Konsalik

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6 - 10 von 86
Konsalik vor 4 Jahren 25 16
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Haltbarkeit
8.5
Duft
Mit dem Luftschiff durchs Londoner West End.
Nur selten hat eine Neuerscheinung von Penhaligon's in den letzten Jahren ein solch einhellig positives Echo hervorgerufen wie Belgravia Chypre. Man möchte sogar meinen, dass es der großen, alten Marke nur acht Jahre nach dem formvollendeten Sartorial gelungen sei, einen weiteren Neo-Klassiker höchster Qualität ins Feld zu führen - keine schlechte Quote, was die zahlreichen Fehlschläge und zeitgeisthörigen Schnellschüsse vergangener Jahre verzeihlich erscheinen ließe. Anlässlich der Transaktion im Souk frage ich die Verkäuferin (eine der bekanntesten und fachkundigsten Damen auf Parfumo) also nach dem Grund für die Veräußerung. Die Antwort wird charmant verweigert, mein Urteil solle nicht beeinflusst werden. Verständlich. Umso gespannter war ich darauf, was an diesem angeblichen Superduft denn bitteschön derart Anstoß erregen könnte, dass eine verdiente Parfuma dazu verleitet wird, nach 0,5 der vorhandenen 10 Milliliter "Nein, danke" zu sagen. Nach wochenlangen Tests habe ich eine Vermutung.

Zunächst jedoch muss sich meine Stimme in den Chor der Lobeshymnen einreihen: Belgravia Chypre ist bemerkenswert. Ein durch und durch moderner, fruchtiger Chypre, der in Kopf- und Herznote dennoch derart unmissverständlich alte Welt atmet, dass es eine Freude ist. Und ausgerechnet die zur Zeit so angesagte Himbeernote ist dabei die Angel, an welcher der Duft mühelos zwischen 19. und 21. Jahrhundert hin und her schwingt. In Verbindung mit dem aufgelockerten, niemals wächsernen oder schwülen Chypre-Gerüst (flirrend blumig, leicht holzig, säuerlich frisch) ergibt sich eine eigentümlich utopisch-heitere, wohlerzogen-puppenstubige Retrovintage-Konstellation, welche - zumindest meine - Phantasie stark anregt. Der gute User Loewenherz sprach in seiner Rezension ja schon von dem Londoner Stadtteil Belgravia und der Art, in der dieser Duft dessen "genius loci" abbildet. Ich würde nur hinzufügen, dass er eine pastellig nachkolorierte, beinahe steampunkige Alternativ-Version dieses Bezirks zeichnet. Man gebe in die Google-Bildersuche "Belgravia house fronts" ein und denke sich ein tief fliegendes, messingbeschlagenes Luftschiff dazu, aus dem ein freundlicher Herr unbestimmten Alters mit gezwirbeltem Schnurrbart beiläufig grüßt.

Klingt bis hierhin alles nach mindestens 9,5 Punkten, oder? In der Tat, und meine 8,5 Punkte sind, auch wenn es seltsam klingt, als enttäuschtes Lob zu verstehen. Denn nach hinten raus bzw. nach unten hin verliert der Duft an Zauber und Substanz. Wie bei so vielen zeitgenössischen Kompositionen drängelt sich auch hier ab etwa der Mitte des Duftverlaufs zunehmend eine leicht spitze, synthetisch riechende Allerweltsholzigkeit ins Bild, die das Vorangegangene zwar nicht entwertet, aber in seiner Konstruktion doch fragwürdig und seltsam hohl erscheinen lässt: Waren die Häuserwände nur Fassade? Waren die Anzüge und Sonntagskleider von Zalando? Hängt das Luftschiff gar an Nylonfäden? Das klingt esoterischer, als es ist: Im Rückblick macht Belgravia Chypre auf mich tatsächlich den Eindruck, als sei alles auf einer Basis entworfen worden, die dazu dient, bis in die Kopfnote hinein einen gewissen Effekt zu erzeugen. Dieser Eindruck verstimmt mich spürbar und lässt in mir den Wunsch aufkommen, Fabrice Pellegrin mit einer Reformulierung ohne Budgetgrenzen zu beauftragen; eine Art "Belgravia Chypre - Premium Edition", sozusagen.

