loewenherz

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loewenherz vor 3 Monaten 45 6
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Duft
Der, dessen Name nicht genannt wird
Wenn wir ehrlich sind, waren die Düfte aus dem Hause Ford von Anfang an New Money und Ausdruck eines nicht eben als understated zu bezeichnenden Geltungskonsums. Tom Ford war als Marke immer laut. Das als Image konsequent auf- und auszubauen ist aber ein Statement, das seinen Platz und seine Fans gefunden hat, und da die Produkte lange Zeit akademisch interessant gedacht, hochwertig umgesetzt und als Gesamtportfolio mit Sorgfalt kuratiert waren - who cared?

Nun aber - und das fällt etwa mit der Übernahme durch Estée Lauder zusammen, was Zufall sein mag oder nicht, meine Vermutung ist zweiteres - verorten sich die Düfte aus dem Hause Ford nicht mehr 'nur' als New Money, sondern zusehends bei Influencern bzw. Oligarchen- oder Spielerfrauen. Parallel haben Originalität, handwerkliche Umsetzung und Kuration stark gelitten, und ich spüre weh in meiner Brust, dass das Label Tom Ford mich absehbar als Fan verlieren könnte.

Zentral bedauere ich den Mangel an Originalität - zuletzt wurde mit dem Thema Kirsche ein Trend aufgegriffen, der zu der Zeit noch so innovativ war wie ein abgetakelter Zirkusgaul - sowie die empörend nachlassende handwerkliche Qualität. Die Private Blends der ersten Generation boten komplexe Duftreisen, die über mehrere Stunden einer kaum zu antizipierenden Entwicklung folgten. Demgegenüber sind die Düfte der Gegenwart kaum mehr als der berüchtigte Kammerton A.

Beinahe ebenso langweilt mich die allzu forcierte und plakative Provokation mit den gewählten Namen. Ja doch, schlüpfrig und doppeldeutig - *kicher* - wir haben es verstanden! Wortspiele wie Lost Cherry und Rose Prick mögen Teenager in Texas noch verdruckst erröten lassen, aber die sind ja nicht die Zielgruppe des Hauses Ford. Und ich frage mich tatsächlich, ob wenigstens die Spielerfrau mit den (geschmackvollen!) Nackedeifotos so etwas wie 'Vanilla Sex' noch witzig findet.

Zur Erläuterung für die ganz Unschuldigen hier: 'Vanilla Sex' bezeichnet im Englischen die Standardvariante des Miteinander: Licht aus, nackig machen, ggf. orales Vorspiel, rauf auf die Mutti, Licht wieder an und fertig. Alles, was Zubehör, Hauen oder Ähnliches erfordert, ist eben nicht 'Vanilla'. Gleichfalls interpretieren könnte man den Namen natürlich als eine enorm sexualisierte Version des Duftakkords Vanille - soviel zum schlüpfrig-kreativen Wortspiel bei Tom Ford. Lustig.

Vanilla Sex - es widerstrebt mir tatsächlich etwas, den blöden Namen hinzuschreiben - ist kein schlechter Duft. In meiner Nase klar mehr Bittermandel als Vanille, aber ein durchaus nicht eindimensionaler Turbogourmand für die, die solche Zuckergeschwader mögen. Kein Vergleich natürlich zu Großen wie Guerlains Spiritueuse Double Vanille (den hat Tom Ford außerdem schon mit Vanille Fatale 'beliehen'), aber doch ebenbürtig etwa zu Heliotrope von Etro, den ich besitze, schätze und bisweilen auch noch trage. Seine Süße ist bei weitem nicht so künstlich, wie die gelisteten Ingredienzen befürchten lassen, die - bei Licht betrachtet - fast alle ja nur Bastarde von Vanille sind. Duftnoten, die gemeinhin als sinnlich oder 'sexy' empfunden werden - Moschus, Zibet, Bibergeil, aber vermutlich denke ich da zu französisch - werden den dominierenden Marzipan- und Vanilleakkorden auch in Herz- und Basisnote keine beigestellt. Und so ist 'Vanilla Sex' weniger sexy, als einfach nur ein albern-pubertärer Parfumname zu viel.

