Liquid

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1 - 5 von 9
Liquid vor 7 Monaten 21 4
8
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Liebe
Das mit der Liebe ist schon so eine Sache.
Unerwidert eines der zerrüttendsten Gefühle der Welt, gegeben doch etwas so Schönes, Starkes, Aufrichtiges, Befreiendes und doch auch so fragil und verletzlich. In inniger Umarmung kräftig und stabil und in seiner Entstehung doch angreifbar von äußeren Einflüssen. "Hearsay" besang einst Alexander O'Neal in seinem Klassiker genau über jene Umstände, die dieses zerbrechliche Konstrukt in seiner Entstehungsgeschichte untergraben kann. Leidenschaft ist in der Liebe etwas unabdingbares, erfüllt zwangsläufig nicht nur die eigenen Träume. Ein von der Natur inszeniertes Wechselspiel der Emotionen über Hormonkonzentrationsveränderungen im Körper. Alles recht einfach erklärbar und doch so faszinierend und möglicherweise der Kern zwischenmenschlicher Interaktion. Die Befriedigung des trivialen Bedürfnisses nach Anerkennung versteht sich in der Liebe als Endstation, die keine Fragen mehr zu beantworten braucht. Es geht aber auch darum, dass der anfänglich vollumfängliche Glaube und die uneingeschränkte Projektion der eigenen Bedürfnisse auf eine andere Person immer auch die Gefahr birgt, dass jene nicht ganz erfüllt werden können, weil es objektiv betrachtet einfach unmöglich ist. Und doch liegt man sich gerade im anfänglichen Miteinander bestenfalls in den Armen, liebkost sich und es entsteht eine Ver[Bindung], die immer weiter durch ein inneres Gefühl genährt wird, das aus den eigenen Handlungen ein Bedürfnis entstehen lässt von dem man nicht genug bekommen kann.
Romeo & Julia werden da gern als Paradebeispiel einer Liebeserfüllten und auch gemeinschaftlich suizidal erdrückenden Beziehung zitiert, die in ihrer unwirklichen Vollendung eine Liebe beschreibt, die auf ewig ein Phantasma bleiben wird. Liebe ist dann ein Katalysator, ein Gefühlsverstärker, der auch die anderen Gefühle, die man in sich trägt, intensiviert während das eigene Selbst im besten Fall zur Umwandlung getrieben nur noch lose vom sozialen Umfeld erkannt wird. Das Gefühl hatten wir ja im besten Fall alle schon ein Mal.
Und nun bist du weg und hinterlässt intensive Schwaden ambrierter Vanille, die mir nicht aus dem Gedächtnis wollen. Beinah erdrückend ist der Geruch, wenn du ihn aufgetragen hast und der gesamte Raum danach roch.
Ich will ehrlich zu dir sein, es hat hat sich einiges verändert, seitdem wir uns das erste Mal sahen.
Und jetzt manifestiert sich dein Geruch in meinem Gehirn und will nie wieder gehen.
Mit mikroskopischen Spuren hat sich das synaptische Netz für immer verändert und angepasst, wie gewohnt.
Wenn du doch nur geblieben wärst.
Stattdessen ziert meinen Parfümschrank nun ein Flakon dieser einmaligen, traumhaften Duftschönheit, die dein Bild für immer komplettiert hat. Ein Bild von malerischer Schönheit.
Wenn ich daran denke sehe ich Sonnendurchtränkte Gerstenfelder während Santana daneben mit seiner E-Gitarre ein leidenschaftliches Solo spielt.
Dann Stille.
