
Die Reise in den olfaktorischen Herbst und Winter - Part 5
"Der Herbst ist der Frühling des Winters"
(Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901), französischer Maler und Grafiker des Post-Impressionismus)
Die neue Woche startet mit einem Feiertag, sodass es heute mal nicht meine Kollegen, sondern meine Familie trifft. Ich überlege kurz, welcher der zum Test bereitstehenden Düfte am gefälligsten sein könnte und entscheide mich für "Une Nuit à Oman - Jardins de Misfah | Une Nuit Nomade". Da weiß ich ungefähr, was mich erwartet, weil ich den Duft im Discovery-Set der Marke getestet hatte und er mir positiv im Kopf geblieben war. Ich spekuliere mal darauf, dass er auch bei meiner nicht so duft-affinen Familie auf Toleranz trifft. Beim Aufsprühen auf die Handgelenke und den Nacken strömt mir eine üppige Süße entgegen. Wie Sirup oder zähflüssiger dunkler Honig. Ich erinnere mich nicht mehr an die Duftnoten, bin mir aber sicher, dass diese Süße hier mal nicht von Vanille herrühren kann. Honig in Düften ist bei mir auch eher schwierig. Tonka und Dattel fallen mir noch als mögliche Süß-Noten ein. Und unter dem dicken Sirup nehme ich dichte Blüten wahr. Meine Schwester will mir erzählen, dass sie Flieder riecht. Da weiß ich sofort, das der Schnupfen ihre Nase noch ziemlich gut im Griff hat. Ausgerechnet Flieder! Bei Lilac Path hat sie neulich noch ordentlich das Gesicht verzogen, wohlgemerkt ohne zu wissen, dass da Flieder drin ist. Ich hatte inzwischen in die Pyramide geschaut und kann ihr versichern, dass Sie da falsch liegt. Zu mögen scheint sie ihn trotzdem. Kein Wunder eigentlich, sie mag es süß, vor allem, wenn der Flakon zwei Frauenbeine in die Luft streckt. Mir gefällt der Duft nach ein paar Stunden am besten, wenn die anfängliche Süße ein wenig abgeklungen ist und er noch etwas runder und cremiger wird. Am Nachmittag ist er nur noch sehr hautnah wahrzunehmen, was für mich ok ist. Solche süßen Düfte werden mir nämlich schnell zu viel, wenn sie extrem haltbar sind und kräftig projizieren.
Am späten Nachmittag werde ich über die Benachrichtigung auf einen Restflakon "Beyond The Wall | Gritti" aufmerksam. Mit dem hatte ich mir in Woche 1 ganz wunderbar das Näschen gepudert und seither ein wenig nach ihm Ausschau gehalten. Und da haben wir es, das Dilemma: ich hatte es seither noch nicht geschafft, den "Oud Stars - Alexandria II (Parfum) | XerJoff" zu testen und möchte jetzt ungern eine übereilte Entscheidung treffen. Also schnell beide Abfüllungen hergesucht, einer links, einer rechts aufgesprüht und... gekauft. Ich kann sofort erkennen, warum die Ähnlichkeit beider so oft betont wird, aber im direkten Vergleich sind auch die Unterschiede ganz klar. Für mich ist "Beyond The Wall | Gritti" weicher, süßer und pudriger und wirkt dadurch femininer. "Oud Stars - Alexandria II (Parfum) | XerJoff" ist trockener, holziger und würziger und etwas maskuliner. Genau das schrieb auch die Parfuma, von der die Empfehlung im Forum stammte. Die Entscheidung fiel mir deshalb auch nicht schwer. Auf mich wirkt "Beyond The Wall | Gritti" einfach ein wenig runder. Das trockene Holz beim "Oud Stars - Alexandria II (Parfum) | XerJoff" piekst mich da im direkten Vergleich schon ein wenig in der Nase.

