Carpintero

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Carpintero vor 8 Monaten 3
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Duft
Man(n) trinkt Kaffee — Hinter der Gardine.
Über diesen wunderschönen, einzigartigen Duft wurden schon etliche wunderschöne und einzigartige Rezensionen verfasst: Nichts, was ich dem noch hinzufügen könnte. Und doch löst der Duft, welchen ich viel zu lange ignoriert habe, Emotionen in mir aufkommen, die mich an die Tastatur zwingen, um nun doch noch eine Rezension zu verfassen.

Von der Rose ohne Stacheln, über Rosen hinter einem Schleier bis hin zum männlichsten Rosen-Duft liest man über diesen Duft alles. Einmal, schon vor Jahren, habe ich diesen Duft einmal getestet, die Nase gerümpft und dieses — aus heutiger Sicht — Meisterwerk dann wieder vergessen.

Dann las ich davon, dass der Café Rose in Form eines Re-Releases in die Signature Collection gewandert war und wohl auch Opfer einer Reformulierung wurde. Zur gleichen Zeit war ein sehr lieber Parfumo bereit, seinen 250 ml Dekanter des Café Rose zu verkaufen — und ich schlug zu, halb blind. Und nun ist er mein, dieser perfekte Duft.

Eins vorweg: Kaffee rieche ich explizit NICHT heraus. Und doch bin ich überzeugt über dessen Vorhandensein im Duft.

Der AUFTAKT des Duftes ist punchy, stechend, laut: Die Rose hat definitiv nichts an Stacheln eingebüsst, denn beim ersten Riecher nach dem Auftragen besteht schon fast Verletzungsgefahr. Ein bekannter YouTube würde es „In Your Face“ nennen, dem kann ich trotz Polarisierung in diesem Fall nur beipflichten.
Geschuldet sei das wohl dem schwarzen Pfeffer, der im Auftakt wirklich federführend wirkt und in dieser Hinsicht sogar an den Rose Prick erinnert (welchen ich nebenbei bemerkt auch sehr schätze!). Gleichzeitig riecht man die Mairose, die etwas sehr Romantisch-Süsses in den Duft mitbringt. In Kombination mit dem Safran entsteht hier etwas, was sich nur schwer beschreiben lässt, wobei SCHWER wohl das richtige Attribut ist. Es riecht subtil, leicht honigartig, üppig, dumpf und - eben - schwer.

In der HERZNOTE passiert dann aber etwas merkwürdiges: Geschockt vom Auftakt mischen plötzlich Noten in den Duft hinein, die ich so weder erwartet noch kombiniert hätte. Neben der türkischen und bulgarischen Rose — die man übrigens auch wieder im bereits zuvor genannten Rose Prick findet — legt sich über die stechende Rose-Safran-Pfeffer-Kombination eine Art Schleier.
Es ist wie ein olfaktorischer Hochnebel oder eine Art Dämmerung. Es muss aber, ohne ihn eben explizit herausriechen oder differenzieren zu können, der Kaffee sein, der an dieser Stelle seine wundersame Wirkung entfaltet.
Kaffee, der ja bekanntlich im Stande dazu ist, andere, teils unangenehme Gerüche zu neutralisieren, wirkt hier dank seiner Aromen wie ein Graufilm über den Rosen, dem Safran und dem Pfeffer. Und auch auf die Gefahr hin, hier redundant zu sein: Es liesse sich wohl am ehesten mit einer durchlässigen Gardine vor einem Fenster, das zum Rosengarten hinausblickt, vergleichen. Man „sieht“ die üppigen Rosen, kann sie mit dem olfaktorischer Auge wahrnehmen — und doch verschwimmen die definierten Kanten, Ecken und Stacheln (!) durch die Gardinen.
Der Kaffee, dessen holzige, erdige Attribute man hier wahrnimmt, liegt hier über dem Rosenbett wie ein dichter Hochnebel. Nuancen, die nach Tabak und Rum anmuten, bringen hierzu weitere Facetten ins Spiel, obschon sie in der Duftpyramide nicht hervorgehen.

