Michelangela

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6 - 10 von 85
Michelangela vor 9 Jahren 15 3
6.5
Duft
Du bist mir ja ein Früchtchen
Vor einem Jahr oder auch drei hätte ich den hübschen Mini herablassend lächelnd zur Seite gestellt und kurzerhand darauf verschenkt. Nicht nur, dass ich die ganzen blumengeschmückten Obstkörbe der 90er ohnehin mied, sondern auch weil ich gerade Narcisse als unerträglich laut und aufdringlich empfand. Ich erinnere mich sogar daran, dass ich mich schon einmal vor ein paar Jahren traute, einen kleinen Flakon zu kaufen. Da hatte ich mich von nostalgischen Kommentaren mitreißen lassen und es dann doch bitter bereut.

Gerade dieses Osterwochenende; passender gehts ja fast nicht mehr, kullert mir beim Aufräumen besagter Miniflakon Narcisse vor die Füße. Recht ansehnlich, das hübsche Ding - wenns nur nicht so stinken täte!
Ich nehme das Deckelchen ab und träufle einen Tropfen auf den Handrücken. Nicht, dass er mich interessiert hätte; ich will nur prüfen, ob er gekippt ist. Kurz dran geschnuppert, Schnute verzogen und weiter in den hintersten Ecken des Parfumschranks gekramt.
Also räume ich weiter unbeirrt auf und witzigerweise landet meine Hand dabei immer öfter in der Nähe meines Gesichts, denn plötzlich duftet es freundlich, frühlingshaft, ¨osterlich¨ (gibts das?) und wunderbar fruchtig. Gefühlte Farbe gelb-apricot - einfach lecker!

Narcisse hat sich ganz leise und nett bemerkbar gemacht und ich ich gebe mir einen Ruck, nutze die Gunst der Stunde, um mich einfach mal damit zu betupfen. Schließlich bin ich allein, erwarte keinen Besuch und kann somit auch niemanden anstinken.

Frisch betupft - und das nicht unbedingt sparsam - wandle ich die ersten Minuten mit einem leicht angegärten Obstsalat um den Hals durch meine Wohnung. Narcissen schreien mir Ostergedichte ins Ohr und ich fühlte mich ein wenig erschlagen von all der Fülle. Dennoch summe ich quietschvergnügt vor mich hin und erfreue mich bester Laune.
Nachdem sich Narcisse aber auf meiner Haut beruhigt, bin ich besänftigt und geniesse...

Die Mischung reifer Aprikosen, Narzissen und satter Blüten wird von einer leichten Würze untermalt, die dem Duft Halt gibt und nicht zu jugendlich wirken lässt. Einen großartigen Duftverlauf gibt es nicht, alles fließt irgendwann sanft ineinander Richtung gefühlte Unendlichkeit.
Der Gesammteindruck lässt sich für den heutigen Duftgeschmack doch als ungewohnt beschreiben, zumal ich ihn mir eher als Raumduft oder Duftkerze vorstellen könnte.
Denn was mich letztendlich doch ein wenig stört ist diese leicht wachsartige Note, die sich über die fruchtige Vanillecreme in der Basis zieht. Das mag auch gut an meiner Haut, bzw am Polysantol (Sandelholz) liegen, das bei mir immer etwas ¨pappig¨ duftet, hindert mich aber nicht wirklich daran, mich vielleicht nochmal auf einen Versuch mit Narcisse einzulassen (...allein und hinter verschlossener Tür).

