DrPablo
DrPablos Blog
vor 11 Jahren - 06.11.2014
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"Je goldener das Etikett, umso schlechter der Sekt." *

Die Industrie liefert sich ja gerade ein Wettbewerb, wer das langweiligste, uniformste und einfallsloseste Parfüm auf den Markt bringt. Nur die Masse zählt, denn schließlich müssen die enormen Kosten, die Marketing und Verpackung verursachen, wieder eingenommen werden. Der Duft wird zur Nebensache. Den Erfolg garantiert einzig das massive Marketing. Das ist ungefähr so wie beim Fernsehen. Das Niveau orientiert sich an der untersten Zuschauerschicht, um die Einschaltquote zu erreichen. Unterschichtenprogramm, so zu sagen. Man verzeihe mir diese arrogante Wortwahl. Der Versuch den Geschmack des Publikums zu erziehen und zu bilden wird gar nicht erst unternommen. Diese Entwicklung wurde schon lange vorhergesagt und ist jetzt in den Geschäften angekommen. Um dem zu entkommen richten viele Parfümliebhaber ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf Nischenprodukte. Ich selbst stehe "Nischenparfüms" ja ziemlich kritisch gegenüber, weil ich es für fraglich halte, ob wirklich so viele teure Rohstoffe Verwendung fanden, dass ein Preis von 300€ gerechtfertigt wäre. Das einzuschätzen ist so gut wie unmöglich. Oft ist alles eben auch nicht mehr als ein Marketinghokuspokus. Und auch auf die Gefahr hin, dass mir hier jetzt einige "product placement" vorwerfen könnten, möchte ich in diesem Zusammenhang auf die Düfte von Erik Kormann verweisen. Zugegeben, die Noten sind sehr eigenwillig. Aber gerade das ist doch "Nische". Bei den Düften von Kormann kann man jedenfalls sicher sein, das der Duft im Mittelpunkt steht. Hier wurden keine Abstriche bei der Qualität Zutaten gemacht. Man bezahlt für die Soße und nicht für die goldene Verpackung.

*aus Thomas Mann „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“

18 Antworten
ExUserExUser vor 11 Jahren
Haben oder Sein....Es ist doch nicht schlimm, dass es ums Haben geht.. Viel wichtiger ist doch, für wen man etwas haben muss? Haben für andere oder für mich selber? Die meisten Konsumenten wollen etwas haben, um zu nutzen UND/ODER um andere Leute zu beeindrucken.
Es gibt viele Verkäuferinnen, die bestimmte Düfte immer nehmen und erklären, dass sie bei Frauen gut ankommen..Diese Düfte sind sogar teurer als 130€.....
Dr.Pablo...Es freut mich, dass Du noch aktiv bist und ich lese gerne Deine Kommentare und Blogs.. Weiter so!
ExUserExUser vor 11 Jahren
@Rivegauche Die Kunst lässt sich gut verkaufen. Die Kunst ist lange keine Leidenschaft mehr, sondern eine Investition mit der Erwartung, dass der Wert in der Zukunft steigt. Für mich existiert der Begriff "Nische" nicht mehr im Beauty Bereich. Alle sitzen im selben Boot und wollen nur noch Profit machen. Was mich eher stört oder beschäftigt, ist, ob die ganzen exklusiven Düfte (Von Euch interpretiert: Nischendüfte) bei Herstellungen viel mehr kosten als die ganzen Dougi-Üblichen.
GingerGinger vor 11 Jahren
Gekauft wird, was exzessiv beworben wird. Die Leute ticken so. Man muss schon gehörig aufpassen, um den Marketing-Tricks nicht auf den Leim zu gehen. Die Werbeindustrie hat sich schon längst zum Gehilfen derer gemacht, bei denen sich alles nur noch um Ertragssteigerung dreht. Und das in allen Bereichen. Wir normale Menschen scheinen nur noch ein notwendiges Übel zu sein, während ein paar wenige die Welt als Spielball betrachten. Das ist mehr als besorgniserregend.
