Pollita

Pollita

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16 - 20 von 347
Pollita vor 5 Monaten 49 42
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Duft
Vor der Jagd des Lebens ruhn

Von draußen, vom Walde komm ich her;
ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr!
Überall auf den Tannenspitzen
sah ich goldene Lichtlein blitzen,
und droben aus dem Himmelstor
sah mit großen Augen das Christkind hervor.

Und wie ich strolch' durch des finstern Tann,
da rief's mich mit heller Stimme an:
"Knecht Ruprecht", rief es, "alter Gesell´,
heb deine Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
das Himmelstor ist aufgetan,
Alt und Jung sollen nun von der Jagd des Lebens einmal ruhn,
und morgen flieg ich hinab zur Erden;
denn es soll wieder Weihnachten werden!"
(Theodor Storm)

An dieses schöne Gedicht musste ich denken, als ich Boreal zum ersten mal erschnuppert habe. Der Wald, die Tannen, die Kerzen, die Lichter, das Himmelstor – alles scheint Nicholas Nilsson perfekt in diesem Duft eingefangen zu haben. Auch ein Hauch Gemütlichkeit durch ein Tässchen Pfefferminztee, den der Herr Knecht Ruprecht bei seiner Ankunft vielleicht irgendwann verköstigen durfte, ist da. Ein wunderschöner Duft, um diese besinnliche Zeit einzuläuten.

Als süß, wie einige vor mir schrieben, empfinde ich Boreal jetzt nicht. Boreal ist für mich in erster Linie ein Weihrauchduft. Ich sehe diese kleine Kapelle vor mir, die bei uns in der Region zur Weihnachtszeit immer besonders schön geschmückt sein soll. Ich selbst war nie dort, auch wenn ich es mir jedes Jahr vornehme. Die so wichtige Ruhe habe ich wohl noch nicht finden können, seit ich hier am Trauf lebe. Eine Krippe soll dort stehen mit allen Figuren: Josef und Maria, Esel und Ochs und dem Jesuskind.

Diese kleine Kapelle grenzt direkt an den Wald. Ich stelle mir die Gegend tief verschneit vor, wenn ich den Duft von Boreal einatme. Und dann betrete ich in Gedanken die Kapelle und nehme den feinen, balsamisch-harzigen Weihrauch wahr, dazu die brennenden Kerzen und alles fühlt sich so wunderbar besinnlich und ruhig an. Genau so, wie Theodor Storm es in seinem Gedicht ausdrückt: Vor der Jagd des Lebens, die wir alle so gut kennen, einmal ruhen.

Ja, das ist wirklich ein Stück Besinnlichkeit im Flakon. Ein grüner, tannengrün eingefärbter Weihrauchduft. Er könnte tatsächlich der große Bruder meines geliebten Incense Water von Perfumer H sein. Nur bei Incense Water lässt sich die Jahreszeit, für mein Gefühl, nicht direkt bestimmen. Bei Boreal ist es Winter. Weihnachtszeit. Wer Weihrauch mag, wird Boreal lieben.

Passend zur besinnlichen Jahreszeit ist das kein lauter und aufgeregter Duft, sondern er präsentiert diese Ruhe, die wir jetzt alle finden sollen, ganz wunderbar auf olfaktorische Art.

Ich wünsche euch allen ein paar wunderschöne, ruhige und entspannte Festtage!

Eure Polly

Dank für die Testmöglichkeit geht an Schoeibksr.
42 Antworten
Pollita vor 5 Monaten 41 32
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Duft
Gemütlichkeit
Wer kennt sie nicht, diese Szene aus Matrix? Neo sitzt beim Orakel in der Küche. Im Backofen Brownies, fast fertig. Und das Orakel raucht eine Zigarette. Die Wohnung sieht ein bisschen so aus wie in den Achtziger oder frühen Neunziger Jahren. So ähnlich wie Carosello 75, so stelle ich mir den Geruch in dieser Wohnung vor. Tatsächlich auch ein wenig, wie ich es auch aus meiner eigenen Kindheit kenne. Ich rieche zwar eher Lebkuchen statt Brownies, da sind Gewürze, evtl. Nelke, Kardamom, vielleicht auch Koriander, aber sie befinden sich ebenfalls noch im Ofen. In der Hand halte ich ein Glas Punsch. Diese typisch weihnachtlichen Gewürze stecken da drin. Aber auch die Zigarette ist präsent. Frisch angezündet, kein kalter, unangenehmer Rauch. Meine Oma buk zwar nicht, aber sie rauchte, wenn auch lediglich heimlich. Ich habe mich als Kind immer gern in ihrer Küche aufgehalten.

