Parma

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Parma vor 11 Monaten 22 33
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8.5
Duft
Was ist Meer?
„Beim Aufschneiden einer Bergamotte läuft das ganze Meer heraus.“

Dieses wunderschöne, poetische Zitat des Mitparfumos Caffee machte mich neugierig und setzte Bilder frei. Allerdings stellte sich mir gleichzeitig die Frage:

Was ist Meer hier? Wie riecht es?

Denn Meer kann vieles sein: Süßwasser, Salzwasser, Gischt, Algen/Seetang, Seegras, Fisch, Sand, Stein, Holz, Küstenvegetation. Für manche auch Sonnencreme. Vielleicht sogar Kokosnuss, wenn wir an die Karibik denken.

An der Nachbildung dieses Elements arbeit(et)en sich viele Parfümeur*innen ab, und es ist und bleibt schwierig einen authentischen Ton zu treffen, denn im Prinzip ist Wasser geruchslos. Eher wird angestrebt, die es umgebenden bzw. beeinflussenden olfaktorischen Aspekte abzubilden.

Um dennoch einen im Herzen des Dufts wässrigen Eindruck zu suggerieren wird oft mit synthetischen Bestandteilen gearbeitet. Am bekanntesten ist sicherlich der Duftstoff Calone, welcher einen ozonisch-wässrigen Charakter aufweist. Helional hat einen ähnlichen Effekt, tendiert dabei aber in eine leicht blumige Richtung. Oder der IFF-Riechstoff Maritima, der leicht muffig nach Brackwasser riecht. Die Problematik dieser und ähnlicher Stoffe ist, dass sie in höherer Dosierung schnell künstlich wirken und einem realistischen Meereseindruck somit eher entgegenstehen.

‚Bergamotto Marino‘ ist das Beispiel eines marinen Dufts, der ebenfalls auf synthetische Duftstoffe zurückgreift, sie aber nicht überdosiert. Ich erhalte zwar einen leicht künstlichen Vibe, aber der ist wahrscheinlich nicht gänzlich zu vermeiden.

Aber wie riecht er nun?

Für mich nach würziger, leicht salziger, meerwassergeschwängerter Luft.

Geprägt wird der Duft meines Erachtens durch zwei Bestandteile: Auf der natürlichen Seite steht das Extrakt einer Pflanze im Mittelpunkt: Neroli. Das Öl aus den Blüten des Orangenbaums ist in diesem Fall ein besonders grün-würziges, sogar leicht salziges. Oft kennt man es in der weichen, blumigen Form aus klassischen Eau de Colognes, aber hier werden seine rauen Seiten gezeigt. Zu bewundern ist eine solche Interpretation z.B. in Aaron Terence Hughes ‚Neroli‘. Auf der synthetischen Seite wird dieser sehr pure, grünwürzige Eindruck durch einen Bestandteil unterstützt, der mich beim ersten Test an den mineralisch-luftigen Ton in Acqua di Parmas ‚Colonia Pura‘ erinnert hat, dort allerdings künstlicher und greller erscheint. Eine andere Verwandtschaft, die mir in den Sinn kam, war die zum wohl bekanntesten aller „aquatischen“ Düfte: ‚Cool Water‘.