Sehr geradlinig geht diese Kombination dann bei der HERZNOTE noch dunkler und tiefer. Auch wenn der Amber eher dazu tendiert, Düfte heller erscheinen zu lassen, wird dieses Phänomen sehr schnell durch trockenes, sehr erdiges Patchouli ausgeglichen. Die balsamisch-süsse, samtig-warm anmutende Komponente des Sandelholzes rundet den Duft auf herrliche Art- und Weise in dessen Basis ab, unterstreicht aber einmal mehr auch die verführerischen Rosen, die sich unter dem Nebel immer und immer wieder herauszukämpfen versuchen.

Als FAZIT kann festgehalten werden, dass dieser Duft neben den anderen Rose-Düften von Tom Ford eindeutige Daseinsberechtigung hat. Ich fürchte nur, er geht neben dem wesentlich populäreren Rose Prick, Rose d‘Almalfi und Rose de Chine etwas unter. Ein Understatement quasi.
Mit grosser Sicherheit aber ist dieser Duft die männlichste Interpretation eines Rosen-Duftes aus dem Hause Ford, was aber nicht heissen soll, dass eine Frau diesen Duft nicht tragen kann. Genauso wie ein Mann auch Rose Prick trägt. Die Grenzen verschwimmen hier und das ist auch eindeutig gut so.

Durch den Schleier, den Hochnebel, die Gardine (oder was auch immer es sein mag) erhält der Duft jedoch etwas Mystisches, etwas Dunkles, etwas Trauriges oder vielleicht sogar etwas Melancholisches. Dadurch passt dieser Duft herrlich in die kältere Zeit des Jahres, wenn die Baume ihre Blätter verlieren, der Hochnebel zurückkehrt und man mit Sehnsucht raus aufs Rosenbeet blickt. Durchs Fenster. Hinter der Gardine. Dazu trinkt man/Mann eine Tasse Kaffee und weiss über die Sicherheit, dass auch nach dem kältesten Winter wieder der Frühling kommt.
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Carpintero vor 1 Jahr 27 2
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
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Duft
Aventus im Jahre 2023 — Ein [kurzer] Vergleich
Den ersten Flakon Aventus kaufte ich 2012 als ich noch in Katar arbeitete. Ich war ein olfaktorischer Banause (wenn nicht sogar Barbar), ohne Ahnung von Batchcodes, Nischendüften oder Inhaltsstoffen. Riecht gut, hält lang — passt! Mehr habe ich damals nicht gebraucht.

Und vermutlich steht mir in Kürze der Tod auf dem Scheiterhaufen bevor wenn ich sage, dass ich damals manchmal einfach eine Runde Aventus gesprüht habe, wenn ich wollte, dass es in meiner Wohnung fein riecht.

Wertschätzung für die Kunst des Parfümeurs: Fehlanzeige.
Und One Million war damals immer noch mein ständiger Go-To, wenn ich rausging.

Aventus [2012] war mir zu „roh“, nicht süss und massentauglich genug — so zumindest mein 24-jähriges Ich.

Etwa bei der Hälfte wanderte der 75ml Flakon in eine Ecke und kam auch trotz Umzug zurück in die Schweiz nie mehr gross zum Einsatz.
Das änderte sich 2019 als ich dank Oud Wood meinen (viel zu späten) Einstieg in die Nischenwelt doch noch fand.

Der Aventus aus dem Jahre 2012 hatte bis zu diesem Zeitpunkt unbeachtet im Badezimmer [Ja, ja, ich weiss… ab auf den Scheiterhaufen!] verweilt, kam aber dann dank Oud Wood, Layton und Co. immer häufiger zum Einsatz.
Mir scheint, als hätte nicht nur der Duft, sondern auch ich selbst reifen müssen.

Alles, was zu den alten Batches gesagt wurde, kann ich unterstreichen: Rauch, Ananas, Birkenholz — Ein Traum.
Und in einer Intensität, die Räume gefüllt, Frauenherzen geschmolzen [ok, es war nur das Frauenherz meiner heutigen Frau] und Berge versetzt hat.