Wie auch schon bei Mane hat Gualtieri hier wieder so einen typischen „Stuben-Akkord“ verarbeitet. Der Duft hat etwas Heimeliges, Gemütliches. Animalik rieche ich hier allerdings weniger, dafür mehr Gewürze, Süße und dieses leicht Angebrannte ist recht präsent.

Ich habe den Duft homöopathisch dosiert, da mir die geballte Kraft von Frau Gualtieris Düften bekannt ist. In dieser Dosis ist der Duft tatsächlich sehr schön, auch wenn ich Zigarettenrauch, vor allem in der Wohnung, definitiv nicht haben muss. So ein Winzhauch Carosello vermittelt mir dennoch ein Gefühl von Gemütlichkeit, von Ruhe, ja, von Besinnlichkeit und genau eine solche Stimmung soll die Adventszeit ja auch mit sich bringen, weshalb ich ihn zu dieser Jahreszeit als so passend empfinde. Das ist ein Parfum zum dran riechen, zum Tragen, finde ich, eher nicht. Zu speziell. Trotzdem zaubert er mir ein Lächeln aufs Gesicht, lässt mich für eine Weile wieder das kleine Mädchen sein, das strahlend vor dem kleinen, künstlichen Weihnachtsbaum steht, den meine Oma jedes Jahr in ihrer Dachwohnung, die heute meine ist, aufgestellt hat. Ich muss nur die Augen schließen. Alles sieht genauso aus wie früher.

Danke Schoeibksr für die Testmöglichkeit. Und danke, Carosello.
32 Antworten
Pollita vor 6 Monaten 56 45
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Duft
Über Masse und Klasse, Guerlain und Ikea. Und Bilder im Kopf, die nicht mehr gehen wollen
Geht es nur mir so oder ist auch euch schon aufgefallen, dass Guerlain zurzeit unheimlich viele neue Düfte raushaut? Ich persönlich denke immer noch gerne an die Zeiten zurück, wie aufregend es war, wenn ein neuer Duft lanciert wurde. Wochenlang war dieser Gesprächsthema Nummer eins in der kleinen Parfümerie im Nachbarort, in der meine Mutter immer so gerne eingekauft hat.

Bei dem Tempo heute ist das nicht mehr denkbar. Und es kommt, insbesondere bei Guerlain, nicht nur gefühlt alle Tage etwas Neues, sondern es wird auch immer exklusiver und immer teurer. 550 Euro kostet so ein Extrait aus der neuen Serie, zu der auch Vanille Planifolia Extrait 21 zählt. Vanille ist leider bei mir so ein Reizwort, genauso wie Moschus. Und deshalb kam ich nicht drumherum, diese Neuerscheinung zu testen.

Ja, ich gebe es zu. Duften tut er schon toll. Dafür spricht auch meine hohe Wertung. Er hat Gemeinsamkeiten mit meiner erst jüngst gefundenen Duftliebe Honoré Delights von Ex Nihilo. Die Kombination aus Vanille und Moschus ist hier tatsächlich ähnlich fein umgesetzt. Ja, das gefällt mir. Gleichzeitig hat er, wenngleich auch viel süßer und nicht so extravagant, Anklänge an Shalimar. Dieses dezent Rauchige, Ernsthafte ist hier ebenfalls verbaut. Vermutlich die würzigen Noten, die hier allerdings nur dann und wann mal eben hallo sagen. Denn insgesamt ist der Duft doch eher lieblich und hat vielleicht noch einen Hauch der Basisnote eines Shalimar, mehr aber auch nicht.

