17.06.2022 - 06:41 Uhr
Intersport
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32
Game Changer '92?
Vor 30 Jahren erschien Féminité du Bois, nicht mit dem für damalige Zeiten gerne zelebrierten Paukenschlägen inkl. 70 mm Kampagnen, sondern mit einem lila-mauve farbigen Werbesujet, im Zentrum eine kleine asymmetrische, organisch anmutende Flasche, in ähnlichen Farbschattierungen, um die sich ein Papierband mäanderte, das, so scheint es, augenblicklich davor von einer unbekleideten weiblichen Figur in Bewegung gesetzt wurde. Darunter stand, mit einer Akrobatik aus Tabulatorenabständen verteilt und den typografischen Gradwanderungen eines in die Breite gezogenen Shiseido 'S':
SHISEIDO
HAUTE
PARFUMERIE
DES ESSENCES PURES
ET IDENTIFIABLES
SHISEIDO PARFUM
FÉMINITÉ DU BOIS
CONÇU PAR LES SALONS DU PALAIS ROYAL SHISEIDO PARIS
JARDINS DU PALAIS ROYAL, PARIS 1ER
Zu diesem Zeitpunkt war Serge Lutens bereits 12 Jahre für die Fotografie und Art Direktion der Werbeanzeigen des 1872 gegründeten japanischen Kosmetikgiganten Shiseido verantwortlich. Féminité du Bois war nach Nombre Noir (1982) das zweite Parfum das Lutens für das Haus konzipierte, obwohl die Präsentation im Vergleich Chanel, Dior & Co. leise war, krempelte der Duft manches in der Parfumerie um, wie es nur alle 20 - 30 Jahre mal passiert. Féminité du Bois wurde oft erwähnt sobald die Frage aufkommt, welches Parfum hätten eine Marke gerne selbst veröffentlicht hätte, oder was denn das aha-Erlebnis war, um sich Parfum professionell zu widmen. Shiseido - ganz Kosmetikspezialist, setzte dabei auf Haptik. Féminité Du Bois erschien in unterschiedlicher Konzentrationen und Formaten die allesamt verschiedene aber irgendwie komplementäre Formen hatten, neben Parfum und Eau de Parfum, gab es das leichtere 'schüchterne' Eau Timide, ein 3-er Set von Parfum Stylo's, eine Art Roll-On Stift in Parfumkonzentration, eine Too Heavenly Body Cream, Lotion, Deo - das volle Programm. Die zugehörigen Verpackungen waren in Variationen des lila-mauve Farbspektrum gehalten, in einer mit Holzmusterung texturierter Kartonage. Zeitgleich eröffnete Shiseido Les Salons du Palais Royal Shiseido in Paris; hauseigener Kosmetiksalon zum einen, aber mehr noch als ganzheitliche Inszenierung von Shiseido's und Lutens' Masterplan eines 'total environment'. Hier muss ich Luca Turin neidlos zugestehen diese Funktion treffend diagnostiziert zu haben, vor allen in den 90'er Jahren bot die Pariser Boutique ein exquisites wie entrücktes Einkaufserlebnis: der Ort, das Licht, die glockenförmigen Flakons. Bis ca. 1999/2000 war Lutens' Name nicht auf den Etiketten zu sehen, ähnlich der Werbeanzeige von Féminité du Bois verlauteten diese lediglich LES SALONS DU PALAIS ROYAL SHISEIDO PARIS.
Geht Lutens' Arbeit mit Shiseido bis '79/80 zurück, so sagte dieser ca. 2009/2010, zum Zeitpunkt als das Parfum von Shiseido in die zwischenzeitlich etablierte Marke 'Serge Lutens' überging, dass es ein Moment mit einem Stück Zedernholz, 1968 in Marrakesh war, der letztendlich der initiale Funke für die Idee eines Zedern-zentrierten Duft sein sollte. Dass Cèdre, eine Art späte, kodierte Rückkopplung auf Féminité du Bois erst 2005 folgen sollte, zeigt vielleicht wie prägend diese Begegnung war, aber mehr noch, wie zentral dieses Material für Lutens werden sollte.
1992 erschien Féminité du Bois mehr oder weniger als Solitär, kein Duft nahm eine Holznote derart direkt und sinnlich verfeinert ins Visier, die Verwebung mit quasi-kulinarischen Noten der nordafrikanischen Küche, die dabei ganz und gar un-gourmand verwendet werden, Ingwer, Kreuzkümmel, getrockneten Früchten und dazu Wachs und Honigartiges, ein Novum. Féminité du Bois war weder Antithese zu L’Eau d’Issey (1992) und der zunehmenden Aquatisierung und Entkernung die sich in diesen Jahren rasant verbreitete, noch in Linie mit der hoch-effektive Geschmacklichkeit die Angel (auch 1992) verkörpern sollte. Das Parfum wirkte massiv, solide und leicht, fast durchsichtig, auch wenn eine Pflaumennote immer wieder mal bei orientalischen Krachern der 70er und 80er Jahre mitvermixt war, so deliziös auf dem Punkt gab war diese nur bei Féminité du Bois. Vielleicht durch die Kombination Cumin und Zedernholz erscheint Féminité du Bois besonders 'eingelebt', oszillierend zwischen historischen Mobiliar, Interiors, Stimmung und all dem, was ein komponiertes Parfum mit orientalischen Subtiteln ausmacht; eine Zäsur mit vielem was sich in den Dekaden davor etablierte. Chanel's Bois des Îles (1927) war zu diesem Zeitpunkt, wenn überhaupt, nur bei Chanel direkt erhältlich, das davon inspirierte Egoiste (1990), ebnete meine Instant-Akzeptanz zu Féminité du Bois genau so wie Alberto Morilla's wunderbares Frühwerk Romeo Giglio Uomo (1991), mit seiner Pflaumen + Holz Note.
