SlyFox1985

SlyFox1985

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6 - 10 von 26
SlyFox1985 vor 8 Jahren
7.5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
5
Duft
Wenn Blutmond sich zum Sporte wagt, ihm allzu leicht die Pust' versagt...
...zumal er absolut nicht für sportliche Aktivitäten geschaffen scheint. Das war eigentlich noch mit der Grund, warum ich beim ersten Aufsprühen dieses Duftes große Augen gemacht habe. Nicht, weil er mich so begeistert hat, sondern daher, weil er so absolut nicht sportlich ist. Aber was ist er dann?

Ich muss dazu sagen, dass ich ziemlich vorurteilsfrei an diesen Duft herangehe, es ist nämlich mein erster aus dieser Reihe, den ich in die Nase bekomme. Ich kenne bisher sonst keinen einzigen Prada-Duft. Das hat den Vorteil, dass ich weniger von Vorurteilen geprägt bin, andererseits gibt es damit für mich natürlich auch keine Einordnung innerhalb der Serie. Wird es auch erst mal nicht geben, denn er hinterlässt mich einerseits etwas ratlos, anderseits frei von jeglicher Neugier auf mehr von Prada. Und das, obwohl ich der Marke gegenüber völlig wertfrei eingestellt bin.
Kurzer Einschub, mein Duftuniversum wächst zwar stetig, aber ist nach wie vor im Vergleich zu dem mancher Fachleute hier noch stark ausbaufähig. Innerhalb dieses etwas kleineren Duftuniversums nach Vergleichsmöglichkeiten zu suchen führt sicher manchmal dazu, dass diese weniger treffsicher ausfallen. Trotzdem erinnert mich dieser Duft auch nach mehrmaligen Korrekturriechen immer noch stark an das neue (!) No.1 von Aigner. In dem Fall leider kein übermäßiges Kompliment, da dieser Duft meine Sammlung irgendwann als zu blaß und belanglos verlassen musste. Damit zum Duft.

Prada Luna Rossa startet bei mir herbseifig, ganz kurz auch süßlich (er wird hier sehr oft als süß beschrieben, meine Hautchemie erlaubt anscheinend keine langfristige Entfaltung solcher Süße). Stattdessen mischt sich sehr schnell eine Art von bitterer Holzigkeit in den Notenreigen. Das passt aber denke ich mehr oder weniger zur Duftpyramide, zudem entfaltet der Ingwer bei No.1 eine ganz ähnliche Note. Ich weiß (noch) nicht, wie Wacholderbeeren riechen, kann mir aber gut vorstellen, dass die in eine ähnliche Richtung rennen. Grundsätzlich nichts Schlechtes, ich mag Hölzer, aber eben auch nichts was mich vom Hocker reißt. Das tut im Übrigen der Moschus auch nicht, der zwar immerhin gut wahrnehmbar ist, aber dem ebenso schnell wieder die Puste ausgeht. Sport?

Hier fehlt die Kraft, die Prägnanz, das Besondere. Mit viel Phantasie kann ich eine Heunote übrigens sogar noch eher erahnen als die hier oft beschriebene Süße, die sich bei mir auch im dritten Test nicht einstellen will. Ich habe sogar nochmals kontrolliert, ja, das Pröbchen ist neu und definitiv mit Luna Rossa Sport beschriftet. Kein Irrtum. Ich habe dann auf Papier gegengetestet, ja, hier ist die herbsüße Seifigkeit der Kopfnote noch stärker vertreten als auf der Haut und ich rieche auch einen Hauch Vanille und eine dezente Pudrigkeit. Die halten sich da auch. Immerhin. Mehr aber nicht.

Im Verlauf verändert sich dann auch nicht mehr sehr viel. Die holzig-seifigen Noten bleiben etwa 2-3 Stunden erhalten, bis sich der (eh schon nicht sonderlich sillagestarke) Duft auf Hautnähe zurückzieht und nach 4 Stunden schließlich ganz verschwunden ist. Was bleibt?

