Ormeli

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6 - 10 von 65
Ormeli vor 8 Jahren 25 12
10
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
9
Duft
Wie Tau in der Morgensonne
... oder mein Erster ‚bislang Unkommentierter‘

Nun kann sich meine Frau für Düfte nicht in dem Maße begeistern, wie ich. Zwar besitzt sie einige Flakons, doch die Zusammensetzung dieser illusteren Duft-Gesellschaft änderte sich im Laufe der Jahre kaum. Ist ein Fläschchen aufgebraucht, wird es ersetzt. Umso verblüffter war ich, als sie vor nicht ganz anderthalb Jahren, La Nuit de Bohème von Anna Sui aus der Stadt mitbrachte. Ein wunderschönes Parfüm, in einem ansprechenden Flakon. Sehr präsent, einnehmend und durch und durch feminin. Leicht pudrig, floral, frisch, fast beschwingt. Etwas Ähnliches ist mir bislang nicht unter gekommen.

Oh, wie schön! Dachte ich. Doch sieht man von ein paar Flakonfotos ab, fristete der ‚Neue ‘ zunächst ein ruhiges und beschauliches Dasein in einer Schublade. Bis vor ein paar Tagen. Da duftete sie plötzlich ganz anders. Das Flakönchen hatte wohl endlich genügend Standzeit gesammelt, und der Anna Sui war endlich an der Reihe.

Bemerkenswert ist die beneidenswerte Ausdauer. Mehr als 14 Stunden sind leicht möglich. Selbst nach einer böhmischen Nacht, bleibt noch ein holzig süßes Restchen zurück. Eine Entwicklung ist jedoch kaum nachvollziehbar. Im Verlauf wandelt sich dieses Werk nur gering während die hohe Intensität, die fast schon penetrant empfunden werden könnte, nicht nennenswert abnimmt. Erst am frühen Morgen nimmt er sich nach und nach zurück. Mit diesem Duft kann Frau sich nicht verstecken – das braucht sie auch nicht. Eine kleine Duftkeule und dennoch so leicht, dass ich davon gar nicht genug bekomme.

Pudrig? Ja – aber Moschus? Sicherlich nicht. Dieser Anna Sui verhält sich ein wenig, wie ein sauberer, fluffiger Moschusduft. Schwer zu sagen, welche Bestandteile das bewirken.

Eines darf nicht verschwiegen werden: La Nuit de Bohème wohnt eine gewisse Süße inne, die jedoch gut passt. Das wirkt leichter, geradezu zart und zerbrechlich, was auch der filigran gearbeitete Flakon suggeriert. Leicht flüchtig, wie die kleinen Perlen in einem Gläschen Champagner. Ein Wiederspruch in sich? Vielleicht. Einerseits stark und lang anhaltend und doch jedes Mal, wenn ich ihn erneut wahrnehme, dieser zerbrechliche Moment, wie wenn man sich der Schönheit einer taubenetzten Rose im Licht der Morgensonne bewusst wird.

Ein tieferes Durchdringen des Duftgeschehens fällt schwer. Zumal ich überwiegend die Eindrücke eines Bedufteten wiedergebe – also nicht die Erfahrungen der Trägerin spiegele. Lotus, Rose, Orchidee wirken Hand in Hand. Hier stört keine stechende Oudnote, kein markantes Patchouli oder gar Amber, welches alles per Weichzeichner verschmiert - sowas bleibt uns erspart.

Wem nach einem kräftigen, leicht süßen, floralen und prickelnden Glas Champagner ist, wer sich von einem wohlig leichtem, frühlingshaften, dabei aber nicht zu blumigen Eindruck wegtragen lassen möchte ist mit Anna Suis EdT La Nuit de Bohème gut beraten. Feminin, aber nicht wie sonst, weichgespülter zart-betörender Blütenzauber, sondern eher eine Aura von Weiblichkeit, wie ich sie mir nur wünschen kann. Eigentlich federleicht! Doch angesichts der Stärke und Präsens dieses Anna Sui könnte das leicht als Polemik gedeutet werden. Daher: Einfach mal Probieren.
12 Antworten
Ormeli vor 8 Jahren 24 14
10
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
F(l)ight of the Bumblebee
Vielleicht habt Ihr Euch ja auch schon einmal gefragt, wie eine so relativ kleine Erdhummel es schafft, eine veritable Erdhöhle zu graben um dort ihr Nest einzurichten? Gar nicht! Sie buddelt nicht selbst, sowas überlässt sie Anderen, die sie notfalls auch schon mal aus deren Höhlen und Bauen vertreibt, indem Sie frech in das Nest krabbelt und mit ihrem Stachel solange vor deren Nasen herumfuchtelt, bis es den Baumeistern zu heikel wird und diese das Weite suchen.

