Primel

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Primel vor 4 Jahren 19 11
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Le 14 juillet 2020
Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein, den Duft der bezaubernden Joséphine de Beauharnais zu kommentieren.

Brütende Hitze im Monat Thermidor. Über den prächtigen Gärten vor Schloss Malmaison lag bereits die sanft vergilbte Patina der beginnenden Dürre. Trinkwasser wurde langsam knapp. Die Depesche wurde von einem staubbedeckten Boten überbracht. Drei Tage und drei Nächte war er unterwegs, obwohl er häufig die Pferde wechselte.

Mit zitternden Händen öffnet Joséphine das Schreiben, es war kurz gehalten wie immer:

Ma chère Joséphine,
nous serons enfin réunis. Ne te lave pas, j’arrive!

NB

Joséphine lächelte und blickte mit geröteten Wangen in den venezianischen Wandspiegel in ihrem Boudoir. Eine Haarlocke hatte sich gelöst, sie pflegte ihr Haar in griechischem Stil aufzustecken. Das blassrosa Kleid mit Empire-Taille fiel in lockeren Falten wie immer. Leider hatte die letzte Vereinigung mit ihrem Liebsten keine Früchte getragen, sie seufzte vor Kummer auf. Wenn er sie nun verliess? Aber nein, sie hatte ja noch ihre Geheimwaffe: der eigens für ihre Majestät komponierte Duft aus dem Hause Rance. Hellrosa Pfingstrose, eingefasst von zartem Flieder, die weiteren Blüten vermochte sie nicht auszumachen, alles in allem eine gelungene Komposition der schönsten Blüten und Früchte der Gärten von Malmaison. Der Weissdorn steuerte sanfte Bitterkeit bei und verhinderte dass der Duft ins Süssliche abdriftet (und würde dem gestressten Herzen ihres lieben Gatten sicher guttun), Ebenholz, Sandelholz und Gewürze aus Übersee rundeten den Duft gekonnt ab. Joséphine kräuselte leicht ihre Stirn, es musste ihr einfach gelingen ihn wieder an sich zu fesseln. Gerüchte machten die Runde, dass er sich in eine Komtesse verguckt hatte, was sollte dann aus ihr und Hortense werden.....

Naja, das könnte eine Anekdote aus Joséphines Leben gewesen sein. Ob sie den Duft getragen hat weiss ich nicht und finde es auch irrelevant. Der Duft ist blumig-romantisch, aber zu keinem Zeitpunkt süss, mit guter Haltbarkeit und ordentlicher Sillage. Zumindest so, dass mir eine wildfremde Passantin nachgerannt ist und den Namen meines Parfums wissen wollte :).
Glücklicherweise sind schöne Düfte heutzutage nicht mehr nur gekrönten Häuptern vorbehalten.

Vive la République!
Vive la France!
11 Antworten
Primel vor 4 Jahren 10 7
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
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Duft
Der verbotene Wald
Nach dem heftigen Regenguss am Vorabend verwandelt die immer heisser werdende Morgensonne den penibel gepflegten Garten mit akkurat gestutzten Büschen, englischem Rasen und sorgfältig bepflanzten Blumenbeeten in ein riesiges Mosaik wertvoller Edelsteine. Im smaragdgrünen Gras kauern, wie achtlos verstreute Amethyste, violette Veilchen. Rubinrote Rosen duften verschwenderisch, strecken sehnsüchtig ihre offenen Blütenkelche der aufgehenden Sonne entgegen. Die Bienen summen träge.

Pfeifend durchquere ich, gerade mal zwölfjährig mit verwaschenem Shirt und Jeans bekleidet, den Garten auf dem Weg zu meinem Baumhaus. Ich fahre mit der Hand durch meine kurz geschnittenen Locken. In einem kleinen Korb trage ich den selbst gebackenen Gewürzkuchen meiner Mutter, pflücke unterwegs ein paar reife Pfirsiche und Pflaumen und kann der Versuchung nicht widerstehen, ein paar Blüten abzuzupfen und zusammen mit den Früchten in meinen Korb zu legen. Ein betörendes Duft-Potpourri steigt aus meinem Körbchen auf. Ich bleibe stehen und schnuppere: ein würzig-verlockender Duft liegt in der Luft, dieser rührt vom nahegelegenen Zedernwald her. Niemals habe ich diesen Wald betreten, zu viele wilde Geschichten machen im Dorf die Runde und vom Erkunden des Waldes wird dringend abgeraten. Ausserdem hat es mir meine Ma strengstens verboten.....