Nicht viel. Bei mir. Der Flakon alleine betrachtet mag noch ganz ansprechend sein, aber hier habe ich mich ernsthaft gefragt, ob man nicht den Inhalt verwechselt hat. Sportlich ist der nämlich trotz Seifigkeit nicht. Aber abgesehen von diesem irreführenden Konzept, was soll, oder möchte dieser Duft mir sagen? Wo ist seine Aussage, das, was es mir wert ist, ihn zu tragen?

Ich habe ihn oft gefragt, versucht, es aus ihm herauszukitzeln - vergeblich. Er erschließt sich mir nicht. Ich verstehe nicht einmal das mit der Anordnung der Komponenten verfolgte Konzept. LRS bleibt bei mir blaß, beliebig, austauschbar. Etwas Holz, etwas Bitterseife, etwas Süße, alles nebeneinander, nichts davon besonders prägnant, ein Herrenduft wie viele andere. Für mich. Selbst Boss Bottled, ja, steinigt mich, selbst der hatte eine Aussage! Auch kein Meisterwerk vor dem Parfumgott, aber da war Raum für Phantasie! Im Übrigen finde ich selbst Aigner No.1 aufgrund des dort stimmigen Konzepts holziger Süße als Gesamtpaket noch empfehlenswerter.

Die positiven Seiten? Man riecht gut damit. Tragbar ist der definitiv, noch nicht mal wirklich schlecht, aber für mich persönlich weit entfernt vom Kaufkandidaten.
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SlyFox1985 vor 8 Jahren 8 6
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
8
Duft
Frecher, herr-licher, leicht angeschärfter Gewürzqualm mit langem Atem für (fast) jede Jahreszeit
Mit 2Man durfte nun neben M Generation und Memoir Man bereits der dritte Duft in meine Sammlung wandern, der Weihrauch als ein zentrales Thema behandelt. Ich habe die drei zwecks besserer Vergleichbarkeit und Hilfe bei der Einordnung nochmal nebeneinander gestellt, und fand dabei sehr interessant, wie sehr man das Thema Weihrauch variieren kann. Das gibt auch einen schönen Rahmen für einen Kommentar finde ich; jeder der drei Düfte ist für sich völlig eigenständig, dennoch gibt es Gemeinsamkeiten. Beispielsweise ist 2Man neben M Generation wesentlich weniger verqualmt und auch weniger süßlich, allerdings ähnlich hell und freundlich gestaltet. Memoir ist gerade im Auftakt viel dunkler, grünkrautiger, knarziger. Mit Memoir hat 2Man allerdings eine entscheidende Eigenschaft gemeinsam: beide haben mich im ersten Riecher absolut nicht überzeugt, im zweiten dafür umso mehr. Damit zum Duft.

Er startet bei mir recht kernig-scharf, Weihrauch ist von Anfang an präsent, angesäuert vermutlich durch die hier genannte Kumquat, im Nachhinein verdammt interessant. Und noch was. Dieses "Noch was" bestimmte den ersten Riecher, Freunde, ja was ist das denn? Neeeeeee! Da ist eine komische Note, die mich stört. Ich glaube mittlerweile, das war der Safran, an den sich meine Nase erst gewöhnen musste. Bei solchen Düften bimmelt mittlerweile immer direkt das kleine rote Glöckchen in meinem Kopf, das mir sagt: Alarm, du läufst Gefahr, einen tollen Duft über Bord zu werfen. Daher wasche ich mir grundsätzlich keinen Duft mehr direkt von der Haut, der mir beim ersten Riecher nicht gefällt. Die Kernseifenarmee wartet vergebens auf den Feuerbefehl. In dem Fall wartet sie übrigens immer noch...

