Parudol

Meine 80er-Reise geht mit einem Disco-Klassiker aus dem Hause Lagerfeld weiter, nachdem Drakkar Noir und Kouros den Auftakt gemacht haben.

Also, ab zur örtlichen Parfümerie, um mir eine Flasche dieses Wham-Wässerchens zu organisieren. Dort angekommen, ernte ich Mitleid. Die Mitarbeiterin guckt mich an, als hätte Sie eine ganz schlimme Diagnose für mich. Instinktiv suche ich den nächsten Stuhl, in den ich mich, der Ohnmacht nahe, hineinfallen lassen kann, in Erwartung der nun folgenden Aussage:

"Versuchen Sie's mal im DM oder so. Den hamwa schon lange nich mehr. Wer trägt den denn noch? Hahaha"

Die Dame mit den leicht schiefen Augenbrauen und der gesunden Hanuta-Bräune hält sich den Bauch vor Lachen, während ich schamesrot den Laden richtung Bahnhofsdrogerie verlasse.

Und dort glänzt er nun. Ein Flakon, der überraschend schick und wertig aussieht. Hastig sprühe ich mir diesen Duran-Duran-Diesel auf das Handgelenk. Wow! Eine Wolke aus allem (wörtlich gemeint) haut mir erbarmungslos ins Gesicht. Da ist viel Süßes dabei, vielleicht Babypuder? Ab und zu rieche ich etwas Alkoholisches, welches dann wieder ins holzig-süße abwandert. Nach ca. eine Stunde endet die wilde Fahrt in einer konstanten, wohlig-warmen Süße. Die Projektion dabei durchgängig hoch.

Dabei ist der Duft nicht wirklich penetrant, wie manch einer es hier prophezeit. Ja er hat eine nette Silage, allerdings umgibt einen dabei eine angenehme Aura. Da hat es Wolle Joop mit seinem pinken Eau de Migraine etwas mehr übertrieben.

Wie verbleibe ich mit dem Duft nun? Tja, man merkt ihm an, dass er nicht aus diesem Jahrhundert stammt. Die durchschnittliche Frau bzw. der durchschnittliche Mann unter 25, wird den Duft sehr wahrscheinlich verschmähen. Das kann man ihnen nicht mal übel nehmen. Lagerfeld Classic ist, ähnlich wie Joop Homme, ein Parfum für die Tanzfläche der 80er.

Wenn ich mich also zukünftig mal für ein paar Stunden wie mein Vater in den 80ern fühlen will, dann reichen zwei Sprüher dieses Klassikers aus.

Claude Monet hatte die Gabe, beeindruckende Panoramen für einen Moment für die Nachwelt einzufangen. Sonnenbeschirmte Damen lustwandeln in prächtigen Gärten des 19. Jahrhunderts, Seerosen ziehen ihre Bahnen unter den schier endlosen Baumreihen und prächtige Villen reihen sich neben Palmen in der italienischen Riviera. Man könnte behaupten, dass der Mann malen konnte...

Wenn man mich fragt, wie es in diesen Szenerien wohl gerochen haben mag, habe ich ab sofort eine Antwort: Sehr wahrscheinlich wie in Hermès' prächtigem Garten.

Frische Bergamotte und zitrische Kumquats ebnen den Weg zur weichen, cremigen Jasminblüte. Was bleibt ist ein sehr femininer, spritzig-sauberer Duft, der für warme Nachmittage in Südfrankreich wie geschaffen ist. So stelle ich mir den Duft der südfranzösischen Dame vor, wie sie gedankenversunken auf der Terrasse ein Buch liest.

Ein Duft, den ich leider nicht mit mir selbst assoziiere. Allerdings bleibt er bei mir. Wenn auch nur für den kurzen Tagtraum.

