24.10.2023 - 07:07 Uhr
MajorTom
106 Rezensionen
MajorTom
Hilfreiche Rezension
5
Wenn die Ansprüche steigen
Meine 100. Rezension galt einem Duft, der es wirklich wert war, beschrieben zu werden: Brunello Cucinelli. Nach diesem kleinen, persönlichen Jubiläum war ich gespannt, welcher Duft mich als Nächstes zu einer Rezension verleiten würde. Denn in all den Jahren, seit ich auf diesem Portal bin, mal mehr mal weniger aktiv, haben sich meine Ansprüche hinsichtlich eines EdTs und/oder EdPs doch klar verändert. Alles ist gestiegen. Meine Ansprüche an Düfte. Meinem Gefühl nach auch die Preise für Düfte im Allgemeinen. Die schiere Anzahl an jährlichen Neuerscheinungen sowieso. Und meiner Wahrnehmung nach auch die Anzahl der Leute, die sich morgens womit auch immer mehr oder weniger vernehmbar eindieseln.
Als ich dann in einem Herrenmagazin (Tweed) auf eine Reihe mir unbekannter Düfte gestoßen bin, war klar, dass Cinematic von „Der Duft“.
Cinematic hört sich vom Wort her für mich modern an. Irgendwie digital. Gemäß dem Parfümeur „…Noten und Akkorde, die hin und her wandern…dynamisch und luftig…“. Gut, Papier ist bekanntermaßen geduldig, am Ende des Tages zählt das Endergebnis und das gefällt oder eben nicht.
Unboxing. Eine stabile Kartonage schützt den Inhalt während des Transports. Sehr unaufgeregt kommt die Schachtel daher und der Flakon selbst haut mich jetzt im ersten Moment nicht aus dem Stuhl. Eine Art Würfel, versehen mit einem Aufkleber. Das ist schon sehr sehr einfach gemacht, Puristen aber würden in Jubelstürme ausbrechen und das Design als super clean bezeichnen. Ich finde es einfach nur billig, es catcht mich überhaupt nicht, sorry. Wenn ich 120 Steine abdrücken muss, habe ich auch an den Flakon eine Erwartungshaltung. Immerhin, die Verschlusskappe besitzt einen Magnet, welcher sauber funktioniert und ähnlich wie bei den Louis Vuitton Düften eine gewisse Hochwertigkeit erkennen lässt. Auch der Sprühkopf verrichtet einen seriösen Job und verteilt den Inhalt in einem nachdrücklichen Nebel.
Der Duft. Erster Eindruck: Wow, ganz schön scharf! Ich schwanke zwischen Pfeffer und Ingwer, die Duftpyramide stellt klar, dass es sich um die krautige Pflanzenwurzel handelt. Zum Glück ist die Schärfe nicht von allzu langer Dauer, denn schnell bekommt sie die Gesellschaft von zitrischen Noten. Noch irritiert von der Schärfe zum Auftakt kann ich auch mit der neu entstandenen Kombi wenig anfangen, erinnert mich irgendwie an einen Geruch zwischen WC-Stein und Badreiniger. Also gebe ich der ganzen Mixtur erst mal Zeit sich zu entwickeln und widme mich anderen Dingen. 30 Minuten später gefällt mir Cinematic schon deutlich besser. Die irritierenden Anklänge zum Start sind verschwunden, was in meiner Nase vernehmbar bleibt, ist eine Mischung aus im wesentlichen Ingwer, Zitrone und einem Gewürz (die Duftpyramide führt Kardamon an). Und dennoch kommt der Duft jetzt irgendwie weicher daher als zu Beginn, ich bilde mir ein, Vanillenoten zu vernehmen. Mit der Vanille ist das so eine Sache, ich bin nicht zwingend ein großer Fan davon. Ich mag keinen Kaffee, der mit Vanille, Caramel oder sonstigstem geschmacklichem Beiwerk durchzogen ist. Ich habe auch meine Schwierigkeiten mit Tom Fords Vanille Fatale oder Tobacco Vanille, ganz zu schweigen von YSLs Black Opium. Warum? Weil eine zu starke Vanille-Note sehr süß, blumig und weiblich rüberkommt und das ist meins einfach nicht. Bei Cinematic finde ich die Vanille aber perfekt mit dem Ingwer ausbalanciert, man schätzt und akzeptiert sich gegenseitig, ja ich bin sogar geneigt zu sagen, beide ergänzen sich wunderbar. Stunden später hat sich vom Grundcharakter nicht mehr wirklich viel verändert, aus meiner Sicht ein angenehm würziger aber keinesfalls aggressiv auftretender Geselle. Nicht vollkommen überraschend wird die Zitrone im Verlauf der Stunden immer schwächer und die vorhandenen Gewürze, im Zaum gehalten von Vanille- und Moschusnoten, bleiben übrig, ehe der Duft nach Stunden sanft ausklingt.