Der Wind rauscht in den Baumwipfeln. Ich hole tief Atmen und betrete den dunklen Wald. Das Vogelgezwitscher verstummt beinahe augenblicklich. Ausser dem Geräusch eines klopfenden Spechts ist es vollkommen still. Währenddessen ich mich vorwärts taste erhebt sich ein Raunen und Flüstern, dunkle Schatten huschen umher, Augenpaare beobachten mich. Hände greifen nach mir, ich schüttle sie ab. Manchmal schreit eine helle Stimme auf, dann ist wieder alles still. Ein unbeschreiblich würzig-balsamischer Duft erfüllt die Luft, ich sauge den Duft förmlich in mich hinein. Ich weiss nicht, wie lange ich nun durch diesen Wald irre, jegliches Zeitgefühl ist mir abhanden gekommen...

Endlich erreiche ich eine Lichtung und bleibe stehen. Völlig verblüfft bemerke ich, dass mir meine Kleidung viel zu eng und zu kurz geworden ist, gereizt entledige ich mich ihrer, es wird mir ja wohl hoffentlich niemand über den Weg laufen. Glücklicherweise geht mir meine Unterwäsche noch einigermassen. Ich werfe meine langen Haare zurück und setze meinen Weg fort.

Es knackt im Dickicht. Vor mir erscheint ein Hirsch mit riesigem Geweih. Einen Augenblick steht er ganz still und blickt mich aus grossen, dunklen Augen an, bevor er leichtfüssig davon springt. Der wunderbare Duft in diesem offenbar verzauberten Wald wird tiefer und intensiver......

Ein leises auf- und abschwellendes Rauschen erfüllt die Luft, der Wald lichtet sich, das Rauschen wird lauter....gleichzeitig wird der Duft schwächer.

Vor mir erstreckt sich der Ozean, dunkelblau, beinahe schwarz. Das Tosen der Brandung erfüllt die Luft. Eine riesige rote Sonne versinkt am Horizont. Ich werfe einen letzten Blick auf den Zedernwald, wo meine Weiblichkeit erwacht ist....

Langsam wate ich in das Wasser und lasse mich in die dunklen Wellen gleiten. Nur den Bruchteil einer Sekunde staune ich über die welk gewordene Haut an meinen Unterarmen und die hellbraunen Flecken auf meinen Händen. Ich lächle müde und schwimme langsam, aber entschlossen weiter, immer weiter auf das offene Meer hinaus, der untergehenden Sonne entgegen.

Die wahre Seele von « Féminité du bois » hat sich für immer verabschiedet.
7 Antworten
Primel vor 4 Jahren 8 4
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
5
Duft
Der einsame Rumpf
Stramm und unbeugsam steht er da. Trotzdem fristet der Männer-Torso in unserem Badezimmer ein tristes und unbeachtetes Dasein, und das schon seit Jahren! Hin und wieder wird er abgestaubt. Allerdings überkam mich eines Tages der Drang, mal wie ein echter Kerl zu duften! Behutsam ergriff ich den Torso und besprühte mich, nicht allzu knapp. Es breitete sich eine süsse Duftwolke aus. Als orientalisch empfinde ich diesen Duft nun überhaupt nicht. Für mich duftet er sehr medizinisch, so etwa wie Hustensaft, was aber nicht mal abwertend gemeint ist. Allerdings gibt es hier einige Duftnoten, die mich stören. Estragon mag ich an Fisch, aber nicht in einem Duft! Kümmel ist im Sauerkraut in Ordnung, in einem Parfum kann ich gut drauf verzichten. Kardamom und Zimt sollen dem Duft wohl die orientalische Richtung vorgeben, scheitern aber kläglich. Sie werden von einem ziemlich muffig riechenden Duo (Lavendel und Minze) gnadenlos übertrumpft. Bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich schon festgestellt, dass Minze gar nicht immer so frisch, sondern auch unangenehm nach Karton riechen kann. Die Basis mit Vanille und Tonkabohne macht die Angelegenheit süss, aber nicht unbedingt besser, Zeder verschlimmert das Ganze noch.

Alles in allem ein sehr süsser und verwirrender Duft, wobei hier die gegensätzlichen Ingredienzen in einer Art und Weise kombiniert wurden, die ich jetzt nicht unbedingt als sehr gelungen betrachten würde. Aber natürlich alles Geschmacksache, bin halt eher aus dem konservativen Lager ;) Allerdings sind Sillage und Haltbarkeit wirklich top, wie immer bei Düften mit denen man nicht so warm wird.

Auf jeden Fall duften meine Damen-Chypres männlicher als « le mâle ». Bin ich jetzt ein Mannweib?