2020 war dann der Restflakon aufgebraucht und ein neuer musste her.
Immer noch sehr unwissend über etwaige Reformulierungen, Batch-Codes oder Ähnlichem, kaufte ich einen Flakon aus dem gleichen Jahre — und dachte, meine Nase sei kaputt. Der würzige Rauch, die überreife Ananas, die intensive Birke — nur noch ein Hauch davon war da.
Der Flakon wanderte wiederum zurück in den Parfumschrank im Ankleidezimmer [Ja, ja, ich lerne dazu!] und es folgte eine Odyssee von Dupe-Käufen, die mich hoffen liessen, irgendwann den Heiligen Gral in Form eines alten Aventus-Batches wieder zu finden. Doch leider ohne Erfolg.

Auch wenn ein paar auserlesene Dupes verdammt nahe an das Original hinkamen, so fehlte im Endeffekt doch immer der letzte Schliff, der spezielle Twist oder diese eine Idee der Feinheit, die dann letztendlich doch den grossen Unterschied zu meinem alten 2012-er Batch machten. Manchmal zu synthetisch, dann wieder zu rau, zu ölig, zu unbeholfen.

Der 2020-er Batch wanderte zu meinem Kumpel, ich zu anderen Marken und Nischenparfums.
War auch nett.

Und doch liess sie mich nie los, meine Liebe zu Aventus.

Und so kaufte ich vorletzte Woche wieder einen 100 ml Flakon des Duftes. Diesmal einem Batch aus dem Jahre 2023 mit Metallkappe, die Aufschrift „Creed“ nicht mehr schwarz, sondern durchsichtig.
Ich dachte zuerst, aus Versehen einen Fake gekauft zu haben — Allerdings stammte der Duft aus einer sehr namhaften Parfumerie hier in Zürich, womit dieser Gedanke sofort wieder verworfen wurde.

Eine kurze Recherche zeigte, dass Creed da wohl das Konzept geändert hatte und nun Metallkappen und eine klare „Creed“-Aufschrift auf den Flakons führte. Auch nett.

Aber nun zum Duft:
— und gleich vorweg: Nein, er kommt nicht an den Flakon aus dem Jahre 2012 ran. Never. Aaaaber er ist auch nicht so schwach und unspektakulär wie der Duft aus dem Jahre 2020.

Für mich ist der Auftakt äusserst stark, „punchy“ - wenn man so will.
Dabei sticht dort vor allem der rosa Pfeffer heraus, den ich auch im 2012-er Batch so sehr liebte und im 2020-er extrem vermisste.
Die herbe Bergamotte und die spritze Zitrone sind im Hintergrund, aber klar erkennbar. Und auch die schwarze Johannisbeere spielt eine Nebenrolle, die für einen kurzen Moment der Schockverliebtheit sorgt.

Kurze Zeit darauf kommt die Ananas zum Vorschein. Schön reif, aber nicht zuckersüss. Auch der Rauch spielt mit — in einer angemessenen Dosis. Nein, auch der Mittelteil kommt nicht an die ursprüngliche Variante aus dem Jahre 2012 ran, aber ist im Vergleich zu 2020 durchaus ausgereifter, stärker und lauter — und gleichzeitig weniger „kratzig“.

Den Patchouli kann ich lediglich erahnen (ich liebe diese Note), wobei er hier zu keiner Zeit dreckig, verrucht oder kellerlastig wird. Er gibt dem Duft einen erdigen Vibe, ohne je mit Erde in Berührung gekommen zu sein.

Die Birke lässt schliesslich nicht lange auf sich warten und verleiht dem Duft eine wunderschöne Aura. Die kernige Note gepaart mit weiteren Hölzern (ob es nun Zeder ist oder nicht), etwas Moschus, Ananas und Rauch machen den Duft für mich auch im Jahre 2023 immer noch zu einem Unikat, das oft kopiert aber nie erreicht wurde.

Ja, auch der Batch aus dem Jahre 2023 ist kein Schreihals, nicht übermässig laut und nimmt auch keine ganzen Arenen mehr ein. Aber er ist präsent und spürbar stärker als andere Versionen.