Auf einer Wiese mit reichlich Kräutern ist Madame Bourdon gut aufgehoben - solange es nicht brennt, so dass Qualm und Rauch in den frisch eroberten Bau ziehen. La Fumée würde unseren kleinen, aber rabiaten Freundin zwar nicht ernsthaft schaden, doch sicherlich auch sie aus dem Nest treiben. Vielleicht ergibt sich da ja eine Chance für Feld- und Spitzmäuse die, mit kleinen La Fumée – Zersäubern bewaffnet, ihre Nisthöhlen zurückholen.

Trotz der drei grausamen „K“ also Kardamom, Koriander und Kreuzkümmel der bei Lyn Harris ja gerne vorkommt. Und trotz der von mir (zu recht) gefürchteten Kamille – die mag ich nicht mal im Tee – gefällt mir dieser rauchig-würzig-krautige, leicht kühle erste Eindruck inzwischen sehr gut. Gefällt mir, nach fast einem Jahr und unzähligen Tests sogar so gut, dass schon fast von Sucht die Rede ist.

Werkelt da evtl. auch etwas Wacholder in der zweiten Reihe? „La Fumée“ hält während der ersten Hälfte, der gut achtstündigen Entwicklung, was der Name verspricht. Nämlich feiner, leichter Rauch. Keine Sorge, Tränen treibt er nicht in die Augen, aber eine, für unvorbereite Nasen, beinahe zu tüchtige Portion des Olibanum-Baumharzes, unterstützt - vielleicht sogar getragen - von kühlweichem Lavendel und einigen Krümeln Elemiharz, machen den Nasenflügeln zunächst mal ordentlich Dampf.

So gegensätzlich die Bestandteile laut Pyramide auch sein mögen, so ein harmonisches Gesamtbild liefert dieser Miller Harris ab. Eine gute, nicht zu heftige Silage und auch nach dem Abklingen bleibt noch ein angenehmes, leichtfüßiges Restchen auf der Haut zurück.

Thema Nr.1 ist zweifellos der Weihrauch mit einer winzigen Portion harzig, weich-zartem Balsam. Zur Basis hin wandelte sich La Fumée zu trocken-lieblichen Hölzern. Und wenn nicht Birkenteer, Oud und Amber in Kombination spannend, ja sogar leicht verrucht, doch zumindest duster klingen ist er wunderschön und harmonisch ausgearbeitet.

Zistrose, ihres Zeichens Lieferantin des aromatischen Labdanum, ist aus der Beschreibung verschwunden – aber für mich in den balsamischen Anteilen immer noch vorstellbar. Am besten passt eine jahrhundertealte Sitzbank, in einer katholisch-orthodoxen Kirche, nach Weihraucheinsatz. Dunkles, schweres Holz und leichtschwebender Weihrauch. Keine Spur von Räucherstäbchen – außer vielleicht in den ersten Minuten. Der gesamte Eindruck und die behutsame Entwicklung leben von den gut verpackten Gegensätzen. Perfekt aufeinander abgestimmte Kräuter mit einem Hauch von Wacholder. Wobei ich zunächst an Lorbeer gedacht hatte.

Zeitlos und elegant, nicht rußig-rauchig wie z.B. La Yuqawam aber auch nicht ganz so zart-weihrauchig, wie bei L’Atisan Mon Numéro 10. Irgendwo dazwischen. An heißen Tagen genauso vorteilhaft, wie in den kühlen Monaten. Für hektische Meetings, wie für stilvoll gepflegten Müßiggang. La Fumée ist für mich zu einem gern gerochenen und häufig getragenen Begleiter geworden.

Wie eine herbstlich-windige aber laue Nacht, tiefschwarze Wolkenfetzen jagen am vollen Mond vorbei. Aus der Ferne klingt leise Pachbels berühmter Canon in D-Dur. Hach-ja in so einen meditativ, ruhig-entspannten Zustand versetzt mich La Fumée gerne. Doch schon beim nächsten Versuch ist er wieder so lebhaft wie Nikolai Rimsky-Korsakovs Hummelflug.
14 Antworten
Ormeli vor 8 Jahren 21 13
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Dunkel, nicht finster!
Wenn die Sonne noch mal von einem strahlend blauen Himmel lacht und bei angenehmen Temperaturen der Spätsommer schleichend in den Herbst übergeht, dann geht es mir gut. Dann nutze ich gerne das schöne Wetter und gehe auch mal das letzte Stück zur Arbeit zu Fuß. Und - obwohl mein Weg mitten durch die Stadt führt - ist es dort oft ruhiger als bei mir draußen, auf dem Land - meistens jedenfalls.