Trotz aller Einschränkungen ist Penhaligon's für den Mut zu loben, einen derart eigentümlichen, zugleich zeitlosen und aus der Zeit gefallenen Duft zu lancieren. Und wäre die neue Serie der "Downton Abbey"-Macher namens "Belgravia" nicht erst in diesem Jahr gestartet: Den Trailern nach hätte sie diesem Duft allemal als Inspiration dienen können.
16 Antworten
Konsalik vor 4 Jahren 29 14
8
Flakon
7
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7
Haltbarkeit
8
Duft
Urlaub im Spa "Blütenmeer am Gletscherpass", oder: Ein Heimatfilm für Jung und Alt.
Da stand das Grundgerüst der Besprechung schon, sollte am kommenden Abend ins Reine geschrieben werden und - tja, da poppt in meinem Postfach ein Kommentar zu Alt-Innsbruck auf. Und nicht etwa von MaybachClubber93, sondern von einer der am besten beleumundeten Edelfedern dieser Seiten, FvSpee persönlich. Die Analyse ist natürlich vorzüglich, informativ, beziehungsreich, ein Lesevergnügen. Hmpf. Glücklicherweise nehme ich Alt-Innsbruck in mancherlei Hinsicht ein wenig anders wahr und habe zudem auch noch ein anderes Ass im Ärmel (Stichwort: Ballonzerstäuber!). Insofern ist vielleicht doch nicht alles für die Tonne; ein paar Wochen respektvollen Abstands wollte ich aber dennoch wahren, was nun auch geschehen ist.

In der Kommentarspalte unter genannter Rezension verwundert sich der geschätzte MonsieurTest mit einigem Recht über die eigenartige Gestaltung des Etiketts. Blassviolette Bergketten, das muss man zugeben, wirken ja auch ein wenig eigentümlich und werfen bei manchem vielleicht die Frage auf, ob den Leuten bei R. Neuner bzw. Proderma in den Fünfzigern der gute Albert Hofman vielleicht ein Begriff war. Aber nein: Nach meinem Dafürhalten gibt das Etikett in Verbindung mit der Schriftart dem Betrachter einen ganz vorzüglichen Eindruck vom Charakter des Inhalts. Dies zu erklären bedarf nun eines kurzen Anlaufs:
Neben Menthol soll dieser Duft ja bekanntlich vor allem aus einem Tabak-Akkord(?) bestehen. Nun ist Tabak ein Duftbaustein, den ich bislang noch bei keinem(!) Duft mit wiederkehrendem Erfolg und mit einiger Selbstverständlichkeit verlässlich habe isolieren können - was mir als langjährigem Raucher naturbelassener Pfeifentabake eigentlich spielend gelingen müsste. Nach den ersten Sprühstoßen aus dem mitgelieferten Ballonzerstäuber (ein spuckendes, röchelnd-pfeifendes Spielzeug übrigens; muss man nicht haben) war ich zunächst wiederum ratlos: Ein durch und durch blumiger, cremiger (nicht pudriger!) Unisexler füllt das Badezimmer aus. Nicht komplex, aber sehr distinkt nach meiner Vorstellung von Wirtschaftswunderbeduftung riechend. Eine Bleikristallschale voll getrockneter Blüten auf geklöppelter Tischdecke, tendenziell sogar eher feminin. Die Metholnote hielt sich demgegenüber fast schon zurück. Um im Bild zu bleiben: Auf dem Beistelltischchen wird lediglich eine Blechdose mit Eisbonbons von Cavendish & Harvey geöffnet.