Auf der Haut wirkt er gute 2 - 3 Stunden mit einer durchaus angemessenen Sillage [aber eben: kein Schreihals und auch kein Raumfüller] und ist deutlich präsent. Im Büro an der Kollegin vorbeigelaufen folgte kurze darauf der Kommentar „Den Duft darfst du öfters tragen!“.
Aber auch im weiteren Tagesverlauf nehme ich den Duft immer wieder deutlich wahr. Neulich wurde ich sogar abends um kurz nach 7 im Bus angesprochen, ob ich Aventus trage.
So schlecht kann die Haltbarkeit also nicht sein (obschon ich zu diesem Zeitpunkt keine Spur von Avenuts mehr riechen konnte).

Und auch auf der Kleidung hält der Duft. Lange. Sogar sehr lange. Mein Hemd, das ich am Montag trug, wanderte am Freitag zur Reinigung und auch dort konnte ich noch einen Hauch vom Aventus wahrnehmen.

Nun die One-Million-Dollar-Question [no puns intended]: Lohnt sich Aventus im Jahre 2023 noch?

Ja, ich denke schon.
Er wird [vermutlich] nie mehr an die Version von 2012 kommen, aber er ist im Jahre 2023 ein durchaus solider Begleiter mit kernig-männlichem Charakter, einer absolut akzeptablen Haltbarkeit und einer moderaten Sillage, die in den ersten Stunden deutlich ausstrahlt und im Laufe des Tages immer hautnäher wird.
Die DNA ist deutlich vorhanden und das Original wird (zumindest in meinen Augen) auch immer das Original bleiben.

Die Argumentation, so viel Geld für einen Duft, „der nur noch ein Schatten seiner selbst“ ist, auszugeben, ist berechtigt. Dennoch kann dieser entgegengehalten werden, dass sich die Zeiten ändern und [zumindest die Version aus 2023] deutlich besser ist als andere Batches.
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Carpintero vor 1 Jahr 13 6
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Flakon
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Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Weil nichts für immer hält.
Vermutlich wurde über diesen Duft aus dem Jahre 2007 schon alles gesagt — und dennoch möchte ich mich noch an eine weitere Rezension wagen, da (zumindest für mich) dieser Duft unglaublich lange unter dem Radar war.

Er kommt im wunderschönen, eleganten Tom Ford Private Blend Flakon daher, schick, türkis-blau und weckt bereits äußerlich Assoziationen mit Sommer, Strand und Meer.

Der Duft startet stark und Parallelen mit 4711 sind nicht von der Hand zu weisen.

Herbe Bergamotte und sanfte Orangenblüte gestalten den heftigen Auftakt, ein leichter Desinfektionsmittel-Vibe schwingt im Hintergrund deutlich mit, legt sich aber unmittelbar innert der ersten Minuten.

Ich liebe es, wie die herbe Frische der Bergamotte und die sanfte Süsse der Orangenblüte sich nicht versuchen zu übertönen, sondern in perfekter Harmonie miteinander einhergehen.

Schnell folgt die spritzige Mandarine, spielt aber glücklicherweise nie die Hauptrolle. Mir scheint, als sei für diesen Duft Mandarine Integrale verwendet worden, sprich: Die Mandarine als Gesamtwerk — Fruchtfleisch, Fruchtsaft, Fruchtschale, möglicherweise sogar Fruchtkerne. Die Mandarine ist nicht zu süss, wunderschön ausbalanciert durch Mandarinenöl aus der Schale und etwas herbe Frische on Top.
Dabei hält sich die Mandarine zwar prominent, aber stets im Hintergrund und überlässt Bergamotte und Orangenblüte immer den Part der Hauptrolle.

Wärmendes Amber und eine wunderschöne (echte!) Vanille-Note schließen das Kompositum ehrwürdig ab.
Der Amber wirkt dabei in Kombination mit Bergamotte, Orangenblüte und Mandarine Integrale ebenfalls im Hintergrund, dennoch wunderschön holzig und balsamisch.
Die Vanille, wenig intensiv, dafür aber so herrlich süss-würzig und sogar ein wenig tief-dunkel, wobei der Duft nie in den Abgrund führt und auch die Vanille sich artig zurückhält.