Fazit: wir verlieren uns so langsam aus den Augen, die Parfummarke Tom Ford und ich. Was auch, aber nicht nur dran liegt, dass ich zur Spielerfrau nicht tauge.
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loewenherz vor 3 Monaten 21 3
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Duft
Thestralenduft
Die Reise nach Hogwarts, jenem Internat im Norden Schottlands, in welchem die Geschichte des berühmten Zauberschülers Harry Potter spielt, wird im Wesentlichen mit dem Zug zurückgelegt, beginnend an Gleis 9 3/4 des Londoner King's Cross-Bahnhofs. Das letzte Wegstück aber wird mit Booten über den See bestritten sowie mit - scheinbar - führerlosen Kutschen. Erst später, im fünften Schuljahr, bemerkt Harry, dass diese Kutschen mitnichten von ganz alleine fahren, sondern von schwarzen, ausgemergelten Kreaturen gezogen werden, deren Gestalt reptilienartigen Pferden entlehnt ist. Diese Geschöpfe werden Thestrale genannt, und sie können nur von jenen wahrgenommen werden, die das Sterben eines Menschen mitangesehen haben.

So weit, so ungut. Doch sind Thestrale auch Wesen der Finsternis - erschreckend zunächst in ihrer Erscheinung, besonders, wenn man sie erstmalig sieht und dann begreift, warum - sind sie doch versehrt anmutende, stille Geschöpfe der Nacht. Ihr magerer Körper und ihre großen an Fledermäuse erinnernden Flügel sind mattglänzend wie Seide und weder warm noch kühl. Ihr dämonischer Kopf gleicht jenem eines Drachen, die Augen pupillenlos und scheinbar leer. Als Reittier gezähmt jedoch, so heißt es, kann ein Thestral jeden beliebigen Ort auffinden, an den seine Reiterin oder sein Reiter zu kommen begehrt. Und so gelangen Harry und seine Freunde auch auf Thestralen zur Halle der Prophezeiungen im Zaubereiministerium, als die Zeit drängt.

Einer ganz ähnlichen Erzählung - ein initialer Augenblick des Zusammenzuckens und dann nur Stille und Dunkelheit weit jenseits von Kategorien wie kalt oder warm - folgt auch Lutens' Poivre Noir, der beides - die beißende Schärfe und die Dunkelheit - bereits in seinem Namen trägt. Der Akkord von zerstoßenem Pfeffer zum Auftakt ist leuchtend und stechend und fast störend - wie die Erkenntnis der schwarzen Flügelpferde und wieso man sie nun erstmals sieht. Doch ist die Dauer dieses Auftakts limitiert, und er verklingt in einem hohlen, seltsam namenlosen Echo - wie trockenes Heu, das viel zu lange im Schatten lag, oder altes, vergilbtes und geborstenes Papier (das ist die Immortelle!) - zu kühl, um warm zu sein, und zu warm, um kühl erscheinen.

Fazit: Pfefferdüfte polarisieren mitunter - so auch dieser, dessen Auftakt scharf und beißend und beinahe provozierend ungefällig ist. Doch jenseits dessen ist Poivre Noir ein trockener Duft voll fahler Dunkelheit und Stille - kein Trost und keine Süße - so wie die mageren, schwarzen Flügelpferde mit dem Drachenhaupt, die nur erkennen kann, wer schon den Tod gesehen hat.
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loewenherz vor 4 Monaten 25 4
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Duft
Ein falscher Freund
Hier haben wir nun einen falschen Freund. Als solchen bezeichnet man in der Sprachwissenschaft ein Wort, bei dem der nichtnative Sprecher dieser Sprache sich dessen Bedeutung scheinbar sicher ist - ähnelt es doch einem analogen Wort in seiner eigenen Sprache. So mag etwa der Deutsche beim englischen Wort 'pathetic' denken, es handle sich um die Entsprechung von 'pathetisch'. Tatsächlich heißt es aber 'armselig'. Die Interlinguistik kennt viele solche falschen Freunde in fast allen Sprachen, und immer wieder fällt man auf den einen oder anderen herein.