Die neuen Extraits sind ja auch zum Kombinieren gedacht. Vielleicht mag das der Grund sein, weshalb hier auf jeglichen frischen oder blumigen Counterpart verzichtet wurde. Und genau das fehlt mir hier. Denn ein wenig Bergamotte, ein wenig Zitrone, hier und da ein Blümchen, ein lederner Hauch, hätten dieser edlen und sanften Vanilleschönheit tatsächlich gutgetan. Denn so, wie sie ist, assoziiere ich mit ihr leider auch die allen bekannte Ikea-Duftkerze. In hochwertig natürlich. Alles andere hätte mich bei Guerlain auch gewundert, aber dieses Bild ist nach einer Weile eben auch in meinem Kopf und ich kriege es nicht mehr raus. Vor allem in der Projektion duftet Vanille Planifolia Extrait 21 auf den ersten Riecher nach Ikea. Mich würde es nicht wundern, wenn Leute, die Dich mit diesem Duft wahrnehmen, sich fragen, ob Du gerade in der Ikea-Duftkerzenabteilung warst?

Und diese Duftkerzenassoziation stört mich einfach am Ende. Den Rest hätte ich genommen. Zähneknirschend natürlich bei dem Preis. Aber genau solche Kerzen-Düfte, etwa von Profumum Roma, auch nicht gerade billig, hatte ich bereits zu Genüge und habe sie allesamt wieder aussortiert.

Vielleicht liegt es an der schieren Masse, weshalb hier ein für mich so klitzekleiner aber enorm wichtiger Hauch Klasse einfach fehlt?

Ein herzliches Dankeschön an WitweBolte für das Sharing und die Testmöglichkeit

Nachtrag: Da ich den Duft auf Dauer als enorm penetrant empfinde, musste ich mit der Wertung leider auch runtergehen. Das ist nicht mehr mein Guerlain.
45 Antworten
Pollita vor 6 Monaten 35 28
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Haltbarkeit
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Duft
Urlaubsdüfte und ich. Oder das Mädchen mit den Zauberkräften Reloaded
Ich mag prinzipiell keine Urlaubsdüfte. Schon gar nicht solche, die Karibikfeeling, Meeresrauschen, Strand-Flair oder gar Cocktailbar-Assoziationen aufkommen lassen sollen. Es gibt gewiss einige Düfte, die ich mit Reisen und südlichen Gefilden verbinde, aber nicht diese Sorte. Entweder sind mir solche Düfte zu künstlich und süß oder zu aquatisch. Selten tanzt mal einer mit Kokos & Co. tatsächlich aus der Reihe und überrascht mich positiv.

Aber es gibt da so ein Mädchen mit Zauberkräften, über die ich unlängst berichtete. Und heute hat sie mich sogleich wieder verzaubert. Und das ausgerechnet mit so einem Urlaubsduft. Und auch noch mit einer Kokosnote. Okay, ich gebe es zu. Wenn eine das vermag, dann sie und keine andere.

Olivia Giacobettis Eau du Brésil ist wahrhaftig zauberhaft. Die Marke Cinq Mondes war mir bislang völlig unbekannt. Als die liebe Spatzl mich fragte, was sie mir denn Schönes zum Testen zukommen lassen darf, hatte ich den hier gar nicht auf dem Schirm. Klar, Kokos. Eigentlich ein No-Go bei mir. Hätte ich nur mal einen Blick auf die Parfumeurin geworfen. Aber Spatzl schien es geahnt zu haben, dass ich genau diesen Duft trotzdem kennenlernen sollte. Und da lag sie goldrichtig.

Zum Kaufkandidaten schafft es dieser feine Südamerikaner zwar nicht, aber ich könnte mir sehr gut vorstellen, diesen wunderschönen Duft bei Sommerwetter, am liebsten im Urlaub, zu tragen. Hier haben wir nichts und ich betone gar nichts Künstliches. Zunächst ist der Duft zitrisch. Die Limetten, die ich oft als saurer, frischer empfinde, erscheinen mir hier zunächst wie Orangen oder Mandarinen. Saftig, fast leicht süß eröffnen sie diesen spritzigen Duft. Und genau so bleibt er auch für eine ganze Weile. Erst in der Basis wird er noch eine Idee frischer, bevor er sich langsam aber sicher ganz zurückzieht. Die holzige Note ist unglaublich zurückhaltend. Auch Moschus finde ich hier nur in sehr dezenter Form vor. Dieser Duft ist einfach nur wunderbar erfrischend und dabei so echt. Die Kokosnote sagt so hintergründig und schüchtern hallo, dass die Nase sie, will sie es nicht unbedingt, nicht einmal bemerkt. Doch wenn ich mich darauf einlasse, dann ist da ein Hauch Kokos, der tatsächlich an eine frisch aufgeschnittene Kokosnuss erinnert.