Kürzlich kam ich dabei an einem Gebüsch vorbei welches unter der Last seiner gefiederten Besucher schon gefährlich Schlagseite bekommen hatte. Mit ohrenbetäubendem, ja fast schon infernalem Gezwitscher, machten sie ihrem Unmut Luft. Lange musste ich nicht suchen, um den Übeltäter zu entdecken – nein keine Samtpfote, eine kohlpechrabenschwarze Krähe, die es sich auf einer Dachrinne, neben dem Gebüsch bequem gemacht hatte, sichtlich Zufrieden mit sich, der Welt und dem gestifteten Chaos. Ein Trupp Tauben, auf der gegenüberliegenden Straßenseite trappelte unruhig von Bein zu Bein, nur ja nicht auffallen, Abstand halten, auf Nummer Sicher gehen.

Abstand halten! Das möchte ich einigen meiner Zeitgenossen auch manchmal empfehlen. Nicht Auffallen? Na ja - wer sich intensiv mit Düften beschäftigt und rege testet fällt zwangsläufig früher oder später auf. Doch gelegentlich gehe auch ich auf „Nummer Sicher“. Dann denke ich nicht lange darüber nach, was ich wem noch zumuten könnte und greife blind zu Oud Absolu, also dem M7 in seiner reformulierten Form aus dem Jahr 2011.

Irritierender Weise prangt auf dem Flakon die Jahreszahl 2002 und auch die dort aufgedruckte Inhaltsangabe erschließt sich erst nach und nach. Zunächst dachte ich, sie orientiert sich an der rötlichen Variante aus der längst abgelaufenen Dekade, die ich bislang jedoch noch nicht getestet habe.

Wer einen zitrischen Start mit Mandarine oder Bergamotte erwartet, geht leer aus. Die angegebenen Früchte suche ich vergebens, offenbar verstecken sie sich vor mir. Sehr direkt und ohne Umwege geht es dann zur Sache. Gleich in der ersten Phase schwebt diffus, ein leicht süß-herber, balsamiger und leicht harziger Akkord in der Luft. Adlerholz hätte ich wirklich nicht vermutet. Stünde es nicht auf den Flakon hätte ich es nicht erwähnt. Vielleicht ist es die Mischung aus ISO-Oud und den frischen Hesperiden die für diesen süß-frischen, balsamweichen ersten Akt verantwortlich. Würde mich nicht wundern, wenn da auch das von mir ungeliebte Patchouli seine Finger im Spiel hätte.

Dieser erste, und markanteste Teil der Entwicklung, wirkt auf mich anregend, treibt mich an ohne dabei Unruhe zu stiften. M7 OA schlägt, ganz nach meinem Geschmack, eher leisere Töne an.

Im zweiten Akt, schieben sich holzigere Noten ins Rampenlicht. Ohne dass sich dabei der Charakter des M7 OA wesentlich verändert. Peu à peu verabschieden sich die balsamischen Anteile, für die ich unter anderem auch Zistrose bzw. Labdanum verantwortlich sehe. Es wird trockener, aber nicht strohtrocken. Am Ende dieser Phase sind edlen Hölzer gut, aber nur noch hautnah wahrnehmbar.

Nach rund sechs bis sieben Stunden fühle ich einen mineralischen, ganz leicht erdigen Einschub, der sich für gut eine halbe Stunde hält. Das ist der Punkt, an dem die Projektion fast gänzlich verschwunden und der M7 OA nur noch direkt auf der Haut wirkt. Dabei entwickelt sich ein herb-süßer Unterton, was sicherlich der Myrrhe zugeschrieben werden kann. Alles in allem bleibt nun nur noch trockenes Edelholz mit einer balsamischer Ummantelung.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Für sich genommen ist dieser M7 heftig – aber nicht wirklich schwer. Er ist dunkel aber nicht finster. Irgendwie schwer zu fassen, was auch die große Bandbreite der vorhergehenden Kommentare spiegelt. Wenn ich ihn trage fühle ich mich rundherum wohl, M7 OA ist ausgewogen und sehr gut ausbalanciert. Ein harmonischer und auf mich beruhigend wirkender Allzweckduft mit orientalischen Anklängen. Kein Wummser aber auch nicht langweilig. Irgendwie Unaufgeregt aber dennoch präsent und fordernd. Gelegentlich fange ich mit ihm sogar ein Kompliment ein.