Cool Water ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, da er wie Bergamotto Marino von Pierre Bourdon entworfen wurde, und wenn man sich die Einschätzung von Geza Schön zum Davidoff-Klassiker anhört (im Interview und Podcast mit dem Magazin „mare“), wird es richtig interessant. Nach Schön ist der marine Akkord in Cool Water nämlich aus einer prägnanten grünen Note (er spezifiziert sie leider nicht genauer), Orangenblüte (!), Bergamotte (!), Dihydromyrcenol und einer geringen Dosis Helional konstruiert. Für ihn ist Cool Water übrigens kein aquatischer Duft – womit er z.T. mit denen übereinstimmt, die ihn als grünen Duft klassifizieren (→ Green Irish Tweed) –, sondern die „Neuinterpretation einer frischen Orangenblüte“, was ich zwar nicht unterschreiben würde, aber eine erstaunliche Parallele zu meinem Eindruck von ‚Bergamotto Marino‘ aufweist. Denn den sehe ich analog als eine marine Interpretation des Neroli. Weshalb ich ihn auch als marinen Duft einordnen würde. Vergleicht man dazu die Basen dieser beiden Düfte (Eichenmoos, Amber, Moschus, Holz), untermauert dies den Eindruck, dass Bourdon hier Elemente seines Klassikers zitiert hat. Cool Water ist allerdings deutlich krautiger, künstlicher und lauter. Aus meiner Sicht wurde für den marinen Akkord im Bergamotto Marino deshalb nicht Dihydromyrcenol verwendet (was Cool Water für mich aufgrund der limettig-lavendelähnlichen Krautigkeit auch mehr fougèreartig macht als marin), sondern eher Helional, welches als blumig-wässrig nach Melone, Ozon und „Meeresaroma“ riechend beschrieben wird (internetchemie.info). In der Duftpyramide ist auch Melone aufgeführt und er verströmt einen ozonischen Ton, der nach „Meer“ riecht. Zumindest spielt aus meiner Sicht ein in irgendeiner Form gearteter mariner Akkord eine Rolle, wenn auch weniger prägnant als in Cool Water. An anderen Stellen wird von einem entsprechenden aus Seegras, Ambergris und Moschus gesprochen (basenotes.com), was für mich ebenfalls Sinn machen würde, wenn Seegras diesen ozonisch-wässrigen Charakter einbringen sollte. Ambergris würde ich hier in seiner natürlichen Form anzweifeln, aber die dezente Salzigkeit, die der Duft verströmt, kann von einem Amber-Riechstoff herrühren (in Cool Water ist es laut Parfumo-Datenbank wohl Ambrox), evtl. auch vom bzw. im Zusammenspiel mit einem Eichenmoos-Substitut. In Kombination mit dem Moschus entwickelt die zurückhaltende Basis dann einen leicht “cremig“-warmen, moosig-holzigen Ton, der sich thematisch passend zum grünwürzigen des Neroli verhält. Wunderbar aromatisch. Er ist daher kein superfrischer Zitrus-Aquat, wie man es dem Namen nach evtl. erwarten würde, sondern eher ein würziger Seeluft-Duft an einem wärmeren Tag. Durch die etwas angeraute Aromatik wirkt er – im traditionellen Sinne – maskulin konnotiert und dabei zeitlos-modern, understated und gepflegt.

Ebenfalls entgegen der Suggestion durch die Namensgebung, spielt die Bergamotte in meiner Nase kaum eine Rolle. Sie blitzt nur anfänglich einmal kurz in ihrer herben Zitrizität auf – unterstützt durch eine fruchtig-bittere Facette, die ich der schwarzen Johannisbeere zuschreibe –, macht dann aber fast unmittelbar dem Herzen des Dufts Platz (Neroli + mariner Akkord) und verbleibt danach nur noch in Fragmenten. Deshalb trifft es Caffees Beschreibung – in meiner Interpretation – so akkurat: Das anfängliche Aufspritzen des Bergamottesaftes und sein Davontragen durch das herausfließende Meer(wasser) (das „Davontragen“ ist allerdings meine Wahrnehmung, die evtl. nicht mit seinem Eindruck übereinstimmt!).

Pierre Boudron hat mit diesem Duft das Kunststück geschafft, seinen Klassiker Cool Water in vielen Aspekten zu zitieren, aber dennoch einen völlig eigenständigen, in meinen Augen marineren Duft zu erschaffen, der so gut konstruiert, wertig und unaufgeregt ist (u.a. ist die Haltbarkeit für ein Eau de Cologne außergewöhnlich gut - ich nehme ihn den ganzen Tag über wahr, auch wenn er nur sehr gering silliert), dass es einfach eine Freude ist, ihn zu tragen. Und in seiner Meeresnähe ist er so überzeugend, dass ich mich frage, warum er nicht bekannter ist.

Vielleicht liegt es daran, dass marine/aquatische Düfte eine Randgruppenerscheinung sind. Oder daran, dass der Duft eingestellt ist (und ihm das Schicksal dazu recht früh erfuhr). Vielleicht auch daran, dass Gianfranco Ferré eine hierzulande und eventuell außerhalb Italiens generell wenig distribuierte Marke ist (versucht mal hier an einen Ferré-Duft zu kommen!). Oder vielleicht daran, dass er v.a. für den Einsatz in Luxushotels vorgesehen war und deshalb gar nicht so sehr im normalen Parfumhandel auftauchte.

