Ttfortwo

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11 - 15 von 89
Ttfortwo vor 3 Jahren 36 23
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft
Subtil, sexy, erwachsen
Ach, was für ein wunderbarer Duft, ein Fest für meine Nase und eine wehmütige Erinnerung an Zeiten, als Düfte noch das Ideal einer ebenso selbstbewußten wie selbstbestimmten, ernsthaften und erwachsenen Frau zeichneten und nicht das eines verzuckerten, ichbezogenen und ewig kindlich bleiben wollenden Mädchens.

Wie ganz viele Düfte aus dieser Periode entfaltet sich zunächst eine krautgrüne Note mit kleiner Kante, reserviert, nicht allzu frisch, ein Hauch zartbitterer Melancholie schwingt mit. Dazu das kühle Funkeln einer kristallklaren Hyazinthe und ein zarter Hauch Würze. Das ist schön und eigen und ein winziges bißchen nostalgisch auch, auf die zeitlose Art alterloser Klassiker.

Die Kopfnote erweist sich übrigens zunächst als unerwartet leise, ich habe, was ich sonst nicht machen würde, zweimal nachgesprüht, um sie überhaupt etwas detaillierter wahrnehmen zu können.

Übergang zur Herznote, ich notiere: „Klarglasblüten“, ohne erwähnenswerte Süße erblüht jetzt ein dichter, engmaschig gewebter Blütenteppich. Nicht unfreundlich, dennoch reserviert, aber er läßt ahnen, daß sich da noch etwas entwickeln könnte, denn er wird etwas weicher, die Andeutung eines Lächelns sozusagen. Gleichzeitig scheint er an Projektion zuzunehmen: Ich kann ihn jetzt auch an mir erfassen, ohne das Handgelenk direkt an die Nase führen zu müssen, wer hätte das gedacht?

Ganz langsam verändert der Duft sich weiter, nach vielleicht eineinhalb Stunden ist jetzt auch ein Hauch von Süße da, mit spitzesten Fingern dosiert, dazu eine zarte Cremigkeit: Der Duft lächelt jetzt wirklich und ich könnte schwören, daß er kleine Lachfältchen um die Augen hat.

Schon bis dahin hat mir der Duft sehr gut gefallen (so sehr übrigens, daß ich schon mal in die Bucht geschaut habe) aber dann passiert es, das Unerwartete, it’s magic: Megara beginnt zu gurren. Was für eine einhüllende, einnehmende Basisnote! Ein weicher, sinnlicher, zartsüßer Hautduft mit sanfter Honigwürze, samtigem Moschus (mit altgoldenem Schimmer) und einer betörenden Sandelholznote. Ich bin begeistert und möchte mich an dieser Stelle bei Sebastian für die mehr als großzügige Probe von ganzem Herzen bedanken.

Ich empfinde Megara als hervorragend ausbalanciert, subtil, schwebend, mit feinstem Maschenbild, kontrolliert, eher zurückgenommen und dennoch entspannt selbstbewußt. In jeder Phase. Diese entspannte Selbstverständlichkeit macht ihn überaus elegant und unangestrengt, er würde einfach immer passen: Bei einem geschäftlichen Einsatz ebenso wie im Theater und beim sonntäglichen Spaziergang. Und ganz besonders bei einem Date (hier aufs Timing achten).

23 Antworten
Ttfortwo vor 3 Jahren 28 23
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Toledo? Oder doch eher Islay?
Lehmann läßt es ja hin und wieder richtig krachen bei seinen Kopfnoten.

Der Duft "Oud " z.B. wühlt sich erst durch ein Bett aus biestiger Teebaumwürze, bevor er freundlich und warm, ja, richtig muggelig wird. Der Lehmannsche Sandel wartet mit einer prominenten Wick-Vaporub-Kopfnote auf, Lehmanns Klassiker "Verité " läßt den geneigten Riecher erst einige Zeit im Hinterzimmer einer Apotheke verweilen, bevor er sich zu einem luxuriösen Vanille-Patchouli-Orientalen verbreitert.

Die Kopfnote von Toledo steht seinen Vorgängern um nichts nach: Bitteres Kraut mit trockener, deutlich medizinischer Würze und einer erkennbar ätherischen Note (ich tippe mal auf Anis und Eukalyptus), mit allerhöchstens mittelpräsenten zitrischen Einsprengseln. Keine Zitrone, das erhellende, frische, gesunde einer Zitrone fehlt völlig, es sind eher bittere, getrocknete, knorrige Zitrusnoten.