Alles in allem bin ich angenehm von diesem Narzissen-Früchtchen überrascht. Ein kecker würzig floralfruchtiger Frühlingsduft, der gute Laune versprüht. Ich lege ihn jenen eigensinnigen Ladies ans Herz, die sich mal wieder knackig wie ne Aprikose fühlen und anders duften wollen als die restlichen Snobs :D

In diesem Sinne: Wünsche, frohe Ostern gehabt zu haben!
3 Antworten
Michelangela vor 9 Jahren 31 14
7.5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
DIE ENTHÜLLUNG: Das ist leider nur der synthetische Nachzügler der Legende
CHANEL N°5 Eau de Parfum by JAQUES POLGE

Es ist schon bemerkenswert, wieviele Kommentare zu N°5 Parfum (1921) verfasst wurden. Es wurde dabei in den Himmel gehoben, gelobt, geliebt, getadelt und darüber die Nase gerümpft und so manche(r) konnte seiner Liebe oder Abneigung dazu Kund tun. So eine große Resonanz finde ich schon beeindruckend, zudem N°5 mein Lebensparfum ist, dass mich schon seit meinem 17. Lebensjahr begleitet. Ich besitze eine umfangreiche Sammlung Parfums und EdT´s verschiedenster Jahrgänge.

Interessant ist aber, dass es sich bei den Kommentaren auf der Seite des Parfums größtenteils gar nicht um N°5 (1921) handelt, sondern um N°5 Eau de Parfum, welches eigentlich ganz UNBERECHTIGT mit der Legende N°5 (1921) auf eine Stufe gestellt wird.

Denn es wissen nur die wenigsten, dass es sich hier gar nicht um einen und den gleichen Duft handelt, dessen Rezeptur auch nicht fälschlicherweise Ernest Beaux sondern kein anderer als Jaques Polge in den 80ern schuf. Monsieur Beaux segnete 1961 in Paris das Zeitliche und war somit gar nicht mehr im Stande an seiner grandiosen Schöpfung herumzupfuschen; in Frage gestellt, ob er so etwas je gewollt hätte...
Natürlich hat Monsieur Polge sich an die Original Rezeptur angelehnt, den aldehydischen Auftakt "aufgewummst" (hat mich immer ein wenig an amerikanissche Kaugummis erinnert) und das blümerante Herz mit kleinen Abweichungen kopiert, doch spätestens im Drydown ist die Veränderung letzlich gar nicht mehr zu verleugnen. Denn wo das Original (Parfum, EdT, EdC) in eine wunderbar ambrierte floralhölzerne Basis ¨schwebt¨, begleitet von zarten Anklängen edler Vanille und einem Hauch bitterem Vetivier, schenkt uns das Eau de Parfum nur noch einen recht platten synthetischen Sandelholz-Abgang (Polysantol).

Eine zeitgemäßere, tragbarere Variante der Legende sollte es damals werden und das scheint auch recht gut funktioniert zu haben. Letztendlich beweist es die Tatsache, dass gerade das Eau de Parfum immer noch einen hohen Absatz findet.
Oder liegt es vielleicht nur an der Täuschung? Daran, dass niemand wirklich darum weiß, eine umgeschriebene Geschichte herumzutragen? Dass fälschlicherweise sugeriert wird, es handle sich nur um eine stärkere Konzentration und somit der ahnungslose Kunde eher zum Edp als EdT greift? Ohne zu wissen, dass es sich nicht um die selbe Rezeptur handelt? Allein des Spaßes halber sollte ich mich diesbezüglich mal ganz exklusiv bei den "Türkisen" beraten lassen.

Ich denke es spielt eine große Rolle!

Wenn ums Thema ¨zeitgemäߨ geht, ist eine 80er Rezeptur heute alles andere als modern!
Daher ist die häufig auftretende Beschreibung ¨altmodisch¨ auch gut nachvollziehbar, wohingegen die Rezeptur von 1921 absolut ¨zeitlos¨ und der Klassiker schlechthin ist. Man trägt ja wieder Tradition. Und N°5 (1921) gehört ja immer noch zu den genial komponiertesten Parfums aller Zeiten, was absolut für sich spricht.

Was mich etwas traurig stimmt: das Eau de Cologne wurde nach dem Erscheinen des Eau de Parfums vom Markt genommen. Aber da scheint man wohl strategisch gedacht zu haben wie der Highländer: es kann nur einen geben. Nicht immer siegt das Gute!