Irgendwie gefiel es ja, aber Tabak? Mit der Zeit dämmerte es mir: Alt-Innsbruck zitiert zuvorderst die zart rosanen bis kräftig violetten Blütenstände(!) der Tabakpflanze herbei (man bemühe die Google-Bildersuche)! Dieser Befund löste zwar mein grundsätzliches Identifikationsproblem mit Tabak in Parfums nicht, erschloss mir aber den vorliegenden Duft restlos: Hübsch kosmetisch, ein Gedanke an Hautcreme, violette Blüten und einen Hauch von Gebirgsfrische dank des Menthols. Daher auch die vollkommene Abwesenheit einer Duftentwicklung, trotz recht ordentlicher Haltbarkeit. Alt-Innsbruck war für mich abgestempelt als ein "Wellness"- und Pflegeprodukt seiner Epoche, kein Parfum im landläufigen Sinne. Sympathisch, aber nicht ganz meins. Sieben Punkte.

Nach einigen Wochen ging mir der spillerige, hustende Ein-Loch-Zerstäuber vollends auf die Nerven. Abgeschraubt, zurück in die Verpackung, den regulären Deckel aufgeschraubt: Beim nächsten Mal wird gesplasht, was soll's. Einige Tage später erinnerte ich mich nach einer Rasur daran, dass einge Rezensenten das EdC für rasurtauglich erklärten, ja sogar mit Emphase darauf bestanden, dass es sich als After Shave ganz vorzüglich eigne. Ich mach's kurz: Es stimmt! Und nicht nur das: Durch das plötzlich ungleich machtvoller auftretende Menthol (meine Wangen fühlten sich minutenlang an, als habe man sie mit knapper Not vom Everest zurückgeholt) erhält der Duft eine deutlich andere Balance. Die blumig-violette Nierentischbetulichkeit wird zurückgedrängt, während der grundsätzlich cremige Eindruck bleibt und die Kälte des Menthols relativiert (Kollege vSpee hat Recht!); das Unisexpendel schwingt deutlich in Richtung "maskulin" und mein Gesicht hellt sich auf. Alt-Innsbruck ist nicht nur rührig-sympathisch, sondern zeitlos gut. Die kritische Nachkaufkandidaten-Schwelle (die ich zwischen sieben und acht Punkten ansiedeln würde) wurde überschritten und mittlerweile bin ich nicht mehr nur aus duftarchäologischen Gründen froh darüber, Alt-Innsbruck zu besitzen.

Bleibt nur ein Gedanke: Woran liegt es, dass bei einigen Düften ein Wechsel der Art und Weise der Applikation solche erheblichen Unterschiede im Dufteindruck bewirkt, während andere davon annähernd unbeeindruckt bleiben? Rätselhaft. Aber schön, dass uns auch scheinbar einfachste Düfte so überraschen können.
14 Antworten
Konsalik vor 4 Jahren 23 15
6
Flakon
8
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7
Haltbarkeit
6.5
Duft
Moderner Barbershop mit Formfehler
Es war eine jener kleinen Veränderungen alltäglicher Abläufe, die der Lebensführung, rückblickend betrachtet, doch einen nicht unerheblichen Schubs gegeben haben und deren Zurücknahme nunmehr umso unmöglicher erscheint, als sich an jene eine Veränderung eine ganze Reihe anderer – für sich genommen ebenfalls kleiner, kleinster – Veränderungen der Daseinsbewältigung angeschlossen haben, die nun, wie gekoppelte Güterwaggons, doch ein Ganzes von nicht unerheblicher Gravität und wechselseitiger Abhängigkeit bilden. Kurz: Vor etwa zweieinhalb Jahren habe ich mich zum ersten Mal rasiert.