Im Internet Archive lassen sich eine Menge Rapporte wie diesem zu Féminité du Bois finden, Fiktionales und Konkretes kommt dabei stückchenweise ans Licht bzw. werden wieder verwirbelt. In einem Interview mit dem Pariser Nez Magazin erwähnte Lutens 2019, dass alle in engerer Auswahl stehenden Parfumeure im La Mamounia Hotel in Marrakesh einquartiert wurden und er zusätzlich Schalen mit Spänen der Atlaszeder aufstellen lies. Dieses Holz aus den Atlas und Rif Gebirgen, seit 2013 auf der Roten Liste, wichtiger Material in nordafrikanischen Sakral und Palastbauten seit Jahrhunderten, war vielleicht eher der zündende Funke im marokkanischen Kontext, als konkreter Werkstoff - für Féminité du Bois wurde letztendlich texanisches Zedernholzöl, zu 8% verwendet (siehe: Ohloff, G., Pickenhagen, W. and Kraft, D.P., 2012. Scent and chemistry: the molecular world of odors. Weinheim.) Keinem der eingeladenen Parfümeure gelang es anfangs so recht Lutens' Zedernreferenz zu replizieren, doch Christopher Sheldrake's Entwurf war anscheinend der treffenste, wobei wiederum die von Sheldrake gewünschte Zedernholzqualität noch nicht erhältlich war; Pierre Bourdon übernahm (so Lutens 2019 - in früheren Besprechung wird durchgehend von der Reihenfolge erst Bourdon, und anschliessen Sheldrake gesprochen), Maurice Roucel mag auch noch beraten haben - was das bedeutet bleibt unklar. Dass Féminité du Bois zu mehr als 50% aus einer Holznote bestehen soll ist inzwischen auch geleakt, dass es ein Studienobjekt für den Einsatz von Iso E Super mit 43%, ein Vorläufer von overdosage Düften dieser Chemikalie, die eben die Zedernholznote nochmal betont, ist, ebenso, nur scheint mir dieses 'what else' hier differenzierter komponiert zu sein, als in der Flut von Holzdüften die seit Féminité du Bois, und vor allem ab 2000 erschienen sind.
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SHISEIDO
HAUTE
PARFUMERIE
DES ESSENCES PURES
ET IDENTIFIABLES
SHISEIDO PARFUM
FÉMINITÉ DU BOIS
CONÇU PAR LES SALONS DU PALAIS ROYAL SHISEIDO PARIS
JARDINS DU PALAIS ROYAL, PARIS 1ER
Zu diesem Zeitpunkt war Serge Lutens bereits 12 Jahre für die Fotografie und Art Direktion der Werbeanzeigen des 1872 gegründeten japanischen Kosmetikgiganten Shiseido verantwortlich. Féminité du Bois war nach Nombre Noir (1982) das zweite Parfum das Lutens für das Haus konzipierte, obwohl die Präsentation im Vergleich Chanel, Dior & Co. leise war, krempelte der Duft manches in der Parfumerie um, wie es nur alle 20 - 30 Jahre mal passiert. Féminité du Bois wurde oft erwähnt sobald die Frage aufkommt, welches Parfum hätten eine Marke gerne selbst veröffentlicht hätte, oder was denn das aha-Erlebnis war, um sich Parfum professionell zu widmen. Shiseido - ganz Kosmetikspezialist, setzte dabei auf Haptik. Féminité Du Bois erschien in unterschiedlicher Konzentrationen und Formaten die allesamt verschiedene aber irgendwie komplementäre Formen hatten, neben Parfum und Eau de Parfum, gab es das leichtere 'schüchterne' Eau Timide, ein 3-er Set von Parfum Stylo's, eine Art Roll-On Stift in Parfumkonzentration, eine Too Heavenly Body Cream, Lotion, Deo - das volle Programm. Die zugehörigen Verpackungen waren in Variationen des lila-mauve Farbspektrum gehalten, in einer mit Holzmusterung texturierter Kartonage. Zeitgleich eröffnete Shiseido Les Salons du Palais Royal Shiseido in Paris; hauseigener Kosmetiksalon zum einen, aber mehr noch als ganzheitliche Inszenierung von Shiseido's und Lutens' Masterplan eines 'total environment'. Hier muss ich Luca Turin neidlos zugestehen diese Funktion treffend diagnostiziert zu haben, vor allen in den 90'er Jahren bot die Pariser Boutique ein exquisites wie entrücktes Einkaufserlebnis: der Ort, das Licht, die glockenförmigen Flakons. Bis ca. 1999/2000 war Lutens' Name nicht auf den Etiketten zu sehen, ähnlich der Werbeanzeige von Féminité du Bois verlauteten diese lediglich LES SALONS DU PALAIS ROYAL SHISEIDO PARIS.