Sillage: Ja, ich muss schon sagen, der anfängliche Wumms von Cinematic ist nicht von schlechten Eltern. Kommt deutlich vernehmbarer um die Ecke, als ich es erwartet hätte. Von langer Dauer ist der Auftritt allerdings nicht, bei mir ist nach etwa zwei Stunden nicht mehr viel übrig. Einen Test auf der Kleidung habe ich nicht durchgeführt, hier mutmaße ich eine klar längere Performance.
Haltbarkeit: Die geht voll in Ordnung. 7-8 Stunden, damit lässt sich leben, wenn man bedenkt, dass viele zitrische Düfte schon nach 3-4 Stunden Tschüss sagen.
Für wen und wann: Das zu beantworten fällt mir gar nicht so leicht. Zunächst, ich sehe den Duft klar unisex. Aus diesem Grund Punktabzug, ich steh einfach mehr auf die Macho-HauDrauf-EckenundKanten-HierKommIch-UltraMaskulin-Schiene wie Fetish von Roja Parfum oder Antaeus von Chanel. Cinematic ist ein Softie und wie schon Parfümeur Miguel Matos anführt, „…Basis, die einen abfedert.“ Das ist tatsächlich sehr gut auf den Punkt gebracht, weil dich der Duft über den Tag hinweg einhüllt, vielleicht sogar einlullt. Er ist dein Begleiter, er ist einfach da, aber unaufdringlich, fein, schön, hochwertig.
Mehr Latte Macchiato als Espresso. Mehr Kaschmirpullover als Lederjacke. Mehr Ugg-Boot als Cowboystiefel. Mehr Büro als Sport. Mehr ICE als U-Bahn. Mehr Jazz als Techno. Mehr Vanille- als Chili-Schote.
Ich sehe den Duft perfekt zur Geltung kommend in den Monaten Oktober-April/Mai, durch die Wärme, die er ausstrahlt. Man muss ihn tragen können und wollen. Er ist ein Charmeur und durchaus auch in der Ecke compliment fishing gut aufgehoben. Für jüngere Herren aus meiner Sicht gar nix, bei Damen schon eher die komplette Bandbreite.
Fazit: Es wird Tage geben, an denen ich ihn liebe. Und es wird Tage geben, wo er mir zu weich sein wird. Definitiv kein Blindkaufkandidat. Aber genauso definitiv eine spannende Ergänzung für diejenigen, die meinten, alles schon zuhause stehen zu haben.
Als ich dann in einem Herrenmagazin (Tweed) auf eine Reihe mir unbekannter Düfte gestoßen bin, war klar, dass Cinematic von „Der Duft“.
Cinematic hört sich vom Wort her für mich modern an. Irgendwie digital. Gemäß dem Parfümeur „…Noten und Akkorde, die hin und her wandern…dynamisch und luftig…“. Gut, Papier ist bekanntermaßen geduldig, am Ende des Tages zählt das Endergebnis und das gefällt oder eben nicht.
Unboxing. Eine stabile Kartonage schützt den Inhalt während des Transports. Sehr unaufgeregt kommt die Schachtel daher und der Flakon selbst haut mich jetzt im ersten Moment nicht aus dem Stuhl. Eine Art Würfel, versehen mit einem Aufkleber. Das ist schon sehr sehr einfach gemacht, Puristen aber würden in Jubelstürme ausbrechen und das Design als super clean bezeichnen. Ich finde es einfach nur billig, es catcht mich überhaupt nicht, sorry. Wenn ich 120 Steine abdrücken muss, habe ich auch an den Flakon eine Erwartungshaltung. Immerhin, die Verschlusskappe besitzt einen Magnet, welcher sauber funktioniert und ähnlich wie bei den Louis Vuitton Düften eine gewisse Hochwertigkeit erkennen lässt. Auch der Sprühkopf verrichtet einen seriösen Job und verteilt den Inhalt in einem nachdrücklichen Nebel.