Das Ganze mischt sich in meiner Nase zu einer ganz eigenen, eigenartigen, scharfen und verwirrenden Mischung – es duftet nach schottischen Malts und zwar nach den ganz speziellen, wie sie auf Islay produziert werden. Ich rieche Anklänge von Mullbinde, von Heftpflasterklebe und von Huf-Teer . Das klingt schlimm, ich weiß, aber so ist es nicht (dies für alle, die jetzt eigentlich schon raus sind, aus der Nummer: Bleibt hier, der Duft ist toll, versprochen). Denn da balanciert gekonnt eine hintergründige Malz-Süße und feine pudrige, zartgrüne Farntöne und auch jetzt schon dieser Hauch von sehr weichem Leder, der während der ganzen Verweildauer nicht mehr ganz verschwinden wird.

Lehmann hat erkennbar keinen Duft mit einfachem Einstieg schaffen wollen, er hat eine wehrhafte Mauer mit einem schweren Tor vor dem Alcázar – oder von mir auch aus dem Castillo de Guardamur - verbaut. Das Tor öffnet sich nur in Zeitlupe, die Kopfnote scheint sich lange nicht zu verändern.

Aber natürlich tut sie es doch, Lehmann kriegt doch noch die Kurve zur namensgebenden Stadt, ganz allmählich wird der Duft wärmer, knochentrocken freilich immer, mit vanilligem Süßkram zum Besänftigen. Etwas Kakao vielleicht, staubtrocken und pudrig, und eine pikante, nasenkitzelnde Note, pfeffrig. Und immer dieser Hauch von weichem Leder.

Blumige Noten kann ich nicht erkennen, Heliotrop halte ich natürlich für sehr gut möglich, lasse ihn aber - wegen seiner hauptsächlich vanilligen Anmutung - nicht als Blüte gelten.

Diese Herznote gefällt mir außerordentlich. Sie ist vanillig, warm, trocken, zartwürzig und dunkel abgetönt. Zartsüß. Dicht und stoffig. Erdverbunden, ein bißchen melancholisch darüber hinaus, ja fast schwerblütig, ohne indes matt oder gar dumpf zu sein. Ich würde sie auch in Toledo tragen – selbst im Hochsommer.

Die Haltbarkeit ist lehmanntypisch, also bemerkenswert – sogar auf meiner Duftfresserhaut hält Toledo mehr als acht Stunden durch, auf dem Pullover bis zum nächsten Tag.

Auch lehmanntypisch ist, daß sich der Duft ab der vollen Entfaltung der Herznote kaum noch verändert. Sandelholznoten schieben sich später etwas mehr in den Vordergrund – ansonsten aber verdämmert Toledo einfach.

Lehmanns Düfte sind fast immer ein wenig rau, mehr Norwegerpulli als Cashmererolli, sie sind oft kantig und manchmal etwas abweisend. Und doch entwickeln sich ganz viele all ihren Eigenwilligkeiten zum Trotz zu ganz großem Duftkino und - bis auf ganz wenige Ausnahmen - durchwegs von Frauen wie Männern gleichermaßen gut tragbaren Düften mit eher klassisch ausgerichteter Duftsignatur. Genauso ist Toledo.

Ab seiner Mittagsstunde erinnert mich Toledo übrigens sehr an Verité. In den nächsten Tagen will ich beide gegeneinander tragen und mal schauen, ob das überhaupt stimmen kann. Ich werde berichten.
23 Antworten
Ttfortwo vor 3 Jahren 34 22
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Beziehungsstatus: Es ist schwierig.
Angeregt durch Sniffsniffs lesenswerten Kommentar habe ich angefangen, über Kismet nachzudenken und darüber, warum ich ihn nicht trage, obwohl ich ihn wirklich schön finde, sehr schön sogar.

Gut, ich trage auch Shalimar nicht, jedenfalls nicht in dem eigentlichen Sinne, also „auftragen und raus auf die Straße“. Aber im Homeoffice zum Beispiel, da trage ich das Extrait immer wieder mal als emotionale Stütze und zur Erhaltung der Moral, denn ich finde, daß Shalimar anspruchsvoll und kantig ist und wach beobachtet werden will und daher meine geistigen Aktivitätslinien schön weit oben hält.