Nun fragt Ihr Euch bestimmt, ob ich mir diese Informationen aus den Fingern gesogen hab :-)
Nein, ich mutmaße nicht - habe es vor einigen Wochen gelesen!
In ¨PARFUMES the A-Z Guide¨ beschreibt Luca Turin deutlich die Unterschiede zwischen dem EdP und den anderen Konzentrationen und ich habe mich mit dieser Information auseinandergesetzt und fleißig zustimmend verglichen! Die daraus gewonnenen Erkenntnisse möchte ich mit Euch teilen.

Ich finde es erstaunlich, dass Millionen von N°5 Anhängern hier seit mehr als 30 Jahren eigentlich buchstäblich an der Nase herumgeführt wurden.
Ich zitiere Luca Turin: ¨Dieser synthetische Nachzügler hat soviel mit der Idee von 1921 zu tun; wie Ben Hur, der beim Triumpfwagenrennen eine Rolex trägt. Daher gibt es keinen Anlass das EdP zu kaufen, solange man doch das Original haben kann!¨

Das Parfum kommt dem Original von 1921 am nächsten, doch auch das Eau de Toilette ist (trotz massiver Eingriffe und Reformulationen) immer noch an das Originalrezept angelehnt. Und wenn man nicht gerade die Chance hat, ein Vintage oder eben das reine Parfum zu ergattern, ist das Eau de Toilette definitiv die Variante, welche auch Madame Gabrielle noch als Ihr Markenzeichen erkennen würde..

Ich möchte das EdP auf keinen Fall als absolutes ¨No-Go¨ bezeichnen, aber es lohnt sich auf jeden Fall einen Vergleich zu ziehen!

Test the real N°5 and find out!!!





Danke, Luca Turin!

P.s. ein Blick in das erwähnte Buch kann zu sehr interessanten Erkenntnissen führen...
14 Antworten
Michelangela vor 10 Jahren 35 10
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Die weißen Tränen der Schmetterlingsdame
Honour Woman ist Opulenz, Tragödie und das Bild unvergänglicher Schönheit zugleich.
Erzählt wird in dieser Komposition die tragische Liebesgeschichte der Madame Butterfly aus der gleichnamigen Oper von Giacomo Puccini. Wie bekannt, handelt sich nicht um eine leichte Kommödie, sondern um ein Drama. Dabei spiegelt das Bouquet aus weißen Blüten die verschiedenen Facetten dieser leidenschaftlichen Geschichte wider und der kurze, frische Auftakt weist unverblümt auf eine trügerische Leichtfertigkeit hin:
Der gutaussehende Marine-Offizier Pinkerton erwirbt in Nagasaki ein Haus inklusive des Geisha-Mädchens Cio-Cio-San genannt Butterfly. Er ist nicht an einer langfristigen Beziehung mit Butterfly interessiert. Trotzdem fühlt er sich zu ihr hingezogen und heiratet sie im Wissen, dass die Ehe in Amerika nicht rechtskräftig ist. Die verliebte Cio-Cio-San hingegen glaubt, eine gute Partie gemacht zu haben, und wünscht sich, dass auch er sie liebt.
Tuberose signalisiert dabei deutlich die zu erahnende Gefahr.
Drei Jahre sind vergangen und Coi-Coi-San, die einen Sohn aus der Verbindung zu Pinkerton hat, wartet noch immer auf die Rückkehr ihres Geliebten aus dem fernen Amerika. Selbst den Heiratsantrag des reichen Yamadori lehnt sie spöttisch ab.
Jasmin symbolisiert hier die Treue und die Gardenie steht für die geheime Liebe. Als der Geliebte endlich in Japan eintrifft, ahnt sie nicht, dass er in Begleitung seiner rechtlich angetrauten amerikanischen Frau ist. Vergeblich wartet sie die ganze Nacht auf ihn...
Dazu haben wir das Maiglöckchen für die Reinheit des Herzens der Butterfly und weiße Nelke für ihre Unschuld.
Am nächsten Tag erfährt sie, dass Pinkerton nur gekommen ist, um ihr den Sohn wegzunehmen.
Das tragische Ende bildet ein Fond aus Weihrauch, Ambre und Opoponax, als Cio-Cio-San sich gebrochenen Herzens und gestohlener Würde das Leben nimmt. Leder und Vetivier untermalen die Szene in einer besonders ¨berührten¨ Weise....

