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Top Rezension
Winnetou III
In meiner Kindheit geschah etwas ganz Schreckliches: Winnetou starb, und zwar im berüchtigten dritten Teil der Filmstaffel (bekannt als Winnetou III). Winnetou wirft sich in einem Gefecht mit dem Schurken Rollins vor seinen Freund und Blutsbruder Old Shatterhand und wird von einer Kugel getroffen. Er hört Glocken läuten, fühlt sich als Christ und haucht seinen Geist aus. Wie auch immer man den theologischen Hintergrund dieser Szene deuten mag, die gefühlte Tragik war unbeschreiblich und wahrscheinlich habe ich mich nie wieder ganz von diesem Verlust erholt. Natürlich kann man im Zeitalter von Downloads und DVD‘s die Filme immer wieder schauen und sich Winnetou immer wieder ins heimische Wohnzimmer holen, aber das ist natürlich nicht dasselbe. Winnetou ist tot, unwiederbringlich verloren, von dieser Erde getilgt.
Betrachtet man die Gestalt Winnetous aus einem intellektuellen Blickwinkel, dann mag auffallen, dass Winnetou eine Erlösergestalt ist, dabei Jesus recht ähnlich. Er bringt Frieden und Versöhnung, stellt sich gegen diejenigen, die mit Gewalt herrschen wollen und bezahlt dafür mit seinem Leben. Sicherlich ist Winnetou nicht so pazifistisch gesinnt wie Jesus, immerhin greift er ja gelegentlich auch zu seiner berühmten Silberbüchse. Letztlich hat man als Zuschauer (oder Leser) aber immer das Gefühl, dass es sich um einen Akt der Notwehr handelt. Und dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack, weil etwas rückhaltlos verloren ist, weil ein Held, vielleicht der Held meiner und eurer Kindertage, starb und ins Dunkel verschwand.
Mit Patou pour Homme geht es mir ganz ähnlich. Für viele offenbar der Heilige Gral der Düfte ist es eine Legende, die ebenso unwiederbringlich verloren zu sein scheint wie mancher verstorbene Held. Patou hat nie auch nur den Versuch unternommen, diesen Duft am Leben zu erhalten oder wieder zu beleben, einen ähnlichen zu lancieren oder eine Reformulierung anzukündigen. Das ist der Stoff, aus dem wahre Legenden sind.
Die Gründe sind sicherlich vielschichtig: Einerseits kann man vermuten, dass Patou pour Homme den einen oder anderen bösen, allergieauslösenden Wirkstoff enthielt, wie so viele andere Düfte, die das zeitliche segnen mussten. Denkbar wäre auch, dass Patou pour Homme im Grunde auch nicht mehr konkurrenzfähig wäre, da es ein schwerer Duft ist, ein Kind der frühen 80er und überdies ein Duft, dem die zitrische, frische Kopfnote weitgehend fehlt, also die Mindestvoraussetzung, um heute auf dem Markt bestehen zu können.
Wer ganz genau prüft, kann allerdings feststellen, dass der Duft zu Beginn auch eine helle Komponente entwickelt; vermutlich ist dies der Lavendel, der dafür sorgt, dass der Duft den Träger (oder die Trägerin) nicht gleich mit voller Wucht erschlägt. Eine scharfe und damit den dominierend weichen Tönen gegenüberstehende Note könnte auch von der in der Duftpyramide angegebenen Tanne (oder einem anderen Nadelgehölz) herrühren, die man vielleicht doch noch aus diesem Gesamtkunstwerk heraus riechen kann.
Für mich ist jedoch in diesem Duft die Ledernote so dominant, dass sie alles andere überlagert. Ursache könnte der angenehm animalische Unterton sein, der vermutlich vom Zibet herrührt, dem eine solche Eigenschaft eigen zu sein scheint, und das sich vermutlich mit der Vanille und der Tonkabohne zu diesem warmen, strahlenden Ton verbindet.
Bei nahezu allen anderen Noten, die in der Pyramide angegeben oder von meinen Vorrednern benannt wurden, bin ich überfragt: Ist es drin - oder nicht? Kann ich es riechen - oder geht es in der Gesamtkomposition unter?
Wie stark das Gefühl des Verlustes ist, erweist sich an meiner persönlichen Geschichte mit Patou pour Homme: Als ich vor ca. 10 bis 15 Jahren das Sammeln von Düften ausweitete, orientierte ich mich stark am Duftatlas von Haarmann & Reimer. Diese Bibel der Duftliebhaber lag mir in der Auflage des Jahres 1989 vor, deckte als die Zeit vom Beginn der Duftaufzeichnung bis zum Ende der berüchtigten 80er Jahre ab. Dabei fiel mir Patou auf, weil seine Duftpyramide ein spannendes Erlebnis versprach und der Flakon außergewöhnlich und originell war. Schon bald wurde mir aber klar, dass der Duft selbst in den einschlägigen Internetforen nicht so leicht aufzutreiben war. Nach längerer Suche erstand ich schließlich vor ca. 10 Jahren eine Miniatur und einen deutlich mehr als halb vollen Eau de Toilette-Flakon. Seinerzeit noch zu einem recht günstigen Preis.
Inzwischen ist der Flakon fast ganz gelehrt, die Reste zur Sicherheit in eine neue, besser schließende Sprühflasche umgefüllt. Der Duft ist noch klar erkennbar, hat aber schon ein wenig den charakteristischen Cognacton angenommen, den Düfte ausprägen, bevor sie einige Zeit später endgültig kippen. Die Vorstellung entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass dieser wunderbare Duft bald aufgebraucht sein könnte, dass er bald für immer - und dann angesichts der aktuellen Preises für lächerliche Reste - wirklich für immer verschwunden sein könnte.