Wie dem auch sein, wenn man sich die heutzutage kursierenden Preise in den bekannten Onlinebuchten anschaut (ø ca. 150 € für 200 ml) und weiß, was der Duft bei Erscheinen 2006 gekostet hat (35 € für 50 ml, 50 € für 100 ml), kann man den Eindruck eines Liebhaber*innendufts gewinnen, der einiges richtig gemacht haben muss.
33 Antworten
Parma vor 11 Monaten 27 28
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Duft
Stil
Matilde Laurent arbeitet seit fast zwei Jahrzehnten als Hausparfümeurin bei Cartier. Ausgebildet bei Guerlain, entwarf und entwirft sie immer wieder wunderbare, eigenständige Düfte (z.B. ‚Déclaration d‘un soir‘, ‚L‘Envol‘, ‚Baiser Volé‘, die Neuinterpretation von ‚Panthère“), die oft etwas unter dem Radar laufen, da sie sich nicht den aktuellen Modeströmungen anbiedern, sondern klassisch komponiert, mit guten Rohstoffen und dem bedachtem Einsatz neuer, rein synthetischer Aromen aufwarten und dadurch Zeitlosigkeit ausstrahlen. Diesem „Credo“ frönt Matilde Laurent in den Exklusiv-Reihen noch einmal besonders konzentriert. Ihren Düften wohnt dort ein Purismus und eine unverstellte, einfache Schönheit inne, die schnell übersehen werden kann, da sie nicht lauthals schreit. Ganz nach dem Motto Coco Chanels, dass Mode vergeht, Stil aber bleibt.

Einen kritischen Einschub zu meinen Ausführungen muss ich allerdings bezüglich der Les Heures Voyageuses-Reihe machen, die ausnahmslos aus Oud-Düften besteht und zu der auch ‚Oud Vanillé‘ gehört: Der Bestandteil ist natürlich ein im Westen im letzten Jahrzehnt stark aufgekommenes und mittlerweile fast „totgerittenes“ Modethema. Insofern folgt Cartier hier unverhohlen einem Trend, aber die Umsetzung geschieht vor dem Hintergrund des genannten „Credos“. Dadurch behält die Mode ihren vertrauten, gewohnten Stil.

Unter dieser Prämisse ist auch ‚Oud Vanillé‘ entstanden. Er wirkt filigran und elegant, ist unaufgeregt und sehr tragbar. Der Titel beschreibt ihn übrigens schon fast vollständig, denn mehr als diese beiden Bestandteile nehme ich nicht wahr. In der Abstrahlung würde ich ihn als holzig-würzigen Vanilleduft beschreiben, der mich an der Geruch einer leicht gesüßten Vanilleschote erinnert. Dabei ist er weder besonders süß, noch weist er die deutliche „Fäkalität“ von Oud auf, die die meisten wahrscheinlich mit diesem Inhaltsstoff assoziieren. Trotz dieser reduzierten Formensprache empfinde ich ihn nicht als eintönig, da die Zutaten fein dosiert und – zumindest was das Oud angeht – nuanciert sind.

Wenn man ihn nämlich nah an der Haut riecht, so erscheint er vor allem zu Beginn, wenn das Harz des Adlerbaums noch im Vordergrund steht, medizinisch, krautig, holzig, leicht fäkalisch und dezent Rum-ähnlich bitteralkoholisch. Umgeben von einer zarten, pudrigen Süße. Die Oud-Note kommt mir dort wie ein „Keller“-Patchouli vor, nur nicht so erdrückend muffig, sondern deutlich lichter. Es ist zudem eine eher westliche Interpretation, denn man spürt nur unterschwellig eine animalische Nuance. Sie verhält sich in etwa wie kräftiges, stalliges Oud, welches nach Tagen nur noch als Ahnung auf der Haut liegt. Ob hier echtes verwendet wurde, kann ich nicht beurteilen.
Die Vanille zeigt sich in dieser Phase noch sehr im Hintergrund und entwickelt erst langsam eine leichte Dominanz. Ich nehme sie als süßlich und zart pudrig wahr. Laut Cartier ist hier Vanillin verbaut, keine echte Vanille (was man bei dem Preis allerdings erwarten dürfte, finde ich). Mit Augenmaß eingesetzt sorgt es für genügend Grundsüße, um das Parfum gefällig zu machen, ohne Nuancen zu überdecken. Mir wird es im späteren Verlauf jedoch einen Tick zu süßlich, wobei meine Grenze diesbezüglich schnell erreicht ist. Den Einsatz einer echten Vanille hätte ich deshalb bevorzugt.