Das heißt, meine Gesichtsbehaarung habe ich mir freilich schon früher regelmäßig entfernt. Zunächst mit einem elektrischen Rasierapparat (von Braun, zum sechzehnten Geburtstag bekommen, initiatische Erfahrung), danach über mehr als zehn Jahre mit wechselnden „Cartridge“-Systemrasierern (Gilette Mach 3, 4, 5; Wilkinson Sword 3D, 4D, 5D etc.) - und damit dachte ich, dass es das gewesen sei. So rasiert man sich nun einmal. Aus nachträglich rekonstruierbaren, hier aber nicht hin gehörenden, externen Gründen und einem, in seiner Genese etwas obskureren, plötzlich raumgreifenden Formwillen heraus stand ich nun allerdings eines Tages mit einem Rasierhobel alter Schule, einem Tiegel mit Rasierseife und einem Rasierpinsel aus synthetischer Borste vor dem Badezimmerspiegel. Und es war wunderbar! Ein ungekannt gründliches, befriedigendes Rasurergebnis! Nicht vergleichbar mit dem enervierenden Gezuppel und Gezippel vergangener Jahrzehnte! Ich war zum ersten Mal rasiert. Doch nicht nur das Ergebnis, auch das Erlebnis war es, was begeisterte: Die fast schon meditative, ruhig vor- und nachbereitende Reihenfolge der nötigen Handgriffe kostete nur auf dem Ziffernblatt der Uhr Zeit, denn in Wahrheit formierte sie einen Zeitraum, gab ihm Qualität und „Geschmack“, der zuvor nur halbherzig bis widerwillig mit der regelmäßigen Duschroutine verknüpft worden war: Dosenschaum auf‘s Gesicht, schab, schab, schab, Schaumreste flott abgeduscht. „Convenient“, aber im Grunde nervig. So jedoch hatte ich mir mit einem Mal an drei Wochentagen fünfzehn Minuten tatsächlich für mich (!) erobert, was in einer bürgerlichen Gesellschaft, bittesehr, als mittelgroßer Triumph zu gelten hat. Blumen und Glückwunschnoten bitte an mein Postfach.

Anteil an diesem oasenhaften Behagen hatten von Anfang an die vorzüglich duftenden Rasierseifen von Proraso, einer alten italienischen Firma für Barbierprodukte aller Art, deren Produktgestaltung bis heute ewige 50er Jahre-Italo-Sommer evoziert; man möchte jauchzen. Nachdem ich in den Folgemonaten auch noch meines seit Schulzeiten unangetasteten 30cm-Bartes (Modell „Nordmann rustikal“) verlustig gegangen war, da ich ihn beim Innenstadtbarbier gegen 5cm des Modells „Kardinal Richelieu“ eintauschte, wuchs der Bedarf an Bartpflegeprodukten. Und auch bei Ölen und Balsam tat sich erneut die rührige Marke aus dem florentinischen Fiesole hervor: Gute Pflegeeigenschaften bei geschmackvoller olfaktorischer Abstimmung und gleichzeitig sehr humaner Preisgestaltung! Besonders „Wood and Spice“ gefiel mir von Anfang an ausgezeichnet: Ein recht kräftig abgestimmter, aber sehr ausgewogener Dreiklang aus mentholiger Frische, kerliger Holzigkeit und wärmender Süße. Und auch wenn mein Bild einer Barbershop-Duftsignatur sich seit meinem Eintritt in den Parfumo-Orden deutlich gewandelt und vertieft hat, halte ich „Wood and Spice“ auch heute noch für eine gelungene Aktualisierung des alten Barbershop-Themas. Zumindest, solange es nicht um das Cologne aus der Reihe geht…