Am Dienstag geht es wieder auf Arbeit und Samsara Eau de Parfum begleitet mich. Diese Abfüllung wohnt schon lange bei mir. Ich hatte Sie damals kurz getestet, war dem Duft durchaus zugetan und hab ihn gedanklich in die Schublade „zur passenden Jahreszeit mal ordentlich probetragen“ gepackt und dort wartete er seitdem. Es ist nun also höchste Zeit, das Probetragen mal in die Tat umzusetzen, denn eine passendere Jahreszeit als den Herbst gibt es für diesen Duft vermutlich nicht. Ich sprühe mich (wie immer) erstmal nur zaghaft mit zwei Sprühern ein, lege aber nach 10 Minuten die gleiche Menge nochmal nach, weil mir der Duft gut an mir gefällt und ich ihn gern deutlicher wahrnehmen möchte. Und mein Umfeld soll ja schließlich auch was davon haben. Immerhin handelt es sich hier in meinen Augen um einen Klassiker aus gutem Hause, den man einfach mal gerochen haben muss. Ich kann verkünden: Jede(r) im Büro hat ihn nun mal - mehr oder weniger freiwillig - gerochen...Bildungsauftrag erfüllt! Begeistert bin ich von
Samsara Eau de Parfum vor allem deshalb, weil er für mich nicht so alt riecht, wie er schon ist. Bei vielen anderen Düften aus diesem und älteren Jahrgängen fällt mir das manchmal deutlich auf, da meine Nase einfach nicht auf Vintage steht. Für mich machen hier die pudrigen Blumen einen Großteil des Duftes aus. Eine subtile Würze ist ebenso wahrnehmbar, wie eine dezente Seifigkeit. In Summe lässt das den Duft auf mich erwachsen, gepflegt und zeitlos wirken und das gefällt mir richtig gut. Heute meldet sich wieder die Kollegin zu Wort, die mich vergangene Woche auf "Collection Extraordinaire - Bois Doré | Van Cleef & Arpels" angesprochen hatte. Sie findet, dass ich auch heute gut rieche, "aber anders gut". Der "Collection Extraordinaire - Bois Doré | Van Cleef & Arpels" war für sie dennoch schöner. Die Kollegin, mit der ich mir das Büro teile, kann mit dem Duft auch direkt was anfangen und ist sich sicher, dass sie ihn schonmal wo gerochen hat. Das wiederum ist bei so einem Duft vermutlich mehr als naheliegend. Das Alter des Duftes hätte keine von beiden vermutet.

Am Mittwoch greife ich ziemlich zielstrebig nach Liu•Jo Milano, einer Empfehlung aus dem Forum. Im Hinterkopf war mir hängen geblieben, dass das ein Gourmand ist, und heute ist mir tatsächlich nach was Süßem zumute. Ich freue mich, dass mein Plan soweit aufgeht, immer 5 Düfte für jede Woche bereitzustellen und dann morgens einen davon auszuwählen. Da habe ich etwas mehr Spielraum, als wenn ich mir für jeden Tag einen Duft vorgebe. Weil ich ein wenig in Eile bin, kann ich nicht so lange probeschnuppern und probieren, sondern sprühe mich heute einfach direkt etwas großzügiger ein und drücke die Daumen, dass ich das nicht bereuen werde. Auf dem Weg zur Arbeit schnuppere ich wohlwollend und fast schon genüsslich, während sich der Duft im Auto ausbreitet. Es ist faszinierend, wie er die Stimmung hebt und ein wenig glücklicher und zufriedener macht. Ein Stück Schokolade hätte das nicht besser hinbekommen.
Liu•Jo Milano ist süß und ich würde ihn schon auch als ein bisschen lecker beschreiben. Eine leichte Fruchtigkeit schwingt auch noch mit, meine ich. Anfangs riecht er für mich nicht direkt nach etwas Essbarem und ich kann wieder mal nur die grobe Richtung erkennen und benennen, einzelne Noten offenbaren sich mir noch nicht. Anders im Drydown: Da erkenne ich nussige und schokoladige Noten und bin ein klein wenig an Nugatpralinen erinnert. Ich bin selber überrascht, dass er mir so gut gefällt, weil Gourmands ja im Normalfall nicht so häufig bei mir punkten können. Aber dieser hier ist wirklich schön, lecker ohne klebrig süß zu sein und dabei vollkommen kalorienfrei.

Am Donnerstag starte ich entspannt und ausgeschlafen in den Tag, weil ich erst gegen 10 ins Büro muss. Da ist etwas mehr Zeit, sich mit der Outfit- und Duftauswahl zu befassen. Von den beiden verbliebenen Düften habe ich heute richtig Lust auf "Portraits - Clandestine Clara | Penhaligon's", der mir von einer lieben Parfuma wärmstens empfohlen wurde und auch bei den Empfehlungen im Forum mit zur Sprache kam. Der Flakon ist ja schon ein wenig exzentrisch und ich reche damit, dass der Duft darin vielleicht auch diesen Statement-Charakter hat, den ich bei "Portraits - The Bewitching Yasmine | Penhaligon's" so gern mag. Da ich ja letzte Woche festgestellt habe, dass es spannend ist, Mode und Duft zur gegenseitigen Untermalung zu kombinieren, wähle ich heute einfach mal ein etwas exzentrischeres Etuikleid, dass ich aus einem Quallen-Stoff genäht habe. Also wenn ich heute im Büro auffalle, dann wohl richtig. Mit "Portraits - Clandestine Clara | Penhaligon's" fühle ich mich sofort nach dem Aufsprühen wohl. Der Duft ist anders, als alles was ich sonst so trage, aber er gefällt mir und ich kann ihn mit Selbstbewusstsein tragen. Die alkoholischen Noten rieche ich gleich raus. Aber es ist kein scharfer oder beißender Alkohol und auch nicht der Geruch einer Alkoholfahne, sondern der Gesamteindruck ist wunderbar weich, vollmundig und pudrig mit der richtigen Portion Süße. Also schon gewissermaßen süffig, wenn man das bei Parfüm so sagen kann. Obwohl ich nicht sparsam gesprüht habe, will ich nach kurzer Zeit schon nachlegen, um ihn besser und deutlicher wahrnehmen zu können. Gedacht, getan! Ich habe heute mit vielen männlichen Kollegen zu tun und hätte eigentlich mit einem Kommentar gerechnet. Einerseits, weil ich den Duft für nicht alltäglich halte, andererseits weil ich beim Auftragen eher geklotzt statt gekleckert habe. Aber niemand scheint meine Duftwolke besonders wahrzunehmen, sich dafür zu interessieren oder sich daran zu stören. Oder es traut sich nur keiner, etwas zu sagen. Ich jedenfalls werde wohl mal bei Yasmine nachfragen müssen, ob sie sich perspektivisch über Claras Gesellschaft freuen würde.