Warum ich auf Shalimar komme: Weil Kismet mir immer noch – egal, wie sehr das in den Duftzwillingangaben abgestritten wird - wie die wohlerzogene Halbschwester der rauchenden und knurrenden Guerlain-Alten vorkommt.

Kismet ist rund, weich und viel sanfter und ganz sicher keine Wiederauflage des alten Kismet-Duftes, sondern eine Interpretation der alten Vorlage mit modernen Mitteln und das wiederum bringt mich zu meinem Kismet-Dilemma.

Die Idee „Kismet“ duftet nämlich deutlich älter als es die Ausführung ist, sie (die Idee) hat eigentlich eine unverkennbare Vintage-Signatur. Einige Statements zielen auch ganz unmißverständlich in diese Richtung. Aber: Der Ausführung fehlt ein ganz wichtiger Teil dessen, was für mich einen echten Vintage-Oriental ausmacht, unter anderem das Viechzeuchs nämlich. Das hintergründige, bisweilen zart grimmige und kantige. Kismet ist federleicht und wunderschön, aber er geht auch keinerlei Risiko ein, jeder wird ihn lieben, so bezaubernd zitronenvanilletörtchenfluffig, wie er daherduftet. Man könnte eben auch sagen, er sei halt ein bißchen langweilig.

Darüber hinaus hält er auf meiner Haut leider enttäuschend kurz. Nun, daran ist auch meine Duftfresserhaut schuld.

Auf Kleidung hält Kismet ebenfalls nicht für alle Zeiten, aber deutlich länger, nur wird dann die hübsche zitrische Kopfnote fast vollständig übersprungen, ebenso die meisten floralen Aspekte und es etabliert sich sehr, sehr schnell ein mattpudriger, vanilliger Duftschleier, da dann langanhaltend, aber ohne allzu großen Wiedererkennungs- oder Alleinstellungswert.

Sie funktioniert nicht, die Beziehung „ Kismet und ich“, jedenfalls nicht ausreichend überzeugend, das ist wie meine Beziehung zu alkoholfreiem Sekt oder (viel schlimmer) alkoholfreien Gin-Surrogaten. Auch da lasse ich es lieber ganz.

Nun ist Kismet ja relativ teuer, daher will ich ihn auch nicht „so nebenbei“ auftragen. Für die großen Momente ist für mich aber viel zu wenig Feuerwerk.
22 Antworten
Ttfortwo vor 3 Jahren 33 15
Zart bis zur Selbstaufgabe
Ja, man kann Rum/Benzoe/Vanille so interpretieren. Selbstverständlich kann man das. So zart, so schwebend, spinnwebluftig verblasen, so mohnblütenblättertaftgefältelt, kann man.

Aber was dann?

Dark Vanilla ist so sublim, daß von der Idee Rum/Benzoe/Vanille fast nichts übrig bleibt. Ich zog in Erwägung, daß ich, daß meine Nase für diese Zierlichkeit einfach zu grob ist, und ganz sicher ist das auch ein vermutlich nicht geringer Teil des Problems.

Ein anderer Teil ist aber, daß ich schon bei vielen Urban Scents-Düften das (zugegeben einigermaßen absurde) Gefühl hatte, die Beschreibung eines Duftes und nicht den Duft an sich zu erleben. Hauchzart, sensibel und detailliert beschrieben, wundervolle leise Worte perlen und verklingen und in meinem Kopf ensteht ein blaszartes Aquarell, sachte hingetuscht, feinste Farb- und Duftnuancen fügen sich. Marie le Febvre erzählt mir mit ihren Kunstwerken, wie Düfte riechen könnten. So, wie mir ein japanisches Aquarell zeigt, wie ein Bambusgarten aussehen könnte. Oder wie die Melodie des Sibelius’schen traurigen Walzers, die dem Wesen der Trauer einen Klang zu verleihen vermag. So schön, ergreifend, berührend das alles auch sein mag: Ich sitze nicht im Bambusgarten, ich bin nicht traurig, und ich rieche nur die Idee eines Duftes.

Das funktionierte für mich bei einigen getesteten Düften von Urban Scents, bei Gunpowder Cologne, bei Sensual Blend, bei Desert Rose, also bei den zarteren, den zierlicheren Gewächsen. Das hat sogar bei Singular Oud noch einigermaßen funktioniert.