Neben 2Man habe ich gestern auch noch Oud Save The King von Atkinson's getestet. Nebenbei gesagt, ein Monument von einem Duft, aber nebenher kam halt immer wieder der Riecher zur männlichen Zwei. Und irgendwann, nach etwa 30 Minuten Verweildauer, kam dann das BÄMM. Jap. Der ist toll, der passt. Ich oute mich mal nebenher als Pfefferfan, und ich komme hier voll auf meine Kosten. Mit dem (vermutlichen) Safran habe ich mich übrigens auch angefreundet, vielleicht liegt es daran, dass er so gut mit dieser köstlichen Pfeffernote und der leichten Holzigkeit harmoniert. Er spendet hellbraune bis gelbliche Töne, die den Duft zwar eher unsüß, aber dennoch hell und freundlich auftreten lassen. Zudem hat der säuerlich-zitrische Ton der Kumquat überstürzt die Flucht ergriffen, was ich nur bedingt bedauere. Eine tolle, würzig-rauchig-markante, stark ins Maskuline driftende und anfangs gut durchsetzungsfähige, aber nicht überbordende Weihrauchkomposition. Vergleichspunkte für meine halberfahrene Nase: M Generation tritt gerade durch den Zimt wesentlich süßer auf und wird dadurch mehr in die kühleren Jahreszeiten gedrückt. Außerdem ist er viel verqualmter und kratziger, dies aber auf harmonisch-edle Art. Memoir wiederum schlägt in die düster-holzige Kerbe, viel kühler als der Testkandidat, ist aber gerade im weiteren Verlauf auch etwas süßlicher, ich vermute dank der Rose.

Apropos Verlauf: auch 2Man wird auf meiner Haut mit der Zeit etwas braver, aber nie zum Lämmchen. Er wird etwas weicher, runder, aber nicht zu süß. Leder rieche ich übrigens nicht. Vielmehr bleibt die schöne, pfeffrig-rauchige Note bis zum Ende des etwa 5-6-stündigen Geruchsvergnügens erhalten. Ein ziemlich linearer Verlauf ohne große Überraschungen, aber ich denke das will dieser Duft auch gar nicht.

Die Sillage sortiere ich ins obere Mittelfeld ein, er ist durchaus wahrnehmbar, aber nicht raumgreifend. Angenehm! Haltbarkeit ebenso leicht höher als der Durchschnitt, wobei er das letzte Drittel seines Daseins bei mir als Hautduft gefristet hat. Der Flakon ist interessant, unpraktisch, aber sehenswert (und mittlerweile ja auch hinlänglich bekannt).

Fazit: ein kerniger Bursche ist er, der 2Man, aber nicht ohne Manieren. Pfeffer und Safran werden durch den übrigens abolut unsakralen (ich stime der Vorrednerin zu) Weihrauch daran gehindert, über die Stränge zu schlagen oder zu sehr auf die Gewürzpauke zu hauen. Er erhält dadurch einen feinen Touch und wird breit einsetzbar; auf der anderen Seite verbieten die würzigen Noten dem Weihrauch, das ganz dicke schwarze Qualmcape anzulegen und verhindern ein Abdriften in Melancholie. Sie steuern warme, knackige Noten bei, machen 2Man aber auch zu einem direkten Vertreter, der schnell klar macht, wohin die Reise geht. Freundlich, aber eine ziemlich ehrliche Haut. Kein allzu nachdenklicher Duft, wie etwa Memoir. Für Fans einer klaren olfaktorischen Aussage, die das Gegenüber aber nicht gleich umhauen möchten. Fast zu jeder Jahreszeit verwendbar, lediglich an den heißesten Tagen des Jahres könnte er etwas zu opulent daher kommen in seiner Würzigkeit. Ist recht schnell in die Sammlung gewandert und wird mit den folgenden Riechern eher noch immer besser. Mittlerweile mag ich sogar das "kumquat'sche Eröffnungshämmerchen". Testempfehlung für Weihrauch-Fans.
6 Antworten
SlyFox1985 vor 8 Jahren 2
7.5
Flakon
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
5
Duft
Maoam kauend auf dem Sitz von Opas Traktor in der alten Garage - der Sprit fürs Leben?
Auf diesen Duft kam ich, weil er mir auf EBay zum Tausch gegen einen anderen angeboten wurde, den ich dort verkaufen wollte. Okay, man ist ja immer interessiert an neuen Düften. Den Flakon fand ich hübsch und die hier aufgeführten Duftnoten zunächst auch ansprechend, aber 61% Durchschnitt? Meine Erwartungen haben sich doch etwas nach unten eingependelt...denn sehr sehr oft gehe ich mit dem Wertungsdurchschnitt von Düften auf Parfumo zumindest einigermaßen d'accord. Also eben auf dem Weg zum Boxen beim Douglas reingehuscht und eine Brise aufgetragen.

