Auf MOLéCULE 234.38 bin ich besonders neugierig. Es ist das zweite Zarkoperfume, das ich nach e’L teste. Inzwischen schon einige Male.
Warum ich so gespannt auf diesen Duft bin? Zarko trägt dieses Parfüm selbst und nennt es einen „Duft für Fortgeschrittene“. Hm. Ob ich fortgeschritten genug für das 2013 erschienene EdP MOLéCULE 234.38 bin? Immerhin gilt es als Meisterstück des dänischen Parfumeurs aus Hornbaek. Ganze 6 Jahre hat Zarko Ahlmann Pavlov angeblich gebraucht, um dieses Molekülparfum zu entwickeln. Im Gegensatz zur klassischen französischen Dufttradition kommt es ohne ätherische Öle aus. Es soll eine enge, fast magische Verbindung mit der Haut des Trägers oder der Trägerin eingehen. Körper und seelischer Zustand beeinflussen die Moleküle. Sie schaffen so eine individuelle Aura, die sich verändern kann und so auf den Menschen, der sie trägt, rückwirkt. Faszinierend! Oder? Es findet also eine lebhafte Interaktion zwischen Mensch und Duftmolekülen statt, die bei jedem unterschiedliche Dufteffekte emittiert. Manche glauben’s, andere halten Zarko für ein Marketinggenie, deas weiß, wie es seine Zielgruppe anspricht. Ich bin offen und möchte mir meine eigene Meinung bilden.
Natürlich hab ich auch die Kommentare dazu gelesen. Sie sind unterschiedlich. Es scheint, dass 234.38 polarisiert. Einige erkennen darin ihren schon ewig gesuchten Traumduft, andere sprechen von „Des Kaisers neuen Kleidern“ und riechen – gar nichts …
Wie wird es mir ergehen?
Erst schnuppere ich am Sprühflakon. Heureka! Ich gehöre also zu denen, die Iso-E-Super wahrnehmen können! Aber da dies nach Perles de Lalique und Ellenas Rosa Rossa mein dritter Iso ist, weiß ich das bereits. Und nicht nur das. Ich liebe Iso! Dieses typische „Schillern“, das den Duft so spannend macht.
Direkt am Flakon duftet 234.38 zunächst erstaunlich „harmlos“: leicht, zart, modern, weich, erfrischend neuartig, irgendwie lieblich, aber zugleich unsentimental. Im ersten Moment erinnert mich dieser ätherische Duft an Skulpturen aus Eis, wie ich sie einmal in einem Weihnachtsurlaub in Slowenien erlebt hab – fragil, transparent und von einer etwas distanzierten Coolness, aber so schön, dass man den Blick kaum von ihnen abwenden kann.
Dann sprühe ich den Duft auf – und merke etwas Frisches am Beginn und danach leider nichts mehr. Ich verbringe diesen Tag im Fitnesscenter, denke oft an Zarko, schnüffle an Hand und am Arm, bin enttäuscht. Nur selten streift mich bei Bewegungen ein Hauch von Nichts, würde ich jetzt fast sagen – ja, etwas Frisches, Trockenes, durchaus angenehm, freilich fast schon zu unaufdringlich.
Am nächsten Tag geb ich dem Zarko noch eine Chance. Und diesmal ist plötzlich alles anders. Keine Ahnung, wieso. Ich spüre den Duft viel deutlicher, nehme ihn klar, unsüß und trocken wahr. Diese frische Sauberkeit kenne ich doch … Dann fällt es mir ein – es ist die gute, alte Kernseife, aber ohne jegliche Zitrusnoten.
234.38 hat etwas Leichtes wie weiße Schäfchenwolken am Sommerhimmel, aber auch Bodenständiges in seiner einfachen Struktur. Ferien auf dem Land! Jemand hängt frisch gewaschene Weißwäsche aus Leinen und Baumwolle im Garten auf. Die Sonne lacht, die Farben sind vergnügt: grüner Rasen, quietschblauer Himmel, weiße Blümeleins – eine überschaubare, ruhige Idylle. Alles gepflegt und wie frisch gewaschen. Hier ist es klar, der Duft schafft eine freundliche Präsenz, die einen lächeln macht.