*
Fazit und persönliche Eindrücke:

Madame Butterfly ist eine wunderschöne und dennoch sehr schwermütige Oper.
Ich habe gelesen, dass Honour Woman daran angelehnt ist und finde, dass dieser Duft die Facetten dieser Oper sehr gut widerspiegelt.
Fröhlichkeit oder gar etwas ¨faustdickes hinter den Ohren¨ interpretiere ich persönlich nicht hinein. Ich empfinde den Duft auch keineswegs als filigran.
Dass der leichte Auftakt trügt, sollte noch einmal erwähnt werden, denn Honour ist weder frisch noch jugendlich. Er verkörpert tief in seinem Herzen jede Menge ¨Drama¨ und das im wirklich positiven Sinne.

In Honour Woman habe ich für mich den ganz großen hellen und auch etwas dramatischen Auftritt gefunden. Ein Duft wie die goldene Sonne, die an einem schwülen Sommerabend hinter dem Horizont verschwindet; eine schwere und dennoch unsüße Riesling-Auslese, die wie weißes Gold aus der verstaubten Flasche fließt, in seidenem Glanze das Glas befüllt und in purem Hochgenuss - fast schon balsamisch auf der Zunge zerfliest.
Der helle, brilliante Auftakt wird schon nach kurzer Entfaltung von einem warmen und gewichtigen Herz weißer, cremiger Blüten abgelöst. Dabei spielt sich eine perfekt inzenierte Dramatik ein, die dem Duft eine unausgeprochene und dennoch atemberaubende Silage gibt. Der Ausdruck ¨EDEL¨ bekommt mit dieser Komposition noch einmal einen neuen kostbaren Glanz.
Gold auf strahlendem Weiß, wie es der Flakon vorgibt, ist meine Interpretation zu diesem Kunstwerk.
Hier wird nicht gekleckert, sondern prachtvoll geklotzt!

*


Den Preis finde ich übrigens absolut gerechtfertigt, weil:

¨großes Kino / große Oper¨

Eben geklotzt - nicht gekleckert! :-)
10 Antworten
Michelangela vor 11 Jahren 23 9
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Sommertraum vom Lindenbaum, der keiner ist....
"Gibt es etwas faszinierenderes als der honigsüße Duft von den zarten Blüten des sonnengeküßten Lindenbaums unter einem milchigen Himmel, der glitzert wie ein Opal?

Ich konnte meine Verzückung kaum zurückhalten, als ich Bertrand Duchaufour´s einzigartiger Creation begegnete, die er für //Ann Gérard// mit dem zauberhaften Namen "Ciel d´Opale" entwarf.

Ciel d'Opale vermittelt mir dieses Gefühl, mich in einem verschwommenen Sommertraum zu wiegen. Das Grau der vergangenen Tage wurde endlich von glänzenden Sonnenstrahlen vertrieben und der Himmel ist bedeckt mit feinem Blütenstaub, der von federleichten Zugwolken über das Firmament gezogen wird.
Alles erblüht und reckt sich nach oben - gen Himmel ..... nach dem Himmel, einem Opalhimmel greifend. Die Luft ist erfüllt von warmer Süße!

