Die Reise in den olfaktorischen Herbst und Winter - Part 4
"Etwas schön finden, heißt ja wahrscheinlich vor allem: es finden."
(Robert Musil (1880 - 1942), österreichischer Novellist, Dramatiker und Aphoristiker)
Als ich die Abfüllungen für diese Woche bereitstelle, macht sich schon eine gewisse Vorfreude breit. Da ist einiges dabei, auf das ich gespannt bin und mich freue. Den Collection Extraordinaire - Bois Doré will ich direkt am Montag testen, der wurde mir inzwischen einfach zu schmackhaft gemacht, um dass ich länger warten könnte. Ich bin schon beim ersten beherzten Sprüher begeistert und neble mich daraufhin großzügig ein. Er ist süß, weich und cremig mit minimaler, angenehmer Würze. Warm durch die Süße und Würze, aber gleichzeitig auch irgendwie etwas kühl – wenn das überhaupt geht. Für meine Nase auf jeden Fall ein spannendes Zwischending. Ich nehme die Süße gut wahr, aber sie wird mir nie zu viel. Die würzige Note wird mit der Zeit noch deutlicher, so dass ich sie als Pfeffer identifizieren kann. Beim späteren Blick in die Pyramide ist die Freude groß, dass ich damit richtig liege. Auch die mineralischen Noten machen vollkommen Sinn. Ich vermute, dass sie für den kühleren Eindruck verantwortlich sind, der zwischendurch immer mal wieder mitschwingt. Heute bekomme ich das Kompliment „Du riechst übrigens richtig gut“ von einer Kollegin aus meinem Team, mit der ich mich sonst eigentlich nie über Parfüm austausche. Ich erzähle ihr kurz von meiner Suche nach schönen Düften für die kalte Jahreszeit und sie meint, dass dieser richtig gut zum heutigen sonnigen Herbsttag passt. Für sie weckt der Duft nämlich Erinnerungen an den gerade vergangenen Sommer und sie findet ihn außerdem perfekt passend zu dem Kleid, das ich heute trage. Ein Etuikleid aus dem, zugegebenermaßen nicht ganz unauffälligen, Stoff mit Protea-Print. Dass sich Kleidung und Duft gegenseitig ergänzen und in Szene setzen können, habe ich bisher eigentlich nie bedacht. Aber die Vorstellung gefällt mir und ich möchte das zukünftig noch etwas bewusster kombinieren.
Für den Dienstag habe ich mir den Gold ausgewählt. Der erste Duft seit Beginn meiner Duftsuche, bei dem ich genau weiß, was mich erwartet, weil ich ihn erst kürzlich in einem Wanderbrief getestet habe. Er gefiel mir so gut, dass ich ihn unbedingt noch mal richtig testen und tragen wollte, also kam das Sharing wie gerufen und kurz darauf zog die Abfüllung bei mir ein. Auch dieser Duft hatte somit einen wesentlichen Anteil an der Vorfreude auf diese Woche. Beim Aufsprühen nehme ich sofort genau das wahr, was ich in Erinnerung habe: Eine für meine Nase perfekt ausgewogene Vanille. Weich, cremig, nicht zu süß, etwas würzig und dezent holzig. Von der Duftrichtung her also dem gestrigen Duft nicht ganz unähnlich. Im Wanderbrief war seinerzeit auch der Gold- mit dabei, der zusätzlich Iso-E-Super enthält und mir auch gut gefiel. Ich beschließe kurzerhand, auf einem Handgelenk genau diese Kombi zu testen und sprühe erst Molecule 01 auf und darüber Gold. Der Duft an sich ist zugegebenermaßen recht eindimensional was den Verlauf angeht, aber genau das mag ich hier. Keine böse Backaroma-Verwandlung der Vanille in der Basis. Pur gefällt er mir aber den ganzen Tag lang besser als in meiner Kombi mit Iso-E-Super. Das liegt aber vermutlich daran, dass je ein Sprühstoß zum falschen Verhältnis führt. Im Gold- empfand ich das Iso-E-Super subtil, aber genau richtig dosiert. Ich sehe mich schon an dieser Layering-Kombi weiter experimentieren und kann mir den Gold auch gut zum Layern mit anderen Düften vorstellen.
