Rogaux

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Rezensionen
1 - 5 von 38
Un homme entre deux âges
90 Minuten vor Abfahrt unseres Zuges aus Paris endlich den Laden gefunden, der dieses kleine französische Label führt.
Darauf gekommen war ich, weil die Suche nach Düften von Serge de Oliveira das Label
French Biscotos ausspuckte.
Blind habe also einen Flakon Un Gars Qui Sent Bon mitgenommen, weil der Name mir die Entscheidung schon abgenommen hatte.
(Getestet habe ich fünf andere)

Serge de Oliveira seines Zeichens verantwortlich für den wunderschönen Purple Mantra hat hier einen Duft kreiert, der ein wenig an seinem Namen krankt.
Denn ja, ein junger Kerl, der seinerseits genug würzige Basis liefert, mag an diesen süßen Hölzern mit synthetischer Dauerschleife Gefallen finden.
Auch die Tatsache, dass man guten Gewissens alle 3-4 Stunden mit 5-15 Sprühern nachlegen kann, passt zu diesem Bild.
Ich aber muss mich damit abfinden, dass ich wohl kein Gars mehr bin…

Ich werde eine intensiv kurzweilige Paris-Reise mit Un Gars Qui Sent Bon verbinden, jedoch kann mir dieser Duft nur als Layer für frische Klassiker à la Bois du Portugal oder Givenchy Gentleman Eau de Toilette dienen oder auch diverse Weihrauchdüfte verstärken. Hier kommen die zitrisch-harzigen Akkorde, die Un Gars Qui Sent Bon kurz zeigt, zur Geltung, werden aufgegriffen und vervollständigt. Auf meiner Haut bleibt davon leider nicht viel. Auf Kleidungsstücken bleiben Zitrik und Harze länger.

Was bleibt:
Hier riecht es manchmal gut, aber bleibt schwer zu definieren und wenig konturiert.
Die extrem stechende Synthetiknote bleibt leider zuletzt übrig und führt zu weiterer Abwertung. Ob das dann Kaschmir oder Leder sein soll, muss wohl jede:r selbst entscheiden. Erinnert mich dann iwie an Club de Nuit Private Key to My Success … nun gut, so fies ist er dann doch nicht, ich bin wohl ein klein wenig enttäuscht.

Andere Düfte des kleinen Labels sind im übrigen interessanter und auch besser gemacht.
Texte folgen beizeiten.

Edit: Jetzt weiß ich, woran er mich erinnert!
Boss in Motion Eau de Toilette in noch synthetischer. Ich muss wohl leider noch einen Punkt abwerten.
10 Antworten
23 Jahre sind eine lange Zeit
Seit „Memoryhouse“ begleitet mich Max Richter (Europe After the Rain!, Embers!).
begleitet er wahrscheinlich jeden interessierten Musiker mit seiner Blaupause soundtrackhafter Neo-Klassik.
„On the Nature of Daylight“ von „The Blue Notebook“
war für Jahre der stilbrechende, finale Track meiner diletantischen DJ-Sets.
Sein „Waltz with Bashir“ rührte mich zu Tränen.
Seit „Spring 1“ glaube ich, Vivaldi zu verstehen.
Zu „Sleep“ habe ich wieder zu schlafen gelernt.
23 Jahre sind eine lange Zeit,
immer wieder dieser Moment der Erkenntnis, „Das ist doch Max Richter!“.

Vielleicht kann metallisch anmutender Wacholder mit Kreuzkümmel an Studiotonband erinnern.
Vielleicht spiegelt das würzige Piment einen staubigen Transistor wieder.
Vielleicht ist das Zedern-Crescendo der Basis nötig um die emotionale Tiefe Richters Piano ansatzweise einfangen zu können.
Vielleicht ist es CdG wirklich gelungen ein neo-klassisches Parfüm für einen neo-klassischen Künstler zu kreieren.
Meinen Geschmack trifft Max Richter 01 damit leider nur teilweise.
Vielleicht ist diese emotionale Bürde auch einfach zu viel für ein Parfüm.
19 Antworten
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben nicht immer
Zwei „Vintage“ Versionen Jacomo de Jacomo (1980) Eau de Toilette nenne ich inzwischen mein Eigen.
Lange habe ich an den beiden herumgetestet, doch es ist wirklich so, als hätte ich zwei komplett verschiedene Düfte in der Nase.

Exibit A: Blaue Schrift. Batchnummer lässt daher auf 1980 schließen.

Exibit B: Weiße Schrift und Zippoverschluss. Batchnummer sagt 1998.

Jacomo 1980 kommt samtweich, warm, leicht seifig an.
Galbanum und Lavendel spielen lange die Hauptrolle, ehe ein fast blumiges Herz in erdigen Moosen zur Ruhe kommt.

Es wirkt als sei dieser Duft zu spät gekommen.
Eine Reminiszenz an den gut gekleideten Gentleman, der 1960/70er - Gelassen, kultiviert, intellektuell, künstlerisch, minimal dandy- den es so wahrscheinlich nie gegeben hat.

Die neue, körperliche (Hyper-)Maskulinität, mit ihren Versatzstücken aus Palm Beach Bodybuilding, Homosexueller Bewegung und Objektivierung maskuliner Körper, ist hier noch Zukunftsmusik.
Sämtliche Stereotype der 80er versagen hier.

Anders Exibit B:

Jacomo 1998 startet bereits als die viel zitierte Rauchbombe.
Challenger explodiert.
Kümmel schwitzt, Gewürznelke röhrt wie Tina Turner.
Hyperseifig, eiskalt vermoost.
Zu viel, zu laut, zu gewollt.
Rambo III, Rocky IV.
Frisch, sportlich, synthetisch - Maximal Yuppie
Duft gewordene Schulterpolster.