Das Flaschengeist-Phänomen ist wieder da. Ich glaube, ich nenne das jetzt jedes Mal so, wenn mir direkt nach dem Auftragen eines Parfums der beißende Alkohol die Schleimhäute weghämmert. Wie ein wütender Geist aus der Flasche. Oder so. Schön find ich das jetzt nicht. Es ist immer ein kurzes Entfernen des werten Riechorgans vom betroffenen Handgelenk vonnöten, bis ich mich wieder langsam annähern kann, um vielleicht einige Duftnötchen zu erschnuppern. In diesem Fall: und wie.
Nachdem der Geist sich beruhigt und zurückgezogen hat, fliegen mir nicht weniger aggressiv süße Himbeerkaubonbons um die Ohren (oder besser die Nase). Hilfe, soviele will ich doch gar nicht! Und ein paar Hustenbonbons kommen auch. Keine Grapefruit. Man hat es hier tatsächlich geschafft, die süße Note gleichzeitig beißend (mithilfe von Anis) UND schwer zu gestalten, auch das mag ja Ansichtssache sein, aber auch das gefällt mir nicht. Dieser Duft entwickelt absolut kein Volumen, keine Reichhaltigkeit, er bleibt hohl, dünn, spitz und aggressiv, da ist nichts Warmes darin. Heliotrop mag vorhanden sein, ist allerdings für mich nicht prominent wahrnehmbar. Eher im Hintergrund. Vielleicht liegt das daran, dass ich immer noch mit verklebten Kaubonbons kämpfe...

Warten wir ein wenig ab. Nach einer Stunde zieht sich die Süße zwar ein wenig zurück, verliert aber nichts von ihrer künstlichen Schärfe. Stattdessen fühle ich mich nun geradewegs in Opas Garage wieder, auf dem Sitz des alten Traktors, um mich herum riecht es nach altem Sprit. Letzten Endes, das muss ich zugeben, empfinde ich diese "Tankstellen-Note", wie sie hier mitunter genannt wird, noch als den angenehmsten Part des Parfums, aber auch sie reißt ihn nicht wirklich heraus. Auch sie schafft es nicht, dem Duft Volumen, Charakter, Stärke zu verleihen. Am Ende bleibt es bei zwei unterschiedlichen Arten von Schärfe, die mehr oder weniger nebeneinander arragiert worden sind, aber es gibt hier nichts, was die beiden verbindet oder einander näher bringt. Sollte man das mithilfe des Lavendels versucht haben, hat dieser sich in der muffigen, sprittigen Garage schon längst verzweifelt dem Suizid hingegeben. Also müssen wir ohne seine blumige Holzigkeit auskommen, die, wenn gut umgesetzt, sicher einiges hätte retten können...

Die Tankstellen-Note begleitet uns dann aber doch recht lange, und die Sillage ist wohl auch prominenter, als ich es mir bei diesem Duft wünschen würde. Ich denke dass 6-8 Stunden locker drin sein sollten. Aber möchte man das denn auch?
Den Flakon finde ich persönlich übrigens sehr schön und einfallsreich, und er passt hundertprozentig zum Duft. Man bekommt, was man sieht.

