Scent Stories Vol.2/Ch.03 - Chef's Table 2015

SirLancelot
23.07.2022 - 13:25 Uhr
11
Sehr hilfreiche Rezension
6
Preis
8
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft

Bio...................

Mit Beginn des Kochbooms Mitte der 90er Jahre fanden diverse Köche ihren Weg in die Studioküchen um in mittlerweile unzähligen Kochsendungen mit immer neuen kulinarischen Kreationen Studiozuschauer und mit Begeisterung vor dem TV-Gerät sitzende Hobbyköche zu überraschen. Die mit Sternen ausgezeichneten Herrn Lafer & Schuhbeck oder die eher unkompliziert propagierenden Herrn Mälzer & Lichter schnippelten um die Wette, kochten Woche für Woche um das Beste aus jedem Gericht heraus zu brutzeln, auch nie verlegen um den einen oder anderen hilfreichen Tipp für daheim.

Dabei handelt es sich bei Kochsendungen keineswegs um ein neueres Phänomen. Vermutlich wird sich hier im Forum kaum jemand an den Schauspieler Clemens Wilmenrod (sich selbst auch liebevoll „Karl May der Küche“ betitelnd) erinnern, der bis 1964 sage und schreibe 185 Mal in seiner 15-minütigen Kochsendung ohne entsprechende Ausbildung relativ einfache Gerichte kreierte, darunter unvergessliche Klassiker wie Toast Hawaii (Toast, Kochschinken & Ananasscheibe aus der Dose), arabisches Reiterfleisch (Frikadelle mit Paprikapulver) schuf und sogar als eigentlicher Begründer dieses Genres gilt.

Ebenfalls ohne Kochausbildung, dafür aber mit einem Prädikatsexamen in Jura in der Tasche, prämierte 1994 der als Alfred Franz Maria Biolek 1934 in Tschechien geborene ZDF Justiziar und Hobbykoch in seiner Sendung „alfredissimo“, wobei Biolek bis dato in diversen Formaten durchaus als gelassener und unterhaltsamer Moderator in „Boulevard Bio“ oder Bio’s Bahnhof überzeugte. Wurde die erste Folge noch in seiner eigenen Küche daheim aufgezeichnet, wurde diese später originalgetreu im WDR Studio nachgebaut, und während es aus der heißen Pfanne duftete, plauschte eine illustre & vielfältige Gästeschar mit ihm in ungezwungener entspannter Atmosphäre bei einem oder zwei obligaten Gläschen Wein.

Chef‘s Table bildet genau diesen Arbeitsplatz (hart) arbeitender Köche ab. So, und welche Zutaten runden, verfeinern jedes Gericht wunderbar ab? Genau, Gewürze. Und: Kräuter! Gerne in Bioqualität. Auf meiner Haut entwickelt sich nach dem Aufsprühen eine herb-aromatische Kräutermischung: Dill, Basilikum, Salbei, aber auch Tomatenblatt. Schließt man die Augen, fühlt man sich in einen sommerlichen italienischen Garten versetzt. Unzählige Tomaten, Schüsseln, gefüllt mit leckerem Pesto oder einer leckeren Gazpacho, dabei weht eine angenehme kühl-sommerliche Abendbrise um die Nase. So wie man es bei den aktuellen Temperaturen doch gerne hat.

Gute anderthalb Stunden später gesellt sich ein Veilchen hinzu, fügt sich ganz wunderbar ein. Der Duft wird nun runder, interessanterweise auch etwas süßer. Und dann wächst langsam und unbemerkt eine Rose heran, fügt sich nach und nach ziemlich überraschend in die Komposition ein, wird aber nicht dominant. Alles riecht sehr ausgewogen. Nach über drei Stunden haben sich die Kräuter zurückgezogen, lediglich der Salbei ist verstärkt wahrnehmbar. Insgesamt passiert jetzt nicht mehr viel, in den letzten Stunden blenden sich die Duftnoten weiter aus bis vermutlich nur noch die Tonkasüße bleibt und auf einer stützenden Moschusbasis so langsam ausklingt.

Unterm Strich kann ich mir zwar nicht vorstellen, dass dieser Unisex-Kräuter-Gourmand ein massentauglicher Renner sein wird (mit heutigem Blick auf die Habenliste werden 19 Besitzer gezeigt), dafür ist er nun doch etwas zu speziell, meiner Meinung nach trotzdem sehr spannend, wenn vielleicht in der Kopfnote auch nicht ganz neu - die Tomatenblatt/Basilikum Kombination war bereits 1976 in Eau de Campagne zu finden. Mag man im Parfüm überwiegend Kräuter, wäre alternativ ggfs. Spezie noch eine Idee, nur ohne das im Dry Down kommende süßliche Element.

Noch ein Wort zum Flakon: schwarz-lackiertes Klarglas mit kubischer Magnet-Holzkappe, jede Flasche von Hand gesiebt und poliert, angenehmer Sprüher, eingebettet in edler mit Stoff ausgekleideter Schatulle (die mich etwas an einen Sarg denken lässt). Jede Box ist vom Gründer Chad Murawczyk handsigniert & nummeriert.

Alfred Biolek schlief vor einem Jahr am 23. Juli 2021 im Alter von 87 Jahren in seiner Kölner Wohnung für immer ein und doch zu früh. Ein immer großartiger Moment in seiner Kochshow war die Würdigung des fertigen Gerichts durch sein wertendes Mmmh (eher so lala) bis zu einem überbordenden Mmmmmmmh…Mmmmmmmmmmmmh.

Für diesen Gewürz-Krautpleaser gibt’s von mir ein klares Mmmmmmmmmmmmmmh.
10 Antworten