Ich weiß nicht, ob Proraso bei der Komposition der Parfumversion von „Wood and Spice“ kräftig an der Zusammensetzung der Duftnoten gedreht hat, oder ob schlicht die ölige bzw. balsamische „Trägermasse“ fehlt, die für den ausgewogenen und hochwertigen Dufteindruck der anderen Produkte aus dieser Reihe verantwortlich ist, aber irgendwie ist das oben angesprochene Gleichgewicht bei diesem Cologne ein wenig aus den Fugen geraten: Die Süße nimmt schon kurz nach dem Aufsprühen überhand und raubt der sehr mentholigen Minze des Bartöls die pflegende Frische, was den Gesamteindruck eher in Richtung Wrigley‘s Spearmint verschiebt (die Duftnoten sprechen von „Veilchenblatt“ - mag sein, dass es das ist; „Veilchenbonbon“ träfe es eher). Daneben wirkt das eigentlich so sauber eingebundene Holz mit einem Mal vergleichsweise trocken, pieksig und deutlich synthetisch. Auch der fehlende Duftverlauf (bei Kosmetikprodukten ja weiß Gott kein Malus) ärgert hier plötzlich ein wenig, auch wenn dieser Befund objektiv unfair sein mag.

„Wood and Spice Cologne“ ist für sich genommen sicher kein Fehlgriff, jedoch wirkt es im Vergleich zu seinen Kollegen ein wenig wie Bückware. Daher meine Empfehlung für die Bartträger unter euch: Versucht es stattdessen entweder mit dem gleichnamigen Bartöl oder (wenn ihr einen Drei-Tage-Bart bevorzugt) dem „Balsamo cura barba“. Beide vermitteln deutlich mehr Wertigkeit und strahlen fast genauso lang und intensiv ab wie das Cologne – zum kleineren Kurs. Habe ich eigentlich schon genug Werbung für Proraso-Produkte gemacht?
15 Antworten
Konsalik vor 4 Jahren 23 14
9
Flakon
8
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8
Haltbarkeit
8.5
Duft
Reflektiert breitbeinig
Versuche, klassische Duftsignaturen in Verbindung mit Oud ausfindig zu machen, schlugen für mich bislang fehl: Synthetisches Oud und althergebrachte Kompositionen vertrugen sich entweder nicht so recht (AdPs Colonia Oud) oder der Charakter klassischer Häuser wurde entstellt und das Ergebnis wirkte seltsam halbherzig (Floris' Leather Oud). Wenn ich nun nicht ein kleines Vermögen für - zugegebenermaßen großartige - Echt-Oudler wie z.B. aus dem Hause Ormonde Jayne ausgeben wollte, blieb für mich eigentlich nur, die Formel "Alteuropäische Parfumschule + Oud" mit dem Vermerk "nicht zufriedenstellend aufzulösen" ad acta zu legen und mich einer erfolgversprechenderen Partie zuzuwenden. Zum Glück mag ich ja nicht nur die, vom Mainstream her betrachtet, uralten Obskuritäten von Anno Kautabak, sondern auch Düfte aus der Zeit der sogenannten Powerhouse-Epoche. Deren Vertreter aus der Kernzeit zwischen etwa 1975 und 1990 drehen in Sachen Gewürze, Seife und Animalik gerne mal alles auf 10 und verhalten sich zu vielen Klassikern der vorangegangenen Jahrzehnte wie "Bat out of Hell" zu "All you need is Love". Da möchte man im Stile der Ratiopharm-Zwillinge doch nachfragen: Gibt's da auch was mit Oud?

Sollte es eigentlich nicht geben, oder? Schließlich fing der Hype um den Duftstoff ja erst vor gut zehn Jahren an, lange nach dem Ende des genannten Zeitraums. Doch durch eine Rezension des geschätzten Users MonsieurTest wurde ich (zum wiederholten Male!) auf einen Duft aus der One Man Show-Reihe von Jacques Bogart aufmerksam gemacht. Steht der ursprüngliche One Man Show aus den 70ern im Ruf, einer der archetypischsten Kracher aus der Powerhouse-Riege zu sein, las sich auch MonsieurTests Rezension zum "Gold Edition"-Flanker so, als wäre die Grundsubstanz (Marke: Elegante Dampframme) weitgehend unangetastet geblieben. Ein Haus also, das über vierzig(!) Jahre hinweg einen Klassiker mit Flankern versieht, ohne dass sein grundsätzlicher Charakter verraten würde?! Das verdient schon Beifall. Und dann soll es von diesem sogar eine Oud Version geben? Für weit unter 20€?! Da wird nicht kleinlich rumgesoukt, da wird gekauft.

