Sweetscent

Sweetscent

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11 - 15 von 17
Sweetscent vor 6 Jahren 7 3
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7
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Duft
Blauer Montag
Es hätte so schön sein können:
Sizilianische Limetten auf grobkörnigem Meersalz, ein kühlender Abendwind von der Küste am Ende eines flirrend heißen Tages...ein Traum vom Süden, ertränkt in Margaritas.

Die Hoffnung bleibt nach dem Aufsprühen noch für kurze Zeit am Leben – eine Kopfnote mehr, die die Sinne anregt und ein anerkennendes Nicken für die kreative Idee hervorbringt - bevor sich die synthetische Enttäuschung schnell und unnachgiebig in den Vordergrund drängelt. Statt in frisch-herber Sommerlichkeit versinke ich bis zum Hals in dem Schrecken, der auf den Rufnamen Ambroxan hört. Zur Seite stehen diesem primären Antagonisten eine Prise Gewürz und eine handvoll Aquatik, welcher man ihre immanente Synthetik natürlich nicht vorwerfen kann, die in diesem Fall aber auch nicht hilft.
Zur Hilfe eilende Helden? Leider keine. Laut Hersteller sollen drei Pfund echte Früchte enthalten sein. Ob das verhältnismäßig viel oder wenig ist, vermag ich gerade nicht einzuschätzen, aber zumindest etwas davon riechen zu können, hätte ich mir gewünscht.

Es bleibt eine Mischung aus Shelter Island, Molecule 01 und AdG Profumo. Nicht meins.
So zerplatzen Träume auf italienischen Mittelmeerinseln.

Und dabei hatte ich doch schon den passenden Soundtrack zum Konzept aufgelegt.
Mary Roos besang 1970 in ihrer charmant-kitschig-deutschsprachigen Mas Que Nada-Version „Blauer Montag“ das Fazit zum Duft:

Blauer Montag, warum mußte dieser Sonntag enden?
Warum gehst Du fort zu einer Fremden?
Und mir bleibt nur die Samba.
3 Antworten
Sweetscent vor 6 Jahren 4 1
8
Flakon
7
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10
Haltbarkeit
7
Duft
Wiedersehen mit Brideshead
Evelyn Waughs Roman "Wiedersehen mit Brideshead" schildert die Aufsteigergeschichte des jungen Charles Ryder im England zwischen den Weltkriegen und fängt den letzten Glanz der untergehenden Aristokratie, der großen Landhäuser und des Dandytums ein.
Waugh stand mit seinem Werk - zusammen mit seinem amerikanischen Pendant F. Scott Fitzgerald - sicherlich Pate für diesen Imaginary Authors Duft.

Der erfundene Autor, der die inspirierende Rahmengeschichte zum Parfüm liefert, trägt den Namen Claude LeCoq und sein Roman "The Soft Lawn" spielt wie diejenigen Waughs in der Upper-Class der 20er Jahre, und wer einmal Waugh oder Fitzgerald gelesen hat, sieht direkt das Panorama der Snobs und Dandys vor sich, das hier olfaktorisch gezeichnet werden soll.
Der frisch getrimmte englische Rasen, die Kieswege vor dem üppigen Landhaus, die noblen Empfänge, die Lindenblüten und die Orchideen im Knopfloch.
Ein ergiebiges und reizvolles Thema für einen Konzeptduft - aber ist Josh Meyer ihm gewachsen? Jein, würde meine Antwort lauten.
Der erste Eindruck ist durchaus passend: es grünt sehr grün vor sich hin und die augenzwinkernde Tennisball-Note ist absolut nachvollziehbar, denn das Grün ist nicht unbedingt rein natürlicher, botanischer Natur sondern synthetisch bis gummiartig, was durchaus seinen Reiz haben kann.
Ich rieche außerdem Dill heraus, obwohl das in den Notenangaben nicht erwähnt wird und die von meinen Vorrednern beobachtete Gurkennote leuchtet mir ein. Trotzdem geht diesem Duft jegliche essbare Qualität völlig ab, ich würde ihn neben dem grün-synthetischen Aspekt am ehesten noch als aquatisch bezeichnen.
Der Verlauf ist ziemlich linear, höchstens der Vetiver schält sich gegen Ende deutlicher hervor.