Fazit: ich denke, bei diesem Duft hat meine Abneigung doch recht viel damit zu tun, dass mir die Richtung und die Form des Arrangements einfach nicht gefällt. Ich glaube durchaus, dass der seine Anhänger gefunden hat, und wer scharfe Noten in obiger Kombination mag und nichts gegen pappige Kunstsüße hat, kann ruhig einen Blick riskieren. Und das meine ich absolut wertfrei. Allerdings ist er nicht gerade preiswert.
Ich komme hier nicht über 50% hinaus, denn ich empfinde diese schmale, scharfe, minimalistische und synthetische Komposition schlicht als einen klebrig-süßen, kühlen Herrenduft im Durchschnittsbereich. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Tragbar, aber kein Sprit fürs Leben... da ist man bei Fahrenheit besser beraten. Für mich ist der Diesel nichts.
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SlyFox1985 vor 8 Jahren 2 1
7.5
Flakon
2.5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
4
Duft
Streichhölzchen ziehen im Zitronenhain, oder: die Anekdote der fehlenden Note
Häufiger mal was anderes! Diesen Duft habe ich beim neulichen Erwerb meines limitierten schwarzen Mannes von Bvlgari als Dreingabepröbchen erhalten, und da denke ich mir, warum ihm nicht die Chance geben. Möglichst neutral, ich hatte vorher nicht mal auf Parfumo geschaut und wusste daher auch nicht, dass der Vertreter frisch auf den Markt geworfen wurde. Dass er Dark Midnight heißt (was nicht auf der Probe stand), hat mich fasziniert bis überrascht. Aber dazu später mehr. Was haben wir hier?

Einmal aufgesprüht, entfaltet sich eine aggressiv-alkoholische Note wie ein wütender Flaschengeist, und ich bin froh, dass der mir nicht gleich die werte Nase abgebissen hat. Das reflexartige Zurückschrecken erst überwunden, traute ich mich langsam, das empfindlich verletzte Näschen wieder anzunähern, und siehe da, schüchtern zeigen sich die ersten Duftnötchen dieses rauh zusammengeschusterten Mitternachtsgesellen. Den Fenchel habe ich erst bewusst wahrgenommen, nachdem ich die Noten auf Parfumo angeschaut hatte, aber ja, der ist schon irgendwo da, leicht bitter. Und eindeutig zitrische Noten, wobei die Zitronen hier anscheinend noch grün abgeerntet worden sind. Ein wenig kränklich-gelben Patchouli erkenne ich mit Mühe, der lässt aber schon die Blättchen hängen... und vanillige Anleihen, die wohl von der tonkabohnigen Basis herrühren. Zedernholz? Na jaaaaa. Ein wenig Holzigkeit hat er schon, aber eher ein bis zwei Streichhölzer auf drei Pfund grüne Zitronen. Brave, helle Hölzchen, denen es an Kraft und Markanz fehlt... mit denen verhält es sich im übrigen ähnlich wie mit manchem Teilchen in der Kernphysik. Versuche ich, es anzuschauen bzw. seine Position zu definieren, ist es bereits nicht mehr existent. Einen Hauch Zimt nehme ich allerdings noch wahr.
Dieser Duft hat mich in seiner Gesamtheit vor allem im Kopf an l`Homme Sport von YSL erinnert, und hier komme ich auf das gewählte Thema zurück. Mitternacht? Wo haben wir hier Mitternacht? Oder was bedeutet für den Parfumeur Mitternacht? DUNKLE Mitternacht? Wenn Mitternacht heißt, sich im Frühsommer bei wolkigem Wetter in einen Zitronenhain zu begeben, einen nicht ausreichend durchgezogenen Fencheltee zu sich zu nehmen und dabei Streichhölzchen darüber zu ziehen, wer als als erster Ananas, Myrrhe und Kaschmir suchen darf, dann wurde das Thema hervorragend getroffen. Aber mal im Ernst - wer tut das in nüchternem Zustand?

Großartige Sillage hat das Düftchen nicht, eine Entwicklung findet nur in sofern statt, dass die Zitrischkeit mit der Zeit schwindet und einer vanillig-breiig-beliebigen Basis Platz macht, die sich in sicherlich vielen anderen Düften gefunden hat, findet und finden wird. Okay, war da ein ganz dezenter Anklang von Myrrhe in der Basis? Unsicher...übrigens haben wir die Frage der Haltbarkeit auch schon mehr oder weniger beantwortet, nämlich sehr mau. 2-3 Stunden. Der Flakon ist finde ich noch das beste am Gesamtpaket, schick und dezent.