Obwohl ich die Noten Oud und Vanille an mir nicht mag, habe ich mit diesem Duft nicht das Gefühl etwas „Falsches“ zu tragen. Hier stört mich, bis auf die leicht übersteuernde Süße, nichts. Keine künstlichen Aromachemie-Anwandlungen, kein Holpern, kein Kratzen, keine Effekte. Stil fast in Vollendung. Ich denke, dass die ausgesprochen understatete, feingliedrige Komposition in Kombination mit den guten Inhaltsstoffen diesen Effekt erzielt. Dabei erhalte ich einen ähnlichen Trageeindruck wie beim ‚Cuir Beluga‘, der aus meiner Sicht ebenfalls beide Charakteristika in besonderer Weise erfüllt.

Wie es einer reinen Parfumkonzentration zu eigen ist, ist die Abstrahlung dabei dezent. Dafür ist der Duft sehr lange ohne Anstrengung wahrnehmbar.

Zum Test empfohlen sei er allen Vanille-Fans, die einen Hauch von Animalik abkönnen. Sie finden hier einen eleganten, zurückhaltenden Vertreter. Oud-Liebhaber*innen wird er wahrscheinlich zu gezähmt und vanillelastig sein. Diese könnten allerdings bei der Ausgabe für den arabischen Markt fündig werden, die laut Cartier-Boutiquemitarbeiterin eine deutlich höhere Oud-Konzentration aufweist.

Anmerkung:
Die Preis-Diskussion kann abschließend natürlich wieder geführt werden, ist für mich jedoch an dieser Stelle müßig, da jede*r individuelle Bewertungskriterien und -maßstäbe anlegt. Dass Parfum im Schnitt überteuert ist - wie wahrscheinlich alle "Luxusgüter" - kann sicher als gegeben angesehen werden. Objektiv lässt sich auf jeden Fall festhalten, dass 75 ml dieses puren Parfums (aus meiner Sicht Extrait-Konzentration, da lasse ich mich aber gerne berichtigen) aktuell 345 € kosten (Stand Mai 2023).
28 Antworten
Parma vor 1 Jahr 18 13
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Haltbarkeit
7.5
Duft
Bath, England
Bath im Südwesten Englands - etwa auf dreiviertel Wegstrecke zwischen London und Cardiff (Wales) - ist eine wunderschöne, geschichtsträchtige Stadt. Gelegen in den südlichen Ausläufern der leicht hügeligen, grünen Landschaft der Cotswolds (einem „Gebiet von außergewöhnlicher Naturschönheit“ – frei übersetzt nach der britischen Bezeichnung AONB = "Area of Outstanding Natural Beauty", vergleichbar mit den Landschaftsschutzgebieten hier) und durchzogen vom Fluss Avon, weckt sie durch ihre prachtvollen, außerordentlich gut erhaltenen Bauten aus verschiedenen Epochen eine ganz eigene Stimmung. Ein bisschen museal, jedoch sehr lebendig. Dort finden sich u.a. römische Bäder, eine Kathedrale, eine im Halboval angelegte, überwältigend große Wohnanlage (Royal Crescent) mit davor liegendem englischen Garten und eine über den Fluss führende Brücke aus dem 18. Jh., auf der damals schon Wohn- und Geschäftszeilen gebaut wurden. Aufgrund der Ansammlung so vieler besonderer Baudenkmäler zählt die Stadt unweit der quirligen Studentenstadt Bristol zum Weltkulturerbe.

In Bath trug es sich nun zu, dass ich Paul Smiths Rose kennenlernte. Wie immer auf Reisen nach Parfümerien Ausschau haltend, traf ich in einer solchen an der belebten Haupteinkaufsstraße auf einen einsamen, letzten Flakon im untersten Regal. Ich hatte ihn schon lange auf dem Radar, vornehmlich aufgrund seines Namens. Ähnlich wie bei den Helmut Lang-Düften, übte dieser durch seinen Personenbezug und seine Einfachheit eine besondere Faszination auf mich aus. Zudem war er hier wenig besprochen und ist in Ladenlokalen im Prinzip nicht vertreten. Alles Gründe, die mich stets triggern. Hinzu kommt, dass er die Rose in den Mittelpunkt stellt, meine nach dem Maiglöckchen liebste florale Note in Parfums.

Und wie duftet er?

