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vor 2 Jahren - 24.07.2022
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Ist das wirklich Rauch? Oder: Was ich noch sagen wollte

Schon in Kreisen meiner anderen, wenn auch mittlerweile weniger Zeit einnehmenden Leidenschaft, dem Whisky, kommt es immer wieder zu Reibereien, was Rauch und Rauchigkeit angeht. Da gibt es nahezu Kämpfe um die Menge Torfrauch in der gemälzten Gerste vorm Brennen. Da gibt es Prahlereien darum, welche Flasche mehr ppm (Parts per million) an Rauch in sich trägt. Beziehungsweise theoretisch in sich trägt, denn wie viel in der flüssigen Version des Produktes am Ende noch zu finden ist, das ist quasi nicht in Zahlen auszudrücken.

Und dann wollen mir unter Anderem Werbetexte ernsthaft sagen, dass ein Johnnie Walker Red Label ganz sanft rauchig ist. Ja, weil ja Caol Ila mit im Blend steckt. Ja ne, is klar. So rauchig der Caol Ila alleine auch ist, im Blend stecken über 50 verschiedene Destillate und nur im (niedrigen?) einstelligen Bereich findet sich dieser darin wieder.

Aber gut, wer Whisky liebt, trinkt ohnehin eher keine solchen Blends.

Jedoch aber - und hier gibt es einen Unterschied zur Parfumwelt - gibt es verschiedene Ansätze in der Whiskywelt, die Aromen zu definieren. Whic hat hier beispielsweise ein sogenanntes Tasting Wheel, bei dem der Torfeinfluss beispielsweise in ‚verbrannt‘, ‚rauchig‘ und ‚medizinisch‘ auffächert. Und genau wie ich hier Einordnungsmöglichkeiten für metallische Noten vermisse, fehlen mir auch massiv die Differenzierungen für rauchige Dufteindrücke.

Rauch hat ein Problem

Denn selbst wenn der Auftakt eines Duftes mit rauchigem Charakter daherkommt und man den Duft entsprechend so einordnet, ist es doch eher der Regelfall, dass der Duftverlauf ganz ohne Rauch auskommt. Weil die meisten Nutzer:innen aber einen rauchigen Auftakt erlebt haben, ist der Duft nun als rauchig eingeordnet.

Und auch beim Whisky ist es so, dass das Empfinden von Rauch schnell nachlässt. Ich erlebe oft, wie die Adaption gerade bei rauchigen Noten bei mir sehr schnell stattfindet. Rauch verfliegt (zumindest für mich) recht schnell oder ist zumindest oft eher kurzlebig. So empfinde ich beispielsweise Lushs aktuell neuesten Duft 4:20PM4:20PM für kurze Zeit sehr rauchig, nur um nach spätestens einer Viertelstunde nur noch würziges Sandelholz zu erleben.

Ähnlich ist es beim XXX CharcoalXXX Charcoal, der kurz und nur ganz unterschwellig rauchige Noten von sich gibt, nur um recht schnell zu würzig und leicht orientalisch zu wechseln. Und auch der wohl bekannteste als rauchig eingestufte Duft hier - nämlich Replica - By the FireplaceReplica - By the Fireplace - ist so kurz nur rauchig, dass meine Kollegin rund eine Stunde nach Aufsprühen nur noch meinte, seit wann ich so süße Düfte nutze. Tatsächlich hatte ich vor einiger Zeit eine Unterhaltung hier, in der ich gefragt wurde, ob mir der Duft nicht zu süss ist.

Weil es viele gar nicht gewohnt sind…

Wie ja bereits aus meinem letzten Blog dieser Art herausgeht, sehe ich die grosse Schwierigkeit darin, dass die Masse der Konsument:innen gar nichts anderes kennt, als zitrische Duschgeldüfte, süße Bomben, (synthetische) Blumensträuße und vielleicht ganz selten noch ein bisschen abstrakte Duftkunst von Tom Ford oder auch in den letzten Jahren wachsend Louis Vuitton. Und insbesondere letztere werden dann oft krass überinterpretiert und zu wohlwollend eingestuft, weil sie es von Douglas, Müller und Co nicht gewohnt sind, dass ein Parfum tatsächlich was kann, ausser nach frisch geduscht oder gewaschen duften, vielleicht noch Anleihen von Holz oder Frucht mitbringend.

Ich möchte mich nicht lossagen, dass ich dort nicht auch kaufe oder bestelle. Aber wenn ich ehrlich sein darf, den größten Teil des Angebots könnte man auch gleich unproduziert lassen. Wenn du, liebe:r Leser:in das anders empfindest, ist meine Sammlung, mein Empfinden, dieser Blog nichts für dich.

Wenn das nicht gewesen wäre und wie es weitergeht

Als ich Jahre nach meiner Zeit bei LUSH die Zeit nutzte und während halb Deutschland vor der Glotze Millionären beim Ballspielen zuschaute, in die Mainzer Innenstadt tigerte und dort in eine Douglas-Filiale lief, merkte nicht nur ich schnell, dass die Gründe, weshalb ich das zuvor sehr mied, sehr gute waren.