Am Mittwoch tue ich mich schwer, aus den restlichen drei Düften einen auszuwählen. Ich habe das Gefühl, dass es nun immer orientalischer wird und habe entsprechend Respekt, da ich jetzt damit rechne, dass nun auch vermehrt Düfte dabei sind, die mir so gar nicht gefallen werden. Mal sehen, wann ich den ersten Abwaschkandidaten finde... Ich entscheide mich, heute Les Signes de Grès - État de Grâce zu testen, eine Empfehlung aus der Community und schon der zweite dieser Marke, die ich zuvor nicht kannte. Weil ich so gar keine Ahnung habe, was mich da erwartet, sprühe ich erstmal nur in die Luft, um mir beim vorsichtigen Schnuppern ein Bild zu machen. Oha, würzig-orientalisch ist mein erster Eindruck. Ich denke dennoch, dass ich ihn (er)tragen und den Tag mit ihm verbringen kann, dosiere aber nur zwei vorsichtige Sprüher an Handrücken und Dekolleté, da ich Haltbarkeit und Sillage nicht abschätzen kann. Als mir die Kopfnote in die Nase steigt, halte ich ihn für zu würzig mit Hang ins Maskuline. Es fällt mir extrem schwer, einzelne Duftnoten zu identifizieren. Meinen Vermutungen zufolge liegt das entweder daran, dass meine Nase bei orientalischen Düften noch nicht so geübt ist, oder daran, dass die Noten so miteinander verwoben sind, dass keine einzeln hervortritt. Mit dem Verblassen der Kopfnote wird der Duft jedenfalls deutlich runder und für meine Nase gefälliger und vor allem femininer. Er bleibt über den gesamten Verlauf würzig, gefällt mir aber in der Basis am besten. Wie ein Alltagsduft wirkt er auf mich nicht unbedingt. Ich sehe ihn abends an einer Frau, die vielleicht sogar noch etwas älter ist als ich. Meiner Kollegin von nebenan könnte er auch gut gefallen. Leider kann ich ihr diese Woche keinen meiner Düfte zeigen, da sie auf Dienstreise ist. Vielleicht kann ich das ja in der nächsten Woche noch nachholen. Manch anderer Kollege ist vielleicht mal ganz froh darüber, dass diese Woche nicht aus beiden Büros Duftwolken auf den Gang hinaus wabern, aber ich vermisse ihren Duft, wenn ich am leeren Büro vorbeigehe.
Der vorletzte Duft dieser Woche ist The Secret Collection - Soul Batik, auf den ich mich wirklich freue. Zum einen mochte ich den im Wanderbrief zur Marke Moresque sehr gern, zum anderen ruft das Verpackungsopfer in mir, dass es wirklich gern so einen hübschen Flakon der Marke im Schrank stehen hätte. Schlimm, wer hier alles was zu melden hat…! Beim Aufsprühen auf Handgelenk und Dekolleté bin ich entsetzt, dass der Duft nicht dem entspricht, was ich noch in Erinnerung hatte. Er ist schärfer, knarziger und kühler als gedacht. Ich hatte ihn eigentlich als weichen, süßlichen Orientalen in Erinnerung. Die Enttäuschung hält zum Glück nicht lange an, denn über den Vormittag hinweg entwickelt er sich und kommt meiner Erinnerung immer näher. Auch heute stehe ich wieder vor dem Problem der Duftnoten-Ahnungslosigkeit. Nur, dass die zunehmende Süße im Verlauf auf Vanille zurückzuführen ist, würde ich wetten. Der Rest ist für mich nicht identifizierbar. Einen Blick in die Pyramide später weiß ich mehr und beschnuppere ungläubig mein Handgelenk. Den Weihrauch hätte ich nicht erkannt, obwohl das eine Note ist, die ich eher homöopathisch dosiert bevorzuge. Bis abends kann ich den Duft immer mal wieder an mir wahrnehmen, also über die Haltbarkeit kann man hier wirklich nicht meckern. Jetzt, wo ich es weiß, rieche ich sogar den Weihrauch, störe mich aber kaum daran. Ich bin ehrlichgesagt recht froh, dass mich heute niemand auf mein Parfüm anspricht, denn ich finde den Duft schon speziell – zwar im positiven Sinn, aber dennoch... Im Arbeitsumfeld komme ich mir die ganze Zeit ein wenig „overdressed“ vor und habe deshalb ein wenig Sorge, dass ich meinen Kollegen olfaktorisch auf die Nerven gehe. Besonders, weil ich heute eigentlich nur Kollegen um mich habe, die nicht wissen, dass ich eine parfümverrückte, flakonsammelnde Parfuma mitten im Herbsttest bin. Für mich jedenfalls passt der Duft eher zum besonderen Anlass, und das sieht die Community offenbar auch so.