Im Gesamten eine wunderschöne Duftkomposition aus dem Hause Ford, herrlich frisch für den Sommer und so viel mehr als eine “amped-up”-Version des so bekannten 4711.

Wenn nur nicht dieses leidige Thema der Haltbarkeit wäre!

Der Duft strahlt weder mit einer monströsen Sillage aus, noch überzeugt er durch eine überdurchschnittlich lange Haltbarkeit.

Obschon der Duft in den ersten Minuten nach dem Aufsprühen im ganzen Ankleidezimmer und dem angrenzenden Schlafzimmer deutlich wahrnehmbar ist, zieht er sich extrem schnell zurück und entwickelt sich innert der ersten zwei Stunden zum Skin-Scent, ist also nur noch hautnah wahrnehmbar.

Mit der Haltbarkeit verhält es sich ähnlich: Anfangs dominieren Bergamotte und Orangenblüte, Mandarine spielt im Hintergrund kräftig mit und unterstreicht die Frische, doch schon nach einigen wenigen Stunden ziehen sich diese Noten zurück und hinterlassen eine Aura von Amber und Vanille, die nur noch sehr hautnah wahrgenommen wird.
Ab Mittag muss dann noch einmal nachgesprüht werden, um bei Feierabend noch eine leise Ahnung dieses wunderbaren Duftes nach Hause tragen zu dürfen.

Nur — ist das so schlecht?
Der Duft ist ganz klar in die Kategorie Sommer einzuordnen, ein herrlicher Begleiter an heissen Tagen. Nie aufdringlich, nie laut, nie too much.
Wenn die Mitmenschen ohnehin schon an der Hitze leiden, muss es dann noch die Duftbombe sein?

Natürlich ist der Preis heavy bei etwa 4 - 5 Stunden Dufterlebnis. Auf der anderen Seite stellt sich aber auch die Frage, ob es denn immer die Monstersillage und die endlose Haltbarkeit sein müssen, ob an bestimmten Tagen weniger nicht oft sogar mehr ist.

Nichts hält für immer — und dieser Duft erhebt auch in keinster Weise den Anspruch darauf, für immer zu halten.

Und ist das nicht etwas Wunderbares?
Die Magie des einen Moments, eben genau wegen des Wissens, dass nichts für immer hält, alles vergänglich ist und genau deshalb jede Sekunde kostbar ist.

Sei es als Parfum — oder in allen anderen Belangen des Lebens.
6 Antworten
Carpintero vor 1 Jahr 22 8
8
Flakon
9
Sillage
10
Haltbarkeit
9.5
Duft
Verdammt, ich brauch dich, ich brauch dich nicht.
Diese Zeilen von Matthias Reim sind äusserst treffend, wenn es um diesen Duft geht. Denn: Verdammt ich lieb dich, ich lieb dich nicht.

Es folgt ein ausgiebiger Vergleich zwischen dieser und der EDP-Version, die es seit 2009 gibt. Die EDT-Version aus dem Jahre 2014 habe ich bis heute nie getestet, deshalb geht es in diesem Vergleich ausschliesslich um die EDP und P-Version.

Getestet und sofort gekauft habe ich diesen Duft vor 2 Wochen im Duty Free des Zürcher Flughafens — wie mir mitgeteilt wurde, sei diese Version ein “Duty Free Exclusive”. Ob dem tatsächlich so ist und es sich hierbei um eine ausgeklügelte Marketingstrategie handelt, weiss ich nicht.

Was ich aber weiss, ist, dass ich mich ziemlich schnell in diesen neuen alten Duft von Tom Ford extrem verliebt habe.

Denn extrem ist er, der Grey Vetiver Parfum. In sämtlichen Belangen.

Beginnen wir mit dem Flakon — ähnlich zur Parfum-Variante des Black Orchids ist der Flakon dieser Version undurchsichtig und kommt in modernem Silber daher. Während der Flakon der EDP-Version zeitlos klassisch im milchigen Glas erscheint, wirkt das undurchsichtige Silber weitaus moderner und perfekt im Stil der neuen 20-er Jahre.