Kurz gesagt: Unspektakulär, jedoch angenehm nach einer sauberen, taufrischen Tee-Rose auf schonend dosierter Moschuscremeseife. Eine Grünteenote ist deutlich auszumachen, die der hellen, dezent fruchtigen Protagonistin ihre unverbrauchte Frische verleiht. Zitrischsäuerlich-prickelnd und sacht herb. Sie kontrastiert effektvoll und passend die dezent cremige Blumigkeit und schenkt dem Duft jenen Pfiff, der ihn von anderen Moschusrosen (die ich kenne) absetzt. Alle drei genannten Bestandteile sind bei Dominanz der Rose - und etwa ausgeglichener Verwendung des Tees und Moschus - so gewichtet, dass sich ein prägnanter, klarer, harmonischer, grünrosiger Duftcharakter ergibt. Für mich in seiner erfrischend und unerwartet einfach wirkenden, reduzierten Konstruktion vergleichbar mit den Düften der australischen Marke Aēsop. Lediglich die Qualität der Zutaten kann da nicht mithalten und lässt ein wenig zu wünschen übrig, denn es stellt sich ein leicht künstlicher Eindruck ein, den ich auf die Moschus- und Teenote zurückführe, wobei v.a. letztere in ihrer zitrischen Säuerlichkeit für mich ein µ zu hoch reguliert und etwas kratzig wirkt. Wenn man es positiv interpretieren möchte, könnte dieser Effekt die Dornen der Blume symbolisieren. Aber auch die Rosennote wirkt auf mich eher wie Rosenwasser, welches die qualitativ einfachste Möglichkeit ist, einen Roseneindruck zu erwecken. In der Abstrahlung ergibt sich jedoch durchgängig ein grünteeig-frischrosiger Eindruck – understated, ohne schüchtern zu sein –, der erstaunlich lang anhält und im Verlauf kaum an Ausdruckskraft einbüßt, was ich in erster Linie den kompositorischen Fähigkeiten des Parfumeurs Antoine Maisondieu zuschreibe und erst in zweiter den synthetischen Bestandteilen, die erfreulicherweise keinen unschönen Verlauf nehmen. Seine grüne, frische Anlage macht ihn dabei zu einem frühlingshaft-sommerlichen Duft, der durch die ausdrucksstarke Teenote nach traditionellen Maßstäben zarte Unisextendenzen aufweist. Im Charakter unkompliziert, unaffektiert, optimistisch, sympathisch, lebendig und casual-elegant. Vielleicht so etwas wie das robustere Geschwisterkind der zwei Jahre älteren Rose Ikebana oder der deutlich jüngeren Eau Rose und Eau Plurielle von Diptyque.

Ich habe ihn mir vor Ort übrigens nicht gekauft - obwohl er mir gut gefiel und mit einem rabattierten Preis von 30 £ für 100ml ausgesprochen günstig angeboten wurde - , da ich am Tage des Tests noch weiter reiste, bereute es im Nachgang jedoch immer ein bisschen. Gesehen habe ich ihn danach trotz weiterer Parfümeriebesuche leider nicht mehr. Nun hatte ich vor ein paar Wochen das Glück ihn in hiesigen Gefilden sehr preiswert zu erstehen und ausgiebig testen zu können. Obwohl er mich nun nicht mehr ganz so überzeugt, trage ich ihn regelmäßig, da er unanstrengend ist und durch die Teenote interessant genug. Und weil er mich immer an die wunderbare Stadt am Avon erinnert.

Kurzinfo zur Marke:
Paul Smith gilt mit seiner 1970 gegründeten Marke als wirtschaftlich erfolgreichster Modeschöpfer Großbritanniens. Er stellt Kleidung für Damen, Herren und Kinder her, die er weltweit in fast 150 eigenen Boutiquen (darunter zwei in Deutschland: Hamburg und München) sowie dem gehobenen Einzelhandel vertreibt. Dazu gesellen sich Schuhe, Accessoires, Uhren, Schmuck, Einrichtungsgegenstände und seit dem Jahr 2000 auch Parfums. Im gleichen Jahr wurde er für seine Verdienste um die britische Mode zum Ritter geschlagen.
(Quelle: Wikipedia)
13 Antworten
Parma vor 1 Jahr 24 16
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Duft
Blütezeit
In einem Video über Maiglöckchendüfte - meiner bevorzugten floralen Gattung - stieß ich auf Apogée. Die Beschreibung klang so gut, dass ich ihn kennenlernen musste. Gerechnet hatte ich mit einem Soliflor, bekommen habe ich ein wunderbar unaufdringliches, modernes, frisches Weißblüherbouquet.