Am Freitag ist für diese Woche nur noch die Abfüllung von Plum Japonais übrig. Tom Ford ist eigentlich eine Marke, mit der ich bisher noch nicht so recht warm geworden bin. Allzu viele Düfte habe ich aber zugegebenermaßen auch noch nicht getestet. Doch Pfläumchen mag ich ja anscheinend, wie ich auch letzte Woche wieder feststellen durfte. Wie schon an den zwei vorangegangenen Tagen, lasse ich mich auf zwei vorsichtige Sprüher ein und muss schon ein bisschen darüber schmunzeln. Parfüm, dass ich kenne und mag und mit Selbstbewusstsein präsentiere, trage ich sonst immer mit etwa 5 Sprühstößen auf. Und nun bin ich schon den dritten Tag in Folge mit einer Art Minimalbeduftung unterwegs. Aber auf unbekanntem olfaktorischem Gebiet hält sich meine Risikobereitschaft einfach ein wenig in Grenzen. Zurück zur japanischen Pflaume: schon kurz nach dem Aufsprühen weiß ich, dass Herr Ford auch mit diesem Duft nicht bei mir landen kann. Nicht falsch verstehen, er ist keineswegs schlecht und auch weit davon entfernt, der erste Abwaschkandidat zu sein. Aber er haut mich eben auch nicht vom Hocker. Und ich habe nun mal die Erwartungshaltung, dass mich ein Duft mindestens so umhauen muss, wie der Anblick seines Preises. Nachdem ich das also für mich schon mal geklärt habe, kann ich mich aber wenigstens noch etwas mit dem Duft auseinandersetzen, schließlich werden wir den ganzen Tag miteinander verbringen. Ich würde ihn im ersten Eindruck als fruchtig-würzigen Orientalen beschreiben. Die Pflaume hätte ich aus der Fruchtnote vermutlich nicht einzeln herausgerochen, aber wenn Pflaume im Namen steht, bildet man sich nun mal sehr viel schneller ein, dass man sie auch riecht. Beim Blick in die Pyramide entdecke ich dann den Pflaumenlikör und das ergibt auch für meine Nase schon eher Sinn. Außerdem denke ich, dass die Mischung aus Oud und Immortelle mir den Duft ein wenig verdirbt. Besonders bei Immortelle beobachte ich immer wieder, dass mir Düfte nicht gefallen, wo diese Note gelistet ist.
Der Samstag wird spontan wieder zum Vergleichstest zweier Düfte genutzt, die ich schon kenne, aber nochmal genauer unter die Nase nehmen will. Milk Musk Eau de Toilette und Milk Musk Eau de Parfum unterscheiden sich nämlich nicht nur in der Konzentration der Duftstoffe sondern auch etwas in der Komposition, sodass es mir hilft, die beiden nebeneinander aufzutragen um meinen Favoriten zu finden. Beim Milk Musk Eau de Toilette mag ich im Auftakt die fruchtigen Noten sehr gern und seine Sillage kommt mir stärker vor. Der Milk Musk Eau de Parfum wirkt etwas tiefer und gemütlicher, ist etwas länger auf der Haut wahrzunehmen, hat allerdings keinen wirklichen Duftverlauf, was mich nicht weiter stört. Meine Mutti kommentiert mein Duftwölkchen heute mit "was hast du denn schon wieder für ein süßes Parfüm dran?" Sie findet aber auch den überwiegenden Teil meiner Düfte "anstrengend". Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, dass ich einen der beiden für kuschelige Herbsttage mit in meine Sammlung aufnehme. Heute hat das EdP die Nase vorn, aber ich teste beide in den nächsten Wochen noch weiter. Dem Verpackungsopfer in mir gewähre ich noch die Bemerkung, dass die Flakons der EdPs mit den bunten Kugeln auf den Deckeln ja auch viel schöner sind...
Und schon ist wieder eine Woche um und das Resümee fällt mir denkbar leicht: Sowohl Collection Extraordinaire - Bois Doré als auch Gold haben Wunschlisten-Potenzial. Bisher habe ich noch nicht einen schwarzen Flakon im Schrank. Meine Sammlung ist also derzeit nicht nur olfaktorisch sondern auch optisch der Inbegriff von hell und freundlich. Die beiden wären eine tolle Möglichkeit das zu ändern. Auch die beiden Molton Browns würde ich nicht von der olfaktorischen Bettkante schubsen. The Secret Collection - Soul Batik könnte ich vielleicht im Winter oder zu einem besonderen Anlass nochmal probieren und schauen, wie er dann auf mich wirkt.
Aber erstmal freue ich mich auf die nächste Woche. Es warten wieder würzige Orientalen auf mich, und es wird auch boozy und gourmandig.
Die schönen Fotografien des goldenen Herbstes stammen in dieser Woche von Peggychoucair auf Pixabay.