Ich werde mich wohl künftig wieder damit begnügen, den Torso ab und an in die Hand zu nehmen und hin und wieder abzustauben....
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Primel vor 4 Jahren 15 5
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Duft
Eine lange Durststrecke
Die Schweiz leidet unter anhaltender „Tosca-Dürre“, da in hiesigen Läden nicht erhältlich (wieso eigentlich??). Glücklicherweise bin ich in der Lage, ab und an nach Lust und Laune einen kleinen Bummel zu Fuss nach Deutschland zu machen, um meinen zur Neige gehenden „Tosca-Vorrat“ wieder aufzufüllen. Bei geschlossenen Grenzen während der Covid-Pandemie sass ich allerdings buchstäblich auf dem Trockenen! Eine Durststrecke begann...

Meine stets gut organisierte und pragmatische Grossmama (als junge Frau aus Deutschland in die Schweiz eingewandert) kannte solche Probleme nicht, ihr „Tosca-Vorrat“ war stets gut bestückt, sogar das Puder in einer geheimnisvollen türkisfarbenen Dose fehlte nicht. Wie das? Wenn man in der Schweizer Alpen-Region wohnte, war es sicher schwierig an Tosca heranzukommen? Und Einkaufstourismus oder Onlineshops gab es damals noch gar nicht! Des Rätsels Lösung: einfach immer wieder die Verwandtschaft aus Deutschland einladen und sich den Duft mitbringen lassen! Sehr clever.

Daher konnte ich mich während meiner ganzen Kindheit an diesem blumig-pudrig-vanilligen und dennoch erfrischenden Duft erfreuen. Tosca kann locker mit hochpreisigen Düften mithalten, für mich sogar schöner als Chanel No. 5! Währenddessen ich mit „Echt Kölnisch Wasser“ eine On-Off-Beziehung habe, ist meine Liebe zu Tosca rein und ungetrübt :-)

Und dann hält er auch noch ewig! Ist halt ein Duft für die Ewigkeit.
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Primel vor 4 Jahren 20 10
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Flakon
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Sillage
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Haltbarkeit
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Duft
Im Vollrausch
„Mandarin Mix up“, Stummfilm mit Stan Laurel aus dem Jahr 1924. Opium (das Rauschmittel) spielte dabei eine tragende Rolle, der arme Stan geriet unfreiwillig bei einem wohlverdienten Nickerchen in den Qualm eines Opiumrauchenden mit turbulenten Folgen....

Auch das Parfum kann einen wahrlich in Rausch versetzen! Flüssiges, würziges Gold, welches sich in einem Flakon verbirgt, welcher einem japanischen Lackkästchen nachempfunden ist. Der Duft ist für mich wie ein dicker, weicher und kostbarer Teppich, dicht gewoben mit kostbaren Ingredienzen, wobei ich in Begeisterung ausschmücke: indonesischer Kretek, chinesischer Jasmintee, Pfeffer aus Szechuan, Pflaumen aus Japan, Patchouli und Sandelholz aus Indien, Kokosnuss aus Burma sowie Zeder aus dem Himalaya und noch viel mehr...Eine olfaktorische Reise durch ganz Asien im Zeitraffer also :-) Das Beste ist aber, dass der Duft sogar ohne das für mich unerträgliche Oud auskommt!

Zweifellos liess sich der Visionär Yves Saint Laurent, 1936 in Oran/Algerien geboren, von seiner orientalischen Heimat zu diesem Meisterwerk inspirieren (Algerien gehörte damals noch zu Frankreich). Allerdings lässt er, vom Maghreb stammend „wo die Sonne untergeht“, seinen Blick weit in den fernen Osten schweifen, um einen Duft für die „chinesische Kaiserin“ zu kreieren.

Aber die Tage sind gezählt, die „Opium-Generation“ stirbt langsam aus! Man entschliesst sich im Hause YSL zu einer dramatischen Verjüngungskur! Der wunderschöne Flakon, welcher gerade durch seine Asymmetrie besticht, muss einer Pulle weichen, die entfernt an eine kleine Waschmaschine erinnert. Eine Zeit lang hängt auch ein seltsames Schnürchen in die Duftflüssigkeit, „wie ein Schweineschwänzchen“, so Pierre Dinand, Designer des Urflakons.

Auch der Duft wird bis zur Unkenntlichkeit entstellt (wobei er aber trotzdem noch viele Anhänger haben mag). Die neue Version hat für mich in der Basis sogar eine leicht fäkale Note (?). Bin ich jetzt vom Vollrausch ins Delirium tremens geraten und sehe nun überall Oud-Kötel? Ok, ich weiss ja dass Oud nicht tierischen Ursprungs ist, halt wieder mal politisch unkorrekt von mir :-)

Das „Ur-Opium“ ist für mich immaterielles Weltkulturerbe.

Serengeti darf nicht sterben. Opium auch nicht!!!
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