Passend zur Jahreszeit, war er zeitweise meine Herbstsignatur, hinterlässt er auch im weiteren Jahresverlauf einen tadellosen Eindruck. Die Silage (auf der Haut, wie auf Textil) ist ordentlich. Die Haltbarkeit empfinde ich mit rund sechs Stunden als gerade noch ausreichend. Direkt auf Haut ist er aber auch noch für weitere zehn bis zwölf Stunden problemlos identifizierbar. Eher ein Herrenduft, den ich dem weiblichen Geschlecht jedoch nicht per se vorenthalten würde.
13 Antworten
Ormeli vor 8 Jahren 24 16
7.5
Flakon
2.5
Sillage
5
Haltbarkeit
4.5
Duft
Sollen wir Männer nun zu Fruchtgummitierchen mutieren?
Kurz vorweg: Ich hole erst mal etwas aus. Wer sich nur schnell über den Duftverlauf informieren möchte, bitte direkt nach den Sternchen weiterlesen.

Mensch Leute! Was ist bloß los? Ein Parfüm nach dem anderen über- bzw. unterbietet das vorhergehende an uninspirierter Gefälligkeit, Einheitlichkeit und klebriger Süße. Auffällig unauffällig scheint das Credo. Bloß keinen eigenen Standpunkt beziehen. Wie im Leben, so beim Duft, liken, hypen und mit-schwimmen scheint das einzig Seelig machende Ziel.

Warum Ecken oder Kanten zeigen? Die werden doch sowieso abgeschmirgelt! Wer sich nicht gibt wie alle anderen, wer sich nicht anpasst, der kommt nicht weiter. Und wer nicht weiter kommt ist sowieso bald weg.
Überlebenstrieb könntet Ihr mir jetzt entgegnen. OK – das ist schwerlich weg zu diskutieren. Dann geht es natürlich nicht an, mit einem solide gearbeiteten, interessanten Duft ein Statement zu setzen. Da scheint dann die Devise „Lieber Mittelmaß“ zu lauten. Lieber an der Fahrstuhltür kleben bleiben, so süß erscheint mir The Scent, als seinem Gegenüber, wenigstens ab und zu mal, olfaktorisch die Stirne zu bieten.

So könnte ich noch stundenlang weiter schimpfen; mir den Frust von der Seele schreiben. Ich bin ein Kind der 80er Jahre. Wie einige andere Generationen auch waren/sind wir große Individualisten. Jaaaa lacht ruhig! Wir waren auch Selbstdarsteller und vielleicht, aus heutiger Sicht, nicht immer Stilsicher. Aber stets gewohnt unsere eigenen Schlüsse zu ziehen und unseren Mund, auch dann aufzumachen, wenn es um mehr als den eigenen Vorteil und die eigene Bequemlichkeit geht.

Komm wieder runter, Alter! Werdet Ihr jetzt vielleicht denken – sofern Ihr nicht schon nach dem zweiten Absatz den Daumen gesenkt und Euch dem nächsten Info-Happen zugewandt habt.
Hier läuft vieles schief! The Scent ist nur ein weiteres Symptom unserer uninspirierten, einfallslosen, ego-zentrierten Mainstream- und Spaßgesellschaft. Aber wie sollen wir Spaß haben, wenn uns die Nasenlöcher mit solchem Sirup zugekleistert werden? Ist das bereits chemische Kastration? Wer will schon einen Kerl, der noch süßer, noch fruchtiger und fluffiger duftet als die Freundinnen?!

Ganz klar: Ohne mich! Erst mal: Nein danke!

**

Der Ingwer in der Kopfnote wäre so, wie er hier verbaut wurde, besser in Konfitüre oder Ale aufgehoben.

Dank der exotischen Maninka- Frucht erhält The Scent dennoch einen Pluspunkt, da ich diese vorher noch nicht kannte, und The Scent somit meinen Horizont erweitert hat. Ich weiß nicht, wie ein gutes Maninka- Parfüm riechen würde. Vielleicht ist The Scent bereits die beste Annäherung an das tropische Gewächs die es je geben wird. Mir persönlich jedoch viel zu fruchtig und zu süß. Das Zeug ist wie Sirup. Und der Lavendel? Wo ist er hin? Hat er sich tief in die Füllung des Chesterfieldsofa verzogen, das uns in der Basis beglücken wollte?