Leider bleibt es einmal mehr bei dem für mich ernüchternden Imaginary-Authors-Problem hängen: es fehlt die Eleganz, die Leichtigkeit - das handwerkliche Können, das neben der Kreativität eben auch nötig wäre um ein wirklich überzeugendes Werk zu schaffen.

Würde Charles Ryder aus "Wiedersehen mit Brideshead" The Soft Lawn tragen?
Ich kann es mir nicht vorstellen. Zu ungelenk, zu viel fiese Gummi-Synthetik, zu plump im Auftreten - ein absolutes No-Go für den echten Dandy von Welt.
Auf der anderen Seite, wenn ich es mir recht überlege, passt dieser Duft dann wiederum doch zu ihm, denn Charles ist der Aufsteiger, der nie richtig Einlass findet in die Welt, die er so begehrt, bevölkert von anmutigen, schönen Menschen und die ihm am Ende trotz aller Bemühungen verschlossen bleibt, da er seine Wurzeln nicht verleugnen kann.
1 Antwort
Sweetscent vor 6 Jahren 7
0
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
3.5
Duft
Wer versucht es allen recht zu machen...
...der scheitert dabei nirgendwo so deutlich wie in der Kunst.
Und beim Durchlesen der Anpreisung des eigenen Duftes auf der Hersteller-Homepage schwant einem schon böses:

"Kopfnote: Frische, sonnige italienische Zitrone, dazu mit getrocknete Aprikosen. Abgerundet mit kostbarer Davana. Herznote: Edles Zedernholz in Verbindung mit würzige Glyzinie. Dazu ein Schuss maskuliner Rose, umrandet von honigartigem Labdanum. Basisnote: Kräftiger Amber-Accord zusammen mit natürlichem Ambra nach einem fliessenden Tropfen Schokolade. Gebettet auf kräftigem Moos, umgeben von Wildleder und als Höhepunkt mit leicht animalischem Adlerholz (oud) verfeinert."

Das Standardmenü für Unentschlossene. Nachtigall ick hör dir trapsen.
Da hat man sich wie es scheint im modernen Startup-Officespace zum Meeting getroffen und fleißig gebrainstormt:
"Was ist denn gerade in? Was tragen die jungen Männer heutzutage denn so?
Vielleicht etwas zitrisches zum Anfang? Ein bisschen Frucht hat noch nie geschadet. Zedernholz kommt auch immer gut. Wie wäre es mit etwas Amber, orientalisch gilt doch als chic. Plus ein bisschen Schokolade, gourmandiges ist nämlich auch in. Aber klassisch soll es ja trotzdem sein, nehmen wir doch noch Moos und Wildleder dazu.
Gut so?
STOP; Oud nicht vergessen, das ist der neueste Schrei aus Arabien.
Wunderbar, dann nichts wie ab ins Labor damit."

Dementsprechend riecht dieses Parfüm nach purem (synthetischem) Durchschnitt.
Wie ein computergenerierter Avatar aus statistischen Schnittmengen. Die Noten lassen sich nicht wirklich unterscheiden, es duftet einfach grob nach Herrenparfüm als solches, wie in der Umkleidekabine oder der Disco, wo sich alles vermischt. Klar, holzig-süße Ambra-Duftfamilie stimmt, aber sonst...
Er steht in der Allen-Gefallenwollenden-Undefinierbarkeits-Ecke neben D&G The One und Boss Bottled.
Aber die sind sogar günstiger.