Geht Lutens' Arbeit mit Shiseido bis '79/80 zurück, so sagte dieser ca. 2009/2010, zum Zeitpunkt als das Parfum von Shiseido in die zwischenzeitlich etablierte Marke 'Serge Lutens' überging, dass es ein Moment mit einem Stück Zedernholz, 1968 in Marrakesh war, der letztendlich der initiale Funke für die Idee eines Zedern-zentrierten Duft sein sollte. Dass Cèdre, eine Art späte, kodierte Rückkopplung auf Féminité du Bois erst 2005 folgen sollte, zeigt vielleicht wie prägend diese Begegnung war, aber mehr noch, wie zentral dieses Material für Lutens werden sollte.
1992 erschien Féminité du Bois mehr oder weniger als Solitär, kein Duft nahm eine Holznote derart direkt und sinnlich verfeinert ins Visier, die Verwebung mit quasi-kulinarischen Noten der nordafrikanischen Küche, die dabei ganz und gar un-gourmand verwendet werden, Ingwer, Kreuzkümmel, getrockneten Früchten und dazu Wachs und Honigartiges, ein Novum. Féminité du Bois war weder Antithese zu L’Eau d’Issey (1992) und der zunehmenden Aquatisierung und Entkernung die sich in diesen Jahren rasant verbreitete, noch in Linie mit der hoch-effektive Geschmacklichkeit die Angel (auch 1992) verkörpern sollte. Das Parfum wirkte massiv, solide und leicht, fast durchsichtig, auch wenn eine Pflaumennote immer wieder mal bei orientalischen Krachern der 70er und 80er Jahre mitvermixt war, so deliziös auf dem Punkt gab war diese nur bei Féminité du Bois. Vielleicht durch die Kombination Cumin und Zedernholz erscheint Féminité du Bois besonders 'eingelebt', oszillierend zwischen historischen Mobiliar, Interiors, Stimmung und all dem, was ein komponiertes Parfum mit orientalischen Subtiteln ausmacht; eine Zäsur mit vielem was sich in den Dekaden davor etablierte. Chanel's Bois des Îles (1927) war zu diesem Zeitpunkt, wenn überhaupt, nur bei Chanel direkt erhältlich, das davon inspirierte Egoiste (1990), ebnete meine Instant-Akzeptanz zu Féminité du Bois genau so wie Alberto Morilla's wunderbares Frühwerk Romeo Giglio Uomo (1991), mit seiner Pflaumen + Holz Note.
Im Internet Archive lassen sich eine Menge Rapporte wie diesem zu Féminité du Bois finden, Fiktionales und Konkretes kommt dabei stückchenweise ans Licht bzw. werden wieder verwirbelt. In einem Interview mit dem Pariser Nez Magazin erwähnte Lutens 2019, dass alle in engerer Auswahl stehenden Parfumeure im La Mamounia Hotel in Marrakesh einquartiert wurden und er zusätzlich Schalen mit Spänen der Atlaszeder aufstellen lies. Dieses Holz aus den Atlas und Rif Gebirgen, seit 2013 auf der Roten Liste, wichtiger Material in nordafrikanischen Sakral und Palastbauten seit Jahrhunderten, war vielleicht eher der zündende Funke im marokkanischen Kontext, als konkreter Werkstoff - für Féminité du Bois wurde letztendlich texanisches Zedernholzöl, zu 8% verwendet (siehe: Ohloff, G., Pickenhagen, W. and Kraft, D.P., 2012. Scent and chemistry: the molecular world of odors. Weinheim.) Keinem der eingeladenen Parfümeure gelang es anfangs so recht Lutens' Zedernreferenz zu replizieren, doch Christopher Sheldrake's Entwurf war anscheinend der treffenste, wobei wiederum die von Sheldrake gewünschte Zedernholzqualität noch nicht erhältlich war; Pierre Bourdon übernahm (so Lutens 2019 - in früheren Besprechung wird durchgehend von der Reihenfolge erst Bourdon, und anschliessen Sheldrake gesprochen), Maurice Roucel mag auch noch beraten haben - was das bedeutet bleibt unklar. Dass Féminité du Bois zu mehr als 50% aus einer Holznote bestehen soll ist inzwischen auch geleakt, dass es ein Studienobjekt für den Einsatz von Iso E Super mit 43%, ein Vorläufer von overdosage Düften dieser Chemikalie, die eben die Zedernholznote nochmal betont, ist, ebenso, nur scheint mir dieses 'what else' hier differenzierter komponiert zu sein, als in der Flut von Holzdüften die seit Féminité du Bois, und vor allem ab 2000 erschienen sind.
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