Pas de Velours 2020

Sniffsniff
19.02.2024 - 05:28 Uhr
19
Top Rezension
10
Preis
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Einfach stricken

Da ich in letzter Zeit immer häufiger feststelle, dass man offensichtlich davon ausgeht, einen Duft mit 50 bis 60 Wörtern hinreichend beschreiben und würdigen zu können, werde ich die folgende Rezension in zwei Teile gliedern: Teil 1 sagt alles aus, was man über den Duft wissen muss, Teil 2 richtet sich an Menschen mit zu viel Tagesfreizeit.

Teil 1: Hammergeiler Juice, echt kuschelig und auch bissi sexy, ordentliche Performance, völlig underrated. Preis-Leistungskracher. Absoluter Must-Buy für Vanille- und Weihrauch-Fans.

Teil 2:
Wie ich an diesen Duft kam, ist schnell erzählt: Irgendwo auf dieser Seite "Pas de Velours" aufgeschnappt, Duftseite besucht, Pyramide und Statements gelesen, Abfüllung geordert.

Tja, und irgendwann kam die Abfüllung ins Haus geflattert, wurde auf den Handrücken gesprüht und für gut befunden. Nein, hier kokettiere ich mit nordischer Zurückhaltung. Seit ich "Pas de Velours" das erste Mal gerochen habe, bin ich diesem Duft regelrecht verfallen.

"Pas de Velours" ... hach, wat klingt dat fein. Très français! Aber was heißt das eigentlich? Mein Schulfranzösisch sagt mir sofort "kein Samt". Hallo? Kein Samt? Nö. Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein. Wie kann man einem so wunderbar warmen und wirklich samtweichen Duft denn bitte qua Namen jegliche Samtigkeit derart explizit absprechen? Muss also noch mehr dahinterstecken. Das Wort "Pas" ist nämlich ein ganz hinterhältiger Zeitgenosse; kann es doch nicht nur als Baustein für die französische Verneinung Verwendung finden, sondern auch als Vielzweck-Nomen, das unter anderem Schritt, Tanzschritt, Gang, Straße oder Sohlen bedeutet. Und "Pas de Velours" sind in Frankreich das, was der Deutsche landläufig als Samtpfoten bezeichnet. Katzenfüße. Aha. Ja, damit bin ich namenstechnisch complètement d'accord.
Schmiegt "Pas de Velours" sich doch so geschmeidig an seine/n Träger*in wie ein schnurrendes Katzentier auf Kuschelkurs. Wohlgemerkt ein krallenloses Katzentier. Denn der Weihrauch, der diesen Duft zweifellos dominiert, ist hier nicht kratzig und kühl verbaut, sondern wird von einer fluffig-leichten Vanillewolke umwoben, die ihn warm und einladend wirken lässt. Und zugegeben: Viel mehr passiert hier auch nicht. Die Pyramide erlaubt keine Zweifel, dass "Pas de Velours" in seiner Konzeption eher einfach gestrickt ist. Ylang-Ylang im Kopf, Weihrauch im Herzen, Vanille in der Basis. Es geht komplexer. Und auch die Kombination von tropischem Ylang-Ylang und Weihrauch klingt irgendwie grotesk. Ungefähr so harmonisch wie Karamellkuchenakkord an Zibetkatze und Bibergeil. Aber um es kurz zu machen: Dieses sonderbare Dreigestirn schafft es, dem Weihrauch seine sakralen Zähne zu ziehen und ihm eine zugewandt-optimistische Aura zu verleihen. So zeigt "Pas de Velours" gleich in der Kopfnote seine streichelzarte und helle Seite, die von einer angenehmen, an Puderzucker erinnernden Süße flankiert wird. Der weitere Duftverlauf ist, wie die Pyramide bereits erahnen lässt, nicht besonders spektakulär. Aber das muss er auch nicht, denn dieser süßrauchigwarme Kokon des Wohlbefindes darf gerne genau so verweilen. Mit der Zeit setzt sich der Duft jedoch ein wenig, die Vanille tritt stärker in den Vordergrund und verweist Ylang auf die Ränge. Hier wird der Dufteindruck schließlich dunkler, intimer und ambrierter.

Ich liebe den Geruch von Weihrauch und war lange auf der Suche nach einem tragbaren Duft, der diese Note deutlich herausstellt, ohne dabei in eine angestrengt avantgardistische Richtung "olfaktorischer Performancekunst" abzudriften. Vieles habe ich gestestet, Vieles roch nach Weihrauch (und einiges davon wie Hulle), aber wirklich tragbar im Sinne meines antiquierten Dogmas "Parfum als schmeichelnder Wohlgeruch" war das wenigste.

Mit "Pas de Velours" habe ich nun einen wirklich feinen Weihrauchbegleiter an meiner Seite, der mich vollumfänglich begeistern kann. Es fasziniert mich, wie gekonnt die drei Hauptakteure hier zu einer zauberhaften Einheit verwoben wurden, die mich den ganzen Tag wie ein silbriggoldener Schleier umschmeichelt. Manchmal ist weniger mehr. Manchmal reicht es, wenn Parfumeur*innen einfach stricken.
20 Antworten