Gelistet sind Maiglöckchen, Magnolie, Jasmin und Mairose. Für mein Empfinden dominiert ersteres leicht, aber im Grunde ergibt sich ein recht ausgeglichener Blumeneindruck. Anfangs ist eine etwas präsentere Rosigkeit vorhanden, dazu durchgehend die frische Grünheit des Maiglöckchens, das Blütige des Jasmin und die dezente cremige Süße der Magnolie. Jede Protagonistin wirkt dabei nur angedeutet bzw. auf ihre angenehmen Seiten reduziert. Sehr weich. Und ohne die solcher Art oft innewohnenden Indolik. Zusammen entsteht ein sanfter, lieblich-frischer und zart cremeseifiger blumiger Charakter.
Getragen wird das Bouquet von einem sphärisch-stickigem Moschus, der wie trockene Bügelluft erscheint. Mit einem – nur beim eigenen Tragen – dezent wahrnehmbaren gummihaften Ton, anfänglich fast plastikhaft, welcher aber durchaus auch von den Weißblühern herrühren kann. Früher hätte mich diese synthetische Basis verärgert, heute kann ich gut damit leben, wenn sie zum Duft passt. Und das tut sie hier. Denn sie verleiht dem lieblich-sauberen Strauß einen leicht rauen, trockenen Gegenpart. Eine Diffusität wie sie im Hochsommer über einen Blumenwiese steht. Nicht duftgleich, aber von der Konsistenz her. Zudem leicht metallisch, was dem Duft einen zusätzlich zeitgemäßen Anstrich gibt. Diese Kombination von lieblicher Blumigkeit (dominierend), trocken-herber Luftigkeit und unterschwelligem Gummiton erlebe ich so ähnlich z.B. ebenfalls in Frédéric Malles ‚En Passant‘. Allerdings wirkt ‚Apogée‘ im Vergleich erkennbar mehr dem Mainstream zugeneigt. Etwas weniger nuanciert und tief. Rundgeschliffener. Cleaner. Gefälliger. Unmittelbarer zu verstehen. Jedoch nur vom Duftprofil her, nicht bzgl. der Qualität der Inhaltsstoffe. Die sind merklich wertiger als in den Basisreihen der Modehäuser. Das zeigt sich u.a. darin, dass er über lange Zeit gut wahrnehmbar und dabei so stabil bleibt, dass seine anfängliche Charakteristik durchweg aufrecht erhalten wird. Zudem produziert er keine überraschenden, sich meist erst später zeigenden, unangenehmen aromachemischen Nebenabfälle. Ein weiteres Kennzeichen für seine ausgereifte Komposition ist die innere Beweglichkeit. Trotz Linearität entwickelt sich nichts Eintöniges. Er wirkt unbeschwert. Wie mit leichter Hand gezeichnet. Eine Mischung aus Legerem und Elegantem, aus erwachsenen und jugendhaften Facetten. Dabei etwas Sanftes, Sauberes und Einnehmendes ausstrahlend.

Insgesamt ein herrlich unkomplizierter, schmeichelnder, gepflegter, frischer Weißblüherduft, immer und überall tragbar. In seiner mühelosen, stimmigen und trotz aller Zurückhaltung präsenten Charakteristik so nicht häufig anzutreffen. Aus meiner Sicht zumindest.
16 Antworten
Parma vor 1 Jahr 33 19
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Duft
Zara traut sich
Die Marke ist ja bekannt dafür, sich - mal positiv ausgedrückt - oft an bekannte und erfolgreiche Düfte anzulehnen. Mit der unlängst lancierten Forest-Reihe macht sie aus meiner Sicht eine ihrer erfreulichen Ausnahmen. Die Entwürfe sind ziemlich eigenständig - wenigstens hatte ich bei zwei der vier Düfte keine unmittelbaren Assoziationen zu anderen DNAs (‚Sacred Green Forest‘ ist neben ‚Frozen Pure Forest‘ einer dieser beiden) - und wirken in ihrer Anlage für Zara-Verhältnisse ungewöhnlich „experimentell“, ja durchaus „nischig“. Nicht hinsichtlich der Qualität der Zutaten, aber vom Grundgerüst her. Dabei achtet die Marke wie immer auf eine massenkompatible Tragbarkeit, was bei ihr heißt: Alles ist gerundet und poliert. Manchmal arg aromachemisch, manchmal verträglicher. ‚Sacred Green Forest‘ gehört zur zweiten Kategorie und ist für mich zusammen mit dem 'Mountain Woody Forest' die gelungenste der vier Neuveröffentlichungen.