Und bis heute finde ich es immer noch unverständlich, wieso alle Bestseller-Düfte so… (langweilig, schlecht, grausig, ähnlich, billig, synthetisch, wie eine Mischung aus Umkleidekabine und Duschgel, nur Duschgel, Badreiniger, …) sind.

Auf jeden Fall hing ich am Ende bei Tom Ford, die Verkäuferin versuchte sich zu entschuldigen und den Preis zu rechtfertigen und so kam ich damals zu Tom Ford und auch wenn mich mit der Zeit nur Oud Wood (Eau de Parfum)Oud Wood Eau de Parfum wirklich überzeugen konnte… lassen wir das an dieser Stelle.

Nach dem neuen Ébène FuméÉbène Fumé bin ich auf jeden Fall von der Marke enttäuscht. Nicht weil die Kompositionen per se schlecht sind, sondern weil die Versprechen der Werbetexte und Duftnoten sich für mich nicht erfüllen.

Aber was möchte ich damit ausdrücken?

Vor einiger Zeit führte ich mit meinem guten Freund und ebenfalls Parfumo die Unterhaltung, dass er Parfum echt hasste - wie ich auch - bis er durch mich erleben durfte, dass da auch was anderes ist, als oben genannte generische Suppe.

Und hier gibt es zwei Möglichkeiten, wie die Geschichte weitergeht. Die eine ist, dass Tom Ford mich überhaupt tiefer in die Materie der Parfumkunst brachte, die andere ist, dass eine Douglas-Mitarbeiterin auf meiner Nachfrage nach schweren, holzigen, intensiven Düften mit ihrer Empfehlung, ich sollte doch zu Hussong (in Mainz) gehen, mich in eine Richtung lenkte, die ich vorher nicht kannte.

Zum Rauch

Kommen wir aber zum Rauch. Zu der Duftkategorie, die ich so falsch eingeschätzt und vor allem empfunden fühle, dass ich mir nicht nur regelmässig vorgeführt vorkomme, sondern auch regelrecht getäuscht. Und hier kommen wir auch zur Überschrift um das ‚es ist nicht alles Rauch‘.

Fangen wir doch mal mit His Majesty The OudHis Majesty The Oud an. Es handelt sich hier nicht um eine schlechte Komposition oder eine, die mir nicht gefiele. Nichtsdestotrotz möchte ich den aktuell 37 Stimmen für rauchig widersprechen. Was hat euch dazu bewegt, diesen Duft als rauchig zu empfinden und einzustufen? Für mich ist es, als würde ich auf ein grünes Blatt schauen und jemand behauptet, es sei rot. Selbiges gilt für die Einstufung der Jahreszeiten. Ich finde ihn sowohl an heissen Sommertagen, wie auch im tiefsten Winter durchaus tragbar.

Ja, diese Komposition ist schwer, hart, intensiv, würzig. Aber Rauch… gibt’s nicht.

Weder auf dem Papier, noch auf der Haut, noch nach vielen Stunden.

Also ein schönes Beispiel, bei dem ich ‚Rauch gar nicht vorhanden‘ sage.

Oben ist ja bereits XXX CharcoalXXX Charcoal erwähnt, der zwar kurz rauchige Noten mit sich bringt, es aber ganz schnell nicht mehr ist. Also für mich eine Fehleinschätzung des nicht ausreichend detaillierten Systems der Einstufung, möchte ich behaupten.

Hier stellt sich für mich dann die Frage: wie hilfreich ist dieses System, wenn es nur einen Bruchteil des Duftverlaufs abbildet. Insbesondere, wenn dann noch Fehleinschätzungen hinzukommen.

Ich möchte noch mal ganz klar auf eine Unterscheidung zwischen holzig, würzig und rauchig bitten, da diese für die Ferneinschätzung eines Duftes entscheidend sein kann. Ein weiteres Negativbeispiel ist Interlude Black IrisInterlude Black Iris, der angeblich rauchig-würzig sein soll, es aber - und hier sind wir meines Erachtens dann bei den Konsument:innen, die es nicht anders kennen - beim besten Willen nicht ist, sondern vor allem klebrig süss und fruchtig, wenngleich mit holzigen Noten, die aber keins der beiden dominanten Attribute rechtfertigen.

Leute, man kann doch einen Duft nicht als rauchig einstufen, nur weil man mal für paar Minuten verkokeltes Streichholz oder etwas anderes, als süss oder holzig empfindet, oder so viele andere das auch schon so empfunden haben und es deswegen ja so sein muss.

Das ärgert mich insbesondere deswegen, weil ich durchaus schon mehrfach eine ganz andere Vorstellung anhand der Einschätzungen hatte, als am Ende wirklich in meine Nase strömte. Und natürlich könnte man jetzt einwerfen, ich könnte ja immer auf Proben zurückgreifen, eh ich mir einen Flakon besorge. Aber selbst da bin ich dann hart enttäuscht, weil da was kommt, das ich so gar nicht erwartet hab. Und ob ich mich nicht am Ende doch gern auf die Einschätzungen verlassen können möchte, bleibt davon unberührt.