Auch bei Parfums gibt es solch falsche Freunde - manche ganz zufällig und arglos, manche auch vorsätzlich - auch wenn die Analogie vielleicht doch etwas hinkt. Tom Fords Soleil Neige ist so ein Kandidat, denn 'Soleil' (Sonne) und 'Neige' (der Schnee) wie auch das Silberweiß seines Flakons suggerieren einen leuchtendkühlen Winterduft - wie eben ätherisch weißblendendes Sonnenlicht sich über frisch eingeschneite Felder gießt. Nichts könnte hier irreführender, nichts könnte falscher sein - denn Soleil Neige ist weder kühl, noch blendend, geschweige denn ätherisch weiß.

Soleil Neige ist ein Weißblüher - mit allem, was es daran zu lieben und zu fürchten gibt. Die initiale Bergamotte und die Ahnung von Tier und Harz in seinem Fonds vermögen nicht zu bemänteln, dass dieser Duft ein Wesen aus Jasmin und aus Orangenblüte ist - süß, tändelnd und für die, die Weißblüher nicht mögen (ich!), nachgerade schrill. Hier ist kein Schnee, hier ist nichts silbern, ist nichts ätherisch-blendend-kühl. Dies ist kein schlecht gemachter Duft, doch wenn etwas verheißen wird, das das Produkt nicht einzulösen in der Lage ist, bleibt ein enttarnter falscher Freund zurück.

Fazit: Soleil heißt hier nicht Sonne, und Neige heißt hier nicht Schnee. Stattdessen ein sommerlicher Weißblüher - handwerklich solide und ohne große Überraschungen gemacht, dafür mit dem berühmten Fordschen Blendwerk, jenem Zuviel von allem, das man liebt oder eben nicht. Und so ein richtig falscher Freund.
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loewenherz vor 4 Monaten 30 8
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Duft
Sleep, Dearie Sleep
So lautet der Name einer alten schottischen Weise, ursprünglich als Schlaf- und Wiegenlied geschrieben. Zumeist wird das Stück heute jedoch ernst und würdevoll mit dem Dudelsack zu Grablegen gefallener Soldaten vorgetragen. Elizabeth II. verfügte bereits zu Lebzeiten in der sogenannten Operation London Bridge (der detaillierten Planung ihres Begräbnisses), dass 'Sleep, Dearie Sleep' bei ihrer Beisetzung zu spielen sei - die Legende sagt, auf Empfehlung ihres persönlichen 'Pipers' - also Dudelsackspielers - Major Paul Burns, der ihr sehr nahe stand.

Sleep, Dearie Sleep. Es liegen Trost und Traurigkeit in diesen Worten - und das Ende von Pflicht und Mühsal und Entbehrung ebenso wie die Verheißung von lange herbeigesehnter Rast und Ruhe. Und Trost und Traurigkeit und Rast und Ruhe mögen Inspiration gewesen sein für Hylnds - Isle Ryder, einem jener stillen Düfte, die D.S. & Durga vor zehn Jahren dem spröden Land im Herzen Schottlands widmete, an dessen Rand Balmoral Castle liegt, das Sommerschloss des britischen Königshauses, in dem Elizabeth II. im Spätsommer letzten Jahres starb.

Schlafe, mein Liebling, schlaf. D.S. & Durgas Isle Ryder zitiert vieles aus jenem stillen schottischen Wiegen- und Trauerlied. Das Spröde, Raue. Skizziert durch geborstenes und trockenes Nadelgestrüpp. Das Unnahbare, Schroffe. Wiedergegeben durch ein mattes, merkwürdig dumpfes Grün, dem jede Frische und Jugend fehlen. Und schließlich das Versöhnliche, die Ruhe. Illustriert durch eine Süße, die mehr Harz und Honig ist als Blüten. Und eine versehrte Zärtlichkeit - wie ein sich rasch näherndes Licht, doch noch durchhaucht von Klage und Verlust.

