Narjis 2019

ElAttarine
11.03.2024 - 15:11 Uhr
24
Top Rezension
7
Sillage
7
Haltbarkeit
9
Duft

Sich verströmen…

Unterwegs mit dem Mietauto durch den Süden Marokkos. Ankunft in Taroudant. Wir sind den ganzen Tag durch Steinwüsten gefahren und betreten jetzt eine weitläufige oasenartige Gartenanlage auf einem alten Landgut, durchzogen von schmalen leicht verwilderten Wegen und mit einem etwas verfallen-bröckeligen Springbrunnen. Die Sonne scheint vom tiefblauen Himmel, aber die Grundtemperaturen sind jetzt im März noch ziemlich kühl. Das Gras leuchtet saftig-grün, die Orangenbäume tragen gleichzeitig leuchtend-bittere Früchte, Blütenknospen, und auch den Duft ihrer dunkelgrünen Blätter nehme ich wahr. Im Gras blühen unzählige kleine gelbe Reifrocknarzissen und verströmen ihren lieblichgrünen Duft. Latifa zeigt uns unser Zimmer in einem der alten Gebäude. Die Wände sind mit Tadelakt verputzt, in knallbunten Farben, orange und türkis, der mit Steinen ganz glatt und blank poliert wird. Sonnenstrahlen fallen durch die kleinen Fenster, das Licht flimmert. Auch hier ist es eher frisch. Was ist das für ein feiner geheimnisvoller Duft auch hier drinnen? Immer wieder nehme ich etwas Blumig-Holzig-Seifiges wahr: Auf dem Fenstersims stecken drei Sandelräucherstäbchen in einer frischen Orange…
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Das ist die Szenerie mit ihren sinnlichen Eindrücken, in die mich Narjis zurückversetzt. Dabei lag die Inspiration für den Duft gar nicht in Marokko, sondern in den Bergen oberhalb von Montreux, an der sogenannten „Montreux Riviera“, wo auf einem Plateau jedes Frühjahr Millionen von Narzissen blühen. Leider war ich noch nie dort. Das muss ein unglaubliches Erlebnis sein, wenn die gelbweißen Narzissen die Wiesen mit ihrem Duft füllen. Und zwar in einer absolut verschwenderischen Weise – nichts zurückhalten, nichts kalkulieren…
Wenn sich die zarten Blüten entfalten, werden sie recht schnell wieder vergehen, aber bis dahin verströmen sie sich. Sie können sich auch nicht wieder verschließen, so ist das nicht gedacht, einmal aufgeblüht, ist die Richtung klar. „Narjis markiert einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt“, steht auf der Homepage. Ja. Sich verschwenden in jede Richtung. Sich verströmen…
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Den Auftakt bilden herbe Orange und Bergamotte, wunderschön kombiniert mit würziggrünbalsamischer Angelika. Die Narzisse kommt dazu, Osmanthus und Ylang Ylang sind dabei, drängeln sich aber nicht vor. Moschus und Sandelholz tragen einen ganz leicht seifigen holzigen Eindruck bei, der mich an die besagten Räucherstäbchen in Marokko erinnert. In der Basis nehme ich grünliches Vetiver und Iris wahr. Die angegebene Vanille fehlt bei mir, ist mir Recht, hätte hier auch gar nicht gepasst. Das Herb-Zitrische und vor allem die wunderschöne Narzisse bleiben die ganze Zeit über präsent.
Nichts ist hier süß, wie die Einordnung glauben macht, sondern grün-blumig, aber der Duft ist kein schlichter Frischling, sondern hat große Tiefe durch Sandel und Moschus. Alles bleibt dabei in Bewegung und wird nie statisch. Frühlingswind also und kühl-herbe Blumigkeit, die nie banal oder soft wird.

„strömen fließen bewegen…
Unaufhaltsam im Sog der Tiefe
Verströmen in Liebe
von Herz zu Herz“
Es gibt kein Zurück. Ich möchte mich verströmen, ohne jedes Maß … ohne zu wissen wohin…

Danke an @UntermWert für die schöne Rezension, die mich auf den Duft aufmerksam gemacht hat, und an @Annecy81 für das Sharing – mittlerweile ist auch ein Flakon zu mir unterwegs.
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