Und klar, ich hätte aus meiner Erfahrung mit Atkinsons zum Beispiel eigentlich erwarten müssen, dass da nichts rauchiges bei mir auftaucht. Der Allgemeinheit anvertraut und eine Überraschung bekommen. Aber ich habe mich auf die Allgemeinheit verlassen…

Klar kann ich meinen Wust an Abfüllungen und Proben noch ausweiten. Aber am Ende des Tages - sind wir da nicht alle irgendwie so? - mag ich aber gerne den Flakon in der Hand haben und sehen und sowieso hat der den besseren Sprühkopf. Behaupte ich jetzt mal.

Und Leute, die gern blumige Düfte mögen: ihr wollt doch auch eine blumige Komposition, wenn es da steht, nicht nur für fünf Minuten und danach etwas ganz anderes. Wieso ist es bei Rauch so anders?

Die Vielschichtigkeit von Rauch

Ich finde hier zeigt sich einer großen Schwierigkeiten der aktuellen Form der Einordnung. Denn neben der fehlenden Differenzierung der einzelnen Phasen eines Duftes, fehlt mir auch die mir aus dem Whisky bekannte, differenziertere Einordnung einer Duftnoten. Bei einem rauchigen Empfinden zum Beispiel. Blumig könnte zum Beispiel in rosig, weiss, herb,… unterkategorisiert sein, holzig in frisch, trocken, modrig, geölt, … rauchig beispielsweise in kalt, brennend, medizinisch, verkohlt, …

Weiterhin passiert es nach meiner Beobachtung sehr häufig, dass Weihrauch als rauchig eingeordnet wird, wobei es eigentlich ein Harz ist und meist auch genau so in den Kompositionen präsentiert wird.

Und wenn wir schon dabei sind, wäre es nicht spannend, es gäbe Bestenlisten für die einzelnen Duftfamilien? Einen nicht unerheblichen Teil der aktuell bei ‚Rauchige Parfums‘ angezeigten Düfte habe ich nämlich entweder oder zumindest ausprobiert. Teilweise bin ich auch dort bei der Einschätzung nicht bei einer rauchigen Wahrnehmung. Aber immerhin steht einer meiner Favoriten und vermutlich mein erster rauchiger Duft überhaupt, nämlich Bois d'AscèseBois d'Ascèse, an erster Stelle. Und auch "Join The Club - Don | XerJoff" ist dabei, den ich gern ausprobieren wollte, als ich mal versuchte, die Xerjoff-Fans zu verstehen. Egal wie unterschiedlich die Auftakte der Düfte sein mögen, insgesamt sind mir deren Kompositionen dann doch zu süss und cremig und einfach. Don war leider nicht da, aber aus meiner Erfahrung tu ich mich schwer zu glauben, dass er wirklich rauchig ist. Prove me wrong, Community!

Was ist die Lösung?

Um ehrlich zu sein habe ich zwei Wünsche. Zum einen eine differenziertere Einordnung der Duftnoten, in welcher Form sei erst mal dahingestellt und ist vermutlich mit viel mehr Aufwand verbunden, als ich es mir gerade vorstelle. Zum anderen hoffe ich, mit diesem Text ein paar Leute angesprochen zu haben, mit denen man sich konkret über dieses Thema austauschen kann. Weil ich das Forum auch eher ungern nutze - schon gar nicht, um konkret nach Leuten oder Düften zu suchen - wird es vielleicht so etwas.

Klar habe ich mittlerweile eine recht grosse Zahl an rauchigen Düften da, das soll das Problem nicht sein, nur wenn bei einem Replica - By the FireplaceReplica - By the Fireplace oder Interlude Black IrisInterlude Black Iris schon einige vor Rauch Fluchtreflexe haben,…

Also tretet gern mit mir in Kontakt, wenn ihr es auch rauchig und schwer mögt.

Was zuletzt geschah

In jüngster Vergangenheit habe ich mich dann doch wieder an eine neue Marke getraut. Und vielleicht die nächste Offenbarung gefunden. Filippo Sorcinelli, toller Duftkünstler muss ich ihm bisher attestieren. Selbst seine nicht rauchigen oder harzigen Kompositionen sagen mir zu. Zuvor vervollständigte ich meine Sammlung an Beaufort. Auch wunderbare Werke, bei denen mir ebenso die nicht-rauchigen Kompositionen ebenso zusagen. Ob es so ist, dass mir die vergleichsweise ‚üblichen‘ Kompositionen aus Häusern, die sonst für sehr aussergewöhnliche Kompositionen bekannt sind, mir eher gefallen? Wer weiss. Ich hab auf jeden Fall eine ganze Menge Lust auf Sorcinellis Kompositionen bekommen und will mehr davon.

Aktualisiert am 24.07.2022 - 14:54 Uhr
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