Wir küssen uns ewig und der Sonnenuntergang nimmt all den Müll und all den Schmutz mit, den ich mit mir den ganzen, weiten Weg herumtrug und der mich belastete.
Dann ist dort nur noch Liebe.
Ein Gefühl, das wir uns alle auf ewig wünschen würden und das nur durch das Besondere, das Einzigartige bestehen kann.
Und immer wenn ich den Deckel vom Flakon löse und einen Sprüher abgebe, ist es unkonservierbar wieder für einen kleinen Augenblick da.
In Worten nicht zu beschreiben und doch mit dem Titel Amber, Floral, Sensual Musk.
4 Antworten
Liquid vor 9 Monaten 1 3
8
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Ein Duft, den die Engel brachten
Nachdem ich nun "Trono | MAD Parfumeur" und "Oud 02 Sateen | MAD Parfumeur" aus dem Hause MAD Parfumeur getestet habe und letzterer in meine Sammlung gewandert ist, muss ich sagen, dass das Dufthaus aus der Türkei bei seinen Kreationen offenbar wirklich glänzende Arbeit leistet. Beide Düfte sind in Sachen Preis-/Leistung und Haltbarkeit und Sillage wirklich wahre Killer auf ihrem Gebiet und "Trono | MAD Parfumeur" macht das, was PDM nur noch bruchstückhaft hinbekommt. Gleichzeitig sind beide Düfte auch noch quasi-identisch zu ihren Vorbildern.
"Oud 02 Sateen | MAD Parfumeur" jedenfalls hat auch als Extrait schon eine beachtliche Gemeinsamkeit zu "Oud Satin Mood (Extrait de Parfum) | Maison Francis Kurkdjian", gerade nach Aufsprühen. Am Anfang ist der Duft ähnlich wie sein Originalvorgänger noch etwas modrig-alkoholisch, aber auch hier ahnt man schon wo die Reise wenig später hingeht.
Je länger man diesen Duft auf seiner Haut trägt umso eleganter wird er. Dem erdigen, modrigen und teilweise auch medizinischen Oud vom Anfang fügt sich die bulgarische und türkische Rose hinzu und steigert seine Opulenz ins Unermessliche. Das war ja auch schon beim Original das gewisse Etwas, das den Duft einzigartig machte. Ich habe so etwas bis jetzt nie wieder gerochen.
Was nun hier allerdings passiert, das spottet jeder Beschreibung.
Eine Nuance weicher, eleganter, zarter, anschmiegsamer, einladender noch gestaltet sich dieser Duft sehr malerisch und komplex als beinah alltagstauglicher Begleiter. Dafür ist ein Duft wie dieser mit seiner schier extremen Raffinesse wohl kaum gedacht und doch würde ich ihn am liebsten immer und überall tragen. Warum auch nicht?
Mit 65€ pro 100ml bei gleichbleibender Haltbarkeit und Strahlkraft und gesteigerter Feinheit, ist das auf einmal machbar, wenn man's den will.
Aber damit würde man sich natürlich der Möglichkeit berauben auf besonderen Anlässen auch den absolut besonderen Duft mitzubringen.
Der Drydown von "Oud 02 Sateen | MAD Parfumeur" jedenfalls ist eigentlich nur mit göttlich zu bezeichnen. Ich sehe den Duft an einer Person mit weißem Leinenhemd, wie sie in den Himmel emporsteigt um vom Allmächtigen persönlich empfangen zu werden.
So leid es mir schlussendlich tut, "Oud 02 Sateen | MAD Parfumeur" ist der Grund, warum ich "Oud Satin Mood (Extrait de Parfum) | Maison Francis Kurkdjian" also nicht mehr in der Sammlung benötige.
Ein zweifelsfreies Meisterwerk.