Der Duft. Erster Eindruck: Wow, ganz schön scharf! Ich schwanke zwischen Pfeffer und Ingwer, die Duftpyramide stellt klar, dass es sich um die krautige Pflanzenwurzel handelt. Zum Glück ist die Schärfe nicht von allzu langer Dauer, denn schnell bekommt sie die Gesellschaft von zitrischen Noten. Noch irritiert von der Schärfe zum Auftakt kann ich auch mit der neu entstandenen Kombi wenig anfangen, erinnert mich irgendwie an einen Geruch zwischen WC-Stein und Badreiniger. Also gebe ich der ganzen Mixtur erst mal Zeit sich zu entwickeln und widme mich anderen Dingen. 30 Minuten später gefällt mir Cinematic schon deutlich besser. Die irritierenden Anklänge zum Start sind verschwunden, was in meiner Nase vernehmbar bleibt, ist eine Mischung aus im wesentlichen Ingwer, Zitrone und einem Gewürz (die Duftpyramide führt Kardamon an). Und dennoch kommt der Duft jetzt irgendwie weicher daher als zu Beginn, ich bilde mir ein, Vanillenoten zu vernehmen. Mit der Vanille ist das so eine Sache, ich bin nicht zwingend ein großer Fan davon. Ich mag keinen Kaffee, der mit Vanille, Caramel oder sonstigstem geschmacklichem Beiwerk durchzogen ist. Ich habe auch meine Schwierigkeiten mit Tom Fords Vanille Fatale oder Tobacco Vanille, ganz zu schweigen von YSLs Black Opium. Warum? Weil eine zu starke Vanille-Note sehr süß, blumig und weiblich rüberkommt und das ist meins einfach nicht. Bei Cinematic finde ich die Vanille aber perfekt mit dem Ingwer ausbalanciert, man schätzt und akzeptiert sich gegenseitig, ja ich bin sogar geneigt zu sagen, beide ergänzen sich wunderbar. Stunden später hat sich vom Grundcharakter nicht mehr wirklich viel verändert, aus meiner Sicht ein angenehm würziger aber keinesfalls aggressiv auftretender Geselle. Nicht vollkommen überraschend wird die Zitrone im Verlauf der Stunden immer schwächer und die vorhandenen Gewürze, im Zaum gehalten von Vanille- und Moschusnoten, bleiben übrig, ehe der Duft nach Stunden sanft ausklingt.
Sillage: Ja, ich muss schon sagen, der anfängliche Wumms von Cinematic ist nicht von schlechten Eltern. Kommt deutlich vernehmbarer um die Ecke, als ich es erwartet hätte. Von langer Dauer ist der Auftritt allerdings nicht, bei mir ist nach etwa zwei Stunden nicht mehr viel übrig. Einen Test auf der Kleidung habe ich nicht durchgeführt, hier mutmaße ich eine klar längere Performance.
Haltbarkeit: Die geht voll in Ordnung. 7-8 Stunden, damit lässt sich leben, wenn man bedenkt, dass viele zitrische Düfte schon nach 3-4 Stunden Tschüss sagen.
Für wen und wann: Das zu beantworten fällt mir gar nicht so leicht. Zunächst, ich sehe den Duft klar unisex. Aus diesem Grund Punktabzug, ich steh einfach mehr auf die Macho-HauDrauf-EckenundKanten-HierKommIch-UltraMaskulin-Schiene wie Fetish von Roja Parfum oder Antaeus von Chanel. Cinematic ist ein Softie und wie schon Parfümeur Miguel Matos anführt, „…Basis, die einen abfedert.“ Das ist tatsächlich sehr gut auf den Punkt gebracht, weil dich der Duft über den Tag hinweg einhüllt, vielleicht sogar einlullt. Er ist dein Begleiter, er ist einfach da, aber unaufdringlich, fein, schön, hochwertig.
Mehr Latte Macchiato als Espresso. Mehr Kaschmirpullover als Lederjacke. Mehr Ugg-Boot als Cowboystiefel. Mehr Büro als Sport. Mehr ICE als U-Bahn. Mehr Jazz als Techno. Mehr Vanille- als Chili-Schote.
Ich sehe den Duft perfekt zur Geltung kommend in den Monaten Oktober-April/Mai, durch die Wärme, die er ausstrahlt. Man muss ihn tragen können und wollen. Er ist ein Charmeur und durchaus auch in der Ecke compliment fishing gut aufgehoben. Für jüngere Herren aus meiner Sicht gar nix, bei Damen schon eher die komplette Bandbreite.
Fazit: Es wird Tage geben, an denen ich ihn liebe. Und es wird Tage geben, wo er mir zu weich sein wird. Definitiv kein Blindkaufkandidat. Aber genauso definitiv eine spannende Ergänzung für diejenigen, die meinten, alles schon zuhause stehen zu haben.