Bergamotte, Quitte und Zitrusfrüchte werden sofort zum Auftakt von einer betörenden aber nicht aufdringlichen Süße untermalt, wobei die leichte herbgrüne Schärfe des Galbanum für Bodenhaftung sorgt.
Im Herzen verbreitet sich eine Blütendichte aus Jasmin, Kassia und Geißblatt. Intensiv und glänzendend zeigen sich interessante Facetten, wie vibrierende Lichtreflexe eines Opals.
Der Duft schimmert einem leuchtenden Schleier von pulverigen Blumen gleich. Ein dunkelgrüner Blitz des Galbanums, ein goldenes Glitzern leckt süß von der Quitte und hell, fast schon blendend leuchtet die Zitrone erneut hervor. Ein wundervolles Farbenspiel, dass aber keineswegs schrill ist, sondern von einem feinen Nebel aus flauschigem Moschus bedeckt wird, bis das Blumenspektakel sich den Weg zur Basis aus Guajakholz, Zeder und Sandelholz an den Endhorizont beamt.

Ein Duft so himmelsnah ... da setze ich mich glatt auf Wolke Sieben, schlage mit den Flügeln und fange an, auf meiner Harfe zu frohlocken...
~

Fazit:
Ich war mir sicher, einem Lindenduft zu begegnen, als mich die wunderbaren Blütenfülle Ciel d`Opales in ihrer subtilen Süße verzauberte. Doch Lindenblüten sind nicht in der Pyramide aufgeführt. Also schreibe ich diesen betörenden Nektar der Quitte in Verbindung mit Jasmin, Kassia und Geißblatt zu.
Dieser Duft ist strahlend hell wie der Sonnenschein, verträumt wie ein Sommernachmittag unter dem Lindenbaum und hat trotz seines hellen Glanzes einen Hauch von Verklärtheit.

Je öfter und länger ich Ciel d´Opale trage, desto deutlicher wird mir dieser Facettenreichtum und das subtile Farb(duft)spiel, dass in seinem Schimmer einem edlen Milchopal gleicht.

Liebe?
Ja!
Doch keine stürmische, leidenschaftliche, sondern diese zarte, fast unberührte Liebe, die wir mit unseren tiefsten Sehnsüchten in uns tragen...
~

//Ann Gerard// ist übrigens eine Pariser Juwelierin, die sich auf einzigartige Mondstein-Kreationen spezialisiert hat. Besondere Freude scheint sie daran zu haben, den Glanz von Dingen wie Perlen, Opalen und Mondsteinen in Szene zu setzen. Bertrand Duchaufour hat für sie die Brillianz und den Oberflächenglanz dieser Materialien gekonnt in diesem Duft zur Geltung gebracht.

Zitat: "Parfüm ist der Spiegel unserer Gefühle, das mysteriöseste von Juwelen. Es spricht mit uns still.. eine heimliche Dekoration." ( Ann Gerard )
9 Antworten
Michelangela vor 11 Jahren 25 11
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft
Berliner Noblesse
PATRA, der Duft, den eine Wolke des Unbekannten umgibt, eine Wolke der Vergessenheit, einer Zeit, die uns längst entronnen ist...
Wieviele Male ließ ich mich stolz dafür loben, selbst die vergrabensten Schätze ans Licht gebracht zu haben, doch diesmal scheitere ich kläglich!
Die Berliner Firma Gebrüder Kleiner scheint von 1935 bis ins Jahr 1961 Parfums produziert und vertrieben zu haben, aber das ominöse Patra hinterlässt außer ein paar verbliebenen Flakons und Miniaturen keine haltbaren Spuren.
Ich habe gesucht und recherchiert, ich habe mich gewunden und gebogen.
Neben Patra wurde unter anderem auch das Parfum "Berlin" und "Kleiner" auf den Markt gebracht.
Doch besonders Patra scheint das Rampenlicht der Parfumkreationen Kleiners erleuchtet zu haben, denn es wurden auch Flanker Namens Patra Chypre, Fougère, Rose und auch Patra Maigloeckchen (Muguet), Nelke (Ouillet), sowie Patra Royal und Patra Majora lanciert und herausgebracht.