Ich erinnere mich so gut. Als ich noch ein Kind war, wussten die Strandverkäufer im Urlaub meine Mutter stets zu beeindrucken. Täglich kaufte sie überteuertes Obst. Und wenn es eine Kokosnuss sein sollte, habe ich mich immerzu mit größtem Vergnügen auf das frische Kokoswasser gestürzt und es geliebt.

Und da wären wir wieder beim Urlaub. Ein herzliches Dankeschön geht an Spatzl für die Testmöglichkeit. Diesen Duft möchte ich allen Kokos- und Urlaubsduft-Skeptikern ans Herz legen. Ich bin überzeugt, er wird auch euch überraschen. Blind wäre mein Verdacht übrigens auf Hermès gefallen. Na, hab ich euch neugierig gemacht?
28 Antworten
Pollita vor 6 Monaten 32 25
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Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Zurück in die Achtziger
In den Achtzigern und frühen Neunzigern, da haben Früchte ein Parfum noch eine sinnliche Ausstrahlung verliehen. Hier ein wenig Pflaume, da etwas Ananas und das Ganze kombiniert mit einem üppig-blumigen Herzen und einer samtigen, weichen und mit einem klitzekleinen bisschen Schmuddel versehenen Basis.

So einer ist auch Clandestine von Guy Laroche, der mich auf den ersten Schnupperer zurück in den Friseursalon schickt, den meine gesamte Familie, von der Oma bis hin zu mir, in den Achtzigern besucht hatte. Der Salon hatte zwei Inhaberinnen, I. und I. Meine Oma und meine Mama gingen dort so gerne hin. Bei mir dauerte es etwas, bis ich diese Besuche zu schätzen wusste, denn als Kind bekam ich, aufgrund meines superdünnen Babyhaars, wie so viele andere Kinder in den Achtzigern, den typischen Kochtopf-Schnitt verpasst. Es war grausam! Erst, als ich mir trotz großen Protests meiner Mutter die Haare endlich wachsen lassen durfte, fing auch ich an, gerne zum Friseur zu gehen.

Genau so ein Duft hing dort in der Luft. Vermutlich eine Kombination aus den Haarpflegeprodukten, vielleicht auch dem Signaturduft einer oder beider Inhaberinnen oder - was damals ja auch gang und gäbe war - sie verkauften Duft plus passender Pflegeserie im Geschäft. Ich meine mich zu erinnern, dass sie tatsächlich Parfum verkauft haben.

Clandestine schafft es, wie viele Düfte aus dieser Zeit, die Frucht auf eine wunderbare Art und Weise strahlen zu lassen. Hier ist nichts klebrig oder zu süß. Der Duft erinnert ein wenig an die verbotene Frucht in der Bibel. Sündig und doch so verlockend. Dazu kommen Blüten vom Allerfeinsten. Eine pudrige, trockene Iris, die mich an das opulent parfümierte Haarspray erinnert, das damals gesprüht wurde. Heliotrop und Jasmin bringen eine feine Süße mit, ebenso Ylang-Ylang und auch die Rosen und Tuberosen, die nicht immer meine allerbesten Freundinnen sind, sind hier auf eine wunderbar edle Weise verbaut.

In der Basis dominiert Moschus, zusammen mit fein balsamischem Amber. Die Zibetnote ist so dezent und raffiniert eingebunden, dass ich sogar damit könnte.

Sobald ich Clandestine in der Nase habe, sitze ich wieder im Friseursalon. Ich bin allerdings schon etwas älter und fange an, das Ganze zu genießen. Meine erste Haartönung in dunklem, sattem Rotviolett, hach ja, das hatte was. Danke Clandestine. Und danke, liebe FrauKirsche, für die Testmöglichkeit.
25 Antworten
16 - 20 von 347