Zugegeben ein klein wenig ledrig riecht es dann schon. Generell scheint es schwierig, Leder auf einen Flakon zu ziehen. Da hilft der Trick mit der atemberaubenden Süße natürlich gewaltig, um unerwünschte Nebenaromen in den Griff zu bekommen.

Als ob ich das besser hinbekommen würde, als die Chemiker bei P&G; nein – das maße ich mir nicht an. Mein Part ist schließlich und letztlich nur, den Geldbeutel für diese Komposition zu öffnen und fertig. Aber Sorry - ich hatte sie schon alle, Red und Bottled und Hugo und noch einige mehr und einen weiteren Kammeraden braucht es in dieser Sammlung wirklich nicht.

Nach drei bis vier Stunden ist das Süße weitestgehend verpufft und es wäre nun endlich an der Zeit, für die Lederkomponente. Aber da geht The Scent bereits die Puste aus und das Bosswässerchen murmelt nur noch leise und hautnah vor sich hin.

Wirklich schlecht ist er nicht, aber auch nicht wirklich gut. Mir zu schwach, zu lau und viel zu süß, zumindest in der Zeit, in der er wahrnehmbar ist. Da hilft auch keine exotische Frucht die kaum jemand kennt. Sogar der Name ist so einfallslos, dass er schon wieder genial ist. The Scent, also „der Duft“ oder „der Geruch“. So einen Geistesblitz hätte ich mir wohl lieber für einen echten Paukenschlag aufgehoben.

Alles in allem riecht The Scent wie ein Mix aus all meinen Bottled und den Baldessarinis. Nichts gegen Mainstream. In diesem Segment gibt es Manches wirklich gute und sicher noch vieles zu entdecken – vielleicht auch aus dem Hause Boss.

Dachte schon, mit Hugo Red – der mir Zeitweise sogar ganz gut gefallen hat - sei der markttaugliche Massen-Tiefpunkt erreicht. Offenbar jedoch noch nicht. Vielleicht sind es die niedrigen Zinsen, die es möglich gemacht haben, ein noch gefälligeres, noch ab geschliffeneres und mega-mengen-tauglicheres Parfüm zu kreieren, wie es mit The Scent vorliegt. Dem Hugo Red steht The Scent in diesem Punkt kaum nach.

Noch nie in der Geschichte gab es so viele Chancen und Möglichkeiten, für so ein so großes Publikum. Und was passiert? Wie die Lemminge stürzen sie sich auf ein paar weinige, noch nicht mal sonderlich gute oder raffinierte Düfte. Da kann auch ich mit meinem flammenden Plädoyer nicht viel bewegen. Aber wenn ich nur einen von Euch überzeugen konnte, mal die Nasenlöcher aufzusperren, auch wenn es anstrengend ist, sich durch den Duftdschungel zu schlagen, dann ist schon etwas gewonnen. Ein Prinz muss schließlich auch viele Kröten küssen, bevor er seine Prinzessin findet, aber es lohnt sich! Sicher!
16 Antworten
Ormeli vor 9 Jahren 25 17
7.5
Flakon
5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Hat sie nun den Stein der Weisen gefunden?
Spätestens seit Rowlings erstem Harry Potter Band weiß jedes Kleinkind um das Ziel der Alchemisten. Preiswertes Blei in kostbares Gold zu wandeln und ganz nebenbei auch noch Unsterblichkeit zu erlangen. Mit den Methoden der Chemie wird es nicht gelingen. Physiker bekommen zumindest das erste Kunststück hin – über die immensen Kosten der Prozedur und der mangelnde Stabilität des gewonnen Edelmetall sollte dabei jedoch besser hinweg gesehen werden. Tatsächlich wird auf der Web-Page von Olfattivo, Alkemi als Resultat, alchemistischer Versuche einer Transformation orientalischer Hölzer in duftendes Gold beschrieben.

Wenn ich einen tragbaren, balsamischen Duft nennen sollte, dann wohl diesen. Oberflächlich betrachtet passiert im gesamten Verlauf nichts wirklich Herausragendes. Alkemi durchschreitet in aller Seelenruhe seine Entwicklung und wandelt sich dabei scheinbar nur wenig. Die Übergänge sind seidenweich, die Bestandteile harmonieren perfekt.