Die Konstruktion ist einfach, hat aber einen verblüffendem Effekt. Sie ruft ein exotisch wirkendes Geruchsprofil hervor. Eine grüne Weihrauchvanille.

Im Zentrum steht nämlich ein grünlich schattierter, staubtrockener Olibanum-Rauch - unkirchlich und leicht an Galbanum erinnernd -, der durch Vanille pudrig weichgezeichnet wird (keine zuckrige Vanille, sondern eher in Richtung Schote tendierend). Diese Kombination wirkt ungewohnt, irgendwie mysteriös-exotisch und verwehrt sich zu Beginn einer klaren Genre-Zuordnung. Die Eindrücke sind rauchig, grün, balsamisch, pudrig, süßlich. Das Gefühl etwas Ungewöhnliches, aber durchaus zueinander passendes zu riechen wird noch dadurch verstärkt, dass die Zutaten nicht in ihrer „klassischen“ Form erkennbar sind, sondern wie moderne Destillate erscheinen. Schlanker, direkter und weniger facettenreich als die Originale. Vielleicht komplett synthetischen Ursprungs. Das macht einen Teil ihres Reizes aus, lässt den Duft aber auf Dauer etwas unbeweglich auftreten. Wenn sich die anfängliche Irritation dann langsam klärt und eine leichte Gewöhnung einsetzt, wird eine unterschwellige Blumigkeit erkennbar, die ich am ehesten mit der Note aus Tom Ford ‚Black Orchid‘ verbinde. Süßlich-herb-balsamisch und elegant. Eine zarte Limoncello-ähnliche Zitrizität verleiht abrundend etwas Frische.

Der olfaktorische Grundton ist grün-süß. Balsamisch-rauchig eingefärbt. Die Textur trocken-pudrig. Durchaus dicht, aber in angenehm aufgelockerter Weise. Hell gehalten. Fast unbeschwert. Der Duft wirkt trotzdem sinnlich, tief und leicht verträumt, verliert sich aber nicht darin. Er bleibt unkompliziert und „funktional“ genug, was sicherlich an der Abstimmung liegt, aber auch am oben genannten Profil der Zutaten. Ein Ganzjahresduft mit Tendenz zum vermehrten Einsatz bei kühleren Temperaturen. Ausgewogen, zurückhaltend in der Projektion, lang anhaltend und linear. Entworfen von Fabrice Pellegrin (so etwas wie dem Inhouse-Parfümeur von Diptyque - zusammen mit Olivier Pescheux) und Coralie Spicher. Dem Können beider ist es zu verdanken, dass der Duft v.a. durch seine Komposition wirkt. Das olfaktorische Bild eines (heiligen) japanischen Waldes, wie von der Marke suggeriert, kommt bei mir zwar nicht auf - dafür fügt v.a. die süßliche Vanille zu viel Artfremdes hinzu -, aber etwas durchaus exotisch Grünes, womit eine Annäherung gegeben ist.

In seiner ambivalenten bzw. kontrastierenden und überraschenden Anlage erinnert mich der Duft sehr an Etat Libre d‘Oranges ‚Jasmin et Cigarette‘ (süßliche Blume + Rauch). Wer solch einer Art von Arrangement etwas abgewinnen kann, wird sich eventuell auch für diesen erwärmen können. „Nischen“-Liebhaber*innen wird die Ausführung bei aller Originalität wahrscheinlich etwas zu glatt und von der Qualität der Inhaltsstoffe her zu eindimensional sein und "Designer"-Liebhaber*innen vielleicht etwas zu gewöhnungsbedürftig. Er bewegt sich in einem Zwischenraum, der für die Marke sicherlich Neuland bedeutet, jedoch eine begrüßenswerte Erweiterung ihres Portfolios darstellt. Ich habe mit so einem Duft jedenfalls nicht gerechnet. Die für ihre Verhältnisse künstlerische Anlage des Dufts spiegelt sich auch im - für das Haus - recht stolzen Preis von 29,95 € für 100ml wieder.
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