Ich wundere mich, weil ich Iso eigentlich mehr mit Changieren, Flackern, irrlichternd und etwas irgendwie Unerfassbaren in Verbindung bringe. Aber 234.38 verwandelt die Welt. Mit einem Mal sieht alles aus wie Zeichnungen in einem Kinderbuch. Und nein, ich hab keine verbotenen Substanzen zu mir genommen … Ein kühler, jedoch strahlender Frische-Wäsche-Duft hüllt mich ein. Alles ist einfach, unkompliziert, aber auch sachlich, abstrakt, distanziert. 234.38 vereint Gegensätzliches, was durchaus reizvoll anmutet.
Die Entwicklung ist wie erwartet linear, und dennoch nicht langweilig. Der Duft schwankt nun zwischen wunderbarem Waschsalon und Sägewerk am Waldesrand. Denn jetzt kommen holzige Noten ins Spiel, die sich erstaunlich gut mit dem Waschmittelduft vertragen. Glasklar, staubtrocken, ozonisch, hell.
Man unterstellt 234.38 Nuancen von Patchouli, Vetiver, Ambergris und Zeder. Das Zedernholz ist für mich gut wahrnehmbar. Ich erkenne das Weiche, Balsamische. Aber woher sollen diese Noten kommen, wenn keine ätherischen Öle verwendet werden?
Iso-E-Super erinnert oft an Zedernholz und Ambra. Eigentlich kaum zu glauben, dass dieses synthetische Duftmolekül bereits in den 70er Jahren entwickelt wurde. Ich erkenne inzwischen diese Duftnote, die – ähnlich wie Oud – in jedem Parfum anders duftet.
234.38 ist unaufdringlich, aber doch seltsam intensiv. Entweder man mag Isos oder nicht. Ich mag sie und komme daher mit 234.38 bestens zurecht.
Ich liebe die Gegensätze, die dieser Duft vereint: einfach und sophisticated, synthetisch, aber nicht unnahbar.
Wer innovative Nischendüfte mag und mehr als Mainstream bei einem Parfum sucht, sollte 234.38 probieren. Mich hat der unkonventionelle Highend-Duft begeistert, der natürlich seinen Preis hat.
Wieso ich beim ersten Mal tragen den Duft so gut wie nicht wahrgenommen habe, ist mir immer noch unklar. Isos haben eben ihre Geheimnisse. Sie bleiben unberechenbar - sind sozusagen die Katzen unter den Duftnoten, die wir gerade deshalb so lieben ...
Für mich passt 234.38 von der positiven und unbekümmerten Stimmung her am besten zum Sommer. Gefühlsmäßig kann ich mir diesen Duft besser an Damen vorstellen, weil er so leicht und weich ist.
Die Haltbarkeit ist - so verrückt das klingt - unterschiedlich und schwankt zwischen Null und mehreren Stunden. Die Sillage ist allerdings von Anfang an gering.
Ob Moleküldüfte die Zukunft der Parfumherstellung beherrschen werden? Ich bin nicht sicher. Es wird ein Zweig in der Duftentwicklung bleiben, neben anderen. Ich finde 234.38 interessant, vielleicht gerade weil er nicht dem urbanen Trend entspricht, sondern vom idyllischen Landleben erzählt und hier seine eigene Poesie entwickelt.
Ich denke, man muss bereit sein, in Stimmung sein für diesen Duft. Meinem Empfinden nach passt er gut in die Freizeit, auch zur Arbeit und zum Alltag. Fürs Ausgehen abends, Feste, Events usw. würde ich zu intensiveren Düften greifen, die weniger hautnah erfahrbar sind.