Ernstheiter
Ernstheiters Blog
vor 9 Jahren - 11.01.2015
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Ich liebe sie, ich liebe sie nicht

Diese existenzielle Frage bezieht sich auf die 5 Duefte von Guerlain, die in meiner Parfumsammlung sind. Sie sind Teil einer Grossfamilie von (derzeit) 25 Mitgliedern.

Von meinem Entscheidungskampf, jeden Morgen den richtigen Duft des Tages auszuwaehlen, habe ich in einem aelteren Blog-Artikel bereits erzaehlt. Das ist allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Also zurueck zum Badezimmerschrank, in dem ich alle Parfums in ihren Umverpackungen aufbewahre. Sobald mein Blick auf einen der 5 Guerlain-Duefte faellt, weiss ich, ich habe mit ihnen Klassiker der Parfumeriekunst in meiner bescheidenen Sammlung. Ich brauche nur zu schauen, wieviele Parfumi Habit Rouge in ihrer Sammlung haben und mir wird bewusst mit welchem Duft ich es hier zu tun habe.

Aber wieso faellt meine Wahl immer auf andere Duefte? Wieso greife ich lieber zu Gentile oder Itasca? Ich habe doch all die ueberschwenglichen Kommentare zu Habit Rouge gelesen, kann beinahe all die typischen Charaktereigenschaften dieses Duftes herunterleiern und trotzdem benutze ich ihn eher selten. Nun, meine erste Assoziation beim Anblick von Habit Rouge ist immer der Lippenstiftakkord, dieser Geruch nach Puder und Schminke. Finde ich toll, ehrlich, aber ich mag ihn nur selten an mir.

Noch extremer ist es bei Mouchoir de Monsieur, bei dessen Anblick ich jedesmal an die Jahreszahl 1904 denken muss. Auch hierzu habe ich alle Kommentare rauf und runter gelesen. Besonders angesprochen hat mir der von Leimbacher, dessen Duftbeschreibung auch meinen Eindruck auf den Punkt bringt: es riecht nach animalischer Sexyness und muffeliger Adelsunterhose. Wenn ich jetzt in dieser Art weitermachen wuerde, koennte der Eindruck entstehen, ich finde "meine" Guerlains graesslich; dem ist aber nicht so.

Ein Parfumo zu sein hat fuer mich sehr viele Facetten. Die einfachste ist natuerlich die, dass ich einen bestimmten Duft trage, weil ich finde, dass er gut riecht. Unter dem Aspekt habe ich auch meine ersten Duefte gekauft - sie gefielen mir einfach. Dazu braeuchte ich aber keine 25 Flakons in meinem Schrank.

Zusaetzlich zum rein olfaktorischen Aspekt kommt fuer mich auch eine geschichtliche Komponente hinzu. Ich neige dazu, alles sehr systematisch zu machen, deshalb war es nur eine Frage der Zeit, bis bei mir der erste Guerlain-Duft einzog. Fuer mich waren Mouchoir de Monsieur und Habit Rouge ein Must. Mit der Zeit folgten noch Eau de Guerlain, Derby und L'Instant Homme Eau Extrème. Keinen dieser Duefte moechte ich missen. Ich schaetze sie alle wegen ihrer handwerklichen Parfumkunst, fast haette ich geschrieben, wegen ihrer handwerklichen Perfektion. Aber genau das sind sie nicht und sie wollen es auch nicht sein. Sie wollen beeindrucken und ueberraschen, sowohl positiv als auch negativ. Der sich staendig aendernde Duftverlauf steht im Mittelpunkt.

Ja und liebe ich sie nun oder nicht? Ich weiss es schlichtweg nicht. Haeufig fuehle ich mich mit den Guerlain-Dueften ueberfordert, habe das Gefuel, Duefte aus der Vergangenheit zu tragen, die trotz aller ihrer Verdienste nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprechen. Das ist mir zu viel Historie und Tradition. Meine Beziehung zu Guerlain ist sicher keine Amour Fou, sondern eher eine unterkuehlte Liebe, aber immerhin!

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