Es funktioniert aber nicht bei Dark Vanilla, mit Noten wie Kanonenkugeln: Rum, Vanille, Heliotrop, Benzoe. Wenn die nur im Spiegel auftreten dürfen, was bleibt dann noch? Ein geflüsterter Schrei, die Fanfare von Beethovens Fünfter – gesummt.

Dabei ist auch dieser richtig gut gemacht: Großartig, wie die donnernde Kopfnote mittels ausgerechnet eines Tackens Kampfer zum Licht gehoben, durchlässig, transparent und zum Schweben gebracht wird.

Aber dann verliere ich den Zugang zu dem Duft. Wirklich riechen kann ich nur noch zartes vanilliges Wenig, gerade ausreichend, um Erinnerungen zu wecken, Erinnerungen an Vanille, Erinnerungen an Benzoe. Auch an Rotbusch, die Idee des holzig-staubigen Dufts von Rotbusch entsteht in meinem Kopf und ich kann mir auch sehr gut vorstellen, wie Rotbusch in dem Dark-Vanilla-Duftgefüge riechen könnte, riechen wird, riechen MUSS - aber ich rieche ihn nicht. Es ist kompliziert. Und verunsichernd.

Ein Satz aber noch zur einer möglichen Bewertung. Dark Vanilla und ich, wir fremdeln so sehr, daß ich mich nicht zu einer fairen Bewertung instande sehe, auch, weil ich keine Angsthasen-Acht setzen möchte. Sillage und Projektion sind in den ersten Minuten fulminant, lassen aber dann so schnell nach, daß eine Sieben noch geschmeichelt wäre. Haltbarkeit? Die Idee des Duftes, die Vanille, die vergräbt sich tatsächlich über längere Zeit in meiner Haut, in der Kleidung, eine Acht wäre angebracht.

Aber ich lasse es lieber.


15 Antworten
Ttfortwo vor 3 Jahren 24 19
8
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft
Schwerelose Dunkelheit
Eine eigenwillige Mischung ist das.

Mein erster Gedanke war: Überraschend blumig – woher nur?

Ein paar wenige Sekunden bleibt dieser Eindruck einer transparenten Blumigkeit, dann beginnt sich der Duft auszudehnen und wird dunkel, dabei aber kühl, fast ein wenig minzig. Keine Sommerdrinkminzigkeit, eher die ätherische krautige Kühle von Hustensirup. Viele braune Assoziationen: Medizin. Werkstatt mit Holzschnitt. Ballistol. Nadelbaum. Bohnerwachs. Pfeffer.

Der trägt ein Holzfällerhemd, der Duft, ganz sicher, aus kariertem Flanell und er kommt gerade von der Waldarbeit. Da ist Erde an seinen Stiefeln und Nadelbaumharz an seinen Händen und Haaren und er hat den ganzen Tag gearbeitet, er hat Maschinen geölt und wieder eingerichtet und eine zarte frische Schweißnote begleitet ihn. Nicht unangenehm, aber durchaus körperlich. Später kommt Weihrauch dazu und eine fast süßliche zarte Grasnote, vielleicht ist es die grüne Feige, die ich ansonsten nicht erkennen könnte. Und wenn, dann eher Feigenblatt als die Frucht.

Die mehrfach erwähnten Lederassoziationen kann ich nicht nachvollziehen, oder – halt! – vielleicht doch ein bißchen und zwar in Form von Lederpflege.

Was mir an Marie Urban-Le Febvres Düften imponiert, als Gemeinsamkeit, als Handschrift sozusagen, ist ihre Transparenz. Sie sind schwere- und mühelos und alle sind sehr schlank.

Auch Singular Oud ist das. Keine zentnerschwere Bank, kein Monolith von einem Duft, sondern leicht und schwebend und fein gewebt und insofern ist er – obwohl dunkel und menschelnd - ein ausgesprochen moderner, ein städtischer Duft.

Das muß man mit einem Oudisten erst mal so hinkriegen, deshalb hat er meine Bewunderung gewonnen. Auch wenn er mein Herz nicht erreicht hat.

Zuguterletzt: Einhergehend mit der filigranen Aussage ist die Sillage moderat, die Projektion ebenso und die Haltbarkeit auch auf Stoff – leider – eher mau. Das ist dann doch schade.
19 Antworten
11 - 15 von 89