Vor mir steht nun ein jungfräulicher Flakon "Patra", einfach nur "Patra"!
Ich muß mich entschuldigen, denn wenn ich von "Jungfräulichkeit " schreibe, hab ich just in diesem Moment gelogen, denn genau diese Jungfräulichkeit hab ich diesem Duft genommen....
Ich hab ihn geöffnet, den Flakon mit den breiten Hüften und dem Kronensiegelschraubverschluss. War zu neugierig, um ihn weiter ruhen zu lassen, wollte es lüften, das Geheimnis dieses alten Duftes, über den man so gut wie keine Spuren mehr findet.
Selbst hier in der Hochburg der olfaktorischen Informationen scheint darüber Ratlosgkeit zu herrschen.

Erstaunt muß ich zugeben, dass der Zahn der Zeit nicht scharf genug für dieses Exemplar gewesen zu sein scheint, denn Patra begrüßt mich mit einer überraschend frischen Kopfnote. "Hallo Michelangela, ich habe einen Krieg, die Flowerpowerzeit, die goldenen Achtziger, die resignierenden Neunziger, die Jahrhundertwende und noch knappe zwölfeinhalb Jahre überlebt, bis Du mich aus dem Dornröschenschlaf geweckt hast. Sei mit würziger Bergamotte und seifig-krautigem Beiwerk gegrüßt!"
Direkt stelle ich eine nahe Verwandtschaft zu Joya von Myrurgia fest. Gefolgt von einer irislastigen Blütenschar eröffnet sich ein Herz, dass sich mir würzig und unsüß erschließt. Fast so, als würde ich eine Reihe alter Freunde begrüßen, schließt sich der Kreis und ich erkenne die wohlbekannte Handschrift dieser Epoche wieder: ein bißchen "Joy", aber nicht so schwer; ein bißchen "Poesie", aber nicht so blümerant; ein wenig Arpege, aber nicht so cremig und mit einer frappierenden Ähnlichkeit zu "Nuits de Longchamps" mit ganz viel Nostalgie im Flakon.
Patra ist ein beispielloses Zeitzeichen der Jahre zwischen den Kriegen, ein Auflehnen gegen die Wirtschaftskrise und der unbändige Drang, die Schönheit des Lebens im Augenblick und in einem Hauch Parfum festzuhalten.
Die üblichen Statisten wie Rose, Jasmin, Nelke und mutmaßlich erahnte Ylang Ylang erheitern die olfaktorische Bühne und verleihen dem Duft eine herbe Blumigkeit, die sich satt und geschmeidig auf der Haut ausbreitet.
Ja, ich erlaube mir, von alter Parfumeurskunst zu sprechen, besonders wenn sich die Blütenfülle zurückzieht und eine warme, chyprische Basis aus Eichenmoos, Balsamen und Hölzern zum Niederknien einlädt!

Fazit:
Wenn man sich auf einen Duft des Jahres 1935 einlässt, besonders einem, der bestimmt nicht kastriert, verjüngt oder auf irgendeine andere Weise reformuliert wurde, steht man einem Stück Zeitgeschichte gegenüber. Es wäre demnach absolut unangebracht, zu erwarten, dass man einem "jugendlichen" modischen Exemplar gegenübersteht. Sicherlich dürfen wir auch nicht die (chemische) Raffinesse erwarten, der wir bei einem Duft der heutigen Zeit gegenüberstehen.
Dennoch kann ich keineswegs behaupten, dass dieser Duft nicht tragbar ist.
Vintage bekommt hier eine Bedeutung, die sehr reizvoll klingt: Altem, unvergessen Schönem durch Wiederbelebung neuen Glanz zu verleihen.
Ich bereue nicht, den heiligen Gral (das ungeöffnete Flakon) entweiht zu haben, denn ich denke, der Augenblick ist gekommen, an dem ich verkünde:
Patra ist ein Duft, der es verdient, getragen zu werden!
Es fehlt mir nur noch die richtige Gelegenheit dazu...
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^^(Scotty, beam mich doch mal eben rüber nach Berlin ins Jahr 1935!)^^
11 Antworten
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