Auch hier wirkt es, als sei der Duft zu spät gekommen, als wolle er ein verklärendes Loblied anstimmen, an eine glorreiche Zeit gelebter (Hyper-)Maskulinität, die es so wahrscheinlich auch nie gegeben hat.
Das Verwischen von Geschlechterrollen,
die Verkindlichung männlicher Schönheitsideale der 90er sind hier noch Zukunftsmusik.
Sämtliche Stereotype der 80er greifen hier.

Mir scheint als wurde Jacomo de Jacomo (1980) Eau de Toilette 1980 an einer Schnittstelle kultureller und gesellschaftlicher Veränderung veröffentlicht, ohne darauf Bezug nehmen zu wollen. Keine Avantgardistische Offenbarung, sondern ein Ausdruck klassischer Parfumkultur.

Jacomo 1998 wirkt seltsam aus der Zeit gefallen: Bereits vor einem Viertel Jahrhundert ein Old Man Yelling at Clouds, der den Zeitgeist verschlafen hat, während die Welt sich auf das neue Millennium vorbereitet.

Und genau auf diesem Grund ziehe die 1980er Version der 1998er Version vor.
Die aktuelle Version stellen beide in den Schatten, jeder auf seine Art.
20 Antworten
Innere Monologe zu einem Mimikry
Eine Probe.
Ein Duft, der den Namen Vert Fougère trägt
und vom britischen Spießer-Label Floris released wird…
„Sowas kommt mir nicht ins Haus!“, brüllt mein 22jähriges Studenten-Ich.
„Warum hast Du Dir eigentlich eine Probe besorgt?“
- „Keine Ahnung.“, antworte ich,
„War doch ein netter Tausch.
Sei doch nicht immer gleich so aufbrausend! Wo wären wir denn, wenn alles immer nach Deinen engstirnigen Kinder-Vorstellungen gelaufen wäre?“
Betretenes Schweigen.
-„Na also!
Mach dich locker! Ich schau nach. Da.
Die Pyramide war interessant.“

Nun denn:
Aufgesprüht und geschmunzelt.
(In diesen Momenten schweigen dann übrigens alle. Was Parfums auch so angenehm macht)

Süßes Harz, leichter Rauch und Ingwerfrische
tummeln sich, zunächst begleitet von
Bergamotte,
auf einer Vetiver-Basis, die anscheinend keine sein darf.
Lavendel sticht glücklicherweise Neroli aus.
Wer hier an Seife denkt, hatte eine schöne Kindheit, denn wirklich seifig wird es nicht; kommt doch eine leicht holzige Note frischer Wäsche zum tragen.
Hautnah kehrt der Rauch zurück, jetzt in Begleitung von Patchouli und wirkt auf mich leicht ledrig.

Was soll ich sagen?
Floris - seit meiner Erfahrungen mit Elite Eau de Toilette für mich der Inbegriff reaktionärer Schusseligkeit, hat hier einen Duft rausgehauen, der weder grün noch Fougère ist und damit für mich überraschend vieles richtig macht.

Besserwisserisch beäuge ich mein 22jähriges Studenten-Ich:
„Na? Was lernen wir also daraus?“
Schweigen
„Was sag ich Dir seit einem Vierteljahrhundert?“
- „…Offenheit wird belohnt“
- „Und wie oft hab ich Dir das schon gesagt?“
- „Am Namen und Design müsste aber echt noch jemand nachbessern.“
- „Lenk nicht ab. In hundert Jahren hättest Du den im Laden nicht getestet.“
-„Du doch auch nicht!“

Stimmt wohl.
Und genau für solche Entdeckungen gibt es dieses wunderbare Netzwerk.
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Versuch einer Entschuldigung
Lieber Jules,

Ich gebe es zu,
Ich kenne Dein literarisches Werk nur aus zweiter Hand.
Die Kinder von Doc Brown in „Zurück in die Zukunft III“.
Alan Moores „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“.
„Die Reise zum Mond“ als Stummfilm.
Das Musikvideo der Smashing Pumpkins.
Die SteamPunk Welten von „Arcane“.
Kulturelle Meme. Nicht mehr.
Niemals das Original.

Auch „Dein“ Duft 1828 fristet bei mir seit fast zwei Jahren ein Außenseiterdasein.
Im Herbst? zu pudrig.
Im Winter? zu frisch.
Im Frühling? zu viel Muskat.
Er war schon auf die Flakons2go-Liste gewandert.
Heute, im Sommer, ein letzter Test
Im Sommer? Im Sommer!
Hatte ich es vergessen? Habe ich ich es noch nicht gewusst?
Im Sommer mutiert 1828 zum außergewöhnlichen Gentleman.
Haucht mir zum Feierabend bei 38 Grad neues Leben ein.
Eukalyptus- oft ein olfaktorischer Endgegner- steht jetzt im perfekten Gleichgewicht zu einer Zitrik, die keinerlei Putzmittelassoziationen zulässt.
Leichter Pfeffer gibt dem Muskat seine Existenzberechtigung.

Doch so richtig überrascht die Basis.
Trockenster Nadelwald atmet jetzt in schwül-warmer Luft.
Ist da etwa Weihrauch?
Pyramiden-Check. Tatsache.
Da ist tatsächlich eine feine Weihrauchnote unter dem waldigen Gestrüpp.
Wie schön ist das denn?
Ich bin geläutert.

Lieber Jules,
es tut mir leid.
Ich mache es wieder gut.
Ich habe entdeckt, dass Dein Werk gemeinfrei im Netz zu finden ist.
Diesen Sommer lese ich Deine Bücher und trage Deinen Duft.
Versprochen.
17 Antworten
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