TerraTerra vor 11 Jahren
Ich sehe das ja eher als Zeichen, dass der Autor Parfum mag. Naja... hier liest wieder jemand nur, was er lesen will. Ich kann gut verstehen, was du sagst, Dr. Pablo. Ich weiß, dass Kormann Wert auf gute Rohstoffqualitäten legt und dort keine Abstriche macht, wenn der Duft darunter leiden würde. Ich habe mich in noch keinen seiner Düfte verliebt, aber ich schätze ihn sehr als Parfümeur. Ich glaube aber mittlerweile mir anmaßen zu können, dass zumindest halbwegs zu bemerken, ob ich da was halbwegs gutes unter der Nase zu haben :).
DrPabloDrPablo vor 11 Jahren
@regfmcd
Nein, Deine PN habe ich nicht gelesen. Bin aber ganz Deiner Meinung. Allerdings ist das Buch so "antikapitalistisch", dass es wohl kaum zur pflichtlektüre in Schulen wird. Trotzdem IST es Pflichtlektüre... Leider lesen die meisten "Die Kunst des Liebens" von E. Fromm, weil sie sich wohl Tipps für "guten Sex" erhoffen - die natürlich nicht geliefert werden. Dabei ist "Haben oder Sein" eindeutig das bessere Buch....
AuraAura vor 11 Jahren
Allzu gerne würde ich den Kreationen gewisser One-Man-Pionier-Parfumeure wie Erik Kormann (soll zudem sehr nett sein) oder Andy Tauer (durfte ich kennenlernen, IST sehr nett) mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen und mein Parfumbudget Ihnen zu Füssen legen... ich hab also von beiden einen positiven Eindruck (was voraussetzt, dass ich schon von ihnen gehört habe), und auch die Flakons finde ich sehr ansprechend. Vom Marketing her haben sie also zumindest das Nötigste gemacht (ganz ohne gehts ja nicht).... aber leider, leider, gefallen mir die Kreationen nunmal nicht. Kormann haut in die meisten seiner Düfte etwas, dass ganz intensiv nach Sandelholz riecht (Javanol, glaube ich?), und das mag ich partout nicht riechen. Und Tauers Düfte riechen für mich irgendwie halt schon sehr "öko, bio".... ohne dass ich das genauer definieren könnte. Schade!
YataganYatagan vor 11 Jahren
Sehr stark! All das kann ich unterschreiben. "Nische" (i.e.S. von Qualität jenseits de Mainstreams) muss nicht teuer sein. Alles, was gewisse Grenzen übersteigt, ist Mache, Marketing, Gelddruckerei mit Duft. Danke auch für deine immer kompetenten Berichte!
DrPabloDrPablo vor 11 Jahren
@AnneSuse
Ja: "Haben oder sein" - DAS Standardwerk von Erich Fromm. Mehr ist dazu auch nicht zu sagen.
Natürlich ist ein (gutes) Parfüm ein Kunstwerk, auch wenn vor der Kunst das Handwerk kommt. Und gegen solides Handwerk ist nichts einzuwenden. Aber wir haben heute natürliche UND synthetische Rohstoffe zur Verfügung, von denen frühere Generationen nicht mal zu träumen wagten. Dieser "Fortschritt" spiegelt sich leider in KEINEM Verhältnis in den Neuerscheinungen auf dem Parfümmarkt.
Safin23Safin23 vor 11 Jahren
Ist denn heute die Themen-Woche bei Parfumo^^ Weil Pipette auch ein Blog zum Thema hat. Solange ich mit dem Duft glücklich bin, solange ich es mir leisten kann oder will- kaufe ich mir einen Adidas Duft in der Drogerie. Ich lasse mir das Tragen nicht verbieten. Der Junge und ich müssen an die frische Luft. Guten Abend.
