebzuhaben schien, der Geschichten erzählte, nicht immer zusammenhängend, und dessen Hände, während er sprach, oft wilde Dinge formten, als kneteten sie die Luft.
„Hallo Bürsche! Heute ist Besonders! Schon gewartet, dein Bogdan. Für dich, Friede, ein ganz besonderes Eis,“ sagte Bogdan, er hatte Friede schon von weitem herbeigelacht. Friede nahm das Eis, ohne zu wissen, warum seine Hände zitterten. Das Eis selbst war ein Wunder, eine schillernde Spirale von Farben, die sich gegenseitig durchdrangen, ein Duft, der nach GEwitter und braunem Zucker roch. Und während Friede dunter Bogdans breitestem Grinsen der Welt losschleckte, spürte er, wie sich das Glasauge freute. Er verschob sich. Wie ein inneres Getriebe, das zu lange geruht hatte.
Es geschah nicht plötzlich, sondern wie ein leises Flüstern, das in den Ohren nachhallte, ein Gefühl, als ob die Welt um ihn herum die Luft aus sich selbst heraussaugte. Seine Finger begannen zu verschwinden, in sich selbst zu stülpen, wie ein Gummihandschuh. Seine Haut spannte sich wie ein Kaugummi - hin und her - seine Beine, seine Arme wurden zu formlosen Linien, etwas oder jemand hatte seine Knochen geklaut. Fump.
Das Geräusch wie wenn Papa ein Bier öffnet und der Verschluss am Drahtbügel zur Seite geplustert wird. Er saß doch noch auf der Wiese. Aber als was?
Hätte er einen Spiegel gehabt, hätte er es gesehen. Dort, wo gerade noch ein mit Sommersproßen gekrönter blonder Junge gesessen hat, lag eine Tube Sonnencreme — glatt, weich, ohne eigenen Willen, und doch durchdrungen von einem Wissen, das ihm zuvor nicht zugänglich gewesen war.
Er fühlte nicht, was er früher gefühlt hatte, keine Angst, keine Panik. Es war ein Zustand des reinen Seins, ein Bewusstsein ohne Grenzen, eingefangen in der Wärme der Sonne, die ihn umhüllte. Sein Duft, cremig und süß zugleich, breitete sich aus wie ein stummer Ruf, der niemandem galt und dennoch alles durchdrang. Er war Teil von allem geworden, und alles war Teil von ihm.
Und dann kam sie.
Silke Meerbusch-Strötershagel. Kunstlehrerin. SEINE Kusntlehrerin. Eine Frau, schwerfällig und anmutig zugleich. Sie hatte eine Präsenz, die jeden Raum füllte, ohne ihn zu überladen, und ihre Augen wirkten, als könnten sie jeden Spiegel zerschmettern. Aber nicht mit DOminanz oder erzwungener Egozentrik. Sie war unendliche Weichheit.
Ihre Hände griffen nach ihm, tubengewordener Frederik. Sie quetschte ihn auf ihre Haut, ließ ihn sich über ihren schon etwas roten Körper verteilen, als sei er keine Creme, sondern ein unsichtbarer Schleier, der sie mit der Welt verband.
Warum im Sommer die Sauna offenhatte, war keine Frage, die sich eine Sonnencreme stellte.
Die Sauna, ein dampfender Raum, in dem die Luft wie ein schwerer Vorhang hing, wartete auf sie. Die Hitze umfing sie wie eine alte Geliebte, während der Rauch ihrer Zigarette sich in den Schwaden verlor. Friede spürte, wie sein Sein sich ausdehnte, wie er mit jedem Atemzug der Frau tiefer in die Poren der Zeit einzog. Der Duft des Tabaks — dick und süß wie ein versprochenes Ende — mischte sich mit dem Zedernholz der Sauna und den süßsalzigen Noten von Schweiß. Es war, als würde die Welt selbst atmen, und Friede war ihr Atem.
Ihr Atem waren ruhig, in ihm lag eine Zärtlichkeit, die nichts Menschliches hatte. Es war die Zärtlichkeit der Zeit, die sich ausdehnt und wieder zusammenzieht, unbarmherzig und dennoch tröstlich. Friede verlor sich. In der Sauna, im Rauch, in der Süße und seiner eigenen neugefundenen Cremigkeit. Und als er nichts mehr war als ein Hauch von Erinnerung, der sich mit der Luft vermischte, spürte er zum ersten Mal, was es hieß, da zu sein.
Draußen lag der Winter unendlich weit entfernt. Doch Friede fürchtete ihn nicht mehr. Er war die Sonne, die Hitze, die Haut, das Leben. Und als die Frau tief ausatmete, verschwand er mit dem Rauch, ein letzter Gruß an die Ewigkeit, wenn auhc nur für kurz. Der Sommer kam bisher, meist immer wieder. Nur die Sommerferien, die sind irgendwann vorbei.