Am Freitag habe ich frei und darf die letzte Abfüllung für diese Woche ganz entspannt und nur für mich testen und genießen. "Falling In Leaves | Atkinsons" ist, was die Aufmachung betrifft, einfach der Inbegriff von Herbst. Sowohl der Name, als auch der schöne Flakon, machen den Gesamteindruck komplett und rund. Solche vermeintlich oberflächlichen Feinheiten schätze ich besonders, da sie ein wunderbarer Beitrag zum gesamten Dufterlebnis sein können. Als Kinder haben wir uns im Herbst ja gern "in Blätter fallen" lassen, beziehungsweise sind mit Anlauf in den Laubhaufen gehüpft. Nicht immer zur Freude unserer Eltern, die den Haufen dann wieder zusammenfegen mussten. Wie das roch weiß ich nicht mehr, daher löst der Name keine direkte Erwartungshaltung bei mir aus. Für mich riecht der Duft beim Aufsprühen nach reifer Frucht, Likör und herbstlichen Gewürzen. Ich hatte mir gemerkt, das Pflaume dabei ist, die mir ja oft sehr gefällt, aber hier bin ich anfangs leider ein wenig enttäuscht. Ich finde die Kopfnote etwas zu aufgeregt, im Vergleich zum späteren Verlauf, wo alles durch eine dezente Cremigkeit zusammengebracht wird, sodass ein stimmiger Gesamteindruck entsteht. Nach ein paar Stunden sprühe ich nochmal an einer anderen Stelle auf meinem Arm frisch nach, um Kopfnote und Drydown vergleichen zu können. Für mich ist das Ergebnis eindeutig: Der Duft ist im späteren Verlauf für meine Nase viel schöner als im Auftakt. Schade, dass er nicht durchweg punkten kann, denkt das Verpackungsopfer in mir, das sich den Flakon schon zwischen den anderen herbstlichen Düften in der Sammlung ausgemalt hatte.
Meine Kollegin von nebenan weilt leider krankheitsbedingt zu hause, sodass wir uns auch in dieser Woche nicht über die Düfte austauschen konnten. Wir haben uns nun schon eine Weile nicht gesehen. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie Possibilities riecht und sie hat ein paar tolle und vermutlich auch für sie interessante Düfte verpasst. Vielleicht ist sie ja nächste Woche wieder zurück im Büro.

Und schon ist sie um, die kurze aber stressige Arbeitswoche, in der ich es dennoch geschafft habe, die Düfte bewusst zu genießen. Diese Woche ist es aber schwieriger, Favoriten zu benennen, da die Düfte allesamt mindestens gut waren. Am liebsten mochte ich tatsächlich "Portraits - Clandestine Clara | Penhaligon's", weil er für mich einfach etwas außergewöhnlicher ist, als die übrigen. Liu•Jo Milano und
Samsara Eau de Parfum liegen etwa gleich auf und ich kann mir vorstellen, dass sie beide auch irgendwann einen Platz in meiner Sammlung finden. Ich finde es ein wenig schade, dass es bei Guerlain jetzt so viele Düfte im Einheitsflakon gibt. Der rote ist doch eigentlich sehr hübsch gewesen. Die übrigen beiden Düfte finde ich tragbar und auch gefällig. Ein Habenwollen hat sich aber nicht eingestellt. Zum Glück, muss ich sagen, denn ich habe ja schon ein paar wirklich schöne Düfte entdeckt und auch noch einige Abfüllungen zu testen. Die nächste Woche kann also kommen.
Diese Woche gibt es nochmal Herbst-Fotografien von Valentin (Valiphotos) auf Pixabay. Ich mag seine Bilder sehr.
Liu Jo Milano klingt ausgesprochen spannend und so, als könne er was für mich sein, den muss ich auf jeden Fall auch noch testen:)
Das sind ja auch zwei krasse Gegensätze, die du da nennst, aber ich weiß genau was du meinst ;) ich würde auch komplett verschiedene Düfte zu den beiden Outfits wählen.
Der Lui Jo Milano kostet auch kein Vermögen, was schon auch mal ganz nett ist, wenn das Portemonnaie nicht so leiden muss :)