AnneSuseAnneSuse vor 11 Jahren
zu Rivegauche: eben, da geht´s ja auch um "haben", nicht um sein. Was erwarten wir in einer Gesellschaft, die "haben" so hoch hängt? Und: was heißt "objektiv"? Der Materialwert kann ja kaum das Maß sein bei Kunst oder auch Kunsthandwerk. Andererseits müssen Unternehmen unterm Strich Geld verdienen. Und da finde ich es zunehmend fragwürdig, wenn alles auf diesem Altar geopfert wird. Wenn es überhaupt nicht mehr darum geht, etwas Schönes, Besonderes für den Kunden zu schaffen, sondern man sich NUR noch mit dem zu verkaufenden Lebensgefühl zu übertrumpfen sucht. Aber laßt die großen Konzerne doch ihre Einheitsplörre brauen, das hat auch dazu geführt, daß wir noch nie soviel Auswahl an wirklichen Alternativen hatten ...
FittleworthFittleworth vor 11 Jahren
Sehr guter Blogartikel! Gefällt mir! Bitte mehr davon!
MrWhiteMrWhite vor 11 Jahren
Ob die Rohstoffe dem Preis der Nischendüfte gerecht werden, weiß ich nicht, vermutlich meistens nicht. Allerdings wirst du kaum noch einen guten Mainstreamduft finden. Den gibt es eigentlich nur noch mit goldenem Etikett...
DaveGahan101DaveGahan101 vor 11 Jahren
Ich mag PARFUMS..egal ob das Mainstream- oder Nischendüfte sind. Wenn mir ein Duft gefällt will ich ihn haben und versuche dann(!) mit dem entsprechenden Preis "klarzukommen". Ist wie bei höherpreisigem Wein, die Chance einen richtig "guten" zu erwischen ist einfach grösser..aber keine Gewähr!
FrankyZolanoFrankyZolano vor 11 Jahren
@siebter
Hab ich etwas überlesen oder wer genau mag keine parfums?
MrsCullenMrsCullen vor 11 Jahren
Da hast du ja so recht. Auch bei den zum Weihnachtsgeschäft hin schon fleißig beworbenen "Black Opium" o.ä. haben die eigentlich namhaften Hersteller sich keinerlei Mühe gegeben, etwas neues, interessantes zu entwerfen. Nur der Profit zählt. Aber eigentlich muss ein interessanter Duft nicht zwangsläufig teuer sein. Man denke nur an Shalimar Ode a la Vanille (beide) oder L´inspiratrice von Divine. Umgekehrt finde ich, dass die momentan massenhaft vermarkteten und angepriesenen Düfte viel zu teuer dafür sind, dass sie so gruselig duften (für geübte Nasen). Meine Hundefriseurin meint ja zu meiner Duftleidenschaft lakonisch: Sie hätte nur einen Duft im Schrank und irgendwie würde ja alles gleich riechen. Na ja, recht hat sie, wenn man an die gerade beworbenen Wässerchen denkt:)
LG, M.C.
SiebterSiebter vor 11 Jahren
Wenn Du Parfums nicht magst, warum beschäftigst Du Dich dann so viel damit?
MercuroMercuro vor 11 Jahren
Was ist eine Sache "wert"?
Wert ist eine Sache, was die Käufer bereit sind zu zahlen, unabhängig vom reinen Sachwert.
Wir kaufen bei fast jedem Produkt auch Emotionen und Visionen mit, auch kaum eine Hose wird nur gekauft um sich warm zu halten.
Sicher stehen wir vor manchen Preisen einfach nur sprachlos.
Wohl kaum ein Duft ist EUR 300,00 nur vom Sachwert her wert und ob der Manet die EUR 52mio wert ist mag ich nicht zu beurteilen; wenn der Käufer das Gemälde in ein paar Jahren für 60mio wieder verkauft, war er es wert.
RivegaucheRivegauche vor 11 Jahren
All das bestätige ich gerne. Bis auf kleinste Ausnahmen sind die ganzen neuen Düfte in diesem Segment für die Tonne. Ich nenne es immer "die Arroganz der langen Erfahrung." Nischendüfte müssen keine 300 EUR kosten, es gibt genug auch zu niedrigeren Preisen, allerdings könnte man jetzt auch eine Grundsatzdiskussion führen, was ein Nischenduft ist und was nicht. Es ist wie mit der Kunst, das gerade von Christie's versteigerte Gemälde von Manet brachte 52 Mio.Euro, die es objektiv nicht wert ist.

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