Nach einer ersten Testdusche (der Sprühkopf unseres Glasreinigers dosiert sparsamer) kam ich schon im Verlauf weniger Minuten zu einem Zwischenfazit, das sich auch nach mehreren Testläufen nicht geändert hat: Genau so muss man mit synthetischem Oud umgehen! Nicht leisetreten, nicht runterdrehen, sondern in eine Gang aus ähnlich polarisierenden, dominant im Raum stehenden Kollegen eingliedern, die den "Neuen" souverän unter ihre Fittiche nehmen.
Der mittlerweile fast schon standardisierte, pieksig-hölzerne und leicht medizinische Dufteindruck des landläufig bekannten Synthie-Ouds wird nach einer irgendwie mürbe-fruchtig-alkoholischen Eröffnung (fachgerecht nachgereifter Obstler) vor allem von kräftig grünem, bitter-adstringierendem Galbanum - das mich hier seltsamerweise ausgerechnet an Grey Flannel erinnert - und einer nicht minder muskulösen Leder-Seifennote gerahmt. Das Vintage-Gewürzsträußchen (ich vermute neben Thymian noch Zimt und Basilikum) tritt demgegenüber fast schon in den Hintergrund, gibt aber, ähnlich wie das vergleichsweise sparsam dosierte Patchouli, dem Duft erst seine eigentliche "Parfumhaftigkeit". Jacques Bogart wurde von einem Mitparfumo nachgesagt, dass dort Parfums nicht mit der Pipette, sondern mit dem Messbecher komponiert würden. Den Eindruck habe ich auch, aber komponiert wurde da eben doch. Und das gut!

Die Oud Edition von One Man Show steht insgesamt zwar ebenso breitbeinig und langanhaltend im Raum wie die großen Powerhäuser von damals (Kouros, Santos etc.), wurde aber behutsam und mit spürbarer Liebe zu der Duftsignatur eben jener Epoche an die Jetztzeit angepasst. Wer ihn trägt, reflektiert seine Vorliebe für jene Zeit, ohne sie plump ironisieren zu wollen: OMS - Oud Edition ist, um es auf eine Formel zu bringen, "0% Hipster". Wer einen musikalischen Vergleich wünscht, sei auf eines der besten Retrowave-Projekte verwiesen, die den melancholischen Synthiepop der 80er mit ebenso zärtlich-aktualisierenden Eingriffen ins Hier und Jetzt überführen: Man suche auf Youtube nach FM-84 mit dem Song "Running in the Night" - mein persönlicher Soundtrack zu diesem Duft.
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Konsalik vor 4 Jahren 23 14
8
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft
In der Prärie wird nicht geduscht!
Es ist doch wunderbar, wenn man einen guten Freund aus Schulzeiten mit seiner parfumologischen Leidenschaft ansteckt, der zugleich dazu neigt, ähnlich analytisch/komplettistisch/exploratorisch an seine Hobbies heranzugehen wie man selbst. Da werden bei Besuchen schachtelweise Parfums zusammengestellt und am Ende sind es die Herren, die schnüffelnd und fachsimpelnd am zur Mikro-Osmothek umfunktionierten Esstisch sitzen, während die Damen im Garten am Bambusbestand herumsägen und ab und an missmutig die Köpfe ins Zimmer stecken. "Oh, seid ihr fertig?" - "Ja, wir vergleichen jetzt Rasierseifen! Textur und Cremigkeit der Seife von Tabac Original lassen nicht ohne Weiteres auf den niedrigen Preis schließen, oder was meint ihr?" - "..."