Zuerst schmeicheln leckere, karamellig-holzige Akkorde den Nasenwänden. Saubere, leichte Noten, getragen von zartschmelzendem Amber der wohl einen wichtigen Anteil an diesem Eindruck von Kontinuität hat. Dem aus dem fernen Osten stammenden Ylang-Ylang wird nicht umsonst eine sinnliche Wirkung nachgesagt. Die blumige Süße ist hervorragend eingebettet, hat glücklicherweise jedoch nicht die Kraft, die Anmutung nachteilig zu beeinflussen. Auch wenn jetzt der Eindruck von fluffiger Leichtigkeit entstanden sein sollte, leicht ist Alkemi nicht, aber man merkt es kaum.

Alkemi macht glücklich, da stimme ich mit meinen Vorrednern überein. Den Weihrauch nehme ich nicht direkt wahr. Und als praktizierender Gelegenheitskatholik weiß ich genau, wie er riechen kann, wie er süßlich, herb-harzig die Sinne verklebt. Eigentlich ist er hier überhaupt nicht direkt wahrnehmbar, denoch würde etwas fehlen, falls kein Weihrauch dabei wäre. Myrrhe, auch nicht als Solist aktiv, verleiht dem Alkemi wohl diesen balsamisch weichen Grundcharakter.

Inzwischen sind mindestens fünf Stunden ins Land gegangen und - falls das überhaupt möglich ist - spüre ich noch mehr Weichheit, die nicht geschliffen oder gar weichgespült ist.

Apropos geschliffen, eine weitere unentbehrliche Tragsäule sind die erlesenen Hölzer. Da ich auch schon mal eine Säge in der Hand hatte, weiß ich wie unterschiedlich, selbst verwandte Hölzer riechen. Da kommt es teilweise schon darauf an ob nass, trocken oder gefroren gefällt wurde. Auch diese Aromen sind so geschickt verarbeitet, dass es unmöglich ist, heraus zu schnuppern ob - und wie viel Sandel und wenn ja, ob gar oranger, weißer oder eine Mischung verwendet wird.

Zeder finde ich stets sehr schön. Doch beim allerbesten Willen kann ich sie nicht von einer Atlaszeder unterscheiden, was bei diesem charismatischen Duft wohl auch Nebensache ist. Und – das hätte ich nun wirklich nicht ohne nachschauen rausbekommen – Kaschmirholz! Es könnte für den gelegentlich beschriebenen, orientalischen Charakter mitverantwortlich sein.

Schon vor der Basis findet Vanille ihren Weg an die Oberfläche. Aber so unauffällig zurückhaltend, dass auch hier wieder etwas fehlen würde, wenn sie nicht da wäre. Es wurde wirklich kunstvoll orchestriert, jede Nuance ist am richtigen Platz und macht das, was sie soll. Eigentlich ein heißer Kandidat für meine Top-5-Wunschliste.

Nach und nach, gut acht Stunden ist der Alkemi nun schon am Werk, ist er, zwar dezent, aber immer noch wahrnehmbar und geht in eine langanhaltende Phase über, in der er - ganz Nah auf der Haut - auch nach mehr als 12 Stunden noch eindeutig identifizierbar ist. Sehr angenehm zu tragen, könnte jedoch gerne etwas intensiver sein. Muss ja nicht gleich mit der Penetranz eines Crowd-Pleaser zuschlagen, aber ein paar Mol mehr pro Kubik würden nicht schaden.

Und? Hat Signora Duchêne nun gefunden, wonach wir dürsten? Ist es der olfaktorische-Philosopher‘s Stone? Handelt es sich um die blaue Blume der Nasen- Vögel? Es geht definitiv in die richtige Richtung. Bei mir bewirkt er, dass ein blöder Tag, zumindest gut Duftet. Beinahe ein Immer-Geher zu dem ich gerne greife, wenn ein kniffliger Termin ansteht oder ein ernster Anlas Extravaganzen verbietet. Fast zu schade um ihn, „einfach so“ zu tragen.

Geschaffen für sie und ihn, wobei ich Alkemi tendenziell eher bei den Herren sehe. Die kostbare Essenz empfiehlt sich nicht nur für jede Lebenslage, sie macht an trüberen Regentagen mit Orkancharakter genauso Laune, wie in pervers-heißen Hitzeperioden, was wir zuletzt ja ausgiebig genießen durften. Daher 100% - mit steigender Tendenz.

Meinen herzlichen Dank an Angelliese, der ich meine Dosis Alkemi verdanke.
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