Aus meiner Sicht nur für Hardcore-Hilfiger-Fans einen Kauf wert, dieses Mitternachtsmännchen. Zumal es das nicht mal ist, sondern ein recht beliebiger zitrisch-vanilliger Herrenduft, der selbst mit großem Wohlwollen aus meiner Sicht unterdurchschnittlich bleibt, weder große Entwicklung nimmt, noch mit natürlichen oder gelungenen Einzelnoten überzeugt, noch ein rundes Gesamtbild abgibt - im Kopf zu scharf, in der Basis zu weich, zu allem Überfluss beinahe herzlos, dafür allerdings ziemlich künstlich. Würde ich mir nicht kaufen.
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SlyFox1985 vor 8 Jahren 5 2
7.5
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
8
Duft
Am Strand Chili essen, oder: Aquatik in Bleigrau
Die letzten Tage habe ich mit Hermès verbracht. Ich bin kein so aktiver Tester wie manch wirklich fleißiges Mitglied hier (Respekt davor), sondern teste einfach nach Lust und Laune, weniger nach System, mehr als Hobby, als Bereicherung des Alltags, oft spontan. So begab es sich also, dass ich an einem wunderschönen Montagmorgen (Achtung Oxymoron!) mein schickes Fläschchen Terre d'Hermès zückte, zu dem Duft einen Kommentar verfasste und (wieder einmal, zugegeben) das Bedürfnis bekam, mehr von Hermès, mehr vom Großmeister Ellena im Speziellen, kennenzulernen.
Viel gelesen hatte ich sowieso, Bel Ami fand ich (auch wenn nicht von Ellena) bereits hochinteressant, und dann gab es ja noch die Collection Hermèssence. Hochexklusiv. Ich habe Kommentare zu allen Düften gelesen und insgesamt vier ausmachen können, die mich aufgrund der Duftrichtungen besonders interessieren: Poivre Samarcande, Ambre Narguilé, Cuir d'Ange und eben Épice Marine. Und dann fiel mir plötzlich wieder ein, dass es in Köln ja eigentlich alles gibt, was das Herz begehrt, also sicher auch eine Hermès-Boutique, und ich hatte kein Argument mehr an der Hand, diese Wässerchen NICHT umgehend zu testen. Und voilà, die Boutique ist doch tatsächlich direkt am Dom...

Tag eins startete für mich zunächst mit einem...nein, nicht Schock. Sagen wir mit einer lehrreichen Erfahrung. Gehe niemals mit Dreitagebart und schwarzer Lederjacke in eine Hermès-Boutique, es sei denn, du hast das dringende Bedürfnis, diese als Sieb wieder zu verlassen, weil der Türsteher (dessen Maßanzug sicherlich mindestens eines meiner Monatsgehälter verschlungen hätte) Löcher in deine werte Erscheinung gestarrt hat. Aber nicht nur der. Trotzdem war man bemüht, mir freundlich entgegenzutreten, und am Ende durfte ich mit drei wirklich großzügigen Proben von Poivre, Cuir und Épice den Laden wieder verlassen. Kommen wir zum Wesentlichen, nämlich dem Test von Épice Marine, dem ich insgesamt drei ausgedehnte Versuche gegeben habe.

Meine Motivation, diesen Duft zu testen, war simpel. Ich suchte eine Alternative, um mein gutes altes Cool Water von Davidoff olfaktorisch zu unterstützen. Das schätze ich immer noch, aber ihm wohnt selbstverständlich eine ganze Menge Synthetik inne. Das ist für diesen Duft auch völlig okay, er will und soll nichts anderes, aber ich möchte auch gerne mal eine authentische Meeresbrise auftragen, eine, die edel und wertig riecht. Kein Plastikmeer, sozusagen.
Épice Marine ist für mich, soviel sei gesagt, nicht wirklich ein schöner Duft. Aber das ist keine Abwertung. Meine ersten Eindrücke, die mir in den Sinn kamen, waren: extrem interessant. Ich persönlich mit meiner zumindest langsam wachsenden Erfahrung habe noch nie einen vergleichbaren aquatischen Duft in die Nase bekommen. Er startet bei mir sehr seifig, frisch, nur mäßig zitrisch und auch nicht übermäßig fröhlich. Und dann nehme ich wahr, was viele Kommentatoren zu diversen seiner Düfte angemerkt haben: Monsieur Ellena arbeitet mit Kontrasten, mit der Wechselwirkung von Einzelnoten, die im ersten Eindruck manchmal einen ähnlichen Charme bei mir hinterlassen wie Schokolade mit Chili - nämlich keinen. Meeresbrise mit Kreuzkümmel? Ich stelle mir vor, ich sitze am sonnigen Strand, der Wind weht das salzige Aroma des Meerwassers zu mir herüber und rauscht sanft durch die Palmen. Ein perfekter Tag, und direkt neben mir steht - ein großer Topf Chili con Carne. Nein, nein, nein. Nein?