Nunja, also, hm, ansonsten sind wir sehr charmant und kurzweilig. Wirklich. Bestimmt. *hust* Besagter Freund also hat (neben einem üppig angewachsenen Harry Lehmann-Regal) auch eine entschiedene Vorliebe für Produkte aus dem alten - in Deutschland weitgehend unbekannten - amerikanischen Haus Pinaud bzw. Clubman entwickelt. Dessen Produkte zeichnen sich zunächst durch ihren wirklich günstigen Preis sowie die ebenso günstige Darreichung in Form billigster (!) Weichplastik-Splashflakons aus. Kein Grund die Nase zu rümpfen, denn sowohl der Preis als auch die Präsentation stimmen mit Sinn und Zweck der Produkte auf's Charmanteste überein. Ich zitiere die Innenseite des Labels (ein eigenes Rückseitenlabel wäre wohl zu teuer gewesen):

"- bold, masculine fragrance
- instantly cools, tones, refreshes the skin
- exhilerating freshener after bath, splash on freely all over body"

Wir folgern scharf: Die hauseigene Bezeichnung von Clubman Special Reserve als "After Shave Cologne" war wohl das semantisch Breiteste, was zu finden war. "Universalriechbrühe", "Notfall-Duschersatz" oder "Olfaktorisches WD-40 für Bohrinsel und Opernball" wären meine Alternativ-Vorschläge. Wie genau riecht also dieses etwas schmutzig-grün-braune, an Brackwasser gemahnende Zeugs, das man sich da in die Hand schüttelt? Eine Notenliste bleibt uns der Hersteller ja schuldig (was ich immer spannend finde, da man sich so unvoreingenommener mit dem Duft beschäftigt und nicht so leicht auf Peinlichkeiten wie "Nach einer halben Stunde zeigte sich die lombardische Zobelkiefer deutlich!" verfällt)...

Cappellusman schrieb Clubman Special Reserve vor zwei Jahren in seinem Statement eine "kerlige" Art zu, und das stimmt. Hier reitet der Marlboro-Mann in vollem Galopp aus dem alten Werbeplakat. Aber ganz anders, als europäische Düfte in den vergangenen Jahrzehnten Männlichkeit interpretiert haben: Hinter der - bei "richtigen" Parfums eher unerwünschten, bei Rasierwässern hingegen sehr willkommenen - alkoholisch-ratzeputzigen Eröffnung mit einem Hauch orangiger Zitrik steht ein eigentümlicher Dreiklang aus Nelke, Bay Rum-artigem Lorbeerblatt und Lederakkord, wobei ich nicht sagen könnte, ob der ledrige Eindruck nicht erst durch diese eigentümliche Gewürzkombination entsteht. Ein sehr eigener Duft: reduziert und dennoch üppig, hemdsärmelig und dennoch von exotischem Charme. Auch die Basis bleibt eigentümlich, wird die klassische Rasierwasser-Seifigkeit doch von einer deutlichen, für mich schwer definierbaren Süße begleitet, die mich ein wenig an (stark verdünnte!) Dr. Pepper-Cola erinnert. Sehr amerikanisch, das Ganze. Man lasse sich übrigens nicht von der schwachen Eigenprojektion beschwindeln: Die (nähere) Umgebung hat für einige Stunden etwas von Clubman Special Reserve.

Insgesamt einer der stärksten Vertreter einer im Ganzen seltsam sympathischen Marke. Wer ab und an Lust auf Düfte hat, die charakterstark sind und nicht mit der Pipette, sondern mit der Kreissäge komponiert wurden, wird hier sicher fündig. Bonustipp für Fans des kölnischen Dufttyps: Das "Eau de Portugal"-Haartonikum taugt gleichsam als bitterorangiger (ebenfalls mit der hauseigenen Lorbeernote versehener) Universalkörperduft.
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