Isle Ryder ist kein schwieriger Duft, wenn man ihn nicht schwierig empfinden will. Dann ist er graugrünbraun und waldig, zurückhaltend und vielleicht etwas fremd. Doch wenn man sich ihm öffnet, das Spröde und das Raue, das Unnahbare und Schroffe ebenso kommen lässt wie das Versöhnliche und Süße - den Tönen jener fernen Dudelsackweise gleich, dann gibt er viel mehr. Trockene Hochmoore und verlassene Heide. Köstliche Ruhe und einen unerwartet weichen Fonds. Und die Erinnerung an eine Königin in ihrem geliebten Schloss am Rand der Highlands.

Fazit: ein Duft für Augenblicke der Einkehr und der Stille. Vielleicht ein Duft für draußen. Einer für die blaue Stunde. Und falls ein Duft zu Dudelsackmusik gesucht wird - hier!
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loewenherz vor 5 Monaten 24 4
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Duft
All gone astray?
Ich vermisse die Tom Ford Private Blends der ersten Generationen manchmal. Ich vermisse, wie sie gedacht und gemacht wurden - und wer sie waren, und die Geschichten, die sie zu erzählen hatten - was die rezenten Produkte des Labels Tom Ford nun nicht mehr tun. In Kopf-, in Herz- und Basisnote - direkt nach dem Auftragen, nach einer Stunde und am Ende eines langen Tages sind dies oft völlig unterschiedliche Düfte, die sich entwickeln, sich entfalten und erblühen. Das muss man wissen, muss man wollen - denn was die Kopfnote verheißt, ist häufig nicht mehr als eine Ahnung und Verheißung, der eine Reise nachfolgt, die herausfordernd sein kann, manchmal schwierig - doch viel mehr anbietet als 'nur' Kammerton A.

Die neueren Private Blends - die ikonische Flakonform ist geblieben, doch ihre Farben sind nun merkwürdig anders, mitunter grell - erzählen keine solchen Geschichten mehr, zumindest nicht in Dramaturgie und Tiefe wie die Altvorderen es taten. Es sind noch immer durchaus schöne und handwerklich nicht unsolide gemachte Düfte darunter, jedoch vergleichsweise monochrom und eindimensional - und viel zu viele ®s darin, wo früher keine waren. Ich weiß ja, die naive Vorstellung, dass in Tücher gehüllte Beduinen im Licht eines bleichen Wüstenmondes Harz in silbernen Gefäße sammeln, ist eben das - naiv. Aber wenn alles nur noch nach von Künstlicher Intelligenz zusammengestellten ®s anmutet, fehlt mir etwas. Sehr.

Myrrhe Mystère ist Myrrhe durch und durch. Über 'Mystère' kann man schon streiten. Er ist ein durchaus ansprechender, jedoch monothematischer Harz- und Wüstenduft, Lautstärke und Reichweite mittelstark. Er ist gemacht aus lauter ®s, wo ich mir dunkle Myrrhe und ölige Hölzer wünschte - eben mehr als nur Kammerton A. Myrrhe Mystère verheißt so etwas, das er nicht einzulösen in der Lage ist: wo 'aufregend' versprochen wird und dann nur 'handwerklich solide' kommt, wird immer ein diffuses Gefühl von Enttäuschung bleiben. Denn Tom Ford kann Orient, kann Wüste, kann Mystère - in Sahara Noir und Vert d'Encens hat er es bewiesen. Estée Lauder kann es - scheinbar und leider - nicht.

Fazit: in meiner Nase eine 7, vielleicht eine 7,5. Das ist ordentlich, und das meine ich auch so. Ein Wüstenduft aus dem Hause Ford muss aber eine 9 sein, mindestens! Daher, wie Judy Garland in 'The man that got away' so unvergleichlich und so unvergessen sang:
'No more his eager call, the writings on the wall,
the dreams you dreamed have all gone astray...'
4 Antworten
11 - 15 von 881