Doch! Und hier wird es verrückt, denn Monsieur Ellena bringt mich in seiner klaren, puristischen Überzeugungsarbeit ohne Mühe dazu, das Chili tatsächlich zu essen. Am Strand. Mit anderen Worten, um auf den Beginn zurückzukommen, dieser Duft ist für mich nicht im direkten Sinne schön, aber so interessant, dass er schon wieder sympathisch wird. Meeresbrise und Kreuzkümmel sind hier also so raffiniert gegenübergestellt, dass der Duft kräftig Punkte bei mir sammelt. Allerdings ergibt sich aus dieser außergewöhnlichen Kombination in Verbindung mit der sehr eingebremsten Zitrischkeit des Duftes auch noch eine andere Konsequenz, die vielleicht auch erklärt, warum ich sie nicht verteufele...

...Szenenwechsel. Ich sitze jetzt nicht mehr mit Chili con Carne am tropischen Strand, sondern befinde mich plötzlich an der Nordsee - in einem schönen Lokal, direkt am Strand, mit Blick auf die Wellen, die vom Wind gepeitscht werden, der Himmel nicht mehr strahlend blau, sondern bleigrau. Nur ab und zu zeigt sich die Sonne durch eine Wolkenlücke. Und siehe da, es passt! Vielleicht ein Erklärungsansatz dafür, wie der Meister es hier geschafft hat, Gegensätzliches zu vereinen. Er hat den Duft leicht angedunkelt und Meeresakzente gerade soweit an die würzigen Anleihen angenähert, dass ein stimmiges Gesamtbild entsteht. So meine Wahrnehmung. Es gab übrigens bei mir leider keinen Whiskey respektive süßer Zimtspeise zum Nachtisch. Beide waren nicht auf der Karte meines Lokals.

Haltbarkeit und Sillage, ja, die sind so lala wie man lapidar sagt. Für einen aquatischen Duft finde ich das aber in Ordnung. Der Kreuzkümmel zieht sich am schnellsten zurück, Mahlzeit beendet, ich darf aber anschließend noch für ca. 3-4 Stunden den Ausblick auf die brausenden Wellen genießen. Und das hab ich gerne getan. Den Flakon finde ich der Exklusivität der Serie angemessen, schlicht und edel, vor allem durch die Lederkappe.

Fazit: Jean-Claude Ellena hat meiner Meinung nach den Einsatzbereich des Aquatischen hier etwas verbreitert. Natürlich ist der schön und primär für die warme Jahreszeit, ich finde allerdings dass er auch noch gut in die ersten Herbsttage passt, und manch grauer und windiger Tag lässt sich wunderschön begleiten. Ein besonderer Vertreter, interessant durch sein Anders-sein. Ich hab ihn gerne getestet - ob er Einzug in meine Sammlung findet ist aber noch unklar. Ich denke, wenn ich zum Viererpack der Hermessenzen greifen sollte, hat er gute Chancen auf sein Plätzchen. Bitte, liebe Aquatik-Fans, gebt ihm eine Chance. Ihr werdet um schöne neue Erfahrungen reicher gemacht!

Die Bewertung fand ich abschließend dann doch schwierig, pendelte zwischen 70% und 80%. Ich habe mich für die höhere Wertung entschieden, da dieser Duft so besonders ist, so heraussticht und ganz klar die Handschrift eines tollen Parfumeurs trägt, der sein Handwerk meisterhaft versteht.
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