Wer erinnert sich noch? Madonna erobert mit „Papa don't preach“ und wilder Kurzhaarfrisur die Bravo-Titelseiten, der Vogel des Jahres ist die Saatkrähe und in der UDSSR sorgt das Atomkraftwerk in Tschernobyl für Schlagzeilen.

Ich kann mich nicht erinnern, da ich noch nicht auf der Welt war. Allerdings kann ich das Jahr 1986 heute noch olfaktorisch erleben. Zino, ein Klassiker von Davidoff, ist immer noch erhältlich. Und ja, man merkt ihm sein Alter an.

Er startet mit einem spritzigen Kopf aus Bergamotte und Lavendel, bevor er langsam mit Rose und Patchouli ins holzige Zeder gleitet. Dabei ist er (heutzutage) nicht sehr aufdringlich. Er bleibt nah beim Träger und entwickelt sich langsam und bedächtig. Die 80er-Show ist nach maximal 4 Stunden auch wieder vorbei.

Wer sich die Zeitreise in das Jahrzehnt von Kohl und Walkman leisten mag, ist mit ca. 20 EUR dabei.

Für mich bleibt Zino ein Relikt einer vergangenen Zeit. Ein Duft einer Zeit die nicht mehr existiert. Mach's gut.

Dieser bekannte Slogan eines mittelmäßigen Wässerchens passt bei diesem Duft wie die Faust aufs Auge.

The Man Silver versucht gar nicht erst ein anderer Duft als Kouros zu sein. Er ist quasi 1 zu 1 vintage Kouros, wie man ihn bis ca. Mitte der 90er noch erwerben konnte.

Ein sehr männlicher, anfangs animalischer und später würziger Duft, den man entweder hasst oder liebt. Er polarisiert ohne Frage, aber er verleiht seinem Träger, selbstbewusst getragen, eine gewisse Aura und Präsenz, die heutzutage seines Gleichen sucht.

Daher sollte man mit der Dosierung gewissenhaft sein und den Sprühkopf von „The Man Silver“ nicht wie ein Axe Spray überdosieren. Hier ist Vorsicht besser als Nachsicht ;-)

Insgesamt für jeden, der Interesse am vintage Kouros hat ein Nobrainer und das fast geschenkt.

Da steht er vor mir. Dieser Flakon, der mich ins Erwachsensein begleitet hat. Ich hatte ihn beim Aufräumen in einer alten Umzugskiste gefunden und er ist noch 3/4 voll. Einer von sicher 4 oder 5 die ich mir im Laufe meiner Jugend gekauft habe.

Ich war 17 als mein bester Kumpel mir ihn an einem Samstagabend bei einer Grillparty gezeigt hat. Er hat sich den brandneuen Gaultier von seinem Taschengeld gegönnt. „Cool“, dachte ich. „Lass mich mal riechen“.

Ich kann mich an die Situation noch genau erinnern. Kann diesen Moment wie aus einem Bilderbuch hervorholen. Jedes mal wenn ich diesen Duft rieche, denke ich an diesen speziellen Abend. Hab dieses leichte Gefühl der Jugend. Unbeschwertheit. Die erste Liebe. Die erste Enttäuschung. Erwachsenwerden.

Irgendwann nach dem Schulabschluss sind mein Kumpel und ich getrennte Wege gegangen. Wir haben noch häufig telefonischen Kontakt, aber jeder hat jetzt ein eigenes Leben in unterschiedlichen Regionen des Landes. Gaultier2 kann mich immer noch einmal in diesen Abend des Jahres 2005 katapultieren. Noch einmal in dieses wohlige Jugendgefühl voller Unsicherheit, neuen Erfahrungen und Eindrücken.

Dieser Duft gibt mir so unfassbar viel mehr als die Duftpyramide ausdrücken könnte. Daher ist es sicher auch keine objektive Rezension.

Ich war ehrlicherweise traurig, als ich gehört habe, dass er eingestellt wurde.

Aber alles vergeht. Genauso wie die Jugend. Was bleibt sind Erinnerungen.