Nun zum Inhalt:
Gegenüber der EDP-Variante kommt das Parfum gleich zu beginn stärker und intensiver daher. Die ersten paar Augenblicke waren schon beinahe “stechend”, so stark war der Duft. Während das EDP einen auf zeitlosen Gentleman macht, perfekt zu maßgeschneidertem Anzug, perfekt sitzender Frisur und frisch gebügeltem Hemd passt, hat die Parfum-Variante auch das Potenzial, mit Jeans und Hoodie seine volle Wirkung zu entfalten und dabei nicht etwa deplatziert, sondern genau richtig zu sein.

So modern, wie der Flakon der Parfum-Variante daherkommt, so modern lässt er seine:n Träger:in erscheinen. Und der Genderdoppelpunkt ist hier absichtlich Platziert: Während meine Frau die EDP-Version nie tragen würde, hat sie sich in den letzten zwei Wochen immer wieder am Parfum bedient. Und als Reaktion folgten viele Komplimente.

Obschon der Duft immer noch männlich ist, seifiger Vetiver die Hauptrolle spielt und ein gewisses Saubermann (oder -frau) Image verleiht, besticht die Parfum-Version durch Ecken und Kanten, durch eine Tiefe und gewisse Verruchtheit, bei welcher die EDP-Version einfach nicht mithalten kann.

Die EDP-Version ist sauber, clean, straight forward und makellos. Die Duftnoten perfekt aufeinander abgestimmt, man(n) eckt nicht an, strahlt Souveränität und Frische aus — eben: Perfekt zum maßgeschneiderten Designeranzug.
Die Parfum-Version ist dunkler und tiefer, da nach dem etwas (zu) stechenden Auftakt von seifigem Vetiver sich sehr schnell dunkles Leder (ähnlich wie in der Parfum-Version des Ombré Leather) und vermutlich Patchouli gesellen. Diese “erden” das Dufterlebnis, verleihen dem Parfum einen verruchten Twist und passen sowohl zum Maßanzug als auch zu Hoodie und (möglicherweise) Bomberjacke.

Während die Orangenblüte neben der Grapefruit eine vermeintlich eher untergeordnete Rolle beim EDP spielt, kommt diese Duftkomponente in der Parfum-Version zum vollen Einsatz und untermalt auf eine sehr spezielle Art- und Weise den seifigen Vetiver und die ledrige Komponente des Parfums.

Und eine weitere Note ist in dieser Version neu, wenn auch nur im Hintergrund: Der Safran. Während dieser im EDP überhaupt nicht vorkommt, gibt er der Parfum-Version eine zusätzliche Wärme und Tiefe, die nach der anfänglichen Verruchtheit eine gewisse Art der Geborgenheit und gleichzeitigen Verführung ausstrahlt.

Subjektiv habe ich den Eindruck, dass die Duftnoten von seifigem Vetiver, glattem Leder, erdigem Patchouli, blumiger Orangenblüte und wärmendem Safran perfekt aufeinander abgestimmt sind und im Gesamtbild die Parfum-Version deutlich lauter und intensiver daherkommen lassen, dabei allerdings kein unangenehmes Schrei-Konzert veranstalten.
Der Duft ist Modernität in seiner schönsten Form, hat Ecken und Kanten, weniger Saubermann-Image und mehr Individualität. Er unterstreicht die eigene Persönlichkeit und liefert ein Statement ab: Ganz gleich, ob Mann oder Frau, 20 oder 40 oder 60, im Anzug oder Hoodie.

Die ganz große Preisfrage nun aber: Brauch ich ihn?
Wie meine Überschrift verraten lässt, bin ich zwiegespalten: Ich besitze ihn seit zwei Wochen und er ist im ständigen Einsatz.
Komplimente dazu kommen viele und meine Frau liebt ihn so sehr, dass sie ihn sogar selbst benutzt.