P.S.: Ich möchte an dieser Stelle nicht noch einmal die alte Amber/Ambra-Kiste aufmachen, aber wenn ich auf der Herstellerseite etwas von "natürliche[m] Ambra" lese, werde ich ganz kribbelig.
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Sweetscent vor 6 Jahren 12 3
8
Flakon
5
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft
Wenn Frau Nelke mit Herrn Pfeffer…
...das Sakrament der Ehe vollzieht, kommt olfaktorisch gesehen ganz offensichtlich die Piment-Pflanze dabei heraus. Diese darf sowieso schon eher selten im Notenensemble mitspielen, hier bekommt sie nun sogar die Hauptrolle. Und was hat man sie doch unterschätzt, denkt man sich wenn man sie hier so ausgestellt sieht. Unterstützt und eingefasst von Veilchenblatt und Zimt kann sie eine gehörige Strahlkraft entfalten.
Die gängige Assoziation mit Weihnachten evoziert dieser Duft damit trotzdem ganz und gar nicht. Die Earl Grey-Note versetzt uns eher an die Nordseeküste an einem heiteren Tag im Herbst.

Es ist ein zurückhaltendes Werk, würzig ohne süß zu sein, frisch ohne duschgelartig zu sein, männlich ohne es unter Beweis stellen zu müssen.
Es ist spritzig, würzig, prickelnd frisch - von einem Duftverlauf kann man nicht wirklich reden.
Klar, die Frische geht nach und nach etwas zu Gunsten der sanften Hölzer und des Tees zurück, aber der Charakter bleibt der gleiche.
So weit so gut, und doch lauert im Untergrund etwas permanent bohrendes, eine schmal herausstechende Aromachemikalie, die mir das Tragen irgendwann verleidet. Siehe dazu Catch22s Kommentar unten. In einem anderen Zusammenhang wurde mal von einem olfaktorischen Sinuston gesprochen und dieses Bild kommt mir hier auch in den Sinn. Irgendwann fühle ich mich als Träger nicht mehr wohl in meiner Haut.
Es bleibt also auf der einen Seite die Anerkennung für diese innovative und ansprechende Komposition und auf der anderen Seite dieser Störfaktor, von dem ich mir aber sicher bin, dass die Wahrnehmung von Person zu Person stark schwankt. Eine uneingeschränkte Testempfehlung daher auf jeden Fall.
3 Antworten
Sweetscent vor 6 Jahren 8 2
8
Flakon
4
Sillage
5
Haltbarkeit
7
Duft
Inkognito-Flanker: Pamplemousse de Terre d'Hermès
Es gibt für mich kaum ein abtörnenderes Prädikat für ein Parfum als "Büroduft". Und auf kaum eines trifft dies für mich mehr zu als auf Terre d'Hermès, den großen Bruder von Eau de Pamplemousse Rose. Ein für sich genommen unglaublich schöner Duft, der leider von einer Heerschar Anzugträger zu Tode geritten wurde, so dass ich seine raue erdige Ausstrahlung nicht mehr ohne diese Assoziation genießen kann.
Und die Ähnlichkeit in der Grundfarbe von Eau de Pamplemousse Rose ist für mich so frappierend, dass es mir fast ein bisschen den Spaß an diesem eigentlich schönen, spritzig-fruchtig-herben Duft verdirbt.

Der Auftakt ist wunderbar zitrisch, eine überlebensgroße Grapefruit lacht einem ins Gesicht.
Klar, durchsichtig, grazil, wie man es von Ellena gewohnt ist. Dieser sprudelnde frische Anfang ist dann aber leider schon der Höhepunkt, denn danach schält sich die Rose immer mehr hervor und dazu kommt die typische TdH-DNA zum Vorschein. Etwas weniger hölzern und dafür etwas fruchtiger als im Original.
Außerdem verliert der Duft nun etwas von seiner Natürlichkeit und die Kunst-Maxime Ellenas, mit einer vergleichsweise sehr beschränkten Palette von Synthetikstoffen zu zeichnen, zeigt sich nicht unbedingt von ihrer besten Seite.

Trotzdem muss ich sagen, dass das Fazit nicht so schlecht ist wie man nun vermuten würde: ein durchaus schöner, frischer Sommerduft, passender- und ehrlicherweise als "Cologne" bezeichnet (die Haltbarkeit geht dafür in Ordnung) und durchaus eine gelungene Erfrischung.
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