Winnetou III: Helden werden allzu oft zu Helden, weil sie sterben. Ist das vielleicht das Geheimnis der Legendenbildung bei Patou pour Homme?
Eine Anmerkung zum Schluss: Die spärlichen Reste liegen bei mir im Tresor und werden nicht mehr abgefüllt. Kein einziger Tropfen!
Betrachtet man die Gestalt Winnetous aus einem intellektuellen Blickwinkel, dann mag auffallen, dass Winnetou eine Erlösergestalt ist, dabei Jesus recht ähnlich. Er bringt Frieden und Versöhnung, stellt sich gegen diejenigen, die mit Gewalt herrschen wollen und bezahlt dafür mit seinem Leben. Sicherlich ist Winnetou nicht so pazifistisch gesinnt wie Jesus, immerhin greift er ja gelegentlich auch zu seiner berühmten Silberbüchse. Letztlich hat man als Zuschauer (oder Leser) aber immer das Gefühl, dass es sich um einen Akt der Notwehr handelt. Und dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack, weil etwas rückhaltlos verloren ist, weil ein Held, vielleicht der Held meiner und eurer Kindertage, starb und ins Dunkel verschwand.
Mit Patou pour Homme geht es mir ganz ähnlich. Für viele offenbar der Heilige Gral der Düfte ist es eine Legende, die ebenso unwiederbringlich verloren zu sein scheint wie mancher verstorbene Held. Patou hat nie auch nur den Versuch unternommen, diesen Duft am Leben zu erhalten oder wieder zu beleben, einen ähnlichen zu lancieren oder eine Reformulierung anzukündigen. Das ist der Stoff, aus dem wahre Legenden sind.
Die Gründe sind sicherlich vielschichtig: Einerseits kann man vermuten, dass Patou pour Homme den einen oder anderen bösen, allergieauslösenden Wirkstoff enthielt, wie so viele andere Düfte, die das zeitliche segnen mussten. Denkbar wäre auch, dass Patou pour Homme im Grunde auch nicht mehr konkurrenzfähig wäre, da es ein schwerer Duft ist, ein Kind der frühen 80er und überdies ein Duft, dem die zitrische, frische Kopfnote weitgehend fehlt, also die Mindestvoraussetzung, um heute auf dem Markt bestehen zu können.
Wer ganz genau prüft, kann allerdings feststellen, dass der Duft zu Beginn auch eine helle Komponente entwickelt; vermutlich ist dies der Lavendel, der dafür sorgt, dass der Duft den Träger (oder die Trägerin) nicht gleich mit voller Wucht erschlägt. Eine scharfe und damit den dominierend weichen Tönen gegenüberstehende Note könnte auch von der in der Duftpyramide angegebenen Tanne (oder einem anderen Nadelgehölz) herrühren, die man vielleicht doch noch aus diesem Gesamtkunstwerk heraus riechen kann.
Für mich ist jedoch in diesem Duft die Ledernote so dominant, dass sie alles andere überlagert. Ursache könnte der angenehm animalische Unterton sein, der vermutlich vom Zibet herrührt, dem eine solche Eigenschaft eigen zu sein scheint, und das sich vermutlich mit der Vanille und der Tonkabohne zu diesem warmen, strahlenden Ton verbindet.
Bei nahezu allen anderen Noten, die in der Pyramide angegeben oder von meinen Vorrednern benannt wurden, bin ich überfragt: Ist es drin - oder nicht? Kann ich es riechen - oder geht es in der Gesamtkomposition unter?
Wie stark das Gefühl des Verlustes ist, erweist sich an meiner persönlichen Geschichte mit Patou pour Homme: Als ich vor ca. 10 bis 15 Jahren das Sammeln von Düften ausweitete, orientierte ich mich stark am Duftatlas von Haarmann & Reimer. Diese Bibel der Duftliebhaber lag mir in der Auflage des Jahres 1989 vor, deckte als die Zeit vom Beginn der Duftaufzeichnung bis zum Ende der berüchtigten 80er Jahre ab. Dabei fiel mir Patou auf, weil seine Duftpyramide ein spannendes Erlebnis versprach und der Flakon außergewöhnlich und originell war. Schon bald wurde mir aber klar, dass der Duft selbst in den einschlägigen Internetforen nicht so leicht aufzutreiben war. Nach längerer Suche erstand ich schließlich vor ca. 10 Jahren eine Miniatur und einen deutlich mehr als halb vollen Eau de Toilette-Flakon. Seinerzeit noch zu einem recht günstigen Preis.
Inzwischen ist der Flakon fast ganz gelehrt, die Reste zur Sicherheit in eine neue, besser schließende Sprühflasche umgefüllt. Der Duft ist noch klar erkennbar, hat aber schon ein wenig den charakteristischen Cognacton angenommen, den Düfte ausprägen, bevor sie einige Zeit später endgültig kippen. Die Vorstellung entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass dieser wunderbare Duft bald aufgebraucht sein könnte, dass er bald für immer - und dann angesichts der aktuellen Preises für lächerliche Reste - wirklich für immer verschwunden sein könnte.
Winnetou III: Helden werden allzu oft zu Helden, weil sie sterben. Ist das vielleicht das Geheimnis der Legendenbildung bei Patou pour Homme?
Eine Anmerkung zum Schluss: Die spärlichen Reste liegen bei mir im Tresor und werden nicht mehr abgefüllt. Kein einziger Tropfen!
16 Antworten


Fand die Bekehrungsnummer bei Winnetou schon als Kind widerlich, für mich hätte er der stolze Indianer mit seinem eigenem Glauben bleiben sollen. Aber geheult hab ich auch.