Ich denke, es kommt auf das Gesamtbild an: Wer im Büro nicht anecken möchte, einfach sauber und gut riechen möchte und dabei einen zeitlos modernen Klassiker tragen möchte (und viele Sätze mit “möchte” sagen möchte), der ist mit dem EDP perfekt bedient und benötigt vermutlich nicht noch diese Variante.
Wer die EDP-Variante liebt, aber möglicherweise die Ecken und Kanten vermisst, etwas gewagtere Auftritte liebt und sich dabei an etwas Verruchtheit und Tiefe nicht stört, könnte die Parfum-Version lieben.

Für mich ist der Duft ein modernes Kunstwerk, bei dem sich die Geister vermutlich scheiden werden. Für mich einer der besten Releases aus dem Hause Ford und definitiv ein Duft, der durchaus Signature-Potenzial hat.
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Carpintero vor 1 Jahr 14
10
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
10
Duft
Stell dir vor…
Stell dir vor, du hast Urlaub.
Stell dir vor, du verbringt deinen Urlaub im Süden Floridas, aber nicht in Miami, sondern weit unten auf den Keys.
Stell dir vor, dein Job zuhause ist tausende von Kilometer weit weg, deinen ganzen Stress hast du zurückgelassen und vor dir liegt nichts ausser Leichtigkeit.

Stell dir vor, wie die Sonne strahlt, keine Wolke am Himmel ist und du deine Seele baumeln lässt.

Stell dir vor, wie frische Zitrusdüfte von tiefer Bergamotte, spritziger Zitrone und harmonischer Orange dich umnebeln während du durch die stilvolle, komplett in Weiss eingerichtete Strandbar schlenderst.
Stell dir vor, wie kühl sich die Brise auf deiner Haut anfühlt, während du dich lässig an die Bar stellst und einen eiskalten Eistee bestellst.

Stell dir vor, wie du den kühlen Eistee gereicht bekommst. Kein Tetrapack-Eistee, kein Konzentrat, sondern richtig frisch aufgebrühter schwarzer Tee, eiskalt mit Eis abgeschreckt und zwei dicken Zitronen-Wedges garniert.

Stell dir vor, wie der Eistee zuerst riechst.
Stell dir vor, wie das frische Schwarzteearoma dich umgibt, bitter, herb, komplex.
Stell dir vor, wie sich dieses Aroma nach Tiefe und Komplexität durch die Leichtigkeit der frischen Zitronenwedges spielt, wie sich die Düfte gegenseitig ergänzen und miteinander verschmelzen.

Stell dir vor, wie dich der Eistee beim ersten Schluck abkühlt, die Noten von ein wenig Zimt mitschwingen, da der Bartender den Tee immer mit einer ganzen Stange Ceylon-Zimt aufbrüht.
Stell dir vor, wie diese Noten ein wenig in deiner Nase kitzeln, aber dir nie den Atem rauben.

Stell dir vor, wie es in dieser stilvollen Strandbar riecht während du aufs türkisblaue Meer hinausschaust.
Die Bar ist neu, das Mobiliar riecht nach teurem Holz.
Aber nicht aufdringlich, nur subtil und nur ganz am Rande.

Dein herrlicher Zitronen-Eistee spielt die Hauptrolle in diesem Spektakel.

Stell dir vor, wie jemand neben dir eine Ingwerlimonade geniesst.
Stell dir vor, wie der leicht subtile Duft nach frischem Ingwer, gepaart mit dem herrlich kühlen Neroli-Duft der wunderschönen Dame leicht zu dir weht.

Stell dir vor, wie sie den Duft deines Zitroneneistees wahrnimmt, dich ansieht und lächelt.

Stell dir vor, wie du auf sie zugehst, sie ansprichst und die Vibes einfach stimmen.

Stell dir vor, wie sich der Duft von frischen herb-spritzigen Zitroneneistee gemeinsam mit dem herrlichen Geruch in der Bar nach tiefer Bergamotte und sanfter Orange zusammen mit dem subtilen Holz und dem Duft von frischer Ingwerlimonade gepaart mit dem herrlichen Neroli-Parfum zu einer Kombination verschmelzen, die sich deiner Vorstellungskraft vollständig entzieht.

Stell dir vor, es hält ewig.

Und nun stell dir vor, du hast Urlaub…
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