3 Antworten
Liquid vor 1 Jahr 5
8
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Auf der Suche nach dem, was fehlt
Ich glaube ich habe mittlerweile meine Methode gefunden.
Es ist wie mit dem Musikhören.
Es gibt diese Titel, die man neu entdeckt. Beim ersten Mal guckt man schon ganz erstaunt, um dann beim zweiten Mal festzustellen, dass es bei einem dritten und vierten Mal wohl kaum bleiben wird. Man hört sich den jeweiligen Song immer und immer wieder an, bis er einem zu den Ohren heraushängt, was eigentlich nicht unbedingt vorstellbar scheint.
Der Song landet dann irgendwann in einer großen Sammlung von Meisterwerken, bei denen man sich wie ein Honigkuchenpferd freut, wenn sie im Zufallsdurchlauf wieder aus den Autoboxen schallen und dann das gleiche Spiel von weiter oben sich wiederholt.
Sicherlich mag der Vergleich etwas hinken, denn so ohne weiteres kann man keine 100 oder 1000 oder 10000 Parfumflakons ins Kristallglasvitrinenregal stellen und dann so tun als bestünde zu allen eine ganz besondere Bindung. Allein aus finanziellen Gründen ist das wohl nicht machbar, auch wenn ich mich hier ganz gern mal frage wie so einige Parfumos zu ihren teils gigantischen Sammlungen gelangt sind.
Über Zeit, ganz sicher.
Ganz viel Zeit.
Und genauso wie ich so die Songs immer herauf und wieder herunter höre, mindestens genauso oft schnüffele ich an meinem Handgelenk, wenn ich mal wieder an einen Duft oder eine Duftprobe gelangt bin, die später dann ganz sicher auch in meine bescheidenere Sammlung wandert.
Ich trage auf und auf und auf und werde dann selbst zum Honigkuchenpferd.
Ich freue mich darüber, dass ich es mal wieder geschafft habe durch akribische Recherche und nächtelanges Scrollen und Suchen auf Parfumo, Videos-Anschauen auf YouTube, in Gesprächen mit anderen Parfumbegeisterten aus meinem Dunstkreis oder jedweden anderen Methoden, die ich über die Jahre aufgebaut habe, einen Duft gefunden zu haben, der mich so sehr begeistert hat, dass ich gar nicht mehr anders kann, als astronomische Summen für etwas auszugeben, das andere Personen sich als Luxusgut lieber zum Geburtstag schenken lassen, wenn man mal wieder nicht weiß, was man sich schenken lassen soll.
Über den Punkt sind wir wahrscheinlich alle hinweg.
Wie ein tüftelnder Professor sitze ich dann, und wenn es nur zum Prokrastinieren ist, an dem nächsten vermeintlichen Highlight, dass nicht unbedingt nur bei der nächsten Gelegenheit möglichst perfekt meine Erscheinung ergänzen soll, aber bereits beim Anblick meines Parfumregals für ein inneres Glücksgefühl sorgt, das durch aus trügerisch immer wieder gefühlt werden will.
Es ist die Leidenschaft, die uns verbindet.
Nicht nur mit dem Duft, sondern auch mit uns selbst.
Und ohne euch weiter auf die Folter zu spannen.
"Carlisle | Parfums de Marly" hat sie bei mir nicht ausgelöst.
Und das obwohl er so fein und gekonnt abgestimmt eine Duftkomposition ausstrahlt, die von der breiten Masse in den allermeisten Fällen an (nahen) Umgebungskonsumenten ganz sicher verdutzt bemerkt und mit einem Kompliment belohnt wird.
Diese feine Tonkabohne, mit dem Safran, der frühspritzigen Apfelschale und dem vanilligen Sandelholz + Muskat ist einfach ein Gedicht, dass Quentin Bisch hier kreiert hat.
Ein Gedicht, das schon auch wie ein leicht gesetzterer, erwachsenerer Vater des Xerjoff-Zugpferds "XJ 1861 Naxos | XerJoff" daherkommt.
Und trotzdem fehlt ihm das gewisse Etwas, das mich dazu bringt, all diese konzentrierte Leidenschaft auch in den Tastaturgeleiteten Kaufprozess umzuwandeln und ihn in meine Sammlung aufzunehmen, um ihn auch wirklich zu tragen, wenn der Anlass es gebietet.
Dazu fehlt er einfach, dieser erstaunte Blick beim wieder und wieder wiederholten Anhören dieses frisch entdeckten Lieblingssongs, der sich in meinem Kopf als ersehnter Ohrwurm manifestiert und zwangsläufig zur festen Integration in meinen Lebensalltag führt.
Ob Carlisle dennoch ein wundervoller Duft ist?
Dazu gibt es keine zwei Meinungen:
das ist er!
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Liquid vor 1 Jahr 4
9
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Die metallische Ananas
In den glasklaren Gewässern der Karibik lag ein tropischer Strand, an dem das Rauschen der Wellen die Luft erfüllte und die Sonne unermüdlich ihre Strahlen auf die weichen Sandstrände niederbrannte. Dort in einer Höhle tief im Herzen des Dschungels, arbeitete ein mächtiger Schmied an einem Projekt, das ihm einen Ruf weit über die Inseln hinaus einbringen würde.
Er war ein Meister seines Handwerks und beherrschte die Kunst des Schmiedens wie kein anderer. Er hatte alle Fähigkeiten und Techniken gemeistert, die erforderlich waren um ein einzigartiges Schwert zu schmieden.
Sein neuestes Projekt war etwas Besonderes, etwas, das er noch nie zuvor versucht hatte. Er wollte das mächtigste Schwert schmieden, das jemals die Welt gesehen hatte: Excalibur.
Er begann mit einem Brocken Metall, das er in einer der vielen Höhlen des Dschungels gefunden hatte. Er legte es in den Schmelzofen und erhitzte es, bis es glühend heiß war. Dann zog er es heraus und formte es mit seinem Hammer auf dem Amboss.
Er arbeitete daran, bis er eine Klinge hatte, die so scharf war, dass sie durch Felsen schneiden konnte, und so lichtdurchlässig, dass sie fast unsichtbar war. Aber es fehlte noch etwas, das Schwert benötigte eine Seele.
Er ging hinaus in den Dschungel und sammelte verschiedene Ingredienzien wie Patchouli, Grapefruit, Bergamotte, Jasmin und Eichenmoos, die er in einen Topf gab und auf einem offenen, durch Zedernholz entzündetem Feuer kochte. Die Dämpfe, die von dem Topf aufstiegen, waren so intensiv und anmutig, dass sie den Schmied fast betäubten.
Doch er war ein Mann von unerschütterlichem Glauben und wusste, dass er das Schwert vervollständigen musste. Also goss er das Gemisch auf die Klinge und das Schwert begann zu glühen. Der Rauch und die Dämpfe stiegen auf und es entstand ein mächtiges Leuchten, das die Höhle erfüllte.
Dann begann das Schwert zu vibrieren und zu zittern, und schließlich sprang es aus dem Schmiedeamboss, schwebte in der Luft und nahm Platz auf dem Schoß des Schmieds.
Er nahm das Schwert in seine Hände und fühlte, wie es sich mit seiner Energie und seinem Willen verband. Excalibur war geboren und bereit, von einem würdigen Krieger gehalten zu werden.
Der Schmied ging aus der Höhle und hielt dabei das Schwert ehrfürchtig in beiden Händen, bis er an den Strand gelangte und einen riesigen, hölzernen Ananasstrauch sah, der wie ein majestätisches und beeindruckendes Naturwunder über die Karibik wachte.
Der Schmied hob das Schwert und zog es mit einem kraftvollen Schwung über seinen Kopf, bereit, den Ananasstrauch mit einem einzigen Schlag zu fällen. Doch als das Schwert durch die dichten Blätter auf den hölzernen Stamm traf, blieb es stecken und konnte nicht wieder herausgezogen werden.
Er versuchte verzweifelt das Schwert aus dem Ananasstrauch zu ziehen, aber es war vergeblich. Das Schwert war fest verankert, als ob es von einer unsichtbaren Hand festgehalten wurde. Der Ananasstrauch schien Excalibur zu umarmen und es nie wieder loslassen zu wollen.
Der Duft der Ananas, der vom kräftigen Schlag befreit in die Luft stieg in Kombination mit der metallischen Wuchtigkeit des Schwertes, war die Essenz dessen, was nach all der Quälerei noch zählte - die Schönheit und die Fülle der Natur.
Hacivat war geschaffen.
Ein betörender Duft der Symbiose aus metallischem Großstadtanmut und eleganter Unberührtheit und Rohheit der Natur. Und der Schmied, dessen Name übrigens Nishane lautete, würde nie wieder diesen einmaligen Duft vergessen, den er ganz zufällig und beiläufiger unter Einsatz all seiner Mächte kreierte, während die Natur ihren eigenständigen Beitrag dazu leistete.
Seither kommen Menschen aller Welt an den Strand und lassen sich vom betörenden Ananas-Geruch vereinnahmen, bis sie möglicherweise in Ohnmacht fallen.
Eins jedenfalls werden sie alle dabei niemals denken:
das Aventus auch nur irgendetwas damit zu tun haben könnte.
Denn Hacivat ist einzigartig.
Hacivat ist ein Duft für die Ewigkeit.
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Liquid vor 1 Jahr 1
5
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Die Entscheidung
"Es ist schon eine spannende Sache herauszufinden mit wem man es zu tun hat. Wer da vor einem steht und in welcher Verbindung zu einem selbst. Die Leute sind in den wenigsten Fällen das was sie sagen, das was sie vorgeben zu sein oder wirklich so gläsern als dass man genau wüsste wie derjenige zu einem steht. Schließlich kann man in Niemandes Kopf schauen, meinst du nicht?"

- Ich rümpfte die Nase, zarte Schweißperlen saßen unter meinem Haaransatz als würden sie jeden Moment zu tragischem Applaus aufstehen und mein Gesicht hinabkullern. Ich saß jemandem Gegenüber, dem man entweder in positiver oder aber absolut negativer Assoziation gegenübersitzt, es gab nichts dazwischen. Und diese Assoziation geht nicht von einem selbst aus. Er war ein anzugtragender Ganove, wobei das Wort Ganove noch irgendeine Möglichkeit implizieren würde, an ihn heranzukommen, aber diese gab es nicht. Ein feiner Designer-Anzug umschmeichelte seinen breitschultrigen Körper, während er dort so an einem monumentalen Mahagoni-Sekretär saß und mir diabolisch lächelnd in die Augen blickte. Auf seinem Schreibtisch zündelte und rauchte eine stattliche Zigarre in einem ebenso opulenten Marmor-Aschenbecher vor sich hin.

"Meinst du nicht?!", sagte er nun lauter und weckte mich aus meinem Tagtraum, in dem dieses Tisch-Räucherwerk im Verbund mit dem luxuriösen, vanilligen Rum, den er mir gab und der mir einige Sekunden zuvor noch die Kehle hinabperlte, in meine Nase stieg und mir ob seiner düsteren Eleganz beinah die Sinne raubte.

- "Ja, selbstverständlich", sagte ich und blickte so aufrichtig ich nur konnte.
Die Einbände des riesigen Bibliothekregals, wenn man das überhaupt noch so nennen konnte, starrten auf mich hinab und verliehen dem eleganten Raum, von dem ein ganz besonderer, holzig-verrauchter Duft ausging, eine beachtliche Schönheit.

"Ob Familie oder Freundschaft, im Kern der eigens geschaffenen, sozialen Wertenormen unserer postmodernen Gesellschaft, da ist wahre Loyalität etwas, das in Momenten der absoluten Not an den sichtbaren Rand der Menschlichkeit gelangt. Das verstehst du doch..?"

- Ich war mir nicht ganz sicher mit welcher Genauigkeit ich überhaupt auf all diese Fragen antworten konnte, aber das Szenario in dem ich mich in diesem Augenblick befand, war so unwirklich, dass ich es nicht glauben konnte. Dann sah ich die Ornamente der verschiedenen Rosenarten, die das glanzvolle Einstecktuch zierten, das aus der Brusttasche seines Anzugs hervorragte. In diesem Moment kamen mir auch die zarten Düfte der Mairose und der Grasse-Rose in die Nase, die sich all dem elegant anschmiegten was ich vorher so roch.

- "Natürlich verstehe ich das", entgegnet ich ihm.

"So natürlich wie du glaubst, ist das gar nicht.
Immerhin gibt es bei uns keinen offiziellen Appell wie das Einberufen eines Politikers in ein Amt. Bei uns gibt es nur 2 Gläser 300$-Rum und die Gewissheit, dass der Finger am Abzug auch betätigt wird, sollte irgendwo da draußen dann doch die Kuh auf Eis liegen.“

- Seine klaren Worte hätten eigentlich dafür sorgen müssen, dass ich sofort den Raum verlasse, aber ich konnte nicht. Irgendetwas hielt mich dort. Wie angewurzelt saß ich in dem viel zu großen und gemütlichen Sessel vor dem Schreibtisch und der Komplexität des Gesprächs und des Raums gesellte sich nun der Geruch von Moschus und eine einzigartige Vanille hinzu, die mir sanft in die Nase stieg. Und dann fiel es mir ein: ich war nur hier, weil es mir die Gelegenheit bot an einem Leben teilzuhaben, das mir sonst eigentlich nicht zustand. Ein Leben mit teuren Anzügen, schönen Frauen die mich unentwegt anlächelten und geschliffenen Luxuslimousinen. Als wären meine Gedanken ferngesteuert, kamen mir diese Bilder in den Kopf. Doch war das wirklich ich und machte all das dieser allein dieser majestätische Duft möglich?

„So natürlich ist im Prinzip nichts mehr und doch muss ich dich fragen, bist du derjenige, der du vorgibst zu sein oder tust du nur als wäre das was hier zwischen uns gerade passiert etwas, das man die Wahrheit und nichts als die Wahrheit nennen würde?"

- „Ich weiß es nicht“.

„Ich weiß es nicht, ist die absolut falsche Antwort“, er öffnete gleichgültig eine Schublade aus seinem immer noch monumentalen Tisch und legte eine Pistole auf dessen Oberfläche.

- „Ich weiß es wirklich nicht!“, sagte ich, aber war ich das der dort sprach oder plätscherten die Worte einfach nur so aus mir heraus?

„Tja, dann kann ich dir auch nicht helfen“.

Er nahm die Waffe sofort in seine Hand, schaute sie noch einmal Augenbrauenzuckend an und lächelte wieder, doch diesmal diabolischer. Dann richtete er sie langsam auf mich und als im Augenblick absoluter Anspannung, die Tür hinter mir aufging, KNALL!!!!

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Meine Augen öffneten sich, die Schweißperlen auf meiner Stirn waren wieder da, nur diesmal bemerkte ich, dass ich angespannt in meinem Bett lag. Es war alles nur ein Traum. Ich wendete meinen Blick nach links neben das Bett, wo im Gegensatz zum Ganoven mein gar nicht mal so stattlicher Schreibtisch stand und auf ihm ein blau-gelblicher Parfumflakon.
Le Puy-En-Velay 4 stand auf ihm.
Das war er also, der luxuriöse Grund bemerkt zu werden und die Teilhabe an einer Welt, die einem eigentlich verborgen bleibt. Doch jedes Mal, wenn die Sprühstöße wieder meinen Hals treffen, erweitert das die Möglichkeiten. Möglichkeiten, die aus einer eleganten, komplexen Räucherkerzen-Duftwolke